Das Buch der Geister
Enthaltend
DIE GRUNDSÄTZE DER SPIRITISTISCHEN LEHRE
ÜBER DIE UNSTERBLICHKEIT DER SEELE, DIE NATUR DER GEISTER UND IHRE BEZIEHUNGEN ZU DEN MENSCHEN,
DIE MORALISCHEN GESETZE, DAS GEGENWÄRTIGE UND DAS KÜNFTIGE LEBEN,
SOWIE DIE ZUKUNFT DER MENSCHHEIT
NACH DEM DURCH DIE HÖHEREN GEISTER MIT HILFE VERSCHIEDENER MEDIEN GEGEBENEN UNTERRICHT.
Gesammelt und geordnet
von Allan Kardec
Wir hatten in der ersten Auflage dieses Werkes darauf hingewiesen, dass eine Ergänzung zur 1. Ausgabe (1857) folgen würde. In dieser 2. Auflage (1860) würden nicht nur die Fragen, die in besagter Ausgabe aus Platzgründen nicht berücksichtigt werden konnten, erscheinen, sondern auch die, die aufgrund neuerer Erkenntnisse oder veränderter Umstände sich aufdrängen, in das Buch aufgenommen zu werden. Da diese Fragen mit denen in der vorangegangenen Ausgabe im Zusammenhang stehen und sich ergänzen, schien es uns wenig sinnvoll, sie in einem separaten Band herauszugeben. Deshalb haben wir es vorgezogen, eine neue Auflage des Buches abzuwarten, und den Stoff methodisch neu zu ordnen und gleichzeitig alle Wiederholungen wegzulassen.
Diese Neuauflage kann nicht als ein neues Werk betrachtet werden, da an ihren Prinzipien, mit wenigen Ausnahmen, welche eher Ergänzungen und Erklärungen als Änderungen sind, keine grossartigen Veränderungen vorgenommen wurden. Diese Übereinstimmung im Grundlegenden ist wegen der unterschiedlichen Herkunft der verschiedenen Quellen wichtig, damit die spiritistische Wissenschaft sich etablieren kann.
Aus den Briefen, die wir erhalten haben, geht klar hervor, dass die Mitteilungen, die in verschiedenen Orten durchgegeben wurden, übereinstimmend sind, wenn nicht in der Form, so doch nach ihrem Inhalt. Da dies noch vor der Herausgabe dieses Buches geschah, können wir sagen, dass unser Buch ihnen die Bestätigung ihrer Anstrengungen und eine würdige Gestalt ihrer Aussagen gab. Andererseits beweist uns die Geschichte, dass sich sowohl in der Antike, als auch in der Moderne bedeutende Männer zur Mehrheit dieser Prinzipien bekannten und sie anerkannten.
Der Unterricht über die eigentlichen Manifestationen und über die Medien bildet einen anderen Teil der Philosophie und könnte Bestand eines Sonderstudiums sein. Angesichts der be- trächtlichen Entwicklung dieses Teils der Philosophie und gestützt auf die von uns gesammelten Erfahrungen, haben wir es für sinnvoll erachtet, ein separates Buch mit allen Antworten auf diesbezügliche Fragen, also über Medien und Manifestationen, sowie mit Anmerkungen über die Praxis des Spiritismus, herauszugeben. Es soll eine Ergänzung oder Fortsetzung des Buches der Geister sein.
EINLEITUNG IN DAS STUDIUM DER SPIRITISTISCHEN LEHRE
I
Im engeren Sinn enthält das “Buch der Geister“ die spiritistsche Lehre; im Allgemeinen aber fußt es auf der spiritualistischen Lehre, die es in einer bestimmten Erscheinungsform zur Darstellung bringt. Aus diesem Grund führt es sich auf dem Titelblatt als “spiritualistische Philosophie“ ein.
II
Endlich ist nach Ansicht anderer, die Seele eine moralische Existenz, von der Materie unterschiedenes und unabhängiges Wesen, das nach dem Tod seine Individualität bewahrt. Diese Akzeptierung ist ohne Frage die generellste, weil sich die Idee von einem derartigen Wesen, welches den Körper überlebt, schon instinktiv und unabhängig von jeder Unterweisung bei allen Völkern vorzufinden ist, gleichgültig, auf welcher Bildungsstufe sie stehen. Diese Lehre, nach welcher die Seele Ursache und nicht Wirkung ist, ist die der Spiritualisten.
Ohne auf das Verdienstlichste dieser Ansichten hier weiter einzugehen, müssen wir unter ausschließlicher Berücksichtigung der linguistischen Seite des Gegenstandes bemerken, dass diese drei Anwendungen des Wortes Seele drei verschiedene Begriffe bezeichnen, die eigentlich je eine eigene Bezeichnung beanspruchen. Demnach hat das Wort eine dreifache Bedeutung und jeder hat von seinem Standpunkt aus mit der Definition, die er gibt, vollständig Recht. Der Irrtum liegt auf Seiten der Sprache, die hier für drei Begriffe nur ein Wort hat. Um jede Zweideutigkeit zu vermeiden, müsste man die Anwendung des Wortes Seele auf einen von diesen drei Begriffen beschränken; die Wahl ist gleichgültig, das Wesentliche ist, dass man sich versteht; es ist dies eine Sache der Übereinkunft. Wir halten es für das Logischste, das Wort in seiner gewöhnlichsten Bedeutung zu nehmen. Wir verstehen also unter Seele das immaterielle, individuelle Wesen, welches in uns wohnt und unseren Körper überlebt. Ja selbst wenn dieses Wesen nicht vorhanden, wenn es nur ein Produkt der Einbildungskraft wäre, so müsste man zu seiner Bezeichnung einen bestimmten Ausdruck haben.
In Ermangelung eines besonderen Wortes für einen jeden der beiden anderen Punkte nennen wir: Vitalprinzip oder Lebensprinzip, das Prinzip des materiellen und organischen Lebens, unabhängig seines Ursprungs, jenes Prinzip, welches allen lebenden Wesen von den Pflanzen bis zum Menschen herauf gemeinsam ist. Da in diesem Sinn Leben auch ohne Denkbefähigung vorhanden sein kann, so ist das Vitalprinzip etwas ganz Unabhängiges und nur für sich bestehendes. Das Wort Vitalität würde nicht genau dieselbe Vorstellung wiedergeben. Den einen gilt das Vitalprinzip für eine Eigenschaft der Materie, eine Wirkung, die hervorgebracht wird, wenn sich die Materie in bestimmten gegebenen Umständen befindet. Nach anderen und diese Idee ist die verbreitetere, beruht es auf einem speziellen, universell verbreiteten Fluidum, von welchem ein jedes Wesen während seines Lebens einen Teil in sich aufnimmt und sich assimiliert, so wie träge Körper Licht absorbieren. Dies wäre dann das Lebensfluid, welches nach Meinung einiger identisch sein soll mit dem belebten elektrischen Fluidum, das auch als magnetisches Fluidum, Nervenfluidum bezeichnet wird.
Wie dem auch sein mag, es ist eine unbestreitbare Tatsache weil das auf Beobachtung beruhend zeigt, dass die organischen Wesen in sich eine tiefinnerliche Kraft besitzen, welche, so lange sie vorhanden ist, das Lebensphänomen hervorbringt, dass das materielle Leben allen organischen Wesen gemeinsam und unabhängig von der Intelligenz und dem Denken ist; dass Intelligenz und Denken Fähigkeiten sind, die gewissen organischen Arten zukommen; und unter den mit Intelligenz und Denkfähigkeit begabten Arten, gibt es eine, die einen besonderen Sinn für Moral besitzt, die ihr eine unbestreitbare Überlegenheit über die anderen verleiht, es ist die Spezies „Mensch“.
Es ist begreiflich, dass bei Annahme einer mehrfachen Bedeutung die Seele weder den Materialismus noch den Pantheismus ausschließt. Der Spiritualist selbst kann sehr wohl „Seele“ nach einer der beiden ersten Definitionen auffassen, unbeschadet des besonderen immateriellen Wesens, dem er dann irgend einen Namen geben müsste. So ist denn dieses Wort keinesfalls der Repräsentant einer bestimmten Ansicht: vielmehr ist es ein Proteus, den jeder nach seiner Weise sich zurecht legt. Hier liegt die Quelle so vieler endloser Streitigkeiten.
Ebenso würde man Verwirrung vermeiden, wenn man bei der Anwendung des Wortes Seele in den drei genannten Fällen, wenigstens ein unterscheidendes Adjektivum hinzufügte, welches den Gesichtspunkt, unter dem man es ins Auge fasst oder die Anwendung, die man von ihm macht, speziell andeuten würde. Es wäre dann ein generelles Wort, das zugleich das Prinzip des materiellen Lebens, der Intelligenz und des moralischen Sinns bezeichnete und das man durch ein Attribut unterschiede, wie man z. B. die Gase unterscheidet, indem man die Worte Hydrogen- , Oxygen- oder Azot- hinzufügt. Demnach könnte man sagen – und es wäre dies vielleicht das Beste – Vitalseele, für das Prinzip des materiellen Lebens, Intellektseele für das Intelligenzprinzip und Geistseele für das Prinzip unserer Individualität nach dem Tod. Es ist dies alles, wie man sieht, eine Wortfrage, freilich eine für die Verständigung sehr wichtige Frage. Danach wäre die Vitalseele allen organischen Wesen gemeinsam: Pflanzen, Tieren, Menschen; die Intellektseele wäre Tieren und Menschen eigen, Geistseele würde nur den Menschen zu kommen.
Wir glaubten auf diese Erläuterungen ein um so größeres Gewicht legen zu müssen, als die spiritistische Lehre naturgemäß auf der Existenz eines in uns befindlichen, von der Materie unabhängigen und den Körper überlebenden Wesens beruht. Da das Wort Seele im Verlaufe dieses Werkes häufig genug vorkommem wird, war es von Wichtigkeit, den Sinn, welchen wir ihm unterlegen, genau zu definieren, um jedes Missverständnis zu vermeiden. Nun kommen wir zum Hauptgegenstand dieser vorläufigen Belehrung.
III
Vergegenwärtigen wir uns zuerst in aller Kürze die Reihenfolge der Erscheinungen, die dieser Lehre ihr Dasein gegeben haben.
Die erste beobachtete Tatsache war die, dass verschiedene Gegenstände in Bewegung gesetzt wurden. Der gewöhnliche Sprachgebrauch bezeichnet dieses Phänomen bekanntlich als Tischrücken. Diese Erscheinung, welche zuerst in Amerika beobachtet worden zu sein scheint oder richtiger gesagt, sich dort neuerdings wieder gezeigt hat, denn die Geschichte beweist, dass sie bis in das graueste Altertum zurückreicht. Sie war begleitet von merkwürdigen Umständen, wie z. B. ungewöhnlichen Geräuschen und Klopftönen ohne eine bekannte erkennbare Ursache. Von dort verbreitete sie sich rasch nach Europa und in anderen Welteilen; die Sache begegnete anfänglich großem Unglauben, aber der Umstand, dass die Vorkommnisse sich vervielfältigten, ließ bald an derer Tatsächlichkeit nicht weiter zweifeln.
Wäre dieses Phänomen auf die Bewegung materieller Körper beschränkt geblieben, so ließe es sich durch eine rein physische Ursache erklären. Wir sind weit davon entfernt, alle geheimen Wirkungskräfte der Natur oder alle Eigenschaften der uns bekannten Wirkungskräfte zu kennen. Übrigens vermehrt die Elektrizität täglich ins Unendliche die Hilfsmittel, die sie dem Menschen bietet und scheint die Wissenschaft in ein neues Licht stellen zu wollen. Es wäre also keineswegs unmöglich gewesen, dass die durch gewisse Umstände modifizierte Elektrizität oder sonst irgendeine Wirkungskraft die Ursache dieser Bewegung wäre. Indem die Vereinigung mehrerer Personen die Wirkungskraft zu mehren schien, fand diese Theorie auch darin eine Stütze: konnte man doch dieses Ensemble als eine Art von galvanischer Säule auffassen, deren Kraft zur Zahl der Elemente im Verhältnis steht.
Die Kreisbewegung bot nichts Absonderliches: sie liegt in der Natur. Alle Gestirne bewegen sich im Kreis; möglich also, dass wir hier im Kleinen einen Reflex der Allgemeinbewegung des Universums haben, oder richtiger gesagt, eine bis dahin unbekannte Ursache könnte ja gelegentlich und unter gegebenen Umständen im Kleinen einen Strom von der Art dessen hervorbringen, welche die Welten bewegt.
Freilich war die Bewegung nicht immer kreisförmig; oft war sie eine ruckartige, ungeordnete, der Gegenstand wurde heftig erschüttert, umgeworfen, nach irgend welcher Richtung gedrängt, ja sogar gegen alle Gesetze der Statik vom Erdboden erhoben und im Raum freischwebend erhalten. Doch findet sich auch in diesen Tatsachen nichts, das sich nicht durch die Einwirkung irgendeines unsichtbaren physischen Agens erklären ließe. Sehen wir nicht, wie die Elektrizität Gebäude umwirft, Bäume entwurzelt, die schwersten Körper fortschleudert, sie anzieht oder abstößt?
Die auffallenden Geräusche, die Klopfgeräusche konnten ja, vorausgesetzt, dass sie nicht etwa eine der gewöhnlichen Wirkungen der Ausdehnung der Materie oder sonst einer anderen zufälligen Ursache waren, ganz wohl durch Anhäufung des verborgenen Fluids hervorgebracht sein. Bringt die Elektrizität nicht die heftigsten Geräusche hervor?
Bis dahin beweg sich alles, wie man sieht, im Bereich rein physischer und physiologischer Tatsachen. Ohne dass man aus diesem Ideenkreis hervorzutreten brauchte, gab es da Stoff zu ernsten Studien, welche recht wohl die Aufmerksamkeit der gelehrten Welt verdienen. Warum ist dies nicht geschehen? Es ist peinlich, es sagen zu müssen: es liegt dies an Ursachen, die neben tausend ähnlichen Tatsachen einen Beweis für die Leichtfertigkeit des menschlichen Geistes erbringen. In erster Linie möchte wohl die Banalität des bei den ersten Experimenten benutzten Gegenstandes, der Tische, zur Erklärung herbeizuziehen sein. Hat nicht ein Wort bei den gewichtigsten Dingen oft den entscheidendsten Einfluss? Ohne dass man sich weiter darum bekümmerte, dass doch jeder Gegenstand in Bewegung versetzt werden konnte, drängte sich immer der Gedanke an die Tische auf, weil es der bequemste Gegenstand ist. Setzt man sich doch naturgemäßer um einen Tisch, und nicht um irgend welches andere Möbelstück. Nun sind aber gerade die höher veranlagten Menschen manchmal so kindisch, dass es gar nicht undenkbar wäre, dass gewisse ausgewählte Geister es unter ihrer Würde gehalten haben, sich mit dem zu beschäftigen, was man gemeinhin Tischrücken nennt. Ja es ist wahrscheinlich, dass, wenn das von Galvani beobachtete Phänomen zuerst von gewöhnlichen Leuten beobachtet und außerdem mit einem burlesken Namen bezeichnet worden wäre, die ganze Geschichte unter die Kategorie des groben Volksaberglaubens verwiesen worden wäre. Wir möchten doch einmal den Gelehrten sehen, der nicht einen schweren Abbruch an seiner Würde zu erfahren geglaubt hätte, wenn er sich mit dem Froschtanz hätte beschäftigen sollen.
Indessen haben sich doch einige Personen gefunden, die mit etwas mehr Bescheidenheit einräumten, dass möglicherweise die Natur ihnen gegenüber noch nicht ihr letztes Wort gesprochen hat und die darum zur Beruhigung ihres Gewissens sich die Sache näher ansehen wollten. Da hat es sich denn gezeigt, dass das Phänomen nicht immer ihrer Erwartung entsprochen hat. Daraus nun, dass es sich nicht beständig nach ihrem Willen und ihrem Experimentationsmodus einstellte, hat man auf das Nichtvorhandensein geschlossen. Doch trotz ihres negativen Verdiktes fahren die Tische fort, sich zu drehen und so können auch wir mit Galilei sagen: „Und sie bewegen sich doch!“ Doch wir gehen noch weiter. Die Tatsachen haben sich in solcher Weise vervielfältigt, dass sie heutzutage eingebürgert sind und es sich nur darum handelt, eine rationelle Erklärung derselben zu finden.
Kann man etwas gegen die Tatsächlichkeit des Phänomens daraus einbringen, auch wenn es sich immer identischer Weise nach dem Willen und den Ansprüchen des Beobachters zeigt? Sind denn nicht auch die elektrischen und chemischen Phänomene gewissen Bedingungen untergeordnet und muss man sie leugnen, weil sie sich nicht außerhalb dieser Bedingungen einstellen? Ist denn dabei etwas Verwunderliches, wenn das Phänomen der Bewegung von Gegenständen durch das menschliche Fluidum auch seine Daseinsbedingungen hat und nicht mehr eintritt, wenn der Beobachter sich auf seinen Gesichtspunkt versteift, sie nach den Anwandlungen seiner Laune dirigieren, sie den Gesetzen bekannter Phänomene unterwerfen will, wenn er nicht begreifen mag, dass es für neue Tatsachen auch neue Gesetze geben muss? Um nun diese Gesetze kennen zu lerrnen, gilt es, die Umstände zu studieren, unter denen die Tatsachen eintreten, und dieses Studium kann nur die Frucht einer anhaltenden, angestrengten, oft langwierigen Beobachtung sein.
Aber, wenden manche ein, es liegt doch oft augenscheinlicher Betrug vor. Zunächst fragen wir solche Leute, ob sie denn auch ihrer Sache ganz sicher sind, dass Betrug vorliegt und ob sie diesen nicht als Wirkungen von etwas ansehen, das sie nicht nachvollziehen können, nach dem Beispiel jenes Bauern, der einen gelehrten Professor der Physik, welcher seine Experimente anstellte, für einen geschickten Taschenspieler hielt. Nehmen wir selbst an, es wäre dies vielleicht das eine und andere Mal vorgekommen, wäre dies ein Grund, die Tatsache selbst zu leugnen? Darf man die Physik leugnen, weil es Zauberkünstler gibt, die sich mit dem Titel „Physiker“ schmücken? Übrigens muss man den Charakter der Personen und ihr etwaiges Interesse an einer beabsichtigten Täuschung berücksichtigen. Es wäre dies also ein Scherz? Man kann sich ja wohl einen Augenblick amüsieren, aber ein ins Unbestimmte verlängerter Scherz müsste doch ebenso langweilig für den Mystifikator wie für den Mystifizierten sein. Übrigens läge in einer Mystifikation, welche sich über die ganze Erde von einem Ende zum andern verbreitet und unter den ernstesten, ehrenwertesten und aufgeklärtesten Personen stattfindet, mindestens etwas ebenso Außerordentliches, wie das Phänomen selbst.
Die ersten intelligenten Manifestationen fanden mittels der Tische statt indem sich diese hoben und durch Aufstoßen mit einem Fuß eine bestimmte Anzahl Schläge gaben und so auf eine gestellte Frage je nach Übereinkunft mit ja oder nein antworteten. Allerdings lag darin für Skeptiker nichts Überzeugendes: denn dies alles konnte eine Wirkung des Zufalls sein. Später erhielt man durch die Buchstaben des Alphabets vollständigere Antworten: indem der bewegliche Gegenstand durch eine bestimmte Anzahl von Stößen auf einen bestimmten Buchstaben innerhalb des Alphabets hinwies, gelang es, Worte und Sätze als Antwort auf gestellte Fragen herauszubringen. Die Richtigkeit dieser Antworten, ihre korrekte Beziehung zur Frage erregten Erstaunen. Das geheimnisvolle Wesen, welches in solcher Weise antwortete, erklärte auf Befragen in Betreff seiner Natur, dass es ein Geist oder Genius wäre, gab sich einen Namen und lieferte mannigfache Auskünfte über sich. Dieser Umstand verdient ganz besondere Beachtung. Niemand hätte sich vorstellen können, das Phänomen mit Hilfe der Geister erklären zu können; das Phänomen selbst enthüllt das Wort. Gar oft werden in den exakten Wissenschaften als Erklärungsbasis Hypothesen aufgestellt: hier ist dies keineswegs der Fall.
Dieses Korrespondenzmittel war lang und unbequem. Der Geist – man beachte auch diesen Umstand sorgfältig – gab ein anderes an. Es war eines dieser unsichtbaren Wesen, welches den Rat gab, an ein Körbchen oder sonst einen Gegenstand, einen Bleistift anzubringen. Dieses Körbchen wurde auf einen Bogen Papier gestellt und durch die gleiche verborgene Macht, welche die Tische dreht, in Bewegung gesetzt; nur zeichnet der Bleistift anstatt einer regelmäßigen Bewegung von selbst Charaktere, die ihrerseits Worte, Sätze, ja ganze Abhandlungen von mehreren Seiten ergaben über die höchsten Fragen der Philosophie, der Moral, Metaphysik, Psychologie usw. und zwar mit eben solcher Geschwindigkeit, als würde mit der Hand geschrieben.
Dieser Rat wurde gleichzeitig in Amerika, in Frankreich und in verschiedenen anderen Ländern gegeben. Wir lassen hier den Wortlaut folgen, in welchem der Rat in Paris, den 10. Juni 1853, einem der feuereifrigsten Adepten der Lehre, der sich schon mehrere Jahre lang (seit 1849) mit dem Anrufen von Geistern beschäftigt hatte, erteilt wurde: „Gehe in das Zimmer nebenan und nimm das kleine Körbchen; befestige daran einen Bleistift; stelle es auf das Papier; lege die Finger an den Rand.“ Einige Augenblicke darauf geriet das Körbchen in Bewegung und der Bleistift schrieb ganz leserlich folgenden Satz: „Was ich dir hier sage, das verbiete ich dir, weiter zu sagen; das nächste Mal, wo ich wieder schreiben werde, werde ich besser schreiben.“
Da der Gegenstand, an welcher man den Bleistift befestigt, nur ein Instrument ist, sind seine natürliche Beschaffenheit und Gestalt völlig gleichgültig. Man hat die handlichste Lage zu gewinnen gesucht. So z.B. bedienen sich manche eines kleinen Brettchens.
Korb wie Brettchen können nur unter dem Einfluss gewisser Personen in Bewegung gesetzt werden, die in dieser Beziehung mit einer speziellen Fähigkeit ausgestattet sind und die man als Medien, d. h. Mittel, Vermittler zwischen den Geistern und den Menschen bezeichnet. Die Bedingungen, die diese spezielle Fähigkeit auslösen, beruhen auf physiologischen und moralischen Ursachen, die bis jetzt nur unvollkommen bekannt sind. Denn man findet Medien jedes Alters, jedes Geschlechtes und auf allen intellektuellen Entwicklungsformen. Übrigens kann die Fähigkeit durch Übung weiter entwickelt werden.
Nach der Feststellung dieser Tatsachen blieb noch ein wesentlicher Punkt zu klären, nämlich die Frage nach der Rolle des Mediums bei diesen Antworten und dem Anteil, den es möglicherweise auf mechanischem und moralischem Weg daran nimmt. Zwei hochwichtige Umstände, die einem aufmerksamen Beobachter nicht entgehen dürften, können zur Lösung der Frage führen. Der erste Punkt ist die Art und Weise, wie sich das Körbchen unter dem Einfluss des Mediums bewegt, nämlich durch das bloße Auflegen der Finger auf den Rand. Nähere Untersuchung ergibt hierbei die Unmöglichkeit irgendwelcher Leitung oder Führung. Offenkundig zeigt sich namentlich diese Unmöglichkeit, wenn zwei oder drei Personen sich zugleich an das gleiche Körbchen setzen; es müsste dann eine wahrhaft phänomenale Übereinstimmung der Bewegung stattfinden, sowie eine Übereinstimmung der Gedanken, um sich bezüglich der auf die gestellte Frage zu gebenden Antwort zu verständigen. Eine andere, nicht weniger merkwürdige Tatsache vermehrt die Schwierigkeit; es ist dies die gründliche Änderung der Schrift je nach dem sich kundgebenden Geist. So oft der gleiche Geist wiederkommt, findet sich auch seine Schrift wieder ein. Das Medium müsste also darin geübt sein, seine eigene Schrift in zwanzig verschiedenen Weisen zu ändern und müsste sich vor allem auch der erinnern, die diesem oder jenem Geist angehört.
Der zweite Umstand bezieht sich direkt auf die Beschaffenheit der Antworten, welche in der Regel, namentlich, wenn es sich um abstrakte oder wissenschaftliche Fragen handelt, notorisch über die Kenntnisse und manchmal sogar über die intellektuelle Fassungskraft des Mediums hinausgehen. Übrigens hat letzteres von dem, was unter seinem Einfluss geschrieben wird, gewöhnlich kein Bewusstsein. Oft versteht oder begreift es die gestellte Frage gar nicht, die ja möglicherweise auch in einer dem Medium fremden Sprache formuliert ist oder nur innerlich gedacht wird. Oft tritt auch der Fall ein, dass das Körbchen aus eigenem Antrieb ohne vorausgegangene Frage über irgendein beliebiges, ganz unerwartetes Thema schreibt.
In gewissen Fällen tragen diese Antworten einen solchen Stempel von Weisheit, Tiefe und Angemessenheit, enthüllen so hohe, so erhabene Gedanken, dass sie nur von einer höheren Intelligenz, die von sehr reiner Moral durchdrungen ist, ausgehen können; andere Male sind sie so leichtfertig, frivol, ja sogar trivial, dass die Vernunft sich gegen die Annahme sträubt, dass sie aus der gleichen Quelle hervorgehen. Diese Verschiedenheit der Sprache kann nur in der Verschiedenheit der sich kundgebenden Intelligenzen ihre Erklärung finden. Stehen diese Intelligenzen in der Menschheit oder außerhalb derselben? Dieser Punkt ist aufzuklären: Das gegenwärtige Buch gibt eine vollständige Erklärung dafür, wie sie von den Geistern selbst gegeben wurde.
Wir haben es hier also mit offenkundigen Wirkungen zu tun, die außerhalb unseres gewohnten Beobachtungskreises liegen, Wirkungen, die keineswegs in geheimnisvoller Weise, sondern bei hellem Tageslicht und für jedermann zugänglich und nachweislich vor sich gehen und keineswegs das Privileg eines einzigen Individuums sind, sondern von Tausenden Tag für Tag wiederholt werden. Natürlicherweise haben diese Wirkungen eine Ursache, und mit dem Augenblick, wo sie uns die Tätigkeit einer Intelligenz und eines Willens enthüllen, verlassen sie das Gebiet des rein physischen Geschehens.
Man hat in dieser Beziehung mehrere Theorien aufgestellt; wir werden sie sofort untersuchen und prüfen, ob sie alle beobachteten Tatsachen begründen und erklären. Nehmen wir vorläufig einmal die Existenz von Wesen an, die einer anderen Kategorie angehören als die Menschen, wie die sich offenbarenden Wesen selbst bezeugen und sehen wir, was sie uns mitzuteilen wissen.
Wir fassen hier in aller Kürze die charakteristischen Punkte der von ihnen mitgeteilten Lehre zusammen, um mit größerer Leichtigkeit auf gewisse Einwendungen antworten zu können.
»Gott ist ewig, unwandelbar, immateriell, einzig, allmächtig, allgerecht und allgütig.«
»Er hat das Universum erschaffen, welches alle belebten und unbelebten Wesen, materielle wie immaterielle, umfasst.«
»Die materiellen Wesen bilden die sichtbare Welt, die Körperwelt, die immateriellen Wesen die unsichtbare Welt, die Geisterwelt.«
»Die geistige Welt ist die normale, ursprüngliche, ewige Welt, die vor Allem gewesen ist und Alles überdauern wird.«
»Die Körperwelt ist nur sekundär; sie könnte aufhören zu existieren, ja brauchte nie existiert zu haben, ohne die Wesenheit der geistigen Welt zu verändern.«
»Die Geister legen auf Zeit eine vergängliche, materielle Hülle an, deren Zerstörung – das, was man gewöhnlich Tod nennt – sie wieder in Freiheit setzt.«
»Unter den verschiedenen Arten körperlicher Wesen ist nach göttlicher Bestimmung die Ordnung „Mensch“ zur Einverleibung solcher Geister bestimmt, die bis zu einer gewissen Stufe der Entwicklung gelangt sind. Dies verleiht dem Menschen die moralische und intellektuelle Überlegenheit über die übrigen Ordnungen.«
»Die Seele ist ein einverleibter Geist; wobei der Körper nur die Hülle ist.«
Es gibt im Menschen drei Bestandteile, er besteht aus:
1. dem Körper oder dem materiellen Wesen, das den Tieren entspricht und durch das gleiche Lebensprinzip belebt wird;
2. der Seele oder dem immateriellen Wesen, dem in den Körper einverleibten Geist;
3. dem Band, welches Seele und Körper eint, dem zwischen Materie und Geist vermittelnden Prinzip.
Demnach hat der Mensch zwei Naturen: seinem Körper nach nimmt er an der Natur der Tiere teil, deren Instinkte er besitzt; mittels seiner Seele nimmt er an der Natur der Geister teil.»
»Das Band oder der Perispirit, welches Körper und Geist vereint, ist eine Art halbmaterieller Hülle. Der Tod ist die Zerstörung der gröbsten Hülle, der Geist bewahrt aber die zweite, die für ihn einen ätherischen Körper bildet, welcher zwar für uns im normalen Zustand unsichtbar ist, den er jedoch gelegentlich sichtbar, ja selbst fühlbar machen kann, wie dies bei dem Phänomen der Geistererscheinungen zu beobachten ist.«
»Der Geist ist also keineswegs ein bloß abstraktes, unbestimmtes, reinweg nur gedachtes Wesen: nein, er ist ein wirkliches, fest bestimmtes Wesen, das in gewissen Fällen durch See – , Gehör – und Tastsinn erfassbar wird.«
»Die Geister gehören verschiedenen Klassen an und sind weder an Macht, noch an Intelligenz, noch an Wissen, noch an Moral einander gleich. Die Geister erster Ordnung sind die höheren Geister, die sich von den anderen durch ihre Vollkommenheit, ihre Kenntnisse, ihrer Nähe zur Gott, durch die Reinheit ihrer Empfindungen und ihre Liebe zu Guten auszeichnen: es sind dies die Engel oder reinen Geister. Die anderen Klassen entfernen sich immer mehr von dieser Vollkommenheit; die auf den unteren Rangstufen stehenden Geister haben die meisten der menschlichen Laster: Hass, Neid, Eifersucht, Stolz u.s.w.. Sie gefallen sich im Bösen. Auch gibt es unter ihnen solche, die weder besonders gut, noch besonders schlecht sind. Mehr Störenfriede und neckische Unruhestifter, als eigentlich boshaft, ist Schelmerei und Leichtfertigkeit ihr Naturerbteil: dies sind als die flatter – haften oder leichtsinnigen Geister bezeichnet.«
»Die Geister gehören nicht für alle Zeit zu derselben Ordnung. Sie erheben sich nach und nach und steigen auf der geistigen Leiter immer mehr empor. Diese Besserung findet durch die Inkarnation statt: für die Einen als Sühne, für die Anderen als Mission auferlegt. Das materielle Leben ist eine Prüfung, welche die Geister zu wiederholten Malen zu bestehen haben, bis sie zum höchsten Grad der Vollkommenheit gelangt sind. Es ist dies für sie eine Art Siebtuch oder Läuterungsapparat, aus dem sie mehr oder minder geläutert hervorgehen.«
»Beim Verlassen des Körpers kehrt die Seele in die Welt der Geister zurück, von der sie ausgegangen ist, um nach Ablauf längerer oder kürzerer Zeit, während welcher sie sich im Zustand eines „Wandelgeistes“ befindet, eine neue materielle Existenz zu beginnen.«
»Da der Geist durch mehrere Inkarnationen hindurch gehen muss, so ergibt sich, dass wir alle mehrere Existenzen hinter uns haben und dass wir noch andere, mehr oder weniger vollkommene haben werden, sei es hier auf Erden, sei es auf anderen Welten.«
»Die Inkarnation der Geister findet stets in der Ordnung „Mensch“ statt. Es wäre irrtümlich zu glauben, dass die Seele oder der Geist sich in ein Tier inkarnieren könne.«
»Die verschiedenen materiellen Existenzen des Geistes sind immer vorwärts schreitende, nie rückwärts schreitende; aber die Geschwindigkeit des Fortschritts hängt von den Anstrengungen ab, welche wir machen, um die Vollkommenheit zu ergelangen.«
»Die Eigenschaften der Seele sind die des Geistes, der in uns inkarniert ist; so ist der tugendhafte Mensch die Inkarnation oder Verkörperung eines guten Geistes, der bösartige Mensch die eines unreinen Geistes.«
»Die Seele hatte ihre Individualität vor ihrer Inkarnation: sie behält sie nach der Trennung vom Körper.«
»Bei ihrer Rückkehr in die geistige Welt findet die Seele alle die wieder, welche sie auf Erden gekannt hat, und alle ihre früheren Existenzen stellen sich nach und nach mit der Erinnerung an ihre guten und schlechten Taten wieder im Gedächtnis ein.«
»Der inkarnierte Geist steht unter dem Einfluss der Materie: der Mensch, welcher diesen Einfluss durch Erhebung und Läuterung der Seele überwindet, nähert sich den guten Geistern, zu denen er einmal gehören wird. Wer sich durch schlechte Leidenschaften beherrschen lässt und alle Freuden in der Befriedigung grober Begierden sucht, nähert sich dagegen den unreinen Geistern, weil er der animalischen Natur das Übergewicht einräumt.«
»Die inkarnierten Geister bewohnen die verschiedenen Himmels–körper im Universum.«
»Die nicht inkarnierten Geister, „die Wandelgeister“, bewohnen keine bestimmte und begrenzte Gegend im Weltraum; sie finden sich überall im Raum, an unserer Seite uns betrachtend und unaufhörlich umdrängend. Es ist dies eine ganze, unsichtbare Bevölkerung, die um uns herum lebt und webt.«
»Die Geister üben auf die moralische Welt, ja selbst auf die physische Welt einen unablässigen Einfluss aus; sie wirken auf den Stoff wie auf den Gedanken und bilden eine besondere Naturkraft, welche seltsame Naturerscheinungen darstellt, die ihre rationelle Lösung erst jetzt im Spiritismus finden.«
»Die Beziehungen der Geister zu den Menschen sind konstant. Die guten Geister regen uns zum Guten an, halten uns in den Prüfungen des Lebens aufrecht und helfen diese mit Mut und Entsagung zu ertragen. Die üblen Geister regen uns zum Bösen an: es gewährt ihnen Genuss, uns erliegen zu sehen und uns ihrem eigenen Wesen zu assimilieren.«
»Die Kommunikation der Geister zu den Menschen sind verborgene oder offen zu Tage liegende. Die Verborgenen zeigen sich in dem guten oder schlechten Einfluss, den sie auf uns ohne unser Wissen üben. Es ist Sache unseres Urteils, die guten oder schlechten Eingebungen zu unterscheiden. Die offen zu Tage liegenden Kommunikationen werden durch Schrift, Wort oder sonstige materielle Kundgebungen erlangt, meist durch Vermittlung der Medien, die ihnen als Instrument dienen.«
»Die Geistermanifestationen sind spontane oder hervorgerufene. Im Allgemeinen kann man alle Geister anrufen: sowohl die, welche dunkle Gestalten belebten, wie auch Geister der berühmtesten Persönlichkeiten, in welcher Epoche sie auch gelebt haben mögen; die Geister unserer Eltern und Freunde, wie unserer Feinde: wir können von ihnen auf schriftlichem oder mündlichem Weg Rat, Belehrung über ihre Lage im Jenseits, über ihre Gedanken, die sie über uns haben, sowie Enthüllungen erlangen, soweit sie solche uns machen dürfen.«
»Die Geister werden nach dem Maß der Sympathie, welche sie dem Kreis der Anrufenden entgegenbringen, angezogen. Höhere Geister suchen mit Vorliebe seriöse Vereinigungen auf, wo Liebe zur Tugend und der aufrichtige Wunsch nach Belehrung und moralischer Besserung herrscht. Ihre Gegenwart verdrängt die niederen Geister, die bei frivolen, von bloßer Neugier geleiteten Personen freien Zugang finden und hier in voller Aktionsfreiheit ihr Wesen treiben, sowie überall dort, wo schlechte Instinkte vorherrschen. Weit entfernt davon, gute Ratschläge und nützliche Winke zu erhalten, darf man in diesem Fall nur auf Nichtigkeiten, Lügen, schlechte Witze und Mystifizierungen rechnen, da sie vielfach renommierte Namen nennen um das Falsche besser einflössen zu können.«
»Die Unterscheidung zwischen guten und bösen Geistern ist keineswegs schwierig. Die Sprache des höheren Geistes ist unter allen Umständen würdig, edel und trägt die Signatur höchster Moral, die frei von jeder niederen Leidenschaft ist. Ihre Ratschläge atmen reinste Weisheit und bezwecken stets unsere Besserung und das Wohl der Menschheit. Die Ausdrucksweise der niederen Geister ist hingegen inkonsequent, oft alltäglich, nicht selten auch ungeschliffen. Wenn sie auch hin und wieder Gutes und Wahres sagen, so sagen sie noch häufiger Falsches und Abgeschmacktes aus Bosheit oder Unkenntnis. Sie treiben mit der Leichtgläubigkeit ihr Spiel und vergnügen sich auf Kosten derer, die sie fragen, indem sie der Eitelkeit schmeicheln und trügerische Hoffnungen erwecken. Mit einem Wort – seriöse Mitteilungen in des Wortes bester Bedeutung erhält man nur in seriösen Kreisen, in solchen, wo die Mitglieder untereinander durch eine innige, geistige Gemeinschaft die Gedanken auf das Gute richten.«
»Die Moral der höheren Geister findet sich im Gebot Christi zusammengefasst: „Wir sollen gegen die anderen so handeln, wie wir wünschen, dass die anderen gegen uns handeln.“ Das heisst, Gutes zu tun und nicht das Böse. In diesem Prinzip findet der Mensch eine allgemeingültige Richtschnur für sein Verhalten bis in die geringsten Details.«
»Weiter lehren die höheren Geister, dass Egoismus, Stolz, Sinn – lichkeit, diejenigen Leidenschaften sind, die uns zumeist an den Stoff binden und so der tierischen Natur nähern. Der Mensch, der schon hier auf Erden durch Verachtung weltlicher Nichtigkeiten und durch Nächsenliebe sich von der Materie frei macht, nähert sich der geistigen Natur. Deshalb soll jeder von uns mit seinen Fähigkeiten, sowie mit seinen Mitteln, die Gott zu seiner Prüfung in seine Hände gelegt hat, nützlich machen. Sie unterweisen uns, dass der Starke und Mächtige die Stütze und der Schutz des Schwachen sein soll denn der, welcher Kraft und Mut missbraucht, um Seinesgleichen zu unterdrücken, übertritt das göttliche Gesetz.Weiter lehren sie, dass, da in der geistigen Welt nichts verborgen bleiben kann, der Heuchler, samt allen seinen schimpflichen Handlungen entlarvt sein wird, dass die unvermeidliche, endlose Gegenwart derer, gegen welche wir uns vergangen haben, eine der unser wartenden Strafen ist und dass je nach der niederen und höheren Stellung der Geister gewisse Strafen und Belohnungen zugemessen werden, die auf Erden unbekannt sind.«
»Endlich aber lehren sie uns, dass es keine Fehltritte gibt, die nicht wieder gutzumachen wären, die nicht gesühnt werden könnten. Das Mittel hierzu findet der Mensch in den verschiedenen Existenzen, die ihm je nach seinem Wunsch und seiner Anstrengung das Fortschreiten auf der Straße der Vollkommenheit ermöglichen seinem letzten Endziel.«
Das ist eine kurze Zusammenfassung der spiritistischen Lehre, wie dieselbe sich aus der von höheren Geistern erteilten Unterweisung ergibt. Sehen wir uns jetzt einmal die Einwände an, die gegen sie erhoben werden.
Sobald die Wissenschaft aus der äußerlichen Beobachtung der Tatsachen heraustritt, sobald es sich darum handelt, diese Tatsachen zu würdigen und zu erklären, ist das Feld für die Vermutung weit geöffnet; da bringt denn ein jeder sein Systemchen mit, dem er Geltung verschaffen möchte und das er daher mit aller Leidenschaft aufrecht erhält. Sehen wir nicht täglich die widersprüchlichsten Ansichten der Reihe nach verherrlicht und dann wieder aufgegeben, bald als törichte Irrtümer zurückgewiesen, dann wieder als unbestreitbare Wahrheiten proklamiert? Die Tatsachen sind das wahre Kriterium für unser Urteil, sie sind der unwiderlegliche Beweis; wo Tatsachen fehlen, da ist der Zweifel die Meinung des Weisen.
Bei bekannten Dingen allerdings, erhebt die Ansicht der Gelehrten einen gerechten Anspruch auf Glaubwürdigkeit, weil sie tatsächlich mehr und besser wissen als das große Publikum; allein wo neue Prinzipien in Frage kommen, unbekannte Dinge der Erörterung harren, ist ihre Art und Weise zu sehen nur eine hypothetische, weil sie ebenso wenig als andere, von Vorurteilen frei sind. Ja, ich gehe so weit zu behaupten, dass der Gelehrte vielleicht mehr Vorurteile hat als ein anderer, weil eine natürliche Neigung ihn veranlasst, alles seinem eigenen Gesichtspunkt unterzuordnen, indem er sich ganz und gar heimisch fühlt; der Mathematiker erkennt nur in einer algebraischen Demonstration einen wirklichen Beweis, der Chemiker führt alles auf die Ursache der Elemente zurück. Jeder Mensch, der in irgend einem Fach ganz besonders zu Hause ist, klammert sich daran mit all seinem Denken; man führe ihn einmal auf ein anderes Gebiet, und er wird nicht selten dummes Zeug schwatzen, weil er eben alles in den selben Topf werfen will. Es ist dies einfach eine Folge menschlicher Schwäche. So wende ich mich denn gern und vertrauensvoll wegen einer Analyse an einen Chemiker, wegen der elektrischen Kraft an einen Physiker, wegen einer bewegenden Kraft an einen Mechaniker; allein dieselben Leute werden mir, ohne dass dies irgendwie der Achtung Eintrag tut, auf welche sie um ihr spezifisches Wissen willen Anspruch haben – aber sie erlauben mir in Sachen des Spiritismus ihrem negativen Urteil nicht in gleichem Mass Rechnung zu tragen, ebenso wenig als für mich das Urteil eines Architekten über eine musikalische Frage maßgebend ist.
Die gewöhnlichen Wissenschaften beruhen auf den Eigenschaften des Stoffes, den man nach Belieben experimentell behandeln kann; die spiritistischen Phänomene beruhen auf der Wirkung von Intelligenzen, die ihren freien Willen haben und uns immer beweisen, dass sie nicht zur Befriedigung unserer Launen zu haben sind. Die Beobachtungen können daher nicht in derselben Weise angestellt werden; sie verlangen besondere Bedingungen und einen anderen Ausgangspunkt; wollte man sie unseren gewöhnlichen Experimentiermethoden unterwerfen, so würde man genötigt sein, Analogien anzunehmen, die gar nicht bestehen.
Die klassische Wissenschaft ist als solche bei der Entscheidung über die Frage des Spiritismus inkompetent: sie hat sich damit nicht zu beschäftigen und ihr Urteil – gleichgültig, ob dasselbe günstig oder ungünstig lautet – kann von keiner Wichtigkeit sein. Der Spiritismus ist das Resultat einer persönlichen Überzeugung, welche die Gelehrten ganz abgesehen von ihrer Eigenschaft als Gelehrte haben können; wollte man dagegen die Frage der Wissenschaft ganz überweisen, so könnte man ebenso gut die Frage, ob die Seele existiert, in einer Versammlung durch eine Mehrheit von Physikern oder Chemikern entscheiden lassen; in der Tat beruht ja der Spiritismus ganz und gar auf der Existenz der Seele und ihrem Zustand nach dem Tod; nun ist es aber doch im höchsten Grad unlogisch zu denken, ein Mensch müsse ein großer Psychologe sein, weil er ein großer Mathematiker oder ein großer Anatom ist. Der Anatom zerschneidet den menschlichen Körper und sucht nach der Seele, und weil er sie unter seinem Messer nicht findet, wie er etwa einen Nerv findet und weil er sie nicht wie ein Gas sich verflüchtigen sieht, so schließt er auf ihre Nichtexistenz, weil er einen exklusiv materiellen Gesichtspunkt einnimmt; folgt denn aber daraus, dass er der allgemeinen Annahme gegenüber recht hat? Nein! Hieraus ergibt sich, dass der Spiritismus gar nicht vor das Forum der klassischen Wissenschaft gehört. Wenn die spiritistischen Lehren im Volk verbreitet sind, wenn sie von den Massen angenommen sein werden – und diese Zeit dürfte bei der Geschwindigkeit, mit der sie sich verbreiten, nicht mehr allzu fern sein – so wird es damit ebenso stehen, wie mit allen neuen Anschauungen, die anfänglich auf Widerstand stießen. Die Gelehrten werden sich dem Offensichtlichen fügen; sie werden persönlich durch die Macht der Tatsachen dahin geführt werden. Bis jetzt ist es noch nicht an der Zeit, die Wissenschaftler von ihren Spezialarbeiten abzulenken und zur Beschäftigung mit etwas Unbekanntem zu drängen, das weder zu ihren Attributen noch zu ihrem Programm gehört. Inzwischen vergessen die, welche ohne vorgängiges, gründliches Studium des Gegenstandes ein negatives Urteil fällen und jeden, der nicht Ihrer Ansicht ist, verhöhnen, einen Punkt, nämlich den, dass bei der Mehrzahl der großen, die Menschheit ehrenden Entdeckungen schon Ähnliches vorgekommen ist; sie setzen sich der Gefahr aus, dass ihre Namen die Liste der berüchtigten Verfolger neuer Ideen vermehren und neben den Mitgliedern der gelehrten Versammlung prangen, die im Jahre 1752 mit schallendem Gelächter den Bericht Franklins über Blitzableiter begrüßten und eine Aufnahme desselben in die Register der Eingänge verweigerte: sie laufen Gefahr, dem zu gleichen, der Frankreich um die Ehre betrogen hat, bei Anwendung der Dampfkraft zu Navigationszwecken die Initiative ergriffen zu haben und das System Fultons für eine unrealistische Träumerei erklärte. Und doch waren dies alles Fragen, die vor das Forum der Gelehrten gehörten. Wenn also jene Körperschaften, welche die Elite der Gelehrtenwelt zu den ihrigen zählten, nur Spott und Hohn für Ideen gehabt haben, die sie nicht begriffen, Ideen, welche einige Jahre später die Wissenschaft, Sitten und Industrie durchgreifend verändern sollten, wie darf man hoffen, dass eine, ihren Arbeiten fremde Frage, mehr Gunst erhalten soll?
Irrtümer Einzelner, die um der Irrenden selbst willen bedauerlich sind, können natürlich anderweitige Verdienste nicht schmälern; allein bedarf es denn eines offiziellen Examenzeugnisses, um gesunden Menschenverstand zu haben und gibt es denn nur Dumme und Schwachköpfe außerhalb der akademischen Lehrstühle? Man werfe doch einmal die Augen auf die Anhänger der spiritistischen Lehre und frage sich, ob man hier wirklich nur Ignoranten begegnet und ob die gewaltige Anzahl hochverdienter Menschen, die sich zu ihr bekennen, es erlaubt, die Lehre als Ausgeburt bornierten Aberglaubens zu qualifizieren. Ihr Charakter und Wissen verdienen es doch wohl, dass man sich sagt: „Wenn solche Menschen die Sache bestätigen, so muss doch wohl etwas Wahres daran sein.“
Noch einmal wiederholen wir, dass, wenn die uns beschäftigenden Tatsachen innerhalb der mechanischen Körperbewegung geblieben wären, die Untersuchung über die physische Ursache des Phänomens der Wissenschaft zufallen müsste; jedoch sobald es sich um eine Kundgebung außerhalb der Gesetze der Menschheit handelt, tritt die Untersuchung aus dem Rahmen der materiellen Wissenschaft heraus, denn sie kann dann weder ziffernmäßig noch auf mechanischem Weg zum Ausdruck gelangen. Sobald sich eine neue Tatsache vor uns erhebt, die keiner der bekannten Wissenschaften zugewiesen werden kann, muss der Gelehrte zu ihrem Studium von seiner Wissenschaft ganz absehen, er muss sich sagen, dass dies für ihn ein ganz neues Studium ist, an das er mit vorgefassten Ideen nicht herangehen darf.
Der Mensch, der seine Vernunft für unfehlbar hält, steht nahe am Irrtum, stützen sich doch sogar solche, welche die grundfalschesten Vorstellungen haben, auf ihre Vernunft: auf diesem Boden stehend weisen sie alles ab, was ihnen unmöglich erscheint; was man Vernunft nennt, ist oft nur halbverhüllter Hochmut, und wer sich für unfehlbar hält, will sich Gott gleichsetzen. Wir wenden uns also an solche Leute, welche klug genug sind, an dem zu zweifeln, was sie nicht gesehen haben und die von der Vergangenheit auf die Zukunft schließend, sich von dem Wahnglauben fern halten, als wäre der Mensch auf dem Höhepunkte der Entwicklung angelangt, als habe Mutter Natur für ihn die letzte Seite ihres Buches bereits umgewendet.
Ein wirklich ernsthaftes Studium charakterisiert sich durch Ordnung und Beharrlichkeit. Ist es denn zu verwundern, dass man auf an und für sich ernste Fragen keine Antwort erhält, wenn diese nur so aufs Geratewohl wie aus der Pistole geschossen inmitten einer Menge alberner Fragen hingeworfen werden?
Übrigens ist eine Frage ja oft verwickelt und verlangt zur vollen Klarstellung vorausgehende oder ergänzende Fragen. Jedermann, der sich ein Wissen zu Eigen machen will, muss ein methodisches Studium mitbringen, er muss mit dem Anfang beginnen und der Verkettung und Entwicklung der Ideen folgen. Wer aufs Geratewohl an einen Gelehrten eine Frage über eine Wissenschaft richtet, von der er keine Silbe weiß, wird schwerlich durch die Antwort eine erhebliche Förderung erfahren. Wird der Gelehrte trotz des besten Willens im Stand sein, ihm eine befriedigende Antwort zu geben? Seine herausgerissene Antwort wird notgedrungen unvollständig und oft aus diesem Grund sogar unverständlich sein, ja kann sogar den Anschein des absurden und Widerspruchsvollen haben. Ganz dasselbe ist der Fall bei unseren Beziehungen zu den Geistern. Will man sich in ihrer Schule unterrichten, so muss man unter ihrer Leitung einen richtigen Kursus durchnehmen; aber man muss, gerade wie unter Menschen, seine Lehrer wählen und dann mit hingebendem Fleiß arbeiten.
Wir haben bereits gesagt, dass höhere Geister nur in ernsthafte Vereinigungen gehen, namentlich in solche, in denen eine vollkommene Gedankengemeinschaft herrscht und die Teilnehmer nach dem Guten streben. Leichtfertigkeit und müßige Fragen entfernen sie, wie auch unter den Menschen hierdurch vernünftige Leute sich abgestoßen fühlen; dann bleibt das Feld dem Schwarm der Lügengeister und leichtfertigen Geister geöffnet, die immer auf die Gelegenheit warten über uns zu spotten und sich auf unsere Kosten zu belustigen. Was wird nun in einer solchen Vereinigung aus einer ernsthaften Frage? Sie wird beantwortet, aber von wem? Es ist dies gerade so, als ob man inmitten einer Schar lustiger Gesellen Fragen von der Art aufwerfen wollte. „Was ist die Seele? Was ist der Tod?“ und ähnliche Dinge. Will man ernsthafte Antworten, so sei man selbst ernst in des Wortes voller und ganzer Bedeutung. Man versetze sich in die verlangten Bedingungen. So erst wird man Großes erlangen. Man sei tätig, rührig und beharrlich im Arbeiten: sonst lassen höhere Geister den Lernenden im Stich; gerade wie es unter Menschen ein Lehrer mit seinen nachlässigen Schülern macht.
Wir sprechen nicht von einer intelligenten Bewegung gewisser Gegenstände, weder von den Wortmitteilungen, noch von solchen Mitteilungen, die direkt durch das Medium geschrieben werden; derartige Kundgebungen, welche übrigens für alle, welche gesehen und gründlich überlegt haben, über alle Zweifel erhaben sind, scheinen beim ersten Anblick doch mit dem individuellen Willen des Mediums in einem gewissen Zusammenhang zu stehen und brauchen daher nicht notwendig einen Neuling zu überzeugen. Wir wollen also nur von der Schrift sprechen, welche mit Hilfe irgend eines beliebigen, mit einem Bleistift in Verbindung gesetzten Gegenstandes erlangt wird, wie z.B. eines Körbchens, Brettchens u.s.w.. Die Art und Weise, in welcher die Finger des Mediums auf den Gegenstand gelegt werden, ist eine solche, dass die vollendetste Geschicklichkeit unvermögend sein würde, beim Zeichnen der Schriftcharaktere etwas von dem eigenen hinzu zu tun. Nehmen wir aber auch an, das Medium könne durch eine wunderbare Fertigkeit das schärfste Forscherauge täuschen, wie soll man die Beschaffenheit der Antworten sich erklären, die ganz außerhalb der Vorstellungen und Kenntnisse des Mediums liegen? Und dabei wolle man beachten, dass es sich dabei nicht um einsilbige Antworten handelt, sondern oft um mehrere Seiten, die mit erstaunlicher Geschwindigkeit, sei es frei, sei es über einen bestimmten Gegenstand, niedergeschrieben werden; unter der Hand eines Mediums, das von schöner Literatur nichts versteht, entstehen manchmal Gedichte von tadelloser Erhabenheit und Reinheit, welche die besten Dichter unter den Menschen gern als ihre Geisteskinder erkennen würden. Was diese Tatsachen aber noch seltsamer erscheinen lässt, ist der Umstand, dass sie überall vorkommen und dass die Medien sich ins Unendliche mehren. Sind diese Tatsachen wirklich oder nicht? Hierauf haben wir nur Eins zu antworten: Man sehe und beobachte! An Gelegenheit wird es nicht fehlen: vor allem aber, beobachte oft, lange und unter den verlangten Bedingungen.
Was antworten nun die Gegner der offensichtlichen Gewissheit gegenüber? Ihr seid, heißt es, die Opfer des Scharlatanismus oder der Spielball einer Illusion. Zuerst sei bemerkt, dass das Wort Scharlatanismus da aus dem Spiel bleiben muss, wo es nichts zu verdienen gibt: die Scharlatane treiben ihr Geschäft eben nicht gratis. Es könnte sich also höchstens um eine Mystifikation handeln. Allein durch welches wundersame Zusammentreffen hätten sich die Mystifizierenden von einem Ende der Welt bis zum andern verständigt, um übereinstimmend zu handeln, die gleichen Manifestationen hervorzubringen und über die gleichen Gegenstände in den verschiedenen Sprachen, wenn nicht den Worten, so doch dem Sinn nach identische Antworten zu geben? Wie sollten sich ernste, würdige, hochachtbare und gelehrte Männer zu derartigen Manövern hergeben, und zu welchem Zweck sollten sie es? Wie könnte man bei Kindern die nötige Geduld und Geschicklichkeit finden? Denn wenn die Medien nicht passive Werkzeuge sind, müssten sie eine mit einem gewissen Alter und gewissen sozialen Stellungen unverträgliche Geschicklichkeit besitzen.
Weiter fügt man hinzu, dass, wenn wirklich ein Betrug nicht vorliegen sollte, man ja das Opfer einer Selbsttäuschung sein könnte. Jeder gute Logiker wird einräumen, dass die Qualität der Zeugen von einem gewissen Gewicht ist. Nun wende man dieses auf den vorliegenden Fall an und frage sich, ob die spiritistische Lehre, die heute bereits ihre Anhänger nach Millionen zählt, diese etwa aus der Zahl der Unwissenden rekrutiert? Die Phänomene, auf welche sie sich stützt, sind so außerordentlich, dass wir den Zweifel begreiflich finden; was man aber nicht gutheißen kann, ist, dass gewisse Ungläubige auf das Monopol des gesunden Menschenverstandes Anspruch erheben und ohne Rücksicht auf gesellschaftlichen Anstand oder den moralischen Wert ihrer Gegner, alle als Schwachköpfe bezeichnen, die nicht ihrer Ansicht sind. In den Augen jedes einsichtigen Menschen wird die Ansicht aufgeklärter Leute, die etwas lange gesehen, studiert und überlegt haben, immer wenn nicht ein Beweis, so doch wenigstens eine gewisse Vermutung zu Gunsten des betreffenden Gegenstandes haben: ist derselbe doch im Stand gewesen, die Aufmerksamkeit ernster Menschen zu fesseln, die kein Interesse an der Verbreitung eines Irrtums, noch Zeit für nichtige Dinge haben.
Einer dieser Einwände stützt sich auf die Ausdrucksweise gewisser Geister, welche der erhabenen Würde nicht angemessen erscheint, die man bei übernatürlichen Wesen zuschreibt. Hält man sich indessen an die kurze Zusammenfassung der Lehre, wie wir sie vorhin gegeben haben, so wird sofort klar, dass die Geister selbst gar kein Hehl daraus machen, dass sie weder an Kenntnissen, noch an moralischen Eigenschaften einander gleich sind und dass man nicht alles, was sie sagen, buchstäblich nehmen darf. Es ist Sache Einsichtiger, auch hier zwischen Gut und Schlecht zu unterscheiden. Allerdings haben die, welche aus dieser Tatsache den Schluss ziehen, dass wir es hierbei nur mit boshaften Wesen zu tun haben, deren einzige Beschäftigung es sei, uns in die Irre zu leiten, keine Kenntnis von Mitteilungen, die in solchen Vereinigungen erfolgen, wo sich nur höhere Geister mitteilen; sonst würde ihr Urteil hierüber anders lauten. Es ist unangenehm, dass der Zufall ihnen hierbei einen Streich gespielt und ihnen nur die schlimme Seite der Geisterwelt gezeigt hat; denn wir wollen gern von der Annahme absehen, dass eine sympathische Neigung statt der guten Geister zur ihnen jene Lügengeister oder jene anzieht, die sich durch eine empörende grobe Ausdrucksweise auszeichnen. Höchstens ließe sich daraus schließen, dass sie nicht genügend feste moralische Grundsätze haben, um das Böse von sich fern zu halten und dass die bösen Geister, die Gefallen daran finden ihre Neugierde in dieser Hinsicht zu stillen, Vorteil ziehen und sich in ihre Gesellschaft einschleichen, während die Guten sich entfernen.
Wollte man aufgrund dieser Tatsachen über die Geisterfrage ein Urteil fällen, so wäre dies ebenso wenig logisch, als wenn man über den Charakter eines Volkes nach dem urteilen wollte, was in der Ver – sammlung einiger bezechter Gesellen oder übelberufener Leute, in die sich kluge und verständige Menschen nie begeben, gesprochen und getrieben wird. Solche Menschen sind in der Lage eines Fremden, der durch die unsauberste Vorstadt einer großen Hauptstadt seinen Einzug hält und sämtliche Bewohner nach den Sitten und der Sprechweise dieses berüchtigten Viertels beurteilen wollte. Auch in der Welt der Geister gibt es eine gute und eine schlechte Gesellschaft. Möchten doch solche Leute recht ordentlich das studieren, was unter der Geisterelite vor sich geht, und sie werden bald überzeugt sein, dass die himmlische Gemeinde noch andere Elemente enthält, als die Hefe des Volkes. Aber, wenden sie ein, kommt denn jene Geisterelite in unsere Mitte? Hierauf erteilen wir ihnen folgende Antwort: „Bleibt nicht in der Vorstadt, seht, beobachtet und urteilt dann; die Tatsachen liegen für jedermann vor, es müssten denn solche sein, auf welche Jesus Worte Anwendung finden: „Sie haben Augen und sehen nicht; sie haben Ohren und hören nicht.“
Eine Variante dieser Ansicht besteht darin, dass man in den spiritistischen Mitteilungen und in allen materiellen Tatsachen, zu denen sie Anlass geben, nur die Intervention einer diabolischen Macht, einen neuen Proteus erblickt, der alle möglichen Gestalten annimmt, um uns besser zu täuschen. Wir halten sie einer ernsteren Kritik für unwert und wollen uns dabei nicht weiter aufhalten; was wir soeben gesagt haben, enthält auch die Widerlegung dieser Ansicht. Nur das Eine wollen wir hinzufügen, dass, wenn dem so wäre, man auch einräumen müsste, dass der Teufel manchmal recht weise, vernünftig und namentlich recht moralisch ist, oder dass es auch gute Teufel gibt.
Wie kann man in der Tat nur glauben, dass Gott es nur dem Geist des Bösen gestattet, sich mitzuteilen, um uns in die Irre zu leiten, ohne uns als Gegengewicht die Ratschläge der guten Geister zu geben? Wenn er es nicht kann, so ist dies ein Unvermögen; wenn er es kann und es nicht tut, so ist dies unverträglich mit seiner Güte; die eine wie die andere Unterstellung wäre eine Gotteslästerung. Man wolle beachten, dass die Anerkennung der Mitteilung böser Geister die Anerkennung des Prinzips der Manifestationen überhaupt in sich begreift. Nun aber können sie mit dem Augenblick, wo sie existieren, nur mit der Erlaubnis Gottes existieren; wie kann man glauben, dass er mit Ausschluss des Guten nur das Böse gestattet? Dies wäre geradezu Frevel und eine derartige Lehre würde den einfachsten Begriffen des gesunden Menschenverstandes und der Religion widerstreben.
Außerdem findet man es merkwürdig, dass die Geister hervorragender Menschen so ganz vertraulich zu uns kommen und sich bisweilen mit Dingen befassen, die im Vergleich zu ihren irdischen Taten unbedeutend sind. Niemand wird sich hierüber wundern, der es weiß, dass Macht und Ansehen, welche solche Menschen hier auf Erden genossen haben, ihnen keinerlei Anspruch auf einen höheren Rang in der Welt der Geister gewährt; in dieser Beziehung bestätigen die Geister die Worte des Evangeliums: Die Großen sollen erniedrigt werden und die Kleinen sollen erhöht werden, worunter man eben den Rang zu verstehen hat, den ein jeder von uns unter ihnen einnehmen wird. Auf diese Weise kann einer, der der Erste auf der Erde gewesen ist, sich in der geistigen Welt an letzte Stelle versetzt sehen; der, vor welchem wir zu seinen Lebzeiten das Haupt neigten, kann demnach wie der ärmste Handwerker zu uns kommen; denn da er die Erde verließ, so hat er auch seine ganze Größe zurückgelassen und der mächtigste Monarch steht vielleicht dort unter dem letzten seiner Soldaten.
Wenn sich der Geist jemandes, der uns persönlich bekannt ist, mitteilt, z. B. ein Verwandter oder ein Freund, so tritt namentlich, wenn der Tod vor Kurzem erfolgt ist, gewöhnlich der Fall ein, dass seine Sprache vollständig dem Charakter entspricht, den wir an ihm kannten; dies ist schon ein Identitätsindiz. Allein der Zweifel ist nahezu aufgehoben, wenn dieser Geist von Privatverhältnissen spricht, an Familienumstände erinnert, die nur dem anderen bekannt sind. Ein Sohn wird sich doch in der Sprechweise seines Vaters und seiner Mutter, es werden sich Eltern nicht in der Sprechweise ihres Kindes täuschen. Bei derartigen intimen Anrufen kommen oft ergreifende Dinge vor, die wohl im Stand sind, den Ungläubigsten zu überzeugen. Der verhärtetste Skeptiker wird oft von Enthüllungen entsetzt, die ihm unerwartet gemacht werden.
Es tritt nun aber noch ein anderweiter charakteristischer Umstand hinzu um die Identität zu stützen. Wir haben bereits bemerkt, dass die Schrift des Mediums in der Regel mit dem gerufenen Geist wechselt und dass diese Schrift genau dann wiederkehrt, wenn derselbe Geist sich wieder einfindet; was die vor Kurzem verstorbenen Personen anbelangt, so ist zu wiederholten Malen konstatiert worden, dass diese Schrift mit der Schrift der betreffenden Person bei Lebzeiten eine auffallende Ähnlichkeit zeigt; es sind Unterschriften von vollkommener Übereinstimmung vorgekommen. Übrigens sind wir weit davon entfernt, diese Tatsache als feststehende Regel zu bezeichnen; wir erwähnen sie nur als etwas Merkwürdiges.
Nur Geister, die bis zu einem gewissen Punkt der Läuterung gelangt sind, haben sich von jedem körperlichen Einfluss frei gemacht; sind sie jedoch nicht vollständig dematerialisiert – es ist dies der Ausdruck, dessen sie sich selbst bedienen – , so bewahren sie die meisten Vorstellungen, Neigungen, ja selbst Wunderlichkeiten, die sie auf Erden hatten. Auch dieses ist ein Mittel, sie wiederzuerkennen; aber man findet solche Mittel auch weiter noch in einer ganzen Menge Einzelheiten, die sich allein durch aufmerksame und anhaltende Beobachtung gewinnen lassen. Da kann man Schriftsteller beobachten, die ihre eigenen Werke und Lehren erörtern und gewisse Partien billigen oder verurteilen; andere Geister rufen, unbekannte oder wenig bekannte Umstände ihres Lebens beziehentlich ihres Todes oder sonstige Dinge in Erinnerung, welche allenfalls als moralische Identitätsbeweise gelten können, die einzigen, welche man ja in abstractis anrufen kann.
Kann demnach die Identität des gerufenen Geistes in gewissen Fällen vielleicht bis zu einem gewissen Punkt festgestellt werden, so liegt kein Grund vor, warum sie nicht auch in anderen festgestellt werden könnte, und wenn man bei Personen, deren Tod in ältere Zeit zurückgeht, nicht dieselben Kontrollmittel hat, so kann man sich doch wenigstens an Sprache und Charakter halten: denn der Geist eines tugendhaften Menschen wird nicht wie der eines schlechten oder liederlichen sprechen. Was die Geister anbelangt, welche sich mit hochachtbaren Namen aufputzen, so verraten sie sich bald durch Sprache und Maximen; einer, der sich für Fénélon z. B. ausgäbe und auch nur gelegentlich einmal die gesunde Vernunft und die Moral verletzte, würde sich schon dadurch als gewöhnlicher Betrüger bloßstellen. Sind dagegen die von ihm zum Ausdruck gebrachten Gedanken immer rein, widerspruchslos und der hohen Würde eines Fénélon durchaus entsprechend, so liegt kein Grund vor, an der Identität zu zweifeln; sonst müsste man annehmen, es könne ein Geist, der nur das Gute predigt, wissentlich und ohne allen Nutzen sich zur Lüge herabwürdigen.
Die Erfahrung lehrt, dass Geister derselben Stufe, desselben Charakters und derselben Gefühle sich zu Gruppen und Familien vereinigen; nun ist aber die Zahl der Geister unberechenbar und wir kennen sie lange nicht alle; die Mehrzahl von ihnen sind für uns sogar namenlos.
Ein Geist der Kategorie Fénélons kann daher an seiner Stelle und an seinem Platz kommen, oder er kann sogar von ihm ganz direkt und in seinem Auftrag geschickt werden. Er findet sich dann unter seinem Namen ein, weil er mit ihm identisch ist und ihn ersetzen kann, und weil wir einen Namen brauchen, um unseren Vorstellungen einen festen Halt zu geben. Was kommt es schließlich darauf an, ob ein Geist wirklich der Geist Fénélons ist oder nicht? Wenn er nur Gutes sagt und so spricht, wie Fénélon selbst gesprochen haben würde, so ist es ein guter Geist; der Name, unter welchem er sich zu erkennen gibt, ist gleichgültig und oft nur ein Mittel, um unseren Ideen einen Halt zu geben. Anders läge freilich die Sache beim Rufen innig mit uns verbundener Geister, allein gerade in diesem Fall kann, wie erwähnt, die Identität durch gewissermaßen offen zu Tage liegende Beweismittel festgestellt werden.
Übrigens muss man zugeben, dass diese Substitution der Geister den Anlass zu einer ganzen Menge von Missgriffen geben kann: es können Irrtümer und oft Foppereien hieraus entstehen: es ist dies unleugbar eine Schwierigkeit des praktischen Spiritismus; aber wir haben auch nie behauptet, dass diese Wissenschaft etwas Leichtes wäre oder man sie spielend erlernen könnte, ebensowenig als irgend eine andere Wissenschaft. Wir können es gar nicht oft genug wiederholen: sie verlangt ein ausdauerndes und oft sehr langwieriges Studium; da man die Tatsachen nicht hervorrufen kann, so muss man warten, bis sie sich von selbst einstellen, und dabei werden sie oft unter Umständen hervorgerufen, an welche man am wenigsten denkt. Für den aufmerksamen, geduldigen Beobachter sind die Tatsachen in Fülle vor handen, weil er tausend charakteristische Nuancen entdeckt, die für ihn wahre Lichtblicke sind. Ebenso ist es in den gewöhnlichen Wissenschaften; während der oberflächliche Mensch in einer Blume nur die elegante Form sieht, entdeckt der Gelehrte an ihr wahre Schätze für sein Nachdenken.
Da die Geister bezüglich ihrer Kenntnisse und ihrer Moral so überaus verschieden sind, so ist es offensichtlich, dass dieselbe Frage von ihnen in entgegengesetztem Sinn gelöst werden kann, je nach dem Rang, den sie einnehmen, genau als würde sie unter Menschen erst einem Gelehrten, dann einem Unwissenden oder einem Spaßvogel vorgelegt. Das Wesentliche ist, den zu kennen, an welchen man sich wendet.
Aber, wie kommt es, fügt man hinzu, dass Geister, welche anerkanntermaßen zu den höheren gehören, nicht immer ein und derselben Meinung sind? Zuerst müssen wir bemerken, dass ganz unabhängig von der soeben angedeuteten Ursache es noch andere Ursachen gibt, die einen unverkennbaren Einfluss auf das Wesen der Antworten üben, vollständig abgesehen von der Qualität der Geister. Es ist dies ein hochwichtiger Punkt, zu dessen Erklärung eingehenderes Studium erforderlich ist: aus diesem Grund sagen wir ja auch, dass spiritistische Studien eine anhaltende Aufmerksamkeit, eine gründliche Beobachtung, und überdies, wie ja alle menschlichen Wissenschaften, Ordnung und Beharrlichkeit verlangen. Jahre sind nötig, um einen mittelmäßigen Arzt, und drei Viertel eines Menschenlebens, um einen gelehrten Arzt zu machen: und hier will man die Wissenschaft des Unendlichen in einigen Stunden sich erwerben! Man täusche sich doch nicht: das Studium des Spiritismus ist ein unermessliches Feld; es berührt sich mit allen Fragen der Metaphysik und der sozialen Ordnung; es ist dies eine ganz neue Welt, die sich vor uns öffnet, und da staunt man noch, dass Zeit, viel Zeit erforderlich ist?
Übrigens ist der Widerspruch nicht immer so tatsächlich begründet, wie es den Anschein hat. Sehen wir nicht alle Tage, dass Menschen, welche die gleiche Wissenschaft vertreten, in der Definition irgendeiner Sache voneinander abweichen, sei es, dass sie verschiedene Ausdrücke anwenden, sei es, dass sie dieselbe unter anderem Gesichtspunkt betrachten, wenn auch der Grundgedanke immer derselbe ist? Man zähle nur einmal, wenn es möglich ist, die Zahl der Definitionen von „Grammatik“. Fügen wir noch bei, dass die Form der Antwort oft von der Form der Frage abhängt. Es wäre also kindisch, wollte man da einen Widerspruch finden, wo es sich meistens nur um eine Wortdifferenz handelt. Die höheren Geister haften keineswegs an der Form; für sie ist der Kern des Gedankens alles.
Nehmen wir z.B. die Definition von „Seele“. Da dieses Wort keine bestimmt festgesetzte Bedeutung hat, so können natürlich die Geister ebenso gut wie wir in der von ihnen gegebenen Definition differieren: der eine sagt vielleicht, Seele sei das Prinzip des Lebens, ein anderer, sie sei der Leben entfachende Funke, der dritte bezeichnet sie als etwas Innerliches, der vierte als etwas Äußerliches usw. und von seinem Standpunkt aus wird ein jeder Recht haben. Man könnte sogar annehmen, dass manche von den Geistern materialistischen Theorien huldigen und doch ist dem nicht so. Ebenso steht es mit der Definition des Begriffes „Gott“; er ist „das Prinzip aller Dinge, der Schöpfer des Universum, höchste Intelligenz, das Unendliche, der große Geist“ u.s.w. und in der Tat ist dies ja alles richtig. Führen wir endlich die Rangordnung der Geister an. Sie bilden eine ununterbrochene Kette von der untersten bis zur höchsten Stufe; eine Klassifizierung ist also ganz willkürlich; man kann sie in drei Klassen aufteilen, ebenso gut aber auch in fünf, zehn, zwanzig, ganz nach Belieben, ohne dass man sich darum eines Irrtums schuldig macht; alle menschlichen Wissenschaften bieten hierzu Analogien; jeder Gelehrte hat sein System; die Systeme wechseln, aber die Wissenschaft bleibt unwandelbar. Man lerne Botanik nach den Systemen Linné’s, Jussieus oder Tourneforts; es ist und bleibt immer Botanik, was man treibt. Hören wir also auf, Dingen, die lediglich auf Übereinkunft beruhen, mehr Wichtigkeit beizumessen, als sie verdienen, und halten wir uns an das wahrhaft Wesentliche: dabei wird Nachdenken in dem, was als Unsinn erscheinen mag, bald eine Analogie uns finden lassen, die uns beim ersten Hinblick entgangen war.
Alle großen ausschließlichen Beschäftigungen des Geistes können Wahnsinn verursachen: Wissenschaften, Künste, ja selbst die Religion ist davon betroffen. Der Wahnsinn hat zur Grundursache eine organische Veranlagung des Gehirns, die es gewissen Eindrücken mehr oder weniger zugänglich macht. Ist eine Veranlagung zum Wahnsinn vorhanden, so wird dieselbe den Charakter der Beschäftigung annehmen, der man hauptsächlich nachgeht: diese wird dann zur fixen Idee. Die Idee kann bei einem, der sich mit Geistern beschäftigt hat, auf diese Bezug haben, wie sie Bezug haben kann auf Gott, auf Engel, auf den Teufel, auf die Lebenslage, auf Macht, auf eine Kunst oder Wissenschaft, auf die Mutterschaft, auf ein politisches oder soziales System. Man darf wohl annehmen, dass der religiös – Wahnsinnige ein spiritistisch – Wahnsinniger geworden wäre, wenn Spiritismus seine vorherrschende Beschäftigung gewesen wäre, gerade wie der spiritistisch–Wahnsinnige je nach Umständen unter anderer Form hätte wahnsinnig werden können.
Meine Behauptung geht also dahin, dass der Spiritismus in dieser Beziehung kein besonderes Privileg hat; aber ich gehe weiter und behaupte, dass er, richtig verstanden, ein Schutzmittel gegen den Wahnsinn ist.
Zu den zahlreichen Ursachen der Gehirnüberreizung muss man Täuschung, Unglücksfälle, widerwärtige Gemütseindrücke rechnen, die zugleich auch die häufigsten Ursachen zum Selbstmord werden. Nun sieht aber der wahre Spiritist die Dinge dieser Welt von einem so erhabenen Standpunkt aus; sie erscheinen ihm so klein, so nichtig gegenüber der seiner wartenden Zukunft; das Leben ist in seinen Augen so kurz, so flüchtig, dass ihm alle Plackereien nur unangenehme Zwischenfälle einer Reise sind. Was bei einem anderen eine heftige Erregung hervorbringen würde, ergreift ihn nicht übermäßig. Übrigens weiß er, dass des Lebens Kümmernisse Prüfungen sind, die zu seinem geistigen Fortschreiten dienen, sofern er sich ihnen unterzieht, ohne zu murren, weil er je nach dem Mut, mit welchem er sie erträgt, dereinst entschädigt wird. So geben ihm seine Überzeugungen eine Entsagung, die ihn vor der Verzweiflung, vor jener unaufhörlichen Ursache des Wahnsinns und des Selbstmordes bewahrt. Zudem kennt er aus der Schau, welches ihm sein Verkehr mit den Geistern zeigt, das Los derer, welche willkürlich ihre Tage kürzen, und dieser Einblick ist recht wohl dazu angetan, ihn zum Nachdenken zu veranlassen. So ist denn auch die Zahl derer, die an diesem verhängnisvollen Abhang noch aufgehalten worden sind, eine beträchtliche. Es ist dies ein Resultat des Spiritismus. Mögen die Ungläubigen darüber lachen soviel sie wollen; ich wünsche ihnen die Tröstungen, die er allen denen verschafft hat, die sich die Mühe genommen hat, seine geheimnisvollen Tiefen zu ergründen.
Zur Zahl der Ursachen des Wahnsinns hat man auch den Schrecken zu rechnen, sowie die Angst vor dem Teufel, die mehr als ein Gehirn aus Rand und Band gebracht hat. Ist denn die Zahl der Opfer bekannt geworden, die dadurch verrückt geworden sind, dass man schwache Geister mit jenem Bild einer Hölle gepeinigt hat, das man durch alle erdenklichen Mittel und durch Beifügung der widerlichsten Einzelheiten nur noch erschrecklicher zu machen pflege? Nun heißt es zwar: der Teufel erschreckt nur kleine Kinder; er ist ein erzieherisches Mittel, um sie artig zu machen. Ja, so wie der Popanz und der Werwolf. Wenn dann die Zeit kommt, wo sie sich nicht mehr vor ihm fürchten, dann sind sie schlimmer als vorher. Und angesichts eines so schönen Resultates bekümmert man sich nicht um die Masse epileptischer Anfälle, deren Ursache auf die Erschütterung eines zartorganisierten Gehirns zurückzuführen ist. Die Religion wäre sehr schwach, wenn ihre Macht nur unter der Voraussetzung der Furcht Bestand hätte; glücklicherweise ist dem nicht so: sie hat andere Mittel, auf die Seelen einzuwirken; der Spiritismus bietet ihr noch wirksamere und ernstere, wenn sie dieselben sich nutzbar zu machen versteht. Er zeigt die Wirklichkeit der Dinge und neutralisiert dadurch die traurigen Folgen übertriebener Furcht.
Nach der ersten dieser Theorien wären alle den Geistern zugeschriebenen Manifestationen nichts anderes als magnetische Wirkungen. Die Medien befänden sich in einem Zustand, den man als wachen Somnambulismus bezeichnen könnte, ein Phänomen, das Jedermann, der den Magnetismus studiert hat, bezeugen kann. In diesem Zustand erhielten die intellektuellen Fähigkeiten eine abnorme Entwicklung; der Kreis intuitiver Wahrnehmungen gehe über die Grenzen unseres gewöhnlichen Erfassens hinaus. Demnach würde das Medium das was es sagt, alle Begriffe, die es übermittelt, selbst bei Dingen, die ihm im gewöhnlichen Zustand fremd sind, aus sich selbst und Kraft seinr Hellsehens schöpfen.
Wir sind es nicht, welche die Macht des Somnambulismus bestreiten, dessen Wunder wir gesehen und dessen Phasen wir sämtlich in einer Reihe von mehr als fünfunddreißig Jahren studiert haben; wir geben zu, dass in der Tat viele spiritistische Manifestationen sich auf diesem Wege erklären lassen; aber eine unablässige aufmerksame Beobachtung weist eine ganze Menge von Tatsachen auf, wo die Intervention des Mediums in einer anderen Weise als der eines ganz passiven Werkzeugs, schlechthin unmöglich ist. Den Anhängern dieser Ansicht rufen wir ebenfalls zu: „Seht und beobachtet, denn ihr habt sicher nicht alles gesehen!“ Sodann halten wir ihnen zwei Erwägungen entgegen, die wir aus ihrer eigenen Lehre ziehen. Woher ist die spiritistische Theorie gekommen? Ist es ein System, das sich einige Menschen ausgedacht haben, um die Tatsachen zu erklären? Keineswegs. Wer also hat es enthüllt? Nun eben jene Medien selbst, deren Hellsehen man so sehr rühmt. Wenn also dieser Hellseher wirklich so beschaffen ist, wie man annimmt, wie wären sie darauf verfallen, Geistern zu zuschreiben, was sie ja aus sich selbst geschöpft hätten? Wie hätten sie diese bestimmten logischen, erhabenen Lehren über jene außerhalb der Menschheit stehenden Intelligenzen geben können? Entweder, oder! Entweder sie sind hellsehend oder sie sind es nicht: wenn sie es sind und man in ihre Wahrhaftigkeit Vertrauen setzt, so kann man, ohne sich zur widersprechen, unmöglich annehmen, dass sie nicht auch hier bei der Wahrheit bleiben. Zweitens, wenn alle Phänomene ihren Grund im Medium hätten, so wären sie bei demselben Individuum identisch, man würde nicht beobachten, wie dieselbe Person z. B. einer diametral entgegengesetzten Ausdrucksweise sich bedient oder nach und nach die widersprechendsten Dinge zum Ausdruck bringt. Dieser Mangel an Einheit in den vom Medium erlangten Manifestationen beweist die Verschiedenheit der Quellen; kann man diese nicht in dem Medium finden, so muss man sie wohl oder übel außerhalb von ihm suchen.
Nach anderer Ansicht, ist das Medium die Quelle der Manifestationen, aber anstatt sie aus sich selbst zu schöpfen, wie die Anhänger der somnambulistischen Theorie behaupten, schöpft es dieselben aus seiner unmittelbaren Umgebung. Das Medium wäre demnach eine Art Spiegel, welcher alle Ideen, Gedanken und Kenntnisse der umgebenden Personen reflektierte: es würde nichts sagen, was nicht wenigstens einige wüssten. Man kann allerdings – es ist dies ein Prinzip der Lehre – nicht in Abrede stellen, dass die Anwesenden auf die Beschaffenheit der Geisteskundgebungen einen Einfluss ausüben; dieser Einfluss ist jedoch ein ganz anderer als den dessen Existenz man voraussetzt und von da, bis zu der Annahme, dass das Medium das Echo der Gedanken sein soll, ist noch ein großer Sprung; denn tausend Tatsachen weisen mit Entschiedenheit auf das Gegenteil hin. Es ist dies aber ein Irrtum, welcher wieder einmal das Gefährliche voreiliger Schlussfolgerungen beweist. Diese Leute können die Existenz einer Erscheinung, von der die gewöhnliche Wissenschaft keine Rechenschaft geben kann, nicht leugnen: das Vorhandensein von Geistern wollen sie nicht zugestehen, und so erklären sie sich die Sache nach ihrer Weise. Wäre ja ihre Theorie recht schön, wenn sie alle Tatsachen umfassen würde; aber dies ist eben nicht der Fall. Wenn man ihnen deutlich aufzeigt, dass gewisse Mitteilungen, die das Medium gibt, den Gedanken, Kenntnissen und Ansichten sämtlicher Anwesenden fremd sind, dass diese Mitteilungen oft freiwillige sind und allen vorgefassten Ideen widersprechen, so halten sie sich bei solchen Lappalien nicht auf. Die Ausstrahlung, heißt es dann, erstreckt sich wohl auch über den uns unmittelbar umgebenden Kreis hinaus; so dass das Medium der Reflex der ganzen Menschheit ist, welches, wenn es seine Inspiration nicht unmittelbar neben sich schöpft, sie von auswärts holt, in der Stadt, in der Umgegend, auf dem ganzen Globus, ja selbst in anderen Sphären.
Ich glaube nicht, dass man in dieser Theorie eine einfachere und wahrscheinlichere Erklärung findet als die, welche der Spiritismus gibt, denn sie setzt eine noch viel wunderbarere Ursache voraus. Die Idee, dass Wesen welche den Raum bevölkern, in fortwährender Berührung mit uns sind, und uns ihre Gedanken mitteilen, bietet nichts, was der Vernunft mehr zu widerläuft, als die Annahme von dieser allgemeinen Ausstrahlung, die von allen Punkten des Universums aus sich im Gehirn eines Individuums konzentrieren soll.
Noch einmal – es ist dies ein hochwichtiger Punkt, auf den wir gar nicht dringend genug bestehen können: die somnambulistische Theorie, sowie die andere, die man als die reflektive bezeichnen könnte, sind die Gedankenschöpfung einiger Menschen; es sind individuelle Ansichten einiger Menschen, die das Faktum erklären wollten, während die Lehre der Geister überhaupt keine menschliche Gedankenschöpfung ist; sie ist von jenen Intelligenzen diktiert worden, die sich manifestieren und zwar zu einer Zeit, als niemand daran dachte und die allgemeine Ansicht sie zurückwies; nun fragen wir, woher die Medien eine Lehre geschöpft haben, an die niemand auf Erden dachte; außerdem fragen wir, durch welches seltsame Zusammentreffen tausende von Medien, die auf allen Punkten des Erdballs zerstreut sind und sich nie gesehen haben, in solchem Einverständnis sein können, um genau dasselbe zu sagen. Wenn das erste Medium, welches in Frankreich erschien, den Einfluss von Ansichten an sich erfahren hat, die in Amerika bereits wohl bekannt waren, was ist dann das für eine Seltsamkeit, dass es 2000 Meilen über das Meer geht, 2000 Meilen fort zu einem an Sitten und Sprache fremden Volk anstatt sie aus seiner Umgebung zu nehmen?
Aber es ist hierbei noch ein anderer Umstand, an den man nicht gedacht hat. Die ersten Manifestationen in Frankreich wie in Amerika haben weder durch Schrift noch durch Wort, sondern durch Klopflaute stattgefunden, welche mit den Buchstaben des Alphabets in Bezug standen und so Worte und Sätze bildeten. Auf diesem Weg haben sich die offenbarenden Intelligenzen als Geister zu erkennen gegeben. Wenn man also in den mündlichen oder schriftlichen Mitteilungen eine Mitteilung des Denkorgans des Mediums annehmen könnte, so wird diese Möglichkeit bei Klopflauten hinfällig, deren Bedeutung im Voraus nicht bekannt sein konnte.
Wir könnten viele Beispiele zitieren, die den Beweis erbringen, dass in der sich manifestierenden Intelligenz eine offensichtliche Individualität, eine absolute Willensunabhängigkeit zu finden ist. Wir verweisen Andersdenkende auf eine aufmerksamere Beobachtung, und wenn sie sich entschließen können, ohne vorgefasste Meinung zu studieren und keine Schlüsse zu ziehen, bevor sie alles gesehen haben, werden sie das Unzulängliche einer Theorie erkennen, die es nicht vermag, von allem Rechenschaft zu geben. Wir wollen uns darauf beschränken, folgende Fragen zu stellen: Warum weigert sich die Intelligenz, die sich kundtut, welche sie auch sein mag, was sie auch wolle, auf gewisse Fragen über vollkommen bekannte Gegenstände zu antworten, wie z. B. über Namen und Alter des Fragenden, über das, was er in der Hand hat, was er den Tag vorher getan hat, seine Absichten für morgen u.s.w.? Wenn das Medium der Spiegel des Gedankens der Anwesenden ist, so wäre die Antwort für dasselbe ja ganz leicht.
Die Gegner drehen das Argument freilich um und fragen ihrerseits, warum Geister, die alles wissen sollten, so einfache Dinge nicht wüssten, nach dem Axiom: „Wer Mehr kann, kann auch Weniger“; daraus schließen sie, dass es keine Geister gibt. Wenn ein Unwissender oder ein Witzbold sich vor einer gelehrten Gesellschaft einfände und z. B. fragte, warum es zur Mittagszeit taghell ist, würde sich wohl jene die Mühe geben ernsthaft zu antworten und wäre es logisch, aus ihrem Stillschweigen oder aus den Scherzreden, zu schließen mit denen sie den Frager etwa abfertigen würde, dass ihre Mitglieder Esel wären? Also eben darum, weil die Geister überlegen sind, verweigern sie Antwort auf müßige und lächerliche Fragen und mögen nicht auf solche Spiele eingehen; sie schweigen darum oder sagen, man solle sich mit ernsteren Dingen beschäftigen.
Schließlich fragen wir noch, warum die Geister zu einem bestimmten Augenblick kommen und gehen und wenn, sobald dieser Augenblick gekommen ist, weder Bitten noch Flehen sie zurückzuholen vermögen. Handelte das Medium nur unter dem mentalen Impuls der Anwesenden, so ist es offensichtlich, dass das Zusammenwirken aller vereinten Willensakte sein Hellsehen anregen müsste. Wenn es also nicht dem Wunsch der Versammlung gehorcht, der durch seinen eigenen Willen noch verstärkt wird, so gehorcht es eben einem Einfluss, der ebenso sehr ihm selbst als der Umgebung fremd ist, und es ist ersichtlich, wie dieser Einfluss gerade hierin seine Unabhängigkeit und Individualität anzeigt.
Die spiritistische Wissenschaft umfasst zwei Partien: einen experimentellen Teil über die Manifestationen überhaupt und einen zweiten philosophischen, über die intelligenten Manifestationen. Wer sich nur mit dem ersten Aspekt befasst, befände sich in der Lage dessen, der die Physik nur aus Experimenten kennen würde, ohne in den Grund der Wissenschaft eingedrungen zu sein. Die eigentliche spiritistische Lehre liegt in der von den Geistern gegebenen Unterweisung, und die Kenntnisse, welche diese Lehre vermittelt, sind allzu wichtig als dass sie anders als in ernstem und unablässigem, in stillem und gesammeltem Studium gewonnen werden könnten; denn so allein kann man eine unendliche Menge von Tatsachen und Schattierungen beobachten, die dem oberflächlichen Beobachter entgehen und das Material bieten, sich eine Meinung zu bilden.
Hätte dieses Buch kein weiteres Resultat, als dass es die ernste Seite der Frage vorlegte und in diesem Sinn weitere Studien veranlasste, so wäre dies schon viel, und wir würden uns glückwünschen können, zur Vollendung dieses Werkes gewählt worden zu sein, aus dem wir uns übrigens keineswegs ein persönliches Verdienst machen wollen, da die Prinzipien, die es umfasst, durchaus nicht unsere geistige Schöpfung sind. Das Verdienst kommt einzig den Geistern zu, die es diktierten. Wir hoffen aber, dass es noch ein Resultat hat, nämlich das: nach Aufklärung verlangende Menschen zu leiten, ihnen in und mit diesen Studien ein großes, erhabenes Ziel vorzuhalten. Das Ziel des individuellen und sozialen Fortschritts, und die zur Erreichung dieses Zieles einzuschlagenden Wege zu zeigen.
Schließen wir mit einer letzten Betrachtung! Die Astronomen haben, wenn sie ihren Blick in den Weltraum richteten, bei der Verteilung der Himmelskörper nicht gerechtfertigte, den Gesetzen des Universums widersprechende Lücken entdeckt; sie haben daraus die Mutmaßung geschöpft, dass diese Lücken von Himmelskörpern ausgefüllt sein müssten, die ihren Blicken bis dahin entgangen waren; andererseits haben sie gewisse Wirkungen beobachtet, deren Ursache ihnen unbekannt war, und haben sich gesagt, „da muss noch eine Welt sein, denn diese Lücke ist unmöglich, und diese Wirkungen müssen eine Ursache haben.“ Indem sie demnach von der Wirkung auf die Ursache schlossen, haben sie die Elemente derselben berechnen können, und später haben die Tatsachen ihr Vorhersehen gerechtfertigt.
Dehnen wir diese Erwägung auf eine andere Vorstellungsreihe aus. Beobachtet man die Reihe der Wesen, so findet man, dass sie eine ununterbrochen zusammenhängende Kette vom rohen Stoff bis zum intelligentesten Menschen herauf bilden. Doch welche unermessliche Lücke zwischen den Menschen und Gott, dem Alpha und Omega aller Dinge! Ist es logisch anzunehmen, dass beim Menschen die Ringe dieser Kette stehen bleiben, dass er ohne Übergangsglied den Zwischenraum durchmisst, der ihn von dem Unendlichen trennt? Die Vernunft sagt uns, dass es zwischen den Menschen und Gott andere Staffeln geben muss, wie sie den Astronomen gesagt hat, dass es zwischen den bekannten Welten noch unbekannte Welten geben müsste. Welche Philosophie hat diese Lücke ausgefüllt? Der Spiritismus zeigt sie uns gefüllt mit Wesen aller Rangklassen der unsichtbaren Welt. Diese Wesen sind keine anderen als die Geister der Menschen, auf den verschiedenen, zur Vollkommenheit führenden Stufen. Alles bindet und verkettet sich, vom Alpha bis zum Omega. Ihr, die ihr die Existenz der Geister leugnet, füllt doch die Lücke aus, und ihr, die ihr darüber lacht, vermesst euch nur zu lachen über Gottes Werke und seine Allmacht!
Allan Kardec
VORWORT

Die Vernunft sagt uns, dass eine intelligente Wirkung eine intelligente Macht zur Ursache haben muss, und Tatsachen haben bewiesen, dass diese Macht mit den Menschen durch materielle Zeichen in Verbindung treten kann.
Diese Macht hat, über ihre Natur befragt, die Erklärung abgegeben, sie gehöre zur Welt der spirituellen Wesen, welche die materielle Hülle der Menschen abgelegt haben. So wurde die Lehre der Geister enthüllt.
Der Verkehr zwischen geistiger und körperlicher Welt ist in der Natur der Dinge begründet: er bezeichnet keine übernatürliche Tatsache. Aus diesem Grund findet man die Spur desselben bei allen Völkern und zu allen Zeiten; heutigen Tages sind sie ganz gewöhnlich und jedermann zugänglich.
Die Geister verkünden, dass die von der Vorsehung für eine neue Offenbarung bestimmten Zeiten gekommen seien und dass ihnen als Dienern Gottes und Vollstreckern seines Willens die Mission obliege, die Menschen zu unterrichten und aufzuklären und für die Wiedergeburt der Menschheit eine neue Ära zu eröffnen.
Vorliegendes Buch ist eine Sammlung ihrer Lehren; es ist auf Befehl und nach dem Diktat höherer Geister geschrieben, um die Grundlagen einer rationellen Philosophie zu bilden, die von den Vorurteilen des Systematisierens frei ist; es bietet nichts, was nicht der Ausdruck ihres Gedankens wäre, was nicht ihrer Kontrolle vorgelegen hätte. Nur die Anordnung und methodische Verteilung des Stoffes, so wie die Anmerkungen und die redaktionelle Fassung einiger Partien sind das Werk dessen, der die Mission empfing, es der Öffentlichkeit zu übergeben.
Unter den Geistern, welche bei der Vollendung dieses Werkes mitgewirkt haben, lebten mehrere zu verschiedenen Zeiten auf Erden, wo sie Tugend und Weisheit in Wort und Tat geübt haben; andere gehören nach den von ihnen angegebenen Namen keiner Persönlichkeit an, deren Andenken die Geschichte bewahrt hätte, aber ihre erhabene Gesinnung wird durch die Reinheit ihrer Lehre und ihrer Vereinigung mit denen bezeugt, welche jene hochachtbaren Namen tragen.
Wir lassen hier die Worte folgen, in denen sie durch Schrift und durch die Vermittlung mehrerer Medien den Auftrag erteilt haben, dieses Buch zu schreiben:
„Befasse dich eifrig und ausdauernd mit der Arbeit, welche du unter unserem Beistand unternommen hast, denn diese Arbeit ist die unsrige. Wir haben in derselben den Grundstein zu dem neuen Gebäude gelegt, das sich erhebt und eines Tages alle Menschen in dem gleichen Gefühl der Liebe und Nächstenliebe vereinigen soll; aber bevor wir es verbreiten, werden wir es zusammen durchsehen, um alle Einzelheiten zu kontrollieren.“
„Wir werden bei dir sein, so oft du nach uns verlangst, um dich in deinen anderen Arbeiten zu unterstützen; denn dies ist nur ein Teil der Mission, deren Erfüllung dir obliegt und die dir schon durch einen von uns enthüllt worden ist.“
„Unter den Belehrungen, die dir gegeben werden, gibt es einige, die du bis auf weitere Weisung für dich behalten sollst; sobald der Augenblick zu ihrer Veröffentlichung gekommen sein wird, werden wir es dir anzeigen; inzwischen durchdenke sie, damit du bereit bist, wenn wir dir es sagen.“
„Du sollst an die Spitze des Buches die Weinrebe setzen*, die wir dir gezeichnet haben, weil sie das Sinnbild der Arbeit des Schöpfers ist; alle materiellen Prinzipien, durch welche Körper und Geist am besten dargestellt werden können, finden sich hier vereint: der Körper ist die Rebe; der Geist der Saft; die Seele oder der mit der Materie vereinte Geist ist die Beere. Durch Arbeit verfeinert der Mensch den Geist, und du weißt ja, dass auch der Geist nur durch des Körpers Arbeit Kenntnisse erwirbt.
„Lass dich durch die Kritik nicht entmutigen. Du wirst heftige Widersacher namentlich unter solchen Leuten finden, die aus den Missbräuchen Vorteile ziehen. Ja du wirst solche unter den Geistern finden; denn die, welche noch nicht vollständig vom Materiellen sich befreit haben, suchen oft aus Bosheit oder aus Unwissenheit den Samen des Zweifels auszustreuen; doch nur vorwärts! Vertraue auf Gott und gehe zuversichtlich deinen Weg: wir werden dir zur Seite sein, um dich zu schützen, und die Zeit ist nahe, da die Wahrheit auf allen Seiten ans Licht kommen wird.“
„Die Eitelkeit gewisser Menschen, welche alles zu wissen vermeinen und alles nach ihrer Weise erklären möchten, wird abweichende Meinungen hervorrufen; aber alle, die den großen Grundsatz Jesu vor Augen haben, werden sich zusammenfinden in dem gleichen Gefühl der Liebe zur Tugend und sich vereinen in einem Band der Brüderlichkeit, das die ganze Erde umschließen wird; sie werden erbärmliche Zänkereien um Worte beiseite lassen, um sich nur mit den wesentlichen Dingen zu befassen. Die Lehre wird ihren Grundzügen nach für alle, welche Mitteilungen höherer Geister erhalten werden, immer dieselbe sein.“
„Durch festes Beharren wirst du dich in den Stand gesetzt sehen, die Frucht deiner Arbeit zu genießen. Das Vergnügen, das du empfinden wirst, wenn du die Fortschritte der Lehre siehst, wenn du wahrnimmst, wie sie verständnisvoll aufgenommen wird, soll dein Lohn sein, ein Lohn, dessen ganzen Wert du vielleicht weniger in der Gegenwart als in der Zukunft kennenlernen wirst.“
„Kümmere dich also nicht um die Dornen und Steine, welche Ungläubige und Böswillige auf deinen Weg streuen werden: halte fest am Vertrauen: mit Vertrauen gelangst du zum Ziel und verdienst du dir unseren fortwährenden Beistand.“
„Sei dessen bewusst, dass die guten Geister nur denen zur Seite stehen, die Gott voll Demut und Uneigennützigkeit dienen, dagegen von solchen nichts wissen mögen, die auf dem Weg zum Himmel ein Trittbrett für die irdischen Dinge zu finden wähnen. Sie entfernen sich vom Hochmutigen und Ehrgeizigen. Hochmut und Ehrgeiz werden immerdar eine Scheidewand bilden zwischen dem Menschen und Gott; das ist der Schleier, der über die Himmelsklarheit geworfen ist, und Gott kann sich des Blinden nicht bedienen, um anderen das Licht zu zeigen.“
Anmerkung: Die Prinzipien, die Gegenstand dieses Buches sind, wiedergeben die Antworten der Geister auf die Fragen, die an sie direkt durch eine große Anzahl von Medien und bei verschiedenen Gelegenheiten gestellt wurden. Sowie die Belehrungen die sie uns oder anderen Personen über das angesprochene Thema zukommen ließen. Die Zusammensetzung des Materials folgte dem Zweck einen harmonischen und methodischen Inhalt darzubieten und wurde erst der Öffentlichkeit übergeben, nach sorgfältiger und mehrmals wiederholender Revision und Anbringung von Korrekturen durch die Geister. Auch diese 2. Auflage wurde von den Geistern einer akkuraten und sehr sorgfältigen Revision unterzogen.
* Die auf Seite 65 abgebildete Weinrebe, entspricht einem Fac-Simile, das von den Geistern gezeichnet wurde. (Anmerkung von Allan Kardec.)
Erstes Buch – Die ersten Ursachen
KAPITEL I – Gott
Gott und das Unendliche
„Gott ist die höchste Intelligenz, die erste Ursache aller Dinge.“*
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* Die auf die Fragen folgenden, zwischen Anführungszeichen gestellten Worte, sind die von den Geistern erteilten Antworten. Da wo die vom Verfasser selbst hinzugefügten Bemerkungen und Ausführungen mit dem Wortlaut jener Antworten verwechselt werden könnten, sind die ersteren in kleinerer Schrift gedruckt. Bilden dagegen die Antworten ganze Kapitel, so bleibt die gewöhnliche Schrift. (Anmerkung von Allan Kardec)
2. Was ist unter dem „Unendlichen“ zu verstehen?
„Was weder Anfang noch Ende hat: das Unbekannte; alles Unbekannte ist unendlich.“
„Unvollständige Definition. Armut der Sprache des Menschen, welche die sein Erkenntnisvermögen überragenden Dinge zu fassen nicht ausreicht.“
Gott ist unendlich in seinen Vollkommenheiten, aber das Unendliche ist ein abstrakter Begriff. Nennt man Gott das Unendliche, so setzt man die Eigenschaft an die Stelle der Sache selbst und definiert etwas Unbekanntes mit etwas nicht minder Unbekanntem.
Beweise vom Dasein Gottes
„In einem Satz, dessen ihr euch in euren Wissenschaften bedient: keine Wirkung ohne Ursache. Sucht die Ursache von allem, was nicht Menschenwerk ist, und eure Vernunft wird euch antworten.“
Um an Gott zu glauben, braucht man nur einen Blick auf die Werke der Schöpfung zu werfen. Das Universum existiert, es hat also eine Ursache. Am Dasein Gottes zweifeln, hieße leugnen, dass jede Wirkung eine Ursache hat, und behaupten, dass nichts etwas habe bewirken können.
„Woher hätten dann eure „Naturvölker dieses Gefühl?“
Wenn das Gefühl vom Dasein eines höchsten Wesens auch das Produkt einer Lehre wäre, so wäre es kein allgemeines und würde, so wie die Begriffe der Wissenschaften, nur bei denjenigen sich finden, die jene Lehre empfingen.
„Aber welches wäre denn die Ursache dieser Eigenschaften? Überall ist doch eine erste Ursache notwendig.“
Die uranfängliche Gestaltung der Dinge den innersten Eigen – schaften der Materie zuschreiben, hieße die Wirkung für die Ursache nehmen; denn diese Eigenschaften sind ja selbst eine Wirkung, die eine Ursache haben muss.
„Eine neue Ungereimtheit! Welcher Mensch von gesundem Verstand wird den Zufall für ein intelligentes Wesen halten? Und dann: Was ist Zufall? Nichts.“
Die Harmonie, womit die Kräfte des Universums geleitet werden, weist auf ein bestimmtes absichtsvolles Zusammenwirken hin, verrät eben dadurch eine intelligente Macht. Den Ursprung der Dinge dem Zufall zuschreiben, wäre ein Unsinn; denn der Zufall ist blind und kann niemals die Wirkungen der Intelligenz hervorbringen. Ein intelligenter Zufall wäre kein Zufall mehr.
„Ihr habt ein Sprichwort: „Am Werk erkennt man den Meister.“ Betrachtet also das Werk und sucht den Meister. Hochmut verursacht Unglauben. Der Hochmütige will nichts über sich dulden, darum nennt er sich einen starken Geist. Armseliges Ding, das ein Hauch von Gott vernichten kann!“
Man beurteilt die Macht einer Intelligenz ganz nach ihren Werken. Da kein menschliches Wesen das schaffen kann, was die Natur erzeugt, so ist die erste Ursache eine der Menschheit überlegene Intelligenz.
Wie groß auch die von menschlichem Verstand vollbrachten Wunder seien, so hat doch dieser selbst wieder seine Ursache, und je größer das von ihm Vollbrachte ist, desto größer muss auch jene Ursache sein. Jene Intelligenz ist es, welche als die erste Ursache aller Dinge erscheint, mit welchem Namen sie der Mensch auch bezeichnen mag.
Eigenschaften der Gottheit
„Nein; dazu fehlt ihm ein Sinn.“
„Wenn sein Geist nicht mehr von der Materie verdunkelt sein und er durch Selbstvervollkommnung sich ihm genähert haben wird, dann wird er ihn schauen und ihn begreifen.“
Die Beschränktheit seiner Fähigkeiten gestattet dem Menschen nicht, das innere Wesen Gottes zu begreifen. Zur Zeit der Kindheit der Menschheit verwechselte man oft Gott mit dem Geschöpf und legte ihm des letzteren Unvollkommenheiten bei; aber je mehr sich der moralische Sinn des Menschen entwickelt, dringt sein Denken zum Kern der Dinge vor und er bildet sich von demselben eine richtigere und dem Verstand entsprechendere, wenn auch immer noch unvollständige Vorstellung.
„Ja, von einigen derselben. Der Mensch erkennt dieselben, je mehr er sich über die Materie erhebt, er ahnt sie in Gedanken.“
„Von eurem Standpunkt aus, ja, weil ihr eben alles zu umfassen vermeint. Aber wisset, dass es Dinge gibt, welche die Erkenntnis auch der intelligentesten Menschen überragen und für welche eure Sprache, die sich innerhalb eurer Vorstellungen und Gefühlen bewegt, keinen Ausdruck besitzt. Die Vernunft sagt euch zwar, dass Gott jene Vollkommenheiten besitzen muss; denn hätte er eine einzige weniger oder eine derselben nicht in unendlichem Masse, so wäre er nicht höher als Alles und somit nicht Gott. Um über allen Dingen zu stehen, darf er keinen Wechselfällen unterworfen sein und darf er keine Unvollkommenheiten haben, die der Einbildungskraft etwa vorschweben möchten.“
Gott ist ewig: hätte er einen Anfang gehabt, so wäre er aus dem Nichts hervorgegangen oder selbst von einem Wesen vor ihm geschaffen worden. So steigen wir stufenweise aufwärts zum Unendlichen, Ewigen.
Gott ist unveränderlich: wäre er Veränderungen unterworfen, so hätten die das Universum beherrschenden Gesetze keinen Bestand.
Er ist immateriell, d. h. sein Wesen unterscheidet sich von Allem, was wir Materie, Stoff nennen; sonst wäre er nicht unveränderlich, sondern den Wandlungen der Materie unterworfen.
Er ist einzig: gäbe es mehrere Götter, so bestände weder eine Einheit in den Zwecken, noch in der Macht bei der Leitung des Universums.
Er ist allmächtig, weil er einzig ist. Besäße er nicht die höchste Macht, so gäbe es etwas mächtigeres oder ebenso mächtiges, wie er: er hätte dann nicht alle Dinge gemacht und die, welche er nicht gemacht hätte, wären das Werk eines anderen Gottes.
Er ist allgerecht und allgütig. Die vorsehungsvolle Weisheit der göttlichen Gesetze offenbart sich in den kleinsten, wie in den größten Dingen und diese Weisheit gestattet keinen Zweifel, weder an seiner Gerechtigkeit, noch an seiner Güte.
Pantheismus
„Wenn dies der Fall wäre, so wäre Gott überhaupt nicht; denn er wäre dann die Wirkung und nicht die Ursache; beides zugleich aber kann er nicht sein.“
„Gott existiert; ihr dürft daran nicht zweifeln. Glaubt mir, sucht hier nicht weiter zu dringen; verirrt euch nicht in Labyrinthe, aus denen ihr nicht mehr heraus kämet. Das würde euch nicht besser machen, aber vielleicht hochmütiger, weil ihr zu wissen glaubtet und doch nichts wüsstet. Lasst darum alle diese Grübeleien bei Seite: Es gibt Dinge genug, die euch näher angehen, und fangt bei euch selbst an: sucht eure eigenen Unvollkommenheiten zu erkennen, um sie abzulegen. Das wird euch nützlicher sein als das Undurchdringliche durchdringen zu wollen.“
„Da der Mensch sich nicht selbst zu Gott machen kann, so will er wenigstens ein Teil Gottes sein.“
„Die Vernunft. Denkt reiflich nach und es wird euch nicht schwer fallen, deren Ungereimtheit zu erkennen.“
Diese Lehre macht aus Gott ein materielles Wesen, das, wenn auch mit höchster Intelligenz begabt, doch im Großen nur das wäre, was wir im Kleinen sind. Da nun aber die Materie sich fortwährend verändert, so hätte Gott, wenn dem also wäre, keinen Bestand: er wäre allen Wechselfällen, ja allen Bedürfnissen der Menschheit unterworfen, er entbehrte einer der wesentlichen Eigenschaften der Gottheit: der Unveränderlichkeit. Die Eigenschaften der Materie sind unvereinbar mit der Idee Gottes, wenn man ihn nicht in unsere Gedanken erniedrigen will und alle Spitzfindigkeiten unseres Scharfsinns werden nicht ausreichen, das Problem seiner innersten Natur zu lösen. Wir erkennen nicht alles, was er ist; aber wir wissen was er nicht sein kann, und jenes System steht in Widerspruch mit seinen wesentlichsten Eigenschaften: es verwechselt den Schöpfer mit dem Geschöpf, genau so wie wenn man eine sinnreiche Maschine zum integrierenden Teil ihres Erfinders machen wollte. Gottes Intelligenz offenbart sich in seinen Werken, wie die eines Malers in seinem Gemälde; die Werke Gottes aber sind ebenso wenig Gott selbst, als das Gemälde der Maler ist.
KAPITEL II – Allgemeine Elemente des Universums
Erkenntnis des Prinzips der Dinge
17. Ist es dem Menschen vergönnt, das Grundwesen der Dinge zu erkennen?„Nein, Gott will nicht, dass dem Menschen hier auf Erden alles offenbar werde.“
„Der Schleier wird sich für ihn erheben, je nachdem er sich reinigt. Indessen, um gewisse Dinge zu verstehen, benötigt er Fähigkeiten, welche er noch nicht besitzt.“
„Die Wissenschaft wurde ihm gegeben zum Zweck seines Fortschrittes in allen Dingen; er vermag aber nicht die ihm von Gott gesteckten Grenzen zu durchbrechen.“
Je tiefer es dem Menschen in jene Geheimnisse einzudringen vergönnt ist, desto größer soll seine Bewunderung sein gegenüber der Macht und Weisheit des Schöpfers. Aber seine Verstandeskraft selbst macht ihn oft, sei es aus Hochmut, sei es aus Schwachheit, zum Spielzeug seiner Einbildungen: er türmt Systeme auf Systeme und jeder Tag zeigt ihm, wie viele Irrtümer er für Wahrheiten gehalten und wie manche Wahrheit er als Irrtum verworfen hatte. Das sind weitere Enttäuschungen für seinen Hochmut.
„Ja, wenn Gott es für nützlich erachtet, so kann er Dinge offenbaren, welche die Wissenschaft nicht zu erkennen vermag.“
Aus diesen Mitteilungen schöpft der Mensch innerhalb gewisser Grenzen die Kenntnis seiner Vergangenheit und seiner künftigen Bestimmung.
Geist und Materie (Stoff)
„Das weiß nur Gott allein. Jedoch gibt es etwas, was die Vernunft euch sagen muss, nämlich dass Gott, das Urbild der Liebe, nie untätig gewesen ist. Soweit ihr auch den Anfang seiner Tätigkeit zurückverlegen mögt, könnt ihr ihn euch auch nur eine Sekunde in Untätigkeit vorstellen?“
„Von eurem Standpunkt aus sind sie es, weil ihr eben nur so redet, wie ihr es versteht. Aber der Stoff existiert auch in Zuständen, die euch unbekannt sind. Er kann z. B. so fein und ätherisch sein, dass er gar keinen Eindruck auf eure Sinne macht; dennoch ist es stets der Stoff, obgleich es für euch keiner ist.“
22a. Was für eine Definition könnt ihr über den Stoff geben?
„Der Stoff ist das Band, das den Geist bindet, ist das Werkzeug, das ihm dient und auf das er zugleich seinen Einfluss ausübt.“
Unter diesem Gesichtspunkt kann man sagen, dass der Stoff das Agens ist, auf welches und mittelst dessen der Geist wirkt.
„Das intelligente Prinzip des Universums.“
23a. Was ist das innerste Wesen des Geistes?
„In eurer Sprache ist der Geist nicht leicht zu zergliedern. Für euch ist er nichts, weil er nicht mit Händen gegriffen werden kann. Für uns aber ist er etwas. Wisst es wohl: Nichts ist das Nichts und das Nichts existiert nicht.“
„Die Intelligenz ist eine wesentliche Eigenschaft des Geistes; aber beide fließen in einem gemeinschaftlichen Prinzip ineinander, so dass sie für euch beide eine und dieselbe Sache sind.“
„Beide sind voneinander verschieden, aber es bedarf der Vereinigung des Geistes und des Stoffes, um letzteren intelligent zu machen.“
25a. Ist diese Vereinigung ebenso notwendig für die Äußerung des Geistes? (Wir verstehen hier unter Geist das Prinzip der Intelligenz, abgesehen von den mit diesem Namen bezeichneten Individualitäten.)
„Für euch ist sie notwendig, weil ihr nicht so veranlagt seid, dass ihr den Geist ohne den Stoff erkennen könntet; eure Sinne sind nicht dazu geschaffen.“
26. Kann man den Geist ohne Stoff erkennen und den Stoff ohne den Geist?
„Das kann man ohne Zweifel durch das Denken.“
„Ja, und über dem allem Gott, der Schöpfer, der Vater aller Dinge; diese drei Dinge sind das Prinzip von allem was existiert, die universelle Dreieinigkeit. Aber zu dem stofflichen Element kommt noch hinzu das universelle Fluidum, das die Vermittlerrolle zwischen Geist und Stoff im engeren Sinn spielt, welcher letztere zu grob ist, als dass der Geist einen Einfluss auf ihn ausüben könnte. Obwohl man es, von einem gewissen Standpunkt aus auch zum Stoff rechnen kann, unterscheidet es sich doch durch seine besonderen Eigenschaften. Wäre es in positiver Weise Stoff, so bestände kein Grund, dass der Geist es nicht ebenfalls wäre. Dieses Fluidum steht in der Mitte zwischen Geist und Stoff; es ist ebenso ein Fluidum, wie der Stoff der Stoff ist, und es vermag mittelst seiner ungezählten Verbindungen mit letzterem und unter dem Einfluss des Geistes die unendliche Mannigfaltigkeit der Dinge hervorzubringen, von der euch nur ein kleiner Teil bekannt ist. Dieses allgemeine oder uranfängliche oder elementare Fluidum ist, als Wirkungsmittel des Geistes, das Prinzip, ohne das der Stoff sich in einem fortwährenden Zustand der Verteilung befände und nie die ihm von der Schwere verliehenen Eigenschaften erlangen würde.“
27a. Ist dies das Fluidum, das wir mit dem Namen Elektrizität bezeichnen?
„Wir sagten, dass es unzähliger Verbindungen fähig ist; das was ihr elektrisches, magnetisches Fluidum nennt, sind Modifikationen des universellen Fluidums, welches eigentlich nur ein vollkommenerer, feinerer Stoff ist, den man als selbständig betrachten darf.“
„Auf Worte kommt es uns wenig an; an euch ist es, eure Sprache so zu gestalten, dass ihr euch versteht. Eure Uneinigkeiten stammen gewöhnlich nur daher, dass ihr eure Worte nicht richtig zu gebrauchen wisst, weil eure Sprache für Dinge, die nicht sinngefällig sind, unzureichend ist.“
Eine Tatsache herrscht hier offenbar durch alle Hypothesen: wir sehen einen Stoff, der nicht intelligent ist, und andererseits ein intelligentes Prinzip, das vom Stoff unabhängig ist. Ursprung und Verbindung dieser beiden bleiben uns unbekannt. Ob sie eine gemeinsame Quelle, notwendige Berührungspunkte haben oder nicht; ob die Intelligenz ein selbständiges Dasein führt, oder ob sie nur eine Eigenschaft, eine Wirkung ist; ja, ob sie wie einige meinen, ein Ausfluss der Gottheit ist, das alles wissen wir nicht. Sie erscheinen uns verschieden und darum nehmen wir an, sie bilden zwei Grundprinzipien des Universums. Überall dem erblicken wir eine alle anderen Intelligenzn beherrschende und leitende Intelligenz, die sich von jenen durch wesentliche Eigenschaften unterscheidet. Diese höchste Intelligenz ist es, welche man Gott nennt.
Eigenschaften des Stoffes
„Des Stoffes, wie ihr ihn versteht, ja; aber nicht des Stoffes als universelles Fluidum. Der ätherische, feine Stoff, der dieses Fluidum bildet, ist für euch unwägbar und doch nicht minder das Prinzip eures schweren Stoffes.“
Die Schwere ist eine relative Eigenschaft: außerhalb des Gebietes der Anziehungskraft der Welten gibt es kein Gewicht, so wenig, als es dort ein Oben oder Unten gibt.
„Es gibt nur ein einziges Urelement. Die Körper, die ihr für einfache haltet, sind keine wahren Elemente, sondern nur Verwandlungen des Urstoffes.“
„Sie sind Modifikationen, welche den elementaren Molekülen durch ihre Verbindung und unter gewissen Umständen widerfahren.“
„Ja, ohne Zweifel, und sie existieren nur durch die Empfänglichkeit der Organe, auf welche sie wirken.“
Dieses Prinzip wird durch die Tatsache erwiesen, dass nicht jederman die Qualitäten der Körper auf dieselbe Weise wahrnimmt. Der Eine findet eine Sache für seinen Geschmack angenehm, der Andere unangenehm; die Einen sehen blau, was Andere rot sehen; was den Einen Gift ist, ist Anderen unschädlich, ja heilsam.
„Ja, und das soll man unter unserem Satz, dass Alles in Allem ist, verstehen.“ *
Sauerstoff, Wasserstoff, Stickstoff, Kohlenstoff, überhaupt alle sogennanten einfachen Stoffe sind nur Modifikationen des einen Urstoffes. Da wir nur vermittelst des Denkens zu dem Begriff dieses Urstoffes gelangen können, so sind jene Körper für uns einstweilen wirkliche Urstoffe oder Elemente und wir dürfen sie, ohne dass es weiter etwas auf sich hat, als solche bis auf weiteres betrachten.
33a. Diese Theorie scheint denjenigen Recht zu geben, welche im Stoff nur zwei Eigenschaften erkennen: Kraft, Bewegung, und denen alle anderen Eigenschaften nur Nebenwirkungen sind, die je nach dem Grad der Kraft und der Richtung der Bewegung wechseln?
„Diese Ansicht ist richtig. Nur muss man noch hinzufügen: je nach der Verteilung der Moleküle, wie du es z.B. bei einem undurchsichtigen Körper siehst, der durchsichtig werden kann, und umgekehrt.“
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* Dieses Prinzip erklärt die allen Magnetiseuren bekannte Erscheinung: durch den Willen einem beliebigen Stoff, z. B. dem Wasser sehr verschiedene Eigenschaften zu verleihen: einen bestimmten Geschmack, ja selbst aktive Qualitäten anderer Substanzen. Da es nur ein Grundelement gibt und die Eigenschaften der verschiedenen Körper nur Modifikationen dieses Elementes sind, so folgt daraus, dass die unschädlichste Substanz dasselbe Prinzip in sich birgt, wie die tödlichste. So wird das Wasser, das aus 1 Teil Sauerstoff und 2 Teilen Wasserstoff besteht, ätzend, wenn man den Bestandteil des Sauerstoffs verdoppelt. Eine ähnliche Verwandlung bringt eine vom Willen geleitete magnetische Behandlung hervor. (Anmerkung von Allan Kardec)
„Ohne Zweifel haben sie eine Form, aber keine für euch fassbare.“
34a. Ist diese Form sich gleichbleibend oder veränderlich?
„Sich gleichbleibend bei den ursprünglichen Elementar – Molekülen, veränderlich bei den sekundären Molekülen, die selbst nur Anhäufungen der ersteren sind; denn was ihr Moleküle nennt, ist noch weit entfernt vom Elementar – Molekül.“
Universum
„Unendlich. Angenommen, es habe Grenzen, was wäre dann außerhalb derselben? Das verwirrt dein Denken, ich weiß es wohl, und doch sagt dir dein Denken, dass es nicht anders sein kann. Ebenso verhält es sich mit dem Unendlichen in Allem; in eurer kleinen Sphäre könnt ihr es nun einmal nicht fassen.“
Nimmt man eine Grenze des Raumes an, wenn auch so weit weg als der Gedanke es nur fassen mag, so sagt die Vernunft, dass es jenseits der Grenze etwas gibt und so immer weiter und weiter ins Unendliche; denn jenes etwas, und wäre es absolut leerer Raum, würde wieder Raum sein.
„Nein, nichts ist leer. Was für dich leer ist, ist von einem Stoff erfüllt, den du mit deinen Sinnen und Werkzeugen nicht fassen kannst.”
KAPITEL III – Schöpfung
Entstehung der Welten
37. Wurde das Universum geschaffen oder ist es, wie Gott, von Ewigkeit her?
„Gewiss hat es sich nicht selbst machen können und wäre es, wie Gott, von Ewigkeit her, so könnte es nicht das Werk Gottes sein.“ Die Vernunft sagt uns, dass das Universum sich nicht selbst hat schaffen können und, da es nicht das Werk des Zufalls sein kann, das Werk Gottes sein muss.
„Um mich des Ausdrucks zu bedienen: Kraft seines Willens. Nichts bezeichnet besser diesen allmächtigen Willen, als jene schönen Worte der Genesis: Gott sprach: Es werde Licht, und es ward Licht.“
„Alles was man sagen kann und was ihr verstehen könnt ist: dass die Welten sich bilden durch Verdichtung der im Raum zerstreuten Materie.“
„Das ist richtig: aber unsinnig ist es, an ihren Einfluss zu glauben. Ich meine jenen ihnen gewöhnlich zugeschriebenen Einfluss: Denn alle Himmelskörper haben ihren Anteil von Einfluss bei gewissen physischen Erscheinungen.“
„ Das kann ich dir nicht sagen, denn der Schöpfer allein weiß dies; und sehr anmassend wäre der, welcher es zu wissen behauptete oder die Zahl der Jahrhunderte uns vorrechnen wollte, die es zu ihrer Entstehung bedürfte.“
Entstehung der lebendigen Wesen
„Am Anfang war alles Chaos, die Elemente waren durcheinander gewirrt, nach und nach nahm jedes seine Stelle ein, dann traten die für den Zustand des Erdballs geeigneten lebendigen Wesen auf.“
„Die Erde barg in ihrem Schoß deren Keime und diese erwarteten den günstigen Augenblick, um sich zu entwickeln. Die organischen Grundkräfte taten sich zusammen, sobald die Kraft, welche sie auseinanderhielt, zurücktrat und bildeten so die Keime aller lebendigen Wesen. Die Keime blieben zunächst in einem latenten und trägen Zustand wie die Puppe und die Samenkörner, bis zu der Zeit, welche der Entstehung und Entwicklung jeder Gattung günstig war. Dann taten sich die Wesen jeder Gattung zusammen und vermehrten sich.“
„Sie befanden sich, sozusagen, im Zustand eines Fluidums im Weltraum, inmitten der Geister oder auf anderen Planeten, harrend auf die Schöpfung der Erde, um auf einem neuen Weltkörper ein neues Dasein zu beginnen.“
Die Chemie zeigt uns wie die Moleküle der unorganischen Körper sich vereinigen und Kristalle von konstanter Regelmäßigkeit bilden nach Gattung und Art, sobald die nötigen Bedingungen vorhanden sind. Die geringste Störung dieser letzteren genügt, um die Verbindung der Elemente oder wenigstens die regelmäßige Lage zu verhindern, die zu einem Kristall gehört. Warum sollte es mit den organischen Elementen nicht ebenso sein ? Wir bewahren jahrelang Samen von Pflanzen und Tieren auf, die sich nur bei einer bestimmten Temperatur und in günstiger Umgebung entwickeln; man sah Getreidekörner noch nach mehreren Jahrhunderten aufkeimen. Es liegt also in diesem Samen ein latentes (verborgenes) Lebensprinzip, welches zu seiner Entwicklung nur die günstige Gelegenheit erwartet. Was täglich vor unseren Augen geschieht, sollte das nicht schon von Anbeginn unserer Erde so gewesen sein? Sollte diese Bildung der aus dem Chaos hervorgehenden lebendigen Wesen durch die Kraft der Natur selbst etwas an der Größe Gottes ändern? Davon weit entfernt entspricht dieselbe besser unserer Vorstellung von seiner Macht, welche ungezählte Welten nach ewigen Gesetzen waltet. Diese Theorie löst allerdings die Frage nach dem Ursprung der Lebenselemente nicht, aber Gott hat eben seine Geheimnisse und hat unserem Forschen seine Grenzen gesetzt.
„Ja, aber der ursprüngliche Keim existierte schon im latenten Zustand. Ihr seid täglich Zeugen dieser Erscheinung. Enthalten die Gewebe des Menschen und der Tiere nicht die Keime einer Menge von Würmern, die zu ihrer Entstehung nur die zu ihrer Existenz notwendige faule Gärung abwarten? Das ist eine kleine schlummernde und sich selbst schaffende Welt.“
„Ja, und es ist aufgetreten zu seiner Zeit. Darum heißt es, der Mensch sei aus dem Lehm der Erde gebildet worden.“
„Nein, alle neuen Berechnungen sind Wahngebilde.“
„Der Urgrund der Dinge gehört zu den Geheimnissen Gottes. Indessen kann man sagen, dass die Menschen, nachdem sie einmal über die Erde verbreitet waren, die zu ihrer Entstehung notwendigen Elemente in sich aufgenommen haben, um sie nach den Gesetzen der Fortpflanzung weiter zu verbreiten. So verhält es sich auch mit den verschiedenen Gattungen der lebendigen Wesen.“
Bevölkerung der Erde. Adam.
„Nein, der, den ihr Adam nennt, war weder der erste noch der einzige, welche die Erde bevölkerte.“
„Ungefähr zu derjenigen, die ihr ihm setzt: Etwa 4000 Jahre vor Christus.“
Der Mensch, dessen Überlieferung sich unter Adams Namen erhalten hat, war einer derjenigen, der in einer bestimmten Gegend nach einigen ungeheuren Überflutungen, die in verschiedenen Zeiträumen die Erdoberfläche durcheinander geworfen haben, am Leben geblieben ist und ward so zum Stammvater einer der Rassen, welche die Erde heute noch bewohnen. Die Naturgesetze widersprechen der Annahme, dass die Fortschritte der Menschheit, die schon lange vor Christus stattfand, sich in einigen Jahrhunderten hätten vollziehen können, wenn der Mensch erst seit der für Adam angenommenen Zeit auf der Erde gewesen wäre. Einige aber betrachten, und zwar mit Berechtigung, Adam nur als einen Mythos oder eine Allegorie, welche die ersten Weltalter personifiziert.
Verschiedenheit der Menschenrassen
„Klima, Leben und Gewohnheiten. So ist es auch mit den zwei Kindern der gleichen Mutter, welche, fern voneinander und verschieden erzogen, sich in moralischer Beziehung in nichts ähnlich sein werden“
„Ja, und zwar in verschiedenen Zeiträumen, und hier liegt eine der Ursachen des Rassenunterschiedes. Ferner zerstreuten sich die Menschen in verschiedene Himmelsrichtungen, vermischten sich mit anderen Rassen und bildeten so neue Typen.“
53a. Begründen diese Unterschiede besondere Gattungen?
„Keineswegs; alle gehören zur selben Familie: Hindern etwa die verschiedenen Variationen der gleichen Frucht diese letztere daran, derselben Gattung anzugehören ?“
„Alle Menschen sind Brüder in Gott, weil sie vom Geiste beseelt sind und nach demselben Ziel hinstreben. Ihr möchtet die Worte immer buchstäblich nehmen.“
Vielheit der Welten
„Ja, und der Mensch der Erde ist weit entfernt, der Erste an Intelligenz, Güte und Vollkommenheit zu sein, wie er sich einbildet. Und doch gibt es Menschen, die sich für sehr stark halten und die da meinen, diese kleine Erde habe allein das Vorrecht, intelligente Wesen zu beherbergen. Hochmut und Eitelkeit! Sie meinen, Gott habe das Universum für sie allein geschaffen.“
Gott bevölkerte die Welten mit lebendigen Wesen, die alle zum letzten Zweck der Vorsehung beitragen. Es hieße an der Weisheit Gottes, der nichts unnützes gemacht hat, zweifeln, wenn man annehmen wollte, dass die lebendigen Wesen auf den einzigen Punkt, den wir im Weltall bewohnen, beschränkt seien. Er müsste jenen Welten einen höheren Zweck anweisen, als nur den, unsere Blicke zu ergötzen. Außerdem berechtigt vernünftigerweise nichts, weder die Stellung, noch der Umfang, noch die physische Beschaffenheit der Erde, zu der Annahme, dass sie, mit Ausschluss so vieler tausenden von ähnlichen Welten, das Vorrecht zu besitzen, allein bewohnt zu sein.
56. Ist die physische Beschaffenheit der verschiedenen Welten die gleiche?
„Nein, sie sind in keiner Weise ähnlich.“
„Gewiss, gerade so wie bei euch die Fische für das Leben im Wasser, die Vögel für das in der Luft geschaffen sind.“
„Meint ihr denn, es gebe keine anderen Quellen von Licht und Wärme, als die Sonne, und haltet ihr die Elektrizität für nichts, die doch auf gewissen Welten eine Rolle spielt, die euch unbekannt und viel wichtiger ist, als auf der Erde? Übrigens ist es nicht gesagt, dass alle Wesen in derselben Weise beschaffen sind, wie ihr.“
Die Existenzbedingungen der die verschiedenen Welten bewohnenden Wesen müssen dem Element, in welchem sie zu leben berufen sind angepasst sein. Hätten wir nie Fische gesehen, so würden wir nicht begreifen, dass Wesen im Wasser leben können. Ebenso verhält es sich mit den anderen Welten, in welchen es ohne Zweifel Elemente gibt, die wir nicht kennen. Sehen wir nicht hier auf Erden die langen Polarnächte von der Elektrizität der Nordlichter erleuchtet? Liegt etwas Unmögliches in der Annahme, dass die Elektrizität auf gewissen Welten reichlicher vorhanden ist, als auf der Erde und dort eine so durchgehende Rolle spiele, dass wir deren Wirkungen nicht ermessen können? Jene Welten können also gar wohl die Quellen der Wärme und des Lichtes für ihre Bewohner in sich selbst tragen.“
Biblische Betrachtungen und Übereinstimmungen über die Schöpfung
Der Einwand, den man gegen diese Theorie erheben kann, beruht auf dem Widerspruch, in welchem die letztere mit dem Wortlaut der heiligen Bücher steht. Eine genauere Untersuchung lässt aber diesen Widerspruch mehr nur als scheinbar, denn als tatsächlich erscheinen und zeigt, dass derselbe aus einer Auslegung, die oft eine allegorische ist, entspringt.
Die Frage in Betreff des ersten Menschen in der Person Adams, als des einzigen Stammvaters, ist nicht die einzige, über welche die religiösen Meinungen sich ändern mussten. Die Behauptung, dass die Erde sich bewege erschien zu einer gewissen Zeit dem Wortlaut der Bibel so entgegengesetzt, dass es keine Gattung von Verfolgungen gab, der diese Behauptung nicht zum Vorwand dienten. Und doch bewegt sich die Erde trotz aller Bannflüche und niemand könnte es jetzt noch leugnen, ohne seiner eigenen Vernunft zu nahe zu treten.
Ebenso sagt die Bibel, die Welt sei in sechs Tagen geschaffen worden, und verlegt die Zeit dazu auf etwa 4000 Jahre vor Christus. Vorher existierte die Erde gar nicht, sie war aus dem Nichts hervorgerufen: der Wortlaut lässt keine andere Deutung zu. Und dennoch beweist die positive Wissenschaft unerbittlich das Gegenteil. Die Bildung des Erdballs ist geschrieben in unverjährbaren, ewigen Zeichen in der fossilen Welt, und es ist erwiesen, dass die 6 Tage der Schöpfung ebenso viele Perioden sind, von denen jede vielleicht mehrere hunderttausende von Jahren dauerte. Das ist kein System, keine Lehre, keine vereinzelte Meinung, es ist vielmehr eine ebenso feststehende Tatsache, wie die der Bewegung der Erde und welcher auch die Theologie zustimmen muss – ein deutlicher Beweis, in was für Irrtümer man verfällt, wenn man die Ausdrücke einer oft bildlichen Sprache buchstäblich nimmt. Soll man daraus schließen, dass die Bibel sich irrt? Nein, aber die Menschen irrten sich bei ihrer Auslegung.
Indem die Wissenschaft die Archive der Erde durchwühlte, erkannte sie die Reihenfolge, in der die verschiedenen lebendigen Wesen auf der Oberfläche unseres Planeten erschienen sind und diese Reihenfolge stimmt mit der in der Genesis angegebenen überein, nur mit dem Unterschied, dass jene Werke, statt auf wunderbare Weise aus den Händen Gottes in einigen Stunden hervorgegangen zu sein, – immer nach seinem Willen, aber nach den Gesetzen der Naturkräfte – in einigen Millionen Jahren vollbracht wurden. Ist Gott deswegen weniger groß und mächtig? Ist sein Werk weniger erhaben, weil es nicht den Zauber der Plötzlichkeit besitzt? Offenbar nicht; man müsste sich von der Gottheit eine äußerst klägliche Vorstellung machen, wenn man seine Allmacht nicht auch in den ewigen Gesetzen der Natur und der Welten erkennen wollte. Die Wissenschaft, weit entfernt das göttliche Wirken zu verkleinern, zeigt es uns in einer viel großartigeren Gestalt, die zugleich unseren Begriffen von der Macht und der Majestät Gottes eben dadurch besser entspricht, dass es sich vollzogen hat, ohne den Naturgesetzen zu widersprechen.
Die Wissenschaft setzt, hierin mit Moses übereinstimend, den Menschen an die letzte Stelle in der Reihenfolge der Schöpfung der lebendigen Wesen. Aber Moses setzt die Sintflut ins Jahr der Welt l654, während die Geologie die große Flut vor das Auftreten des Menschen setzt, da bis heute in den ältesten Schichten keine Spur seiner Gegenwart noch derjenigen der Tiere derselben leiblichen Kategorie gefunden war. Nichts beweist jedoch, dass dies unmöglich wäre. Mehrere Entdeckungen haben hier schon Zweifel erregt. Es ist somit möglich, dass man von einem Tag zum andern die handgreifliche Gewissheit eines früheren Vorhandenseins des Menschengeschlechts erwirbt und dann wird man anerkennen, dass hier, wie an andern Stellen, der Wortlaut der Bibel bildlich verstanden sein will. Es handelt sich um die Frage, ob die große geologische Flut auch die des Noah war. Nun gestattet aber die zur Bildung der fossilen Schichten nötige Zeitdauer nicht, beide für identisch zu halten und sobald man Spuren menschlicher Existenz vor der großen Katastrophe entdeckt haben wird, wird es erwiesen sein, dass entweder Adam nicht der erste Mensch war, oder dass seine Erschaffung sich im Dunkeln der Zeiten verliert.
Das Dasein des Menschen vor der geologischen Flut ist zwar noch eine bloße Voraussetzung, was dies aber weniger ist, ist folgendes. Angenommen, der Mensch sei zuerst 4000 vor Chr. Aufgetreten, so würde, wenn 1650 Jahre später das Geschlecht bis auf eine Familie wäre vernichtet worden, die Bevölkerung der Erde erst von Noah an, d. h. 2350 Jahre v. Chr., datiert. Als ferner die Hebräer nach Ägypten auswanderten im 18. Jahrhundert v. Chr. , fanden sie das Land sehr bevölkert und in der Zivilisation schon sehr vorgeschritten. Die Geschichte zeigt, dass zu jener Zeit Indien und andere Länder in ebenso blühendem Zustand sich befanden, ohne dass wir dabei unsere Zuflucht zur Zeitrechnung gewisser Völker zu nehmen brauchen, die zu einer viel entfernteren Vergangenheit hinaufsteigt. Es hätte also zwischen dem 14. und 18. Jahrhundert, d. h. in einer Zeit von 600 Jahren, nicht nur die Nachkommenschaft eines einzigen Menschen alle jene damals unbekannten riesigen Ländstriche bevölkern müssen, sondern das Menschengeschlecht hätte sich in dieser kurzen Zeit von der völligen Unwissenheit des Urzustandes zur höchsten Stufe geistiger Entwicklung müssen erleben können, – was allen Gesetzen der Menschenkunde widerspricht.
Auch die Verschiedenheit der Rassen unterstützt diese Ansicht. Klima und Gewohnheit bringen ohne Zweifel Veränderungen im physischen Charakter hervor, aber man kennt auch die Grenzen, welche diesem Einfluss gesetzt sind, und die physiologische Untersuchung zeigt, dass zwischen gewissen Rassen tiefere konstitutionelle Unterschiede bestehen, als solche welche nur vom Klima herbeigeführt werden können. Kreuzung der Rassen lässt Zwischentypen entstehen: sie hat die Tendenz, die Extreme abzuschwächen, aber sie bringt selbst keine hervor: sie erzeugt nur Spielarten. Um nun eine Rassenkreuzung zu ermöglichen, mussten erst verschiedene Rassen vorhanden sein, und wie soll man sich ihr Dasein erklären, wenn man ihnen einen gemeinsamen Stammvater gibt und noch dazu in so naher Vergangenheit? Wie kann man annehmen, das gewisse Abkömmlinge Noah’s sich in einigen Jahrhunderten so sehr verwandelt hätten, dass sie z.B. eine schwarze Hautfarbe annahmen. Eine solche Wandlung ist nicht zulässiger als die Annahme eines gemeinschaftlichen Stammvaters für den Wolf und das Schaf, den Elefanten und die Blattlaus, den Vogel und den Fisch. Wir wiederholen es: nichts kann gegenüber dem Augenschein der Tatsachen aufkommen. Alles hingegen erklärt sich, wenn man das Vorhandensein des Menschen vor die Zeit setzt, die man ihm gewöhnlich anweist; die Verschiedenheit der Stammeltern: Adam, der vor 6000 Jahren lebte und eine noch unbewohnte Gegend bevölkert haben soll; die noahische Flut, als partielle Katastrophe, die mit der geologischen Flut zusammengeworfen wird; endlich die dem orientalischen Stil eigentümliche allegorische Form, die sich in den heiligen Büchern aller Nationen findet. Darum ist es besser, nicht leichtsinnigerweise Lehren für falsch zu erklären, welche früher oder später, wie so viele andere, diejenigen Lügen strafen könnten, welche sie bestreiten. Die religiösen Ideen, weit entfernt zu verlieren, erhöhen sich vielmehr, indem sie mit der Wissenschaft fortschreiten. Dies ist das einzige Mittel, der Skepsis keine verwundbare Seite zu zeigen.
KAPITEL IV – Lebensprinzip
Organisches und unorganisches Wesen
60. Einigt die gleiche Kraft die Elemente des Stoffes, sowohl in den organischen, als in den unorganischen Körpern?
„Ja, die Anziehungskraft ist für alle dieselbe.“
„Es ist überall derselbe Stoff, aber in den organischen Körpern ist er in tierischen Stoff umgewandelt (animalisé).“
62. Was ist der Grund letzterer Umwandlung?
„Seine Verbindung mit dem Lebensprinzip.“
„Es ist beides. Das Leben ist eine durch die Einwirkung eines Agens auf den Stoff hervorgebrachte Wirkung. Dieses Agens, ohne den Stoff, ist nicht das Leben; ebensowenig kann der Stoff ohne dieses Agens leben. Letzteres gibt das Leben allen Wesen, welche es in sich aufnehmen und verarbeiten.“
„Es ist ohne Zweifel eines der zum Bestand des Universums notwendigen Elemente, aber es selbst hat seine Quelle in dem modifizierten universellen Stoff; für euch ist es ein Element, wie Sauer – und Wasserstoff, die ja doch keine Urelemente sind; denn das Alles stammt aus einem einzigen Prinzip.“
64a. Es scheint daraus zu folgen, dass das Leben sein Prinzip nicht in einem besonderen Uragens hat, sondern in einer besonderen Eigenschaft des universellen Stoffes, die gewissen Modifikationen entspringt?
„ Das ist die Folgerung aus dem, was wir sagten.“
„Es hat seine Quelle in dem universellen Fluidum. Es ist das was ihr magnetisches oder in tierischen Stoff umgewandeltes elektrisches Fluidum nennt. Es ist die Vermitlung, das Bindeglied zwischen Geist und Stoff.“
„Ja, verändert je nach den Gattungen. Es verleiht ihren Bewegung und Tätigkeit und unterscheidet sie von dem trägen Stoff. Denn die Bewegung des Stoffes ist nicht das Leben; er empfängt die Bewegung, er gibt sie nicht.“
„Es entwickelt sich nur mit dem Körper. Sagten wir nicht, dass jenes Agens ohne den Stoff nicht das Leben ist? Die Vereinigung beider bedingt erst das Leben.“
67a. Darf man sagen, das Leben sei in latentem Zustand, wenn das Lebensagens mit dem Körper nicht geeint ist?
„Jawohl.“
Leben und Tod
„Erschöpfung der Organe.“
68a. Könnte man den Tod mit dem Aufhören der Bewegung in einer in Unordnung geratene Maschine vergleichen ?
„Ja, wenn die Maschine schlecht gebaut ist, bricht die Springfeder; wenn der Körper krank ist, hört das Leben auf.“
„Das Herz ist eine Lebensmaschine, aber es ist nicht das einzige Organ, dessen Verletzung den Tod herbeiführt; es ist nur eines der wesentlichsten Räder.“
„Die träge Materie zersetzt sich und bildet neue, das Lebensprinzip kehrt zur Masse zurück.“
Wenn das organische Wesen tot ist, gehen seine Bestandteile neue Verbindungen ein, die neue Wesen bilden. Diese schöpfen sich an der universellen Quelle das Prinzip des Lebens und der Tätigkeit, nehmen es auf und verarbeiten es, um es einst dieser Quelle wieder zu geben, wenn sie aufhören zu sein. Die Organe sind sozusagen mit Lebensfluidum durchtränkt. Dieses Fluidum gibt allen Teilen des Organismus eine Tätigkeit, die deren Heilung bei gewissen Verletzungen bewirkt und die für den Augenblick aufgehobenen Funktionen wiederherstellt. Werden aber die dem Spiel der Organe wesentlichen Elemente zerstört oder zu sehr verändert, dann ist das Lebensfluidum nicht mehr im Stand, ihnen die Bewegung des Lebens zu vermitteln und das Wesen stirbt.
Die Organe reagieren mehr oder weniger notwendig aufeinander; aus der Harmonie ihrer Gesamtheit geht ihre gegenseitige Einwirkung hervor. Zerstört irgendeine Ursache diese Harmonie, so stehen ihre Funktionen still, wie die Bewegung einer Maschine, deren wesentliche Räder in Unordnung gekommen sind. So z. B. eine Uhr, die sich mit der Zeit abnutzt oder zufällig sich ausrenkt und welche die bewegende Kraft nicht in Bewegung zu setzen vermag.
In einem elektrischen Apparat haben wir noch ein genaueres Bild vom Leben und vom Tod. Dieser Apparat birgt die Elektrizität, wie alle Naturkörper, in latentem Zustand. Die elektrischen Erscheinungen zeigen sich erst, wenn das Fluidum durch eine besondere Ursache in Tätigkeit gesetzt wird: Dann könnte man sagen, der Apparat sei belebt. So wie die Ursache der Tätigkeit aufhört, hört auch die Erscheinung auf: Der Apparat ist wieder im Zustand der Untätigkeit. Die organischen Körper wären so eine Art von elektrischen Säulen oder Apparaten, in denen die Tätigkeit des Fluidums die Erscheinung des Lebens hervorbringt: das Aufhören dieser Tätigkeit bringt den Tod.
Die Quantität des Lebensfluidums ist nicht bei allen organischen Wesen gleich. Sie ist verschieden, je nach den Gattungen, und bleibt nicht dieselbe weder in demselben Individuum, noch in den Individuen derselben Gattung. Einige sind von demselben sozusagen gesättigt, während wieder andere kaum genug davon besitzen; darum haben einige ein tätigeres, höheres und gewisser – maßen überströmendes Leben.
Die Quantität des Lebensfluidums erschöpft sich allmählich. Sie kann zum Lebensunterhalt unzureichend werden, wenn sie nicht erneuert wird durch Aufnahme und Verarbeiten von Substanzen, welche sie enthalten.
Das Lebensfluidum geht von einem Individuum auf ein anderes über. Wer davon mehr besitzt, kann davon dem abgeben, der weniger hat, ja in gewissen Fällen das zu erlöschen drohende Leben zurückrufen.
Intelligenz und Instinkt
„Nein; denn die Pflanzen leben und denken doch nicht; sie besitzen nur organisches Leben. Intelligenz und Stoff sind von einander unabhängig, da ein Körper auch ohne Intelligenz leben kann. Aber letztere kann sich nur vermittelst materieller Organe manifestieren; es bedarf der Vereinigung mit dem Geist, um den tierischen Stoff intelligent zu machen.“
Die Intelligenz ist eine besondere, gewissen Klassen organischer Wesen eigene Fähigkeit, die ihnen nebst dem Gedanken auch den Willen zu handeln, das Bewusstsein ihres Daseins und ihrer Individualität, sowie die Mittel mit der Außenwelt in Beziehung zu treten und für ihre Bedürfnisse zu sorgen, verleiht. So lassen sich unterscheiden:
1. die unbeseelten, aus Stoff allein gebildeten Wesen ohne Leben und Intelligenz: grobe Materie;
2. die beseelten, nicht denkenden, aus Stoff gebildeten und belebten, aber der Intelligenz entbehrenden Wesen;
3. die beseelten, denkenden, aus Stoff gebildeten, beseelten Wesen, bei denen ein intelligentes Prinzip hinzukommt, das ihnen die Fähigkeit gibt zu denken.
„Wir sagten es schon: die universelle Intelligenz.“
72a. Könnte man sagen, dass jedes Wesen einen Teil der Intelligenz aus der universellen Quelle schöpft und in sich verarbeitet, wie es das Prinzip des stofflichen Lebens in sich aufnimmt?
„Das ist nur ein Vergleich, aber kein genauer, da die Intelligenz eine jedem Wesen eigene Fähigkeit ist und dessen moralische Individualität begründet. Übrigens wisst ihr, dass es Dinge gibt, welche zu durchdringen dem Menschen nicht gegeben ist und zu diesen Dingen gehört auch jene Frage.“
„Nein; das gerade nicht; denn er ist eine Art von Intelligenz. Er ist eine Intelligenz ohne Vernunft, mit der alle Wesen ihre Bedürfnisse befriedigen.“
„Nein, denn sie gehen oft ineinander über, hingegen kann man sehr wohl die Handlungen, die dem einen oder dem anderen Gebiet angehören, unterscheiden.“
„Nein. Der Instinkt existiert immer, aber der Mensch vernach – lässigt ihn. Auch der Instinkt vermag zum Guten zu führen: Er leitet uns stets und oft sicherer als die Vernunft; er irrt niemals.“
75a. Warum ist die Vernunft nicht immer ein unfehlbarer Führer?
„Sie wäre unfehlbar, wenn sie nicht durch schlechte Erziehung, Hochmut und Egoismus gefälscht würde. Der Instinkt denkt nicht, die Vernunft aber lässt dem Menschen die Wahl und die freie Entscheidung.“
Der Instinkt ist nur ein Ansatz zur Intelligenz, der sich von letzterer im eigentlichen Sinn dadurch unterscheidet, dass seine Äußerungen fast immer unmittelbar sind, während die der Intelligenz das Produkt einer Kombination und eines übelegten Handelns sind.
Der Instinkt ist in seinen Äußerungen verschieden je nach den Gattungen und ihren Bedürfnissen. Bei den Wesen, die Bewusst – sein und Wahrnehmungsvermögen besitzen, verbindet er sich mit der Intelligenz, d. h. mit dem Willen und der Freiheit.
Zweites Buch – Welt der Geister
KAPITEL I – Von den Geistern
Ursprung und Wesen der Geister
„Man kann sagen, dass die Geister die intelligenten Wesen der Schöpfung sind. Sie bevölkern das Universum ausserhalb der stofflichen Welt.“
- Das Wort ,,Geist” bezeichnet hier die Individualitäten außerkörperlicher Wesen und nicht das universelle intelligente Element. (Anmerkung von Allan Kardec)
„Mein Gott, sie sind sein Werk, genauso wie ein Mensch eine Maschine baut. Diese Maschine ist des Menschen Werk und nicht er selbst. Du weißt, dass wenn ein Mensch eine schöne, nützliche Sache macht, er sie sein Kind, seine Schöpfung nennt. Gerade so ist es mit Gott: Wir sind seine Kinder, weil wir sein Werk sind.“
„Hätten sie keinen Anfang gehabt, so wären sie gleich Gott, während sie doch seiner Schöpfung und seinem Willen unterworfen sind. Gott ist von Ewigkeit her, das ist unwider – sprechlich; aber wann und wie er uns geschaffen hat, davon wissen wir nichts. Du kannst sagen, wir seien ohne Anfang, wenn du darunter verstehst, dass, da Gott ewig sei, er ohne Unterbrechung habe schaffen müssen; aber wann und wie jeder von uns erschaffen worden ist, das, sage ich dir noch einmal, weiß keiner: hier liegt das Geheimnis.“
„Offenbar. Die Geister sind Individualisationen des intelligenten Prinzips, wie die Körper die des stofflichen. Zeitpunkt und Art und Weise dieser Bildung bleiben unbekannt.“
„Sie ist fortwährend, d. h Gott hat nie aufgehört zu schaffen.“
„Gott schafft sie wie alle anderen Geschöpfe Kraft seines Willens; aber noch einmal: Ihr Ursprung bleibt ein Geheimnis.“
„Wie kann man etwas definieren, wenn man keine Vergleichgs – punkte und keine ausreichende Sprache hat? Kann ein Blindgeborener das Licht definieren? Immateriell ist nicht das rechte Wort; unkörperlich wäre genauer; denn du siehst doch ein, da der Geist eine Schöpfung ist, er etwas sein muss; er ist ein aufs äußerste verfeinerter Stoff, aber ohne Analogie für euch, und so ätherisch, dass er euren Sinnen entgeht.“
Wir sagen, die Geister seien immateriell, weil ihr Wesen von allem, was wir unter dem Namen Materie kennen, verschieden ist. Ein Volk von Blinden hätte keine Bezeichnungen für das Licht und seine Wirkungen. Der Blindgeborene glaubt im Besitz aller Wahr – nehmungen zu sein durch das Gehör, den Geruch, den Geschmack und den Tastsinn. Er begreift nicht die Vorstellungen, die ihm der ihm fehlende Sinn zuführen würde. Ebenso sind wir bezüglich der Natur der übermenschlichen Wesen wahre Blinde. Wir können sie nur durch stets unzulänglich bleibende Vergleiche oder durch die Anstrengungen der Einbildungskraft definieren.
„Ihr begreift gar vieles nicht, weil eure Intelligenz beschränkt ist. Das ist aber kein Grund, es zu leugnen. Das Kind begreift auch nicht alles, was sein Vater, noch der Unbelehrte, was der Gelehrte begreift. Kurz, die Existenz der Geister hört nicht auf; das ist alles, was wir jetzt sagen können.“
Ursprüngliche normale Welt
84. Bilden die Geister eine Welt für sich, außerhalb derjenigen, die wir sehen?„Ja, die Welt der Geister oder der unkörperlichen Intelli – genzen.“
85. Welche von beiden, die geistige oder die körperliche Welt, ist die höhere in der Weltordnung?
„Die geistige; sie existierte früher als die anderen und überlebt alles.“
„Ja, sie sind unabhängig voneinander, und doch finden unaufhörlich Beziehungen zwischen beiden statt; denn sie wirken fortwährend aufeinander ein.“
„Die Geister sind überall: die unendlichen Räume sind mit ihnen ins Unendliche bevölkert. Unaufhörlich befinden sich welche an euerer Seite, beobachten euch, wirken auf euch, ohne dass ihr es wisst. Denn die Geister sind eine der Naturmächte und die Werkzeuge, deren Gott sich zur Ausführung seiner vorgesehenen Pläne bedient. Aber nicht alle kommen überall hin, denn es gibt Orte, die den weniger Fortgeschrittenen untersagt sind.“
Gestalt und Allgegenwart der Geister
Für eure Augen nicht; für die unseren, ja. Sie ist, wenn ihr wollt, eine Flamme, ein Schein oder ein ätherischer Funke.“
88a. Hat diese Flamme oder dieser Funke irgendeine Farbe?
„Für euch wechselt sie vom Dunkeln bis zum Glanze des Rubins, je nachdem der Geist mehr oder weniger rein ist.“ Man stellt gewöhnlich die Genien mit einer Flamme oder einem Stern auf der Stirn dar. Das ist eine Allegorie, um die Natur der Geister auszudrücken. Man setzt es dann auf das Haupt, weil hier der Sitz der Intelligenz ist.
„Ja, aber sie tun es schnell wie der Gedanke.“
89a. Ist der Gedanke nicht die Seele selbst, welche sich fortbewegt?
„Wenn der Gedanke irgendwo ist, so ist die Seele auch dort, weil es die Seele ist, welche denkt. Der Gedanke ist eine Eigenschaft.“
„Beides. Der Geist weiss gar wohl, wenn er will, von dem durchmessenen Raum, aber diese Entfernung kann für ihn auch ganz verschwinden; das hängt von seinem Willen, wie auch von seiner reineren oder unreineren Natur ab.“
91. Bildet der Stoff für die Geister ein Hindernis?
„Nein, sie durchdringen alles: Luft, Erde, Wasser, selbst Feuer sind ihnen gleich zugänglich.“
„Eine Teilung desselben Geistes kann es nicht geben; aber jeder ist ein Mittelpunkt, der nach verschiedenen Seiten strahlt, und darum scheint er an mehreren Orten zugleich zu sein. Du siehst die Sonne, sie ist nur eine und doch strahlt sie ringsherum und wirft ihre Strahlen in unendliche Fernen; dennoch teilt sie sich nicht.“
92a. Strahlen alle Geister mit derselben Kraft?
„Weit entfernt, das hängt vielmehr von dem Grad ihrer Reinheit ab.“
Jeder Geist ist eine unteilbare Einheit, aber jeder kann seine Gedanken nach verschiedenen Seiten ausbreiten, ohne sich deshalb zu teilen. Nur in diesem Sinn darf man den Geistern die Gabe der Allgegenwärtigkeit zuschreiben. So wirft ein Funke sein Licht in weite Ferne, so dass es von allen Punkten des Horizonts bemerkt wenden kann. So kann ein Mensch, ohne seinen Ort zu ändern und ohne sich zu teilen, Befehle, Signale, Bewegungen nach verschiedenen Punkten übermitteln.
Perispirit
„Der Geist ist von einer für dich dunstigen, für uns aber noch sehr groben Substanz umhüllt, die indessen noch dünn genug ist, um sich in die Atmosphäre erheben und dahin begeben zu können, wohin er will.“
So wie der Keim einer Frucht von der Keimhülle (Perisperma), so ist der Geist im engeren Sinn von einer Hülle umgeben, die man vergleichsweise „Perispirit“ nennen kann.
„Aus dem universellen Fluidum jedes Himmelskörpers. Darum ist sie nicht auf allen Himmelskörpern dieselbe: indem der Geist von einer Welt in die andere sich begibt, wechselt er seine Hülle, so wie ihr die Kleider wechselt.“
94a. Wenn also die Geister höherer Welten zu uns kommen, nehmen sie einen gröberen Perispirit an?
„Sie müssen sich mit eurem Stoff bekleiden, wie schon gesagt.“
„Ja, eine Gestalt wie sie ihm beliebt und so erscheint er euch zuweilen teils im Traum, teils im wachen Zustand und kann eine sichtbare, ja greifbare Form annehmen.“ .
Verschiedene Ordnungen der Geister
„Sie sind verschiedenen Ranges, je nach dem Grad der Vervoll – kommnung, zu der sie gelangt sind.“
„Ihre Zahl ist unbegrenzt, weil es zwischen diesen Stufen keine Grenzlinie gleich einer Schranke gibt und man daher die Einteilung nach Belieben vereinfachen oder vervielfältigen kann. In Bezug auf die Hauptunterschiede kann man jedoch drei Hauptstufen annehmen.
„Zur höchsten oder ersten Stufe kann man diejenigen rechnen, welche bei der Vollendung angelangt sind: die reinen Geister. Die der zweiten Stufe stehen auf der Mitte der Stufenleiter: die Sehnsucht gut zu werden beherrscht sie. Die der untersten Stufe stehen noch unten auf der Leiter: es sind die unvollkommenen Geister. Man erkennt sie an ihrer Unwissenheit, an ihrer Sehnsucht nach dem Bösen und allen schlechten Eigenschaften, die ihren Fortschritt hemmen.“
„Sie haben diese Macht je nach dem Grad ihrer Vollkommen – heit: Die einen haben das Wissen, die anderen die Weisheit und Güte, alle aber haben noch Prüfungen zu bestehen.“
„Nein, die einen tun weder Gutes noch Böses, andere dagegen gefallen sich im Bösen und fühlen sich befriedigt, wenn sie Gelegenheit finden Böses zu tun. Dann gibt es noch die leichtfertigen und Poltergeister, die mehr als Störenfriede und in kleinen Bosheiten, als in eigentlicher Schlechtigkeit sich gefallen und die in Mystifikationen und Herbeiführung kleiner Widerwärtigkeiten ihr Vergnügen finden.“
Geistige Stufenleiter
Diese Einteilung ist übrigens keine absolute; jede Kategorie bezeichnet ein nur im Großen und Ganzen dargestelltes Bild; aber der Übergang von einer Stufe zur andern ist ein unmerklicher und auf den Grenzen verschwindet der Unterschied, wie im Reich der Natur, wie bei den Farben des Regenbogens oder auch wie in den verschiedenen Perioden des menschlichen Lebens. Man kann also je nach dem Gesichtspunkt, unter dem man die Sache anschaut, eine größere oder kleinere Zahl von Klassen annehmen. Es ist damit wie mit allen wissenschaftlichen Einteilungen; die Systeme können mehr oder weniger vollständig, rationell oder bequem sein; jedenfalls aber ändern sie nichts an der Grundlage der Wissenschaft. Die hierüber befragten Geister konnten somit verschiedene Zahlen der Kategorien aufstellen, ohne dass das etwas für die Zukunft beweise. Man wollte nun aus diesem scheinbaren Widerspruch Kapital schlagen, ohne zu bedenken, dass die Geister auf rein konventionelles kein Gewicht legen. Für sie ist der Gedanke alles, uns überlassen sie die Form, die Wahl der Ausdrücke, die Einteilung, kurz die Systeme. Fügen wir noch hinzu, was man nie aus den Augen verlieren darf, dass es unter den Geistern wie bei den Menschen sehr unwissende gibt, und dass man sich nicht genug vor der Annahme hüten kann, dass alle alles wissen, weil es eben Geister seien. Jede Einteilung erfordert Methode, Analyse und gründliche Kenntnis des Gegenstandes. Nun sind in der Welt der Geister diejenigen, welche beschränkte Kenntnisse haben, gerade so wie hier auf Erden die Unwissenden, nicht fähig ein Ganzes zu umfassen, ein System aufzustellen und sie kennen und begreifen nur unvollkommen irgendwelche Einteilung. Für sie gehört jeder Geist, der ihnen überlegen ist, zur höchsten Ordnung, ohne dass sie die verschiedenen Schattierungen des Wissens, der Fähigkeit, der Moral zu unterscheiden wüssten, gerade so wie bei uns ein roher Mensch es mit den Gebildeten hält. Selbst die, welche des-sen fähig sind, können im Einzelnen, je nach ihrem Standpunkt, verschiedener Meinung sein, besonders, wenn in der Einteilung nichts Entscheidendes liegt. Linnée, Justieu, Tournefort hatten jeder seine eigene Methode, die Botanik hat sich aber deswegen nicht geändert. Sie haben eben weder die Pflanzen, noch deren Kennzeichen erfunden; sie beobachteten nur die Ähnlichkeiten und bildeten demnach ihre Gruppen und Klassen. So sind auch wir vorgegangen. Wir erfanden weder die Geister, noch deren Kennzeichen. Wir sahen und beobachteten, wir beurteilten sie nach ihren Worten und Taten, und ordneten sie dann nach ihren Ähnlichkeiten, nach den Angaben, die sie uns machten.
Die Geister nehmen im Allgemeinen drei Hauptkategorien oder Hauptabteilungen an. In der letzten, unten an der Stufenleiter sind die unvollkommenen Geister, zu erkennen am Übergewicht des Stoffes über den Geist und den Hang zum Bösen. Die der Zweiten sind zu erkennen an dem Übergewicht des Geistes über den Stoff und an der Sehnsucht nach dem Guten: das sind die guten Geister.
Die Erste umschließt die reinen Geister, die, welche die höchste Stufe der Vollkommenheit erreicht haben. Diese Einteilung scheint uns ebenso vernunftgemäß wie klar. Uns blieb nur noch übrig, die Hauptschattierungen des Ganzen durch eine hinreichende Zahl von Unterabteilungen hervortreten zu lassen. Das taten wir unter Beihilfe der Geister selbst, deren wohlwollende Belehrungen uns nie im Stich ließen. Mit Hilfe dieser Übersicht wird es nicht schwer fallen, Rang und Stufe der Geister, mit denen wir in Beziehung treten können, und somit auch den Grad von Achtung und Vertrauen, den sie verdienen, zu bestimmen. Es ist dies gewissermaßen der Schlüssel zur spiritistischen Wissenschaft, der allein uns Rechenschaft geben kann von der Unzuverlässigkeit der Geistermitteilungen, indem er uns über die intellektuellen und moralischen Ungleichheiten der Geister belehrt. Indessen gehört ein Geist nicht immer ausschließlich nur einer Klasse an; da der Fortschritt sich nur allmählich und bald in dieser, bald in jener Richtung vollzieht, so kann einer die Kennzeichen mehrerer Klassen in sich vereinigen, was sich leicht aus Sprache und Handlungen desselben entnehmen lässt.
Dritte Stufe: Unvollkommene Geister
Sie schauen zwar Gott, aber sie erkennen ihn nicht. Nicht alle sind wesentlich böse; bei einigen findet sich mehr Leichtsinn, Inkonsequenz und Bosheit, als eigentliche Schlechtigkeit. Die einen tun weder Gutes noch Übles; aber schon dadurch, dass sie kein Gutes tun, beweisen sie ihre Niedrigkeit. Andere wiederum gefallen sich im Bösen und freuen sich, wenn sie dazu Gelegenheit finden.
Sie können ihre Intelligenz mit Schlechtigkeit oder Bosheit verbinden, aber trotz ihrer intellektuellen Entwicklung sind ihre Ideen wenig erhabener und ihre Gefühle mehr oder weniger niedriger Natur. Ihre Erkenntnisse von der geistigen Welt sind beschränkt und das Wenige, das sie von ihr wissen, vermischt sich mit den Vorstellungen und Vorurteilen ihres Lebens im Leib. Sie vermögen uns von jener nur einen falschen und unvollständigen Begriff zu geben; aber der aufmerksame Beobachter findet doch oft selbst in ihren unvollkommenen Mitteilungen die Bestätigung der großen, von den höheren Geistern gelehrten Wahrheiten.
Ihr Charakter zeigt sich in ihrer Sprache. Jeder Geist, der in seinen Mitteilungen einen bösen Gedanken verrät, dürfen wir zur dritten Stufe zählen und folglich stammt auch jeder uns eingegebene böse Gedanke von einem Geist dieser Stufe.
Sie schauen das Glück der Guten und dieser Anblick ist für sie eine unaufhörliche Qual; denn sie empfinden alle vom Neid und der Eifersucht erregten Gefühle. Sie bewahren die Erinnerung und Kenntnis der Leiden im Leben und dies ist oft schmerzlicher, als die Wirklichkeit selbst. Sie leiden somit in Wahrheit so wohl von dem Übel, das sie selbst einst erlitten, als von dem, das sie andere haben erleiden lassen. Und da sie lange leiden, so meinen sie stets zu leiden; Gott will es so, auf das sie gestraft werden.
Man kann diese Stufe in 5 Hauptklassen teilen.
Sie sind zum Bösen geneigt und machen es zum Gegenstand ihrer Vorliebe. Als Geister geben sie trügerische Ratschläge, flößen Zwietracht und Misstrauen ein und nehmen jede Maske hervor, um besser zu betrügen. Sie heften sich, um sie ins Verderben zu treiben, an Charaktere, die schwach genug sind, ihren Einflüsterungen nachzugeben und sind zufrieden, wenn sie deren Fortschritt durch ihr Unterliegen in den Prüfungen aufhalten können.
Bei den Manifestationen erkennt man sie an der Sprache. Gemeinheit und Grobheit des Ausdruckes ist, bei den Geistern wie bei den Menschen, stets ein Zeichen geringer moralischer, wenn nicht auch intellektueller Werte. Ihre Mitteilungen verraten die Niedrigkeit ihrer Neigungen und wenn sie durch ein vernünftiges Gebaren zu täuschen suchen, vermögen sie nicht lange ihr Spiel durchzuführen, sondern verraten schließlich stets ihren Ursprung.
Einige Völker machten aus ihnen böse Gottheiten, andere bezeichnen sie mit dem Namen Dämonen, böse Geister. Die noch im Körper lebenden Wesen, welche sie beeinflussen, sind zu allen Lastern geneigt, welche schlechte und erniedrigende Leidenschaften erzeugen: Zu Sinnlichkeit, Grausamkeit, Betrug, Heuchelei, Begehrlichkeit, niederträchtigem Geiz. Sie tun das Böse aus Freude daran, gewöhnlich ohne Motive, und aus Hass gegen das Gute wählen sie ihre Opfer fast immer unter den rechtschaffenen Leuten. Sie sind wahre Plagen für die Menschheit, ungeachtet welchem Range der Gesellschaft sie angehören; der Deckmantel der Zivilisation bewahrt sie nicht vor Schimpf und Schande.
Sie sind unwissend, boshaft, inkonsequent und zum Spott neigend. Sie mischen sich in alles, antworten auf alles, ohne sich um die Wahrheit zu bekümmern. Sie gefallen sich darin, kleine Nöte und kleine Freuden zu bereiten, zu necken und in boshafter Weise durch Mystifikationen und Schelmereien zum Irrtum zu verleiten. Hierher gehören die gemeiniglich mit dem Namen Poltergeister, Kobolde, Gnomen bezeichneten Geister. Sie stehen in Abhängigkeit von den höheren Geistern, die sich ihrer oft wie wir uns der Diener bedienen.
In ihren Mitteilungen an die Menschen ist ihre Sprache oft geist – reich und drollig, aber fast stets ohne Tiefe. Schnell fassen sie unsere Verkehrtheiten und Lächerlichkeiten auf und geißeln sie mit beißender Satire. Entlehnen sie angenommene Namen, so tun sie es öfters aus Bosheit, als aus eigentlicher Schlechtigkeit.
Ihre Kenntnisse sind ziemlich groß, aber sie meinen mehr zu wissen, als sie wirklich wissen. Da sie in mancher Beziehung einige Fortschritte gemacht hatten, zeigt ihre Sprache einen ernsten Charakter, der leicht über ihre wirklichen Fähigkeiten und Einsichten täuschen kann. Meistens ist dies, aber nur ein Wiederschein der Vorurteile und gelehrten Kenntnisse des irdischen Lebens: eine Mischung von einigen Wahrheiten mit den einfältigsten Irrtümern, aus denen die Anmaßung, der Hochmut, die Eifersucht und Starrköpfigkeit ihres früheren Lebens hervorschauen.
Sie sind weder hinlänglich gut, um Gutes, noch hinlänglich schlecht, um Böses zu tun. Sie neigen sich gleich sehr nach beiden Seiten hin und erheben sich weder moralisch noch intellektuell über den Durchschnitt der Menschheit. Sie hängen an den Dingen dieser Welt, deren grobe Freuden sie schmerzlich vermissen.
Diese Geister bilden in Beziehung auf ihre persönlichen Eigenschaften eigentlich keine besondere Klasse; sie können zu jeder Klasse der dritten Stufe gehören. Sie verraten ihre Gegenwart oft durch augenscheinliche und physische Wirkungen, wie durch Klopfen, anormales Bewegen und Versetzen fester Gegenstände, Bewegung der Luft u.s.w.. Sie scheinen mehr als andere an den Stoff gebunden und die hauptsächlichsten wirkenden Kräfte bei den Wechsel-fällen der Elemente der Erde zu sein, mögen sie nun auf Luft, Wasser, Feuer, harte Körper oder in den Eingeweiden der Erde wirken. Man erkennt jetzt an, dass diese Erscheinungen nicht einer zufälligen und physischen Ursache entstammen, wenn sie einen absichtlichen und intelligenten Charakter an sich tragen. Alle Geister können diese Erscheinungen hervorbringen, aber die höheren Geister überlassen sie gewöhnlich den niedereren, da diese sich zu stofflichen Wirkungen besser eignen, als zu intelligenten. Halten jene Manifestationen dieser Art für nützlich, so bedienen sie sich dieser Geister als Helfer.
Zweite Stufe: Gute Geister
Sie begreifen Gott und das Unendliche und genießen schon die Seligkeit der Guten. Sie freuen sich des Guten, das sie tun und des Bösen, das sie verhindern. Die sie verbindende Liebe wird ihnen zur Quelle eines unaussprechlichen Glücks, das weder von Neid, noch von Gewissensbissen, noch von den schlechten Leidenschaften getrübt wird, welche die Qual der unvollkommenen Geister bilden. Alle haben jedoch noch Prüfungen zu bestehen, bis sie die ganze Vollkommenheit erreicht haben.
Als Geister erregen sie gute Gedanken, bewahren die Menschen vor den Wegen des Bösen, beschützen im Leben die, welche sich dessen würdig zeigen und schwächen den Einfluss der unvollkommenen Geister bei den Menschen ab, welche sich demselben nicht gerne hingeben. Diejenigen, welche inkarniert sind, sind gut und wohlwollend gegen ihre Nächsten. Sie lassen sich weder durch Hochmut, noch durch Eigennutz, noch Ehrgeiz bestimmen. Sie empfinden weder Hass noch Groll, Neid oder Eifersucht und tun das Gute um des Guten willen.
Zu dieser Stufe gehören die im Volksglauben mit dem Namen „gute Geister“ oder „Schutzgeister“ bezeichneten Geister. In den Zeiten des Aberglaubens und der Unwissenheit machte man aus ihnen gute Gottheiten. Man kann sie in 4 Hauptgruppen teilen.
108. Fünfte Klasse: WOHLWOLLENDE GEISTER
Ihre Haupteigenschaft ist die Güte. Sie freuen sich, den Menschen zu dienen und sie zu beschützen; aber ihr Wissen ist beschränkt: Ihr Fortschritt geschah mehr im moralischen, als im intellektuellen Sinn.
Sie zeichnen sich besonders durch den Umfang ihres Wissens aus. Sie sind weniger zu moralischen, als zu wissenschaftlichen Fragen geneigt, für die sie auch mehr Geschick haben. Aber sie betrachten die Wissenschaft nur vom Gesichtspunkt des Nutzens und mischen nichts von den Leidenschaften hinein, die den unvollkommenen Geistern eigen sind.
Die moralischen Eigenschaften der höchsten Stufe bilden ihr unterscheidendes Merkmal. Ohne unbegrenzte Kenntnisse zu besitzen, sind sie doch mit einer Intelligenz begabt, die ihnen ein gesundes Urteil über Menschen und Dinge ermöglicht.
Sie vereinigen in sich Wissen, Weisheit und Güte. Ihre Sprache atmet nur Wohlwollen, ist immer würdig, ernst, oft erhaben. Ihre Überlegenheit befähigt sie mehr als die anderen, uns die treffenderen Begriffe über die Dinge der anderen Welt, soweit es dem Menschen erlaubt ist sie zu erkennen, mitzuteilen. Sie eröffnen sich gerne denjenigen, welchen es um die Wahrheit ehrlich zu tun ist und deren Seele hinlänglich frei ist von den irdischen Banden; aber sie halten sich fern von denen, welche nur die Neugierde treibt oder welche das Gewicht der Materie vom Tun des Guten abzieht.
Wenn sie ausnahmsweise sich auf der Erde inkarnieren, so geschieht es, um hier eine Mission des Fortschritts zu übernehmen, und sie zeigen uns dann ein Vorbild der Vollkommenheit, zu der die Menschheit hier auf Erden gelangen kann.
Erste Stufe: Reine Geister
Sie haben die ganze Stufenleiter durchlaufen und alle Verunrei – nigungen des Stoffes abgelegt. Da sie den höchsten Grad der Vervollkommnung, deren die Geschöpfe fähig sind, erreicht haben, stehen ihnen keine Prüfungen und Sühnungen mehr bevor. Da sie der Reinkarnation in vergängliche Körper nicht mehr unterworfen sind, führen sie in Gottes Schoß ein ewiges Leben.
Sie genießen eine unwandelbare Seligkeit, da sie weder den Bedürfnissen noch den Wechselfällen des stofflichen Lebens unterworfen sind. Aber diese Seligkeit ist keineswegs die einförmige Untätigkeit in einer immerwährenden Beschaulichkeit. Sie sind die Boten und Diener Gottes, dessen Befehle zur Aufrechthaltung der universellen Harmonie sie ausführen. Sie gebieten über alle ihnen untergeordneten Geister, unterstützen sie in ihrer Selbstvervollkommnung und weisen ihnen ihre Berufung an. Den Menschen im Unglück beizustehen, sie zum Guten und zur Sühnung der Fehler, die sie von der höchsten Seligkeit zurückhalten, anzureizen, das ist für sie eine süße Beschäftigung. Man bezeichnet sie zuweilen mit dem Namen Engel, Erzengel oder Seraphen.
Die Menschen können mit ihnen in Verbindung treten, aber höchst vermessen wäre derjenige, der da meinte sie stets zu seinen Diensten zu haben.
Fortschritt der Geister
„Das Letztere: indem sie sich bessern, steigen sie aufwärts von einer Stufe zur anderen.“
„Gott schuf alle Geister einfach und unwissend, d.h. ohne Wissen. Er gab einem jeden eine Berufung, um ihn heranzubilden und ihn durch Erkenntnis der Wahrheit Schritt für Schritt zur Vollendung zu führen und ihn sich näher zu bringen. Die ewige und ungemischte Glückseligkeit liegt für sie in dieser Vollendung. Die Geister eignen sich diese Erkenntnisse an; indem sie die ihnen von Gott auferlegten Prüfungen durchmachen. Die einen nehmen dieselben mit Ergebung an und gelangen schneller ans Ziel ihrer Bestimmung; andere unterziehen sich denselben nur mit Murren und bleiben so durch ihren eigenen Fehler fern von der Vollendung und dem verheißenen Glück.“
115a. Demnach scheinen die Geister bei ihrer Entstehung gleich den Kindern unwissend und unerfahren zu sein, würden aber allmählich die ihnen mangelnden Kenntnisse beim Durchschreiten der verschiedenen Phasen des Lebens sich erwerben?
„Ja, der Vergleich trifft zu: Das widerspenstige Kind bleibt unwissend und unvollkommen; es gedeiht mehr oder weniger, je nach seiner Gelehrigkeit. Aber des Menschen Leben nimmt ein Ende und das der Geister dehnt sich aus in die Unendlichkeit.“
„Nein, alle werden einst vollkommen sein. Sie ändern sich, aber das dauert lange. Denn, wie wir schon einmal sagten, ein gerechter und barmherziger Vater kann seine Kinder nicht ewig von sich stoßen. Möchtest du denn, dass der so große, so gute und gerechte Gott weniger gut sei, als eure Väter es sind?“
„Gewiss. Sie gelangen mehr oder weniger schnell zum Ziel je nach ihrer Sehnsucht und ihrer Unterwerfung unter den Willen Gottes. Schreitet ein gelehriges Kind nicht schneller fort, als ein widerspenstiges?“
„Nein, je weiter sie fortschreiten, desto mehr sehen sie ein, was sie von der Vollendung entfernte. Hat der Geist eine Prüfung bestanden, so hat er die Erkenntnis davon und er vergisst sie nicht mehr. Er kann stehen bleiben, aber nicht rückwärts schreiten.“
„Wären sie vollkommen geschaffen worden, so hätten sie kein Verdienst, die Wohltaten der Vollendung zu genießen. Gäbe es denn ein Verdienst ohne Mühen? Übrigens bedingt ihre Ungleichheit auch ihre Persönlichkeit und endlich liegt die Sendung, die sie auf den verschiedenen Stufen zu erfüllen haben, in den Plänen der Vorsehung zum Zweck der Harmonie des Universums.“
Da im gesellschaftlichen Leben alle Menschen zu den obersten Ämtern gelangen können, so könnte man ebenso gut fragen, warum der Souverän eines Landes nicht aus allen seinen Soldaten Generäle macht, warum nicht alle Angestellte Vorgesetzte werden, warum nicht alle Schüler Professoren sind. Nun besteht aber der Unterschied zwischen dem Leben der Gesellschaft und dem der Geister, dass das erstere beschränkt ist und nicht immer gestattet, alle Stufen zu ersteigen, während das letztere kein Ende nimmt und jedem die Möglichkeit darbietet, sich zur höchsten Stufe zu erheben.
120. Gehen alle Geister durch die Schule des Bösen, um zum Guten zu gelangen?
,,Nicht durch die Schule des Bösen, sondern durch die der Un – wissenheit.“
„Haben sie nicht ihren freien Willen? Gott schuf keine bösen Geister. Er schuf sie einfach und unwissend, d. h. mit ebenso viel Fähigkeit zum Guten, wie zum Bösen. Die Bösen sind es durch ihren Willen geworden.“
„Der freie Wille entwickelt sich in dem Maße, wie der Geist sich ein Selbstbewusstsein erwirbt. Es gäbe keine Freiheit mehr, wenn die Wahl durch eine vom Willen des Geistes unabhängige Ursache herbeigeführt würde. Die Ursache liegt nicht in ihm, sondern außerhalb von ihm, in Einwirkungen, denen er Kraft seines freien Willens nachgibt. Das ist das große Bild vom Sündenfall und der Erbsünde: Die einen unterlagen der Versuchung, die anderen widerstanden.“
122a. Woher kommen die Einwirkungen von außen?
,,Von den unvollkommenen Geistern, die sich seiner zu bemächtigen, ihn zu beherrschen suchen und die sich freuen, wenn sie ihn zu Fall bringen können. Das wollte man mit der Gestalt des Satans ausdrücken.“
122b. Findet diese Einwirkung auf den Geist nur bei seiner Entstehung statt?
„Sie folgt ihm in seinem Geisterleben, bis er soviel Herrschaft über sich selbst errungen hat, dass die Bösen darauf verzichten, ihn zu quälen.“
„Wie wagst du es, von Gott Rechenschaft über seine Taten zu fordern? Meinst du in seine Pläne eindringen zu können? Dennoch kannst du dir das sagen: die Weisheit Gottes besteht in der Wahlfreiheit, die er einem jeden lässt, denn jedem geschieht nach seinen Werken.“
„Ja gewiss, und hierher gehört die große Mehrzahl.“
„Ja, die, `Ewigkeiten´ werden jedoch für sie länger dauern.“
Unter dem Wort `Ewigkeiten´ ist die Vorstellung der niederen Geister von der ewigen Dauer ihrer Qualen zu verstehen, weil ihnen nicht gegeben ist, deren Ende zu schauen und weil diese Vorstellung sich bei jeder neuen Prüfung ihnen wieder aufdrängt.
„Gott sieht die Verirrten mit demselben Auge an und liebt sie mit demselben Herzen. Sie heißen böse, weil sie unterlegen waren: vorher waren sie nur einfache Geister.“
„Sie sind gleich geschaffen; aber da sie nicht wissen, woher sie kommen, so muss die freie Wahl ihren Lauf haben. Sie schreiten mehr oder weniger schnell fort, so wohl intellektuell als moralisch.“
Die von Anbeginn den Weg des Guten einschlagenden Geister sind deswegen keine vollkommenen. Haben sie auch nicht eine schlechte Richtung, so müssen sie sich doch die Erfahrung und die nötigen Kenntnisse sammeln, um zur Vollendung zu gelangen. Wir können sie mit Kindern vergleichen, welche, wie gut auch ihre Natur angelegt ist, sich doch entwickeln und in der Erkenntnis fortschreiten müssen und nicht ohne Übergang von der Kindheit zum reiferen Alter gelangen; nur gibt es, wie wir Menschen haben, die von Kindheit an gut und andere, die böse sind, auch Geister die von Anfang an gut oder böse sind, jedoch mit dem wichtigen Unterschied, dass das Kind ausgeprägte Instinkte hat, während die Geister bei ihrer Entstehung weder böse noch gut sind: sie haben alle Neigungen und nehmen die eine oder die andere Richtung Kraft ihres freien Willens.
Engel und Dämonen
„Nein, sie sind die reinen Geister: die, welche zuoberst auf der Stufenleiter stehen und alle Vollkommenheiten in sich vereinigen.“
Das Wort Engel erweckt gewöhnlich die Vorstellung moralischer Vollkommenheit; jedoch gebraucht man es oft auch für alle guten und bösen Wesen außerhalb der Menschheit. Man sagt: der gute und der böse Engel, der Engel des Lichtes und der Engel der Finsternis. In diesem Sinn ist es gleichbedeutend mit Geist oder Genius. Wir nehmen es hier im guten Sinn.
,,Das haben sie, aber, wie gesagt, die einen nahmen ihre Sendung ohne Murren an und gelangten schneller zum Ziel, die anderen brauchten längere oder kürzere Zeit, um zur Vollendung zu gelangen.“
„Wisse, dass deine Welt nicht von Ewigkeit her ist und dass lange, bevor sie existierte, Geister die höchste Stufe erreicht hatten. Damals konnten freilich die Menschen glauben, dass dieselben stets so gewesen seien.“
„Gäbe es Dämonen, so wären sie das Werk Gottes.Wäre nun Gott gut und gerecht, wenn er für ewig dem Bösen geweihte und unglückselige Wesen geschaffen hätte? Gibt es Dämonen, so wohnen sie in deiner niederen und anderen dergleichen Welten. Heuchlerische Menschen sind es, die aus einem gerechten Gott einen bösen und rachsüchtigen Gott machen und welche ihm zu gefallen meinen, durch die Gräuel, die sie in seinem Namen begehen.“
“Das Wort Dämon schließt die Vorstellung eines bösen Geistes nur im modernen Sprachgebrauch ein, denn das griechische Wort ‚ δаίμωυ‘, aus dem es entstanden ist, bezeichnet Genius, Intelligenz und wurde für gute und böse Wesen ohne Unterschied gebraucht.“
Die Dämonen im allgemeinen Sinn bezeichnen wesentlich bösartige Wesen. Sie waren, wie alles, eine Schöpfung Gottes. Nun kann aber Gott, der allgütige und allgerechte, nicht Wesen geschaffen haben, die durch ihre Natur an die Spitze des Bösen gestellt und für alle Ewigkeit verdammt wären. Wären sie nicht das Werk Gottes, so wären sie, wie er selbst, von Ewigkeit her, oder aber es gäbe mehrere souveräne Mächte.
Die erste Bedingung jeder Lehre ist, dass sie logisch sei; nun aber sündigt die von den Dämonen im absoluten Sinn gegen diese Grundbedingung. Dass in dem Glauben primitiver Völker, welche ohne Kenntnis der Eigenschaften Gottes bösartige Gottheiten annehmen, auch Dämonen angenommen werden, begreift sich. Wem aber die Güte Gottes eine seiner Haupteigenschaften ist, für den ist es unlogisch und widersprechend, dass er Wesen geschaffen haben sollte, die für ewig dem Bösen und seiner Ausübung geweiht wären; denn das hieße seine Güte leugnen. Die Anhänger der Dämonen stützen sich auf die Worte Christi. Wir am allerwenigsten werden die Autorität seiner Lehre bestreiten, die wir übrigens mehr in den Herzen, als im Mund der Menschen zu sehen wünschten. Ist man aber auch des Sinnes, den er mit dem Wort Dämon verband, so ganz sicher? Ist nicht die Allegorie eine der Haupteigenschaft seiner Sprache; sollte das ganze Evangelium buchstäblich zu verstehen sein? Wir führen zum Beweis nur folgende Stelle an:
Alsbald nach jenen Tagen der Trübsal wird sich die Sonne verfinstern und der Mond kein Licht mehr leuchten lassen, die Sterne werden vom Himmel fallen und die Mächte des Himmels werden erschüttert werden. Wahrlich ich sage euch, dieses Geschlecht wird nicht vergehen, bis dies alles erfüllt sein wird.“ Sehen wir nicht die Form des Bibeltextes in den die Schöpfung und die Bewegung der Erde betreffenden Punkten von der Wissenschaft widerlegt? Sollte es nicht derselbe Fall sein mit gewissen Gleichnissen Christi, dessen Sprache sich nach Zeit und Ort richten musste? Christus konnte wissentlich keine Unwahrheit reden; gibt es also in seinen Worten Dinge, die unserem Denken Anstoß erregen, so begreifen wir sie entweder nicht oder wir legen sie falsch aus.
Die Menschen taten mit den Dämonen dasselbe wie mit den Engeln: wie sie hier von Ewigkeit her an vollkommene Wesen glaubten, so nahmen sie dort niedere Geister für ewig verworfene Wesen. Der Sinn des Wortes Dämon erstreckt sich also in Wahrheit über die unreinen Geister überhaupt, die allerdings oft nicht besser sind als was ihr Name bedeutet, jedoch mit dem Unterschied, dass ihr Zustand nur ein vorübergehender ist. Es sind unvollkommene Geister, die gegen ihre Prüfungen murren, und sie dadurch verlängern, die aber einst ans Ziel gelangen, wenn sie dazu den Willen haben werden.
Man könnte also den Ausdruck Dämon mit dieser Einschränkung gelten lassen: da er aber jetzt in einem ausschließlichen Sinn gebraucht wird, so könnte er zu Missverständnissen führen, indem er zum Glauben an das Dasein von Wesen verleitete, die speziell zum Bösen geschaffen wären.
Was Satan betrifft, so ist er offenbar eine allegorische Personifikation des Bösen: denn es lässt sich unmöglich ein böses Wesen annehmen, das ebenbürtig mit der Gottheit ringt und das nichts anderes zu tun hätte, als ihren Plänen entgegenzuwirken. Wie der Mensch Figuren und Bilder braucht, um seine Einbildungskraft zu beschäftigen, so stellte er die unkörperlichen Wesen in einer stofflichen Gestalt und mit Eigenschaften dar, die ihre Vorzüge oder Fehler bedeuten sollen. So malten die Alten, da sie die Zeit personifizieren wollten, dieselbe in der Gestalt eines Greises mit Sense und Sanduhr. Eine Jünglingsgestalt wäre widersprechend gewesen. Ebenso verhält es sich mit den Allegorien des Glücks, der Wahrheit u.a.m.. Die Neueren stellten Engel oder reine Geister mit strahlendem Antlitz, weißen Flügeln als Symbol der Reinheit dar, den Satan mit Hörnern, Krallen und den Attributen der Bestialität, den Symbolen der niedrigen Leidenschaften. Das gemeine Volk, das die Dinge buchstäblich nimmt, erblickte in all dem eine wirkliche Person, sowie es einst den Saturn in der Allegorie der Zeit zu sehen glaubte.
KAPITEL II – Inkarnation der Geister
Zweck der Inkarnation
„Gott erlegt sie ihnen auf, um sie zur Vollendung zu führen: für die einen ist sie eine Sühne, für andere eine Mission. Um aber zu dieser Vollendung zu gelangen, müssen sie alle Schicksalsschläge der leiblichen Existenz durchmachen: Hierin liegt die Sühne. Die Inkarnation hat noch einen anderen Zweck, nämlich den Geist zu befähigen, für seinen Teil zum Schöpfungswerk beizutragen. Zu diesem Zweck nimmt er auf jeder Welt eine, zu dem Stoff derselben stimmendes Aussehen an, um dort die Befehle Gottes auszuführen. Auf diese Weise schreitet er selbst fort, während er gleichzeitig zum allgemeinen Fortschritt beiträgt.“
„Alle werden einfach und unwissend geschaffen; sie bilden sich heran in den Kämpfen und Trübsalen des leiblichen Lebens. Der gerechte Gott konnte nicht die einen glücklich, ohne Mühe und Arbeit, und also ohne Verdienst werden lassen.“
133a. Was nützt es denn aber den Geistern, den Weg des Guten eingeschlagen zu haben, wenn sie dies nicht von den Leiden des körperlichen Lebens freispricht?
„Sie gelangen schneller zum Ziel. Dann sind auch oft die Leiden des Lebens die Folge der Unvollkommenheit des Geistes: je weniger er deren hat, desto weniger Qualen hat er. Wer weder neidisch, noch eifersüchtig, noch geizig oder ehrgeizig ist, wird auch nicht die Qualen erleiden, die aus diesen Fehlern entstehen.“
Von der Seele
,,Ein inkarnierter Geist.“
134a. Was war sie, bevor sie sich mit dem Leib vereinigte?
,, Geist.“
134b. Die Seele und die Geister sind also identisch, d.h., ein und dasselbe?
„Ja, die Seelen sind nur Geister. Die Seele ist, bevor sie sich mit dem Leib vereinigt, eines der intelligenten Wesen, die die unsichtbare Welt bevölkern und zeitweise eine fleischliche Hülle annehmen, um sich zu reinigen und zu erleuchten.“
„Das Band, das Seele und Leib verbindet.“
135a. Was ist die Natur dieses Bandes?
„Es ist halbstofflich, d.h. ein Mittelding zwischen Geist und Körper. Und so ist es notwendig, damit die beiden miteinander verkehren können. Durch dieses Band wirkt der Geist auf den Stoff und umgekehrt.“
So besteht der Mensch aus 3 wesentlichen Teilen: 1. dem Leib, einem den Tieren analogen stofflichen und von demselben Lebensprinzip beseelten Wesen, 2. der Seele, dem inkarnierten Geist, dessen Wohnung nun der Leib ist, und. 3. dem vermittelnden Prinzip oder Perispirit, einer halbstofflichen Substanz, die dem Geist als nächste Hülle dient und Seele und Leib verbindet. So besteht eine Frucht aus Keim, Samenhülle und Schale.
„Der Leib ist nur die Hülle, wir wiederholen es nochmal.“
136a. Kann der Leib ohne die Seele existieren?
„Ja, und dennoch verlässt ihn die Seele, sobald er zu leben aufhört. Vor der Geburt ist noch keine endgültige Vereinigung zwischen Seele und Leib vorhanden, während nachdem diese Einigung stattgefunden hat, der Tod des Leibes die Bande, welche diesen mit der Seele verbinden, zerreißt und die Seele ihn verlässt. Das organische Leben kann einen Körper ohne Seele beleben, aber die Seele kann nicht einen Körper ohne organisches Leben bewohnen.“
136b. Was wäre unser Leib, wenn er keine Seele hätte?
,,Eine Fleischmasse ohne Intelligenz, alles mögliche, nur kein Mensch.“
Nein, der Geist ist unteilbar und kann nicht gleichzeitig zwei verschiedene Wesen beseelen.“ (Vergl. ,,Buch der Medien“, Kapitel ,,Doppelleiblichkeit und Verklärung.“*
„Das ist dein Wortstreit. Wir kümmern uns darum nicht: sucht erst euch selbst zu verstehen.“
„Das ist kein Widerspruch, es ist durch die Bedeutung der Worte bedingt. Warum habt ihr nicht für jedes Ding auch ein Wort?
Das Wort Seele bedeutet sehr verschiedene Dinge. Die einen bezeichnen damit das Lebensprinzip und in diesem Sinn darf man bildlich sagen: die Seele ist ein dem großen Universum entflossener seelischer Funke. Diese Worte bezeichnen die allgemeine Quelle des Lebensprinzips, aus der jedes Wesen seinen Anteil schöpft, der nach dem Tod zur Masse zurückkehrt. Diese Vorstellung schließt keineswegs ein moralisches, besonderes, vom Stoff unabhängiges Wesen aus, das seine Individualität behält. Auch dieses Wesen nennt man Seele und in diesem Sinn kann man sagen, die Seele sei ein inkarnierter Geist. Indem die Geister verschiedene Definitionen von der Seele gaben, redeten sie je nach dem Sinn, den sie dem Wort unterlegten und nach den irdischen Vorstellungen, mit denen sie noch mehr oder weniger behaftet waren. Das bringt die Unzulänglichkeit der menschlichen Sprache mit sich, die nicht für jede Vorstellung ein Wort hat, und daher stammen auch eine Menge von Missverständnissen und Streitereien. Darum raten uns die höheren Geister, uns zunächst über die Wörter zu verständigen.**
_________________________________________
* Allan Kardec hat den Hinweis auf das Buch der Medien erst ab der 6. Auflage (1862) in das Buch der Geister aufgenommen. (Anmerkung der Übersetzer)
** Siehe Einleitung II „Erklärung des Wortes Seele“. (Anmerkung von Allan Kardec)
„Das hängt wieder davon ab, in welchem Sinn man das Wort Seele versteht. Meint man das Lebensfluidum, so hat man Recht; meint man den inkarnierten Geist, so hat man Unrecht. Wir sagten ja: der Geist ist unteilbar: er überträgt durch das vermittelnde Fluidum die Bewegung auf die Organe, ohne sich deswegen zu teilen.“
140a. Dennoch haben gewisse Geister diese Definition gegeben.
Die unwissenden Geister können die Wirkung für die Ursache nehmen.
Die Seele wirkt durch Vermittlung der Organe und die Organe sind vom Lebensfluidum beseelt, das sich unter sie verteilt, und zwar reichlicher in die, welche Mittelpunkt oder Herde der Bewegung sind. Diese Erklärung gilt nicht für die Seele, da sie der Geist ist, der während seinem irdischen Leben einen physischen Leib bewohnt und ihn nach dem Tod verlässt.
Die Seele ist nicht im Leib eingeschlossen, wie der Vogel im Käfig. Sie strahlt und zeigt sich nach außen, wie das Licht durch eine Glaskugel, oder wie der Schall um einen tönenden Mittelpunkt herum. In diesem Sinn kann man sagen, sie sei äußerlich; aber sie ist deswegen nicht die Hülle des Leibes. Die Seele hat zwei Hüllen: die eine ist fein und leicht, das ist die nächste, der Perispirit, die andere grob, stofflich und schwer, das ist der Leib. Die Seele ist der Mittelpunkt aller dieser Hüllen gleich dem Keim in einem Kern. Wir sagten das schon einmal.“
„Der Geist ist nur einer, er ist ganz – beim Kind wie beim Erwachsenen. Die Organe oder Werkzeuge der Manifestationen der Seele sind es, welche sich entwickeln und vervollständigen. Das war wiederum Verwechslung von Ursache und Wirkung.“
„Die Geister sind nicht alle gleich unterrichtet über diese Dinge. Es gibt beschränkte Geister, die noch keine abstrakten Dinge verstehen. Das ist wie bei euren Kindern. Auch gibt es pseudogelehrte Geister, die mit Worten prahlen, um zu imponieren: ebenfalls wie bei euch. Endlich können sich auch selbst die unterrichteten Geister in verschiedenen Worten ausdrücken, die im Grund denselben Wert haben, besonders wenn es sich um Dinge handelt, die eure Sprache nicht deutlich auszudrücken fähig ist. Dann bedarf es der Bilder, der Vergleichungen, die ihr für Wirklichkeiten nehmt.“
„Sie ist das universelle Prinzip des Lebens und der Intelligenz, aus dem die Individualitäten entstehen. Aber die welche sich dieser Worte bedienen, verstehen sie oft selbst nicht. Das Wort Seele ist so dehnbar, dass jeder es nach dem Belieben seiner Träumereien auslegt. Man schrieb zuweilen auch der Erde eine Seele zu. Man muss darunter die Gesamtheit der Geister verstehen, welche eure Handlungen auf den Weg des Guten leiten, wenn ihr auf sie hört, und die gewissermaßen die Stellvertreter Gottes auf eurem Planeten sind.“
„Diese Männer waren die Vorläufer der ewigen spiritistischen Lehre. Sie ebneten die Wege. Sie waren Menschen und konnten sich irren, weil sie ihre eigenen Gedanken für das Licht selbst hielten. Aber sogar ihre Irrtümer bringen die Wahrheit an den Tag, da sie das Für und Wider zeigen. Übrigens finden sich unter jenen Irrtümern große Wahrheiten, die ein vergleichendes Studium auch wird erkennen lassen.“
146. Hat die Seele einen bestimmten, umschriebenen Sitz im Leib?
„Nein, aber sie ist vorzugsweise im Kopf bei den großen Genies, bei allen denen, die viel denken, und vorzugsweise im Herzen bei denen, die stark fühlen und deren sämtliche Handlungen sich auf die Menschheit beziehen.“
146a. Was ist von der Meinung zu halten, welche die Seele in ein Lebenszentrum verlegt?
„Das heißt, dass der Geist eher diesen Teil eures Organismus bewohnt, weil hierher alle Empfindungen einmünden. Wer sie in das angebliche Zentrum der Lebenstätigkeit verlegt, verwechselt sie mit dem Lebensfluidum oder Prinzip. Immerhin kann man sagen, der Sitz der Seele liege vorzugsweise in den Organen, die den intellektuellen und moralischen Ausdrucksweisen dienen.“
Materialismus
„Der Physiologe bezieht alles auf das, was er sieht. Es ist der Hochmut der Menschen, die alles zu wissen glauben und nicht zugeben wollen, dass etwas über ihr Verständnis hinausgehen könnte. Eben ihre Wissenschaft gibt ihnen diesen Eigendünkel: sie meinen, die Natur könne nichts Verborgenes für sie haben.“
„Es ist nicht wahr, dass der Materialismus eine Folge jener Studien sei. Der Mensch ist es, der aus denselben falsche Folgerungen zieht, denn missbrauchen kann er alles, selbst die besten Dinge. Das Nichts erschreckt sie übrigens mehr, als sie es gerne durchblicken lassen und die starken Geister sind oft mehr Prahler als tapfer. Die Mehrzahl sind Materialisten, nur weil sie nichts haben, womit sie die Leere in dem Abgrund, der sich vor ihnen auftut, ausfüllen könnten. Zeigt ihnen einen Rettungsanker und sie werden sich eiligst an ihn anklammern.“
KAPITEL III – Rückkehr des leiblichen Lebens ins Geisterleben
Die Seele nach dem Tod. Ihre Individualität.Ewiges Leben.
„Sie wird wieder Geist, d.h. sie kehrt in die Welt der Geister zurück, die sie auf einen Augenblick verlassen hatte.“
„Ja, sie verliert dieselbe nie. Was wäre sie, wenn sie dieselbe nicht bewahrte?“
150a. Wie konstatiert die Seele ihre Individualität, da sie ihren stofflichen Leib nicht mehr hat?
„Sie hat noch ein Fluid, das ihr zu eigen ist, das sie aus dem Dunstkreis ihres Planeten schöpft und welches die Spuren ihrer letzten Inkarnation enthält; ihren Perispirit.“
150b. Nimmt die Seele nichts von hier auf Erden mit sich fort?
,,Nichts, als die Erinnerung und die Sehnsucht nach einer besseren Welt. Erstere ist voll Süßigkeit oder Bitterkeit, je nach dem Gebrauch, den sie vom Leben gemacht hat. Je reiner sie ist, desto besser begreift sie die Nichtigkeit dessen, was sie auf Erden zurücklässt.“
„Bildet die Gesamtheit der Geister nicht ein Ganzes? Ist sie nicht eine ganze Welt? Wenn du dich in einer Versammlung befindest, so bist du ein integrierender Teil derselben, und doch behältst du deine Individualität.“
„Habt ihr diesen Beweis nicht in den Mitteilungen, die ihr empfangt? Wenn ihr nicht blind seid, so werdet ihr sehen, und wenn ihr nicht taub seid, so werdet ihr hören; denn sehr oft spricht eine Stimme zu euch, die euch das Dasein eines Wesens außerhalb von euch offenbart.“
Die da meinen, nach dem Tod kehre die Seele in das allgemeine Ganze zurück, irren, wenn sie glauben, dass die Seele, gleich einem ins Weltmeer fallenden Wassertropfen, ihre Individualität verliert; sie treffen das Richtige, wenn sie unter dem „allgemeinen Ganzen“ die Gesamtheit der unkörperlichen Wesen verstehen, von welcher jede Seele oder jeder Geist einen Bestandteil bildet.
Würden die Seelen in der Masse aufgehen, so hätten sie nur die Eigenschaften der Gesamtheit und nichts würde eine von der anderen unterscheiden. Sie hätten weder Intelligenz, noch eigene Eigenschaften, während sie doch in allen ihren Mitteilungen das Bewusstsein des Ichs und einen bestimmten Willen erkennen lassen. Die unendliche Verschiedenheit, die sie in allen Beziehungen zeigen, ist die direkte Folge der Individualitäten. Gäbe es nach dem Tod nur das sogenannte große Ganze, das alle Individualitäten verschlingt, so wäre jenes einförmig und dann würden alle Mitteilungen aus der unsichtbaren Welt identisch sein. Da man aber in denselben guten und bösen, gelehrten und unwissenden, glücklichen und unglücklichen Wesen begegnet, da darin alle Charaktere vertreten sind: fröhliche und traurige, leichtsinnige und tiefsinnige u. s. w., so sind dies alles offenbar auch unter sich verschiedene Wesen. Die Individualität wird noch deutlicher, wenn diese Wesen ihre Identität durch unbestreitbare Zeichen, durch persönliche Details über ihr Erdenleben, die man konstatieren kann, beweisen. Ebenso wenig können sie in Zweifel gezogen werden, wenn sie sich bei den Erscheinungen dem Auge manifestieren. Die Individualität der Seele wurde uns theoretisch gelehrt wie ein Glaubenssatz: der Spiritismus macht sie offenkundig und gewissermaßen handgreiflich oder materiell.
„Das Leben des Geistes ist ewig, das des Leibes aber ist vergänglich. Stirbt der Leib, so tritt die Seele in das ewige Leben ein.“
153a. Wäre es nicht genauer, ewiges Leben nur das der reinen Geister zu nennen, d.h. derjenigen, welche, nachdem sie die Stufe der Vollendung erreicht, keine Prüfungen mehr zu bestehen haben?
„Das wäre vielmehr die ewige Seligkeit; aber dies ist nur ein Wortstreit: nennt die Dinge wie ihr wollt, nur macht, dass ihr sie auch versteht.“
Trennung der Seele und des Leibes
Nein, der Leib leidet oft mehr bei Lebzeiten, als im Augenblick des Todes: die Seele kommt dabei nicht in Betracht. Die Leiden, die man zuweilen im Augenblick des Todes erduldet, sind für den Geist, der das Ende seiner Verbannung herankommen sieht, eine Freude.“ Beim natürlichen Tod, der aus Erschöpfung der Organe infolge des Alters eintritt, verlässt der Mensch das Leben ohne es nur zu merken; es ist eine Lampe die aus Mangel an Nahrung auslöscht.
„Da die Bande, welche sie zurückhielten, zerrissen sind, so macht sich die Seele los.“
155a. Vollzieht sich die Trennung plötzlich und in hastigem Übergang? Gibt es eine scharfe Grenzlinie zwischen Leben und Tod?
„Nein, die Seele macht sich allmählich los und entfliegt nicht wie ein gefangener Vogel, dem man plötzlich die Freiheit wiedergibt. Die beiden Zustände berühren und vermischen sich: der Geist befreit sich allmählich von seinen Banden, diese lösen sich und brechen nicht.“
„Im Todeskampf hat die Seele zuweilen den Leib schon verlassen: es ist nur noch das organische Leben übrig. Der Mensch hat kein Bewusstsein mehr von sich selbst und doch bleibt ihm noch ein Hauch des Lebens. Der Leib ist eine vom Herzen in Bewegung gesetzte Maschine: er existiert, solange das Herz das Blut in den Adern kreisen lässt und bedarf hierzu der Seele nicht.“
„Oft fühlt sie die Bande sich lösen, welche sie an den Leib fesseln. Dann macht sie alle Anstrengungen, sie ganz zu brechen. Vom Stoff schon halb gelöst, sieht sie die Zukunft sich vor ihr entrollen und genießt zum Voraus den Zustand eines Geistes.“
,,Eine Vorstellung im Kleinen. Das Bild ist gut, jedoch darf man es nicht buchstäblich nehmen, wie euch das oft geschieht.“
,,Je nach dem. Hast du Böses in der Absicht Böses zu tun getan, so fühlst du dich im ersten Moment ganz beschämt. Beim Gerechten ist es anders: die Seele ist wie von einer großen Last erleichtert, denn sie fürchtet keinen forschenden Blick.“
„Ja, je nach der Liebe, die er zu ihnen und sie zu ihm hatten. Oft kommen sie zu seinem Empfang beim Eintritt in die Geisterwelt und helfen ihn aus den Wickelbändern des Stoffes lösen. Auch gibt es viele, die er während seines Lebenes auf Erden aus den Augen verloren hat; er sieht die Irrenden, er sieht die Inkarnierten und geht sie besuchen.“
„Im Allgemeinen ist es so, aber in allen Fällen ist der Augenblick, der beide trennt, sehr kurz.“
„Oft bewahrt er es noch einige Minuten, bis das organische Leben vollständig erloschen ist. Oft aber auch ließ ihn es die Furcht vor dem Tod schon vor dem Moment des Todesstreiches verlieren.“
Geistige Verwirrung
„Sofortiges Bewusstsein ist nicht der richtige Ausdruck. Sie befindet sich eine Zeitlang in Verwirrung.“
,,Nein, das hängt von ihrer Erhebung ab: der schon Gereinigte erkennt sich fast sofort wieder, weil er sich bei Leibesleben vom Stoff befreite, während der fleischliche Mensch, dessen Gewissen also nicht rein ist, viel länger den Eindruck des Stoffes behält.“
„Einen ganz bedeutenden, weil der Geist dann seine Lage zum Voraus kennt. Gutes tun und ein reines Gewissen, haben aber doch den größten Einfluss.“
Im Augenblick des Todes ist zunächst alles verworren. Die Seele braucht einige Zeit, um sich wiederzuerkennen, sie ist wie betäubt und etwa in dem Zustand eines, aus tiefem Schlaf Erwachenden, der sich über seine Lage zu orientieren versucht. Die Klarheit der Gedanken und die Erinnerung an das Vergangene kehren in dem Maß wieder, als der Einfluss des Stoffes, von dem sie sich eben erst befreite, abnimmt und den Nebel zerstreut, der seine Gedanken noch verdunkelte.
Die Dauer der Verwirrung ist sehr verschieden. Sie kann einige Stunden so gut wie mehrere Monate, selbst Jahre andauern. Sie ist bei denen am wenigsten lang, die sich schon während des irdischen Lebens mit ihrem künftigen Zustand identifiziert haben, weil dieselben dann sofort ihre Lage erkennen.
Diese Verwirrung bietet eigentümliche Umstände dar, je nach dem Charakter der Individuen und besonders je nach der Todesart. Bei den gewaltsamen Todesarten wie Selbstmord, Hinrichtung, Unfall, Schlaganfall, Totschlag u.s.w. ist der Geist überrascht, verwundert und glaubt nicht, dass er tot sei. Er behauptet dies mit Hartnäckigkeit. Dennoch sieht er seinen Leib, er weiß, dass es der seinige ist und kann es nicht fassen, dass er davon getrennt sein soll. Er geht zu den Personen, die er liebt, spricht zu ihnen und begreift nicht, warum sie ihn nicht hören. Diese Illusion dauert bis zur völligen Befreiung des Perispirits: dann erst erkennt der Geist sich wieder und begreift, dass er nicht mehr zu den Lebendigen gehört. Diese Erscheinung erklärt sich leicht. Unerwartet vom Tod überfallen, wird der Geist von der plötzlichen mit ihm vorgehenden Veränderung betäubt. Ihm ist der Tod noch gleich Zerstörung,Vernichtung. Da er nun aber denkt, sieht, hört, so ist er seiner Meinung nach nicht tot. Was seine Illusion vermehrt, ist dass er sich in einem, seinem früheren ähnlichen Körper erblickt, dessen ätherische Natur er aber noch nicht verstehen gelernt hat. Er hält denselben für fest und dicht, wie den ersten, und wenn man ihn auf diesen Punkt aufmerksam macht, so verwundert er sich, dass er sich nicht betasten kann. Dieses Phänomen ist analog demjenigen der Somnambulen, welche nicht zu schlafen meinen. Bei ihnen ist der Schlaf gleichbedeutend mit Aufhebung der Geistestätigkeiten, und da sie frei denken und sehen können, so glauben sie nicht zu schlafen. Einige Geister bieten diese Eigentümlichkeit dar, obschon sie keines unerwarteten Todes starben; sie ist aber stets allgemeiner bei denjenigen, welche, obwohl krank, nicht zu sterben glaubten. Dann sieht man das eigentümliche Schauspiel eines Geistes, der seinem eigenen Begräbnis, wie demjenigen eines Fremden beiwohnt und davon spricht, als ginge er ihn nichts an, bis er endlich die Wahrheit begreift.
Die auf den Tod folgende Verwirrung hat für den guten Menschen nichts Qualvolles. Sie ist eine ruhige, stille, wie die beim Erwachen aus sanftem Schlaf. Für den aber, dessen Gewissen nicht rein, ist sie voll Angst, die mit dem sich Wiedererkennen zunimmt.
Bei Fällen, wo viele Menschen gleichzeitig umkommen, machte man die Beobachtung, dass sich nicht alle sofort wiedersehen. In der Verwirrung, die dem Tod folgt, geht jeder seines eigenen Weges und kümmert sich nur um die, welche ihn interessieren.
KAPITEL IV – Mehrheit der Existenzen
Von der Reinkarnation
„Dadurch, dass sie sich der Prüfung einer neuen Existenz unterzieht.“
166a. Wie vollzieht die Seele dieses neue Dasein? Etwa dadurch, dass sie als Geist sich verwandelt?
„Indem sie sich reinigt, erleidet sie ohne Zweifel eine Umwandlung, dazu bedarf sie jedoch der Prüfung im leiblichen Leben.“
166b. Also hat die Seele mehrere leibliche Existenzen?
„Ja, wir alle haben mehrere Existenzen. Wer euch das Gegenteil sagt, will euch in seiner eigenen Unwissenheit lassen oder möchte es wenigstens.“
166c. Hieraus scheint zu folgen, dass die Seele, nachdem sie einen Leib verlassen hat, einen anderen annimmt, mit anderen Worten, dass sie sich einem neuen Körper einverleibt. Ist es so zu verstehen?
„Offenbar.“
„Die Sühne, die fortschreitende Besserung der Menschheit. Wo wäre sonst die Gerechtigkeit?“
„In jeder neuen Daseinsform tut der Geist einen Schritt auf dem Weg zum Ziel. Hat er sich einmal aller seiner Unreinheiten entledigt, so bedarf er keiner Prüfungen des Leibeslebens mehr.“
,,Nein. Wer schnell fortschreitet, erspart sich die Prüfungen. Immerhin sind aber die sich folgenden Inkarnationen sehr zahlreich, denn der Fortschritt ist fast ein unendlicher.“
„Ein seliger Geist: Er ist dann ein reiner Geist.“
Gerechtigkeit der Reinkarnation
,,Auf Gottes Gerechtigkeit und die Offenbarung. Denn wir wiederholen euch ohne Unterlass: ein guter Vater lässt seinen Kindern stets zur Reue eine Türe offen. Sagt dir denn die Vernunft nicht, es wäre ungerecht, alle die, von denen es nicht selbst abhing, sich zu bessern, für immer der Seligkeit zu berauben? Sind nicht alle Menschen Gottes Kinder? Nur unter den egoistischen Menschen findet man Ungerechtigkeit, unversöhnlichen Hass und schonungslose Züchtigungen.“
Alle Geister streben nach Vollendung und Gott gibt ihnen dazu die Mittel in den Prüfungen ihres Leibeslebens. Aber er behält ihnen in seiner Gerechtigkeit die Vollendung dessen vor, was sie in einer früheren Prüfung nicht Zustande bringen konnten.
Es wäre weder Gottes Gerechtigkeit noch Güte angemessen, diejenigen für ewig mit Strafe zu treffen, welchen Hindernisse ihrer Besserung entgegenstanden, die aus den Verhältnissen ihrer Umgebung entsprangen. Trotz ihres guten Willens. Wäre des Menschen Schicksal nach seinem Tod unwiderruflich besiegelt, so hätte Gott nicht die Handlungen aller in der gleichen Schale gewogen und hätte sie mit Parteilichkeit behandelt. Die Reinkarnationslehre, d.h. die Lehre, welche dem Menschen mehrere sich folgende Existenzen zuschreibt, ist die einzige, welche der Gerechtigkeit Gottes, bezüglich der auf eine niedrige moralische Stufe gestellten Menschen entspricht, welche uns die Zukunft erklärt und unsere Hoffnungen festigt, weil sie uns das Mittel gibt, unsere Irrtümer wieder gut zu machen, durch neue Prüfungen. Die Vernunft weist auf sie hin und die Geister lehren sie uns. Der sich seiner Niedrigkeit bewusste Mensch schöpft aus dieser Lehre eine tröstliche Hoffnung. Glaubt er an Gottes Gerechtigkeit, so darf er nicht hoffen in der Ewigkeit einst denjenigen ebenbürtig zu sein, die besser als er gehandelt hatten. Der Gedanke, dass sein geringerer Wert ihn nicht auf ewig eines höchsten Gutes beraubt und enterbt, dass er es durch neue Anstrengungen erringen kann, hält ihn aufrecht und belebt seinen Mut aufs Neue. Wo ist derjenige, der nicht am Ziel seiner Laufbahn es bedauerte, zu spät erst eine Erfahrung erworben zu haben, von der er jetzt keinen Gebrauch mehr machen kann? Diese verspätete Erfahrung ist nun aber nicht verloren: er wird sie benutzen in einem neuen Leben.
Inkarnation in verschiedenen Welten
„Nein, nicht alle, sondern sie erfüllen sich in den verschie – denen Welten. Die hiesige ist weder die erste noch die letzte, ja sie ist eine der am meisten stofflichen und am weitesten von der Vollendung entfernten.“
„Sie kann mehrere Male auf derselben Welt zu einem neuen Leben erwachen, wenn sie nicht fortgeschritten genug ist, um in eine höhere Welt zu gehen.“
173a. So können wir also mehrere Male auf Erden wieder erscheinen?
,,Gewiss.“
173b. Können wir auch nach einem Leben auf anderen Weltkörpern wieder hierher zurückkehren?
,,Gewiss. Ihr habt auch schon anderswo und auf der Erde leben können.“
„Nein; aber wenn ihr nicht fortschreitet, so müsst ihr vielleicht auf eine andere Welt ziehen, die nicht besser, ja die vielleicht noch schlimmer ist.“
„Kein besonderer Nutzen, es sei denn, dass man eine Mission hat; dann schreitet man vorwärts, hier wie anderswo.“
175a. Wäre es nicht herrlicher, immer Geist zu bleiben?
„Nein, nein: man käme nicht von der Stelle und man will ja Gott sich nähern.“
„Ja, sowie ihr auf den andern. Die Welten stehen eine für alle und alle für eine; was in der einen sich nicht erfüllt, erfüllt sich in einer anderen.“
176a. So gibt es also Menschen, die zum ersten Mal auf Erden sind?
„Deren gibt es viele und auf verschiedenen Stufen.“
176b. Kann man irgendwie erkennen, wenn ein Geist zum ersten Mal auf Erden erscheint?
„Das würde zu gar nichts nützen.“
„Nein, denn es gibt viele Welten auf gleicher Stufe, wo der Geist nichts Neues zu lernen hätte.“
177a. Wie soll man sich aber dann eine Mehrheit seiner Existenzen auf der gleichen Welt erklären?
„Er kann sich jedes Mal in sehr verschiedenen Lagen befinden, die für ihn ebenso viele Gelegenheiten zur Bereicherung seiner Erfahrung bieten.“
„Ja, wenn sie eine Mission zur Förderung des Fortschrittes zu erfüllen haben und dann nehmen sie freudig die Trübsale dieser Existenz auf sich, weil sie ihnen ein Mittel selbst vorwärts zu kommen darbieten.“
178a. Kann jenes nicht auch zur Sühne geschehen und kann Gott nicht widerspenstige Geister auf niedrigere Welten senden?
„Die Geister können stehen bleiben, aber sie gehen nicht rückwärts und es besteht ihre Strafe darin, nicht fortzuschreiten und schlecht genutze Existenzen, da neu zu beginnen, wo sie hingehören.“
178b. Welches sind diejenigen, welche dieselbe Existenz wieder von vorn beginnen müssen?
Die, welche ihre Mission verfehlen oder ihre Prüfung nicht bestehen.“
„Nein, so wie auf der Erde gibt es auch dort überall mehr oder weniger Fortgeschrittene.“
„Ohne Zweifel, die Intelligenz verliert er nicht, aber er hat möglicherweise nicht dieselben Mittel sie zu zeigen. Das hängt von deren Mächtigkeit ab und von dem Zustand des Körpers, den er annehmen wird.*
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* Siehe: „Einfluss des Organismus, Buch der Geister“, Fragen 367 bis 370. (Anmerkung der Übersetzer)
„Ohne Zweifel haben sie Leiber, da der Geist mit Stoff um – kleidet sein muss, um auf den Stoff zu wirken; aber diese Hülle ist mehr oder weniger stofflich je nach dem Grad von Reinheit, zu der die Geister gelangen und das eben macht den Unterschied der Welten aus, die wir zu durchlaufen haben; denn es gibt viele Wohnungen im Haus unseres Vaters und auch verschiedene Grade oder Stufen. Die einen wissen es und haben hier ein Bewusstsein davon, bei anderen aber ist es keineswegs so.“
„Wir, die Geister, können auch hierauf nur gemäß der Stufe, auf der ihr steht, Antwort geben, d.h. wir dürfen diese Dinge nicht einem jeden offenbaren, weil nicht jeder imstande ist, sie zu begreifen und weil dies manchen verwirren würde.“
Je mehr der Geist sich reinigt, nähert sich sein Leib ebenfalls geistiger Natur. Sein Stoff ist dann weniger dicht und er kriecht nicht mehr mühsam auf dem Boden, die physischen Bedürfnisse sind weniger grob, die lebendigen Wesen brauchen sich nicht mehr gegenseitig zu zerstören, um sich zu ernähren. Der Geist ist freier und hat für entfernte Dinge uns unbekannte Wahrnehmungen, er sieht mit den Augen seines Leibes, was wir nur vermögen des Denkens sehen.
Die Reinigung der Geister führt bei den Wesen, in die sie inkarniert sind, moralische Vervollkommnung herbei. Die tierischen Leidenschaften werden schwächer, der Egoismus weicht der Bruderliebe. So sind denn die Kriege, auf den höheren Welten als unserer Erde, unbekannt. Hass und Zwietracht sind dort gegenstandslos, weil keiner daran denkt, seinem Nächsten ein Leid anzutun. Die Ahnung die sie von ihrer Zukunft haben, die innere Sicherheit, welche ihnen ein reines Gewissen gibt, bewirken, dass der Tod ihnen keinerlei Furcht erregt. Furchtlos sehen sie ihn herankommen als eine einfache Verwandlung. Die Lebensdauer auf den verschiedenen Welten scheint dem Grad der physischen und moralischen Vorzüge dieser Welten zu entsprechen und das ist auch ganz vernunftgemäß. Je weniger stofflich der Leib, desto weniger ist er den ihn bedrohenden Einflüssen ausgesetzt. Je reiner der Geist, desto weniger Leidenschaften hat er, die ihn untergraben. Auch hierin liegt eine Wohltat der Vorsehung, die so die Leiden abzukürzen sucht.
„Die Kindheit ist überall ein notwendiger Übergang, aber sie ist nicht überall so stumpf wie bei euch.“
„Nicht immer, aber er darf es sich erbitten und es kann ihm gewährt werden, wenn er es verdient; denn die Welten sind den Geistern nur nach dem Maß ihrer Erhöhung zugänglich.“
184a. Wenn der Geist sich nichts erbittet, wodurch wird dann die Welt bestimmt, in die er reinkarniert werden soll?
,,Durch den Grad seiner Erhöhung.“
„Nein, auch die Welten sind den Gesetzen des Fortschrittes unterworfen. Alle begannen, wie die eurige, mit einem niedrigeren Zustand, und die Erde selbst wird eine ähnliche Verwandlung erleben: sie wird ein irdisches Paradies werden, sobald die Menschen gut geworden sind.“
So werden die gegenwärtigen Völker der Erde einst verschwinden und immer vollkommenere Wesen werden an ihre Stelle treten. Diese umgewandelten Völker werden auf die jetzigen folgen, wie diese auf andere noch primitivere gefolgt sind.
„Ja, und diese Hülle selbst wird dann so ätherisiert, dass es für euch ist, als ob sie gar nicht da wäre: das ist der Zustand der reinen Geister.“
186a. Daraus scheint hervorzugehen, dass es keine feste Grenzlinie zwischen dem Zustand der letzten Inkarnationen und der reinen Geister gibt!
„Diese Grenzlinie ist nicht vorhanden; der Unterschied verwischt sich nach und nach und verschwindet zuletzt ganz, wie die Nacht, die vor den ersten Strahlen des Tages vergeht.“
„Nein, sie ist mehr oder weniger ätherisch. Indem der Geist von einer Welt auf die andere wandert, umkleidet er sich mit dem für jene passenden Stoff. Das dauert nicht länger als ein Blitzstrahl.“
„Die reinen Geister bewohnen gewisse Welten, aber sie sind an dieselben, nicht wie die Menschen an die Erde gebannt, sie können leichter als die anderen überall sein.“ *
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* Anmerkung von Allan Kardec: Nach der Aussage der Geister ist die Erde von allen Welten unseres Sonnensystems eine derjenigen, deren Bewohner sowohl physisch als moralisch am wenigsten fortgeschritten sind. Mars würde ihr nachstehen und Jupiter in jeder Beziehung weit über ihr stehen. Die Sonne wäre keine von verkörperten Wesen bewohnte Welt, sondern ein Stelldichein der höheren Geister, die von dort ihre Gedanken nach anderen Welten hin strahlen, um dieselben durch Vermittlung weniger erhabenen Geister, die sie sich durch das Universalfluidum verständigen, zu leiten. Nach ihrer physischen Beschaffenheit wäre die Sonne, wie wahrscheinlich alle Sonnen, ein Herd von Elektrizität. Umfang und Entfernung von der Sonne stehen in keiner notwendigen Beziehung zur Rangstufe der Welten, da Venus weiter fortgeschritten erschiene als die Erde, Saturn dagegen weniger als Jupiter. Mehrere Geister, die auf der Erde bekannte Personen beseelten, sagten aus, sie seien auf dem Jupiter reinkarniert, einer der Welten, die der Vollendung am nächsten stehen und man durfte sich wundern, Menschen auf jener so fortgeschrittenen Welt zu sehen, welche die Meinung hier auf Erden nicht auf eine hohe Stufe setzte. Dies hat nichts Überraschendes, wenn man bedenkt, dass gewisse unsere Erde bewohnende Geister hierher in einem Auftrag gesandt worden waren, der sie in unseren Augen nicht auf die höchste Stufe stellte; dass sie zweitens zwischen ihrem Erdendasein und demjenigen auf dem Jupiter Mittelexistenzen konnten durchgemacht haben, in denen sie sich selbst erhöhten; drittens endlich, dass es auf jener, wie auf unserer Welt verschiedene Entwicklungsstufen gibt und dass es unter diesen Zwischenräume geben kann, so groß wie der, zwischen einem Wilden und einem zivilisierten Menschen. So folgt daraus, dass man den Jupiter bewohnt, nicht, dass man auf der höchsten Stufe stehe, ebensowenig als man, weil man Paris bewohnt, deswegen auf der Stufe eines Gelehrten des Institutes stehen muss. Auch die Bedingungen der Lebensdauer sind nicht überall dieselben, wie hier auf Erden und das Alter lässt sich gar nicht vergleichen. Eine seit einigen Jahren gestorbene und nun angerufene Person sagte, sie sei seit einem halben Jahr auf einer Welt inkarniert, deren Name uns unbekannt ist. Über ihr Alter in jener Welt befragt, antwortete sie: „Ich kann es nicht bestimmen, da wir anders zählen als ihr. Auch ist unsere Existenzweise eine andere: man entwickelt sich dort viel schneller; dennoch darf ich, obschon 6 eurer Monate dort wohnend, behaupten, bezüglich der Intelligenz, 30 Jahre meines Erdenlebens alt zu sein.“ Viele ähnliche Antworten wurden von anderen Geistern gegeben und das hat nichts Unwahrscheinliches. Sehen wir hier nicht eine Menge Tiere in wenig Monaten ihre vollständige Entwicklung erreichen? Warum sollte es mit dem Menschen auf anderen Welten nicht ebenso sein? Fügen wir noch hinzu, dass ein Alter von 30 Jahren auf der Erde vielleicht nur eine Art von Kindheit darstellt im Vergleich mit demjenigen, das er eigentlich erreichen sollte. Es zeugt von großer Kurzsichtigkeit, den Menschen überall für das Musterbild der Schöpfung zu nehmen und es heißt die Gottheit erniedrigen, wenn man meint, außerhalb unseres Kreises gebe es nichts, das ihr möglich wäre.
Fortschreitende Wanderung
„Nein, denn auch der Geist hat seine Kindheit, wie der Mensch. Bei ihrem Ursprung haben die Geister nur ein instinktmäßiges Dasein und kaum ein Bewusstsein ihrer selbst und ihrer Handlungen. Erst allmählich entwickelt sich ihre Intelligenz.“
„ Der Zustand der Kindheit im körperlichen Leben. Seine Intelligenz erschließt sich noch kaum: sie versucht sich erst im Leben.“
„Eine nur verhältnismäßige Kindheit; aber diese Seelen sind schon entwickelt, denn sie haben Leidenschaften.“
191a. So sind also die Leidenschaften ein Zeichen von Entwicklung?
,,Von Entwicklung, ja, aber nicht von Vervollkommnung. Sie sind ein Zeichen von Tätigkeit und von Bewusstsein des Ichs, während in der noch jungen Seele Intelligenz und Leben erst noch in keimendem Zustand sind.“
Das Leben des Geistes durchläuft im Ganzen dieselben Stufen, wie das des Leibes. Es gelangt vom Embryo – Zustand zu dem der Kindheit, um allmählich den Zustand des Erwachsenen zu erreichen, welcher derjenige der Vollkommenheit ist, nur mit dem Unterschied, dass bei ihm kein Verfall und keine Abnutzung, wie beim Leibesleben, vorkommt; dass sein Leben, das einst einen Anfang genommen hat, kein Ende mehr nimmt; dass er eine nach unseren Begriffen unendliche Zeit braucht, um von geistiger Kindheit zu vollständiger Entwicklung zu gelangen, und dass sein Fortschritt sich nicht nur auf einer Welt, sondern auf vielen vollzieht. So besteht das Leben des Geistes in einer Anzahl leiblicher Existenzen, von denen jede ihm eine Gelegenheit zum Fortschreiten bietet, gerade so wie jede leibliche Existenz sich aus einer Reihe von Tagen zusammensetzt, an deren jedem der Mensch einen Zuwachs an Erfahrung und Bildung sich erwirbt. Aber so wie es im Menschenleben Tage gibt, die keinerlei Frucht tragen, so gibt es im Leben des Geistes leibliche Daseinsformen, die ohne Resultat bleiben, weil er sie sich nicht zunutze zu machen wusste.
„Nein, denn was der Mensch für vollkommen hält, ist weit davon entfernt. Es gibt ihm unbekannte und unbegreifliche Eigenschaften. Er kann so vollkommen werden, als seine irdische Natur es zulässt, allein, das ist noch keine absolute Vollkommenheit. So muss ein Kind, und wäre es auch noch so frühreif, seine Jugend durchlaufen, bevor es zum Alter der Erwachsenen gelangt. Ebenso macht der Kranke den Genesungsprozess durch, bevor er wieder ganz gesund ist. Dann muss der Geist an Erkenntnis und Moral zunehmen: war er bisher nur in einer Richtung fortgeschritten, so muss er es nun auch in einer anderen, um die höchste Stufe zu erklimmen. Je weiter aber der Mensch in seinem gegenwärtigen Leben vorwärts kommt, desto weniger lang und beschwerlich sind für ihn die folgenden Prüfungen.“
192a. Kann der Mensch schon in diesem Leben sich wenigstens einer künftigen Existenz von weniger Leid versichern?
„Gewiss, er kann die Länge und die Beschwerden seines Weges abkürzen. Der Sorglose allein bleibt stets auf demselben Punkt stehen.“
„In seiner sozialen Stellung, ja; als Geist nicht.“
„Nein, denn sie kann sich nicht zurückentwickeln.“
194a. Kann die Seele eines schlechten diejenige eines guten Menschen werden?
„Ja, wenn er bereut hat und dann ist dies eine Belohnung.“
„Wer so denkt, der glaubt an nichts, und die Vorstellung einer ewigen Strafe hält ihn ebensowenig zurück, weil seine Vernunft sie verwirft und diese Vorstellung führt zum Unglauben in allen Dingen. Hätte man stets nur vernunftgemäße Mittel angewendet, um die Menschen zu leiten, so gäbe es nicht so viele Zweifler. Ein unvollkommener Geist kann wirklich während seines Leibeslebens so denken, wie du gesagt hast. Allein einmal vom Stoff befreit, denkt er anders, denn er sieht bald, dass er falsch gerechnet hat und dann bringt er ein entgegengesetztes Gefühl in ein neues Dasein mit. So erfüllt sich der Fortschritt und deshalb habt ihr auf Erden Menschen, von denen die einen weiter fortgeschritten sind als die anderen. Die einen haben schon Erfahrungen gemacht, welche die anderen noch nicht haben, die sie aber allmählich erwerben werden. Von ihnen hängt es ab, ihren Fortschritt ins Unendliche zu beschleunigen oder zu verzögern.“
Der Mensch in einer schlimmen Lage sucht sie sobald als möglich zu verändern. Wer da überzeugt ist, dass die Trübsale dieses Lebens die Folge seiner Unvollkommenheiten sind, wird sich ein neues weniger trübes Dasein zu sichern bestrebt sein, und dieser Gedanke wird ihn eher vom Weg des Bösen abbringen, als der an das ewige Feuer, an das er doch nicht glaubt.
„Ja, so ist es. Sie bessern sich in diesen Prüfungen, in dem sie das Böse meiden und das Gute tun. Aber erst nach mehreren, fortlaufenden Inkarnationen oder Reinigungen erreichen sie schneller oder langsamer, je nach ihrem Bemühen, das ersehnte Ziel.“
196a. Wirkt der Leib auf den Geist, um ihn zu bessern, oder der Geist auf den Leib?
„Alles ist dein Geist, dein Leib ist ein Kleid, das verwest; das ist alles.“
Wir finden ein zutreffendes Bild der verschiedenen Reinheitsgrade der Seele im Saft der Rebe. Er enthält eine Flüssigkeit, die Geist oder Alkohol heißt, die aber durch eine Menge von fremden Substanzen, die ihr Wesen verändern, geschwächt wird. Erst nach mehreren Destillationen erreicht sie ihre völlige Reinheit, bei deren jede ihre Unreinheit ablegt wird. In den Destillierkolben muss sie erst gehen, um sich zu reinigen: die fremden Stoffe sind dem Perispirit zu vergleichen, der sich in dem Maße wie der Geist seiner Vollendung naht, selbst reinigt.
Los der Kinder nach dem Tod
„Zuweilen noch viel weiter, denn er kann viel länger gelebt und viel mehr Erfahrung haben, wenn er überhaupt fortgeschritten ist.“
197a. Kann somit der Geist eines Kindes mehr fortgeschritten sein als der seines Vaters?
„Das kommt häufig vor, seht ihr dies nicht oft selbst auf Erden?“
„Hat es kein Böses getan, so hat es auch kein Gutes tun können und Gott befreit es nicht von den Prüfungen, denen es sich unterziehen muss. Ist es rein, so ist es dies nicht, weil es ein Kind, sondern weil der Geist weiter fortgeschritten war.“
„Die Lebensdauer des Kindes kann für den in dasselbe inkar – nierten Geist die Ergänzung einer vor dem beabsichtigten Ziel unterbrochenen Existenz sein, und sein Tod ist oft eine Prüfung oder eine Sühne für die Eltern.“
199a. Was wird aus dem Geist eines in zartem Alter sterbenden Kindes?
„Er beginnt eine neue Existenz.“
Wenn der Mensch nur eine einzige Existenz hätte und nach dieser sein künftiges Los auf ewig entschieden wäre, worin bestände das Verdienst der Hälfte des Menschengeschlechts, die in frühester Kindheit stirbt, dass sie dann die ewige Seligkeit ohne Mühe geniessen könnte, und mit welchem Recht wäre sie von den oft so harten Bedingungen befreit, die der anderen Hälfte auferlegt werden. Eine solche Weltordnung könnte nicht der Gerechtigkeit Gottes entsprechen. Durch die Reinkarnation hingegen sind alle gleich. Die Zukunft gehört allen ohne Ausnahme und ohne die Bevorzugung irgendjemandes. Wer zuletzt ans Ziel gelangt, hat es nur sich selbst zu zuschreiben. Dem Menschen muss nach seinen Werken geschehen, ist er doch für sie verantwortlich.
Übrigens ist es nicht vernunftgemäß, die Kindheit als einen normalen Zustand der Unschuld zu betrachten. Sieht man nicht Kinder, die in einem Alter, wo die Erziehung noch keinen Einfluss auf sie ausüben konnte, die schlimmsten Triebe verraten? Welche Hinterlist, Falschheit, Heimtücke, ja den Trieb nach Diebstahl und Mord gleichsam mit auf die Welt bringen und zwar ungeachtet der guten Beispiele ihrer Umgebung? Das bürgerliche Gesetz spricht sie von ihren Missetaten frei, weil sie nach ihm nicht zurechnungsfähig sind. Es hat Recht, weil sie wirklich mehr instinktmäßig, als mit freier Überlegung so handeln. Woher sollen aber diese so verschiedenen Triebe bei Kindern desselben Alters kommen, die in denselben Verhältnissen erzogen, denselben Einflüssen ausgesetzt sind? Woher stammt diese frühreife Bosheit, wenn nicht aus der Niedrigkeit des Geistes, da ja die Erziehung hier nichts zu bedeuten hat? Der Geist derer, die lasterhaft sind, muss weniger fortgeschritten sein und dann erleidet er auch die Folgen davon, nicht in Betreff der Taten, die er als Kind verübt, sondern derer seiner früheren Daseinsformen. So gilt dasselbe Gesetz für alle und Gottes Gerechtigkeit erreicht und trifft einen jeden.
Geschlechter bei den Geistern
„Keineswegs so wie ihr das versteht, denn das Geschlecht hängt von der physischen Veranlagung ab. Es findet zwischen ihnen Liebe und Sympathie statt, die jedoch nur auf die Ähnlichkeit der Gefühle sich gründet.“
„Ja, es sind dieselben Geister, welche Männer und Frauen beseelen.“
„Darauf kommt es dem Geist wenig an; es hängt von den ihn erwartenden Prüfungen ab.“
Die Geister inkarnieren sich als Männer oder Frauen, weil sie kein Geschlecht haben. Da sie in allem fortschreiten sollen, so bietet ihnen jedes Geschlecht, wie jede gesellschaftliche Stellung besondere Prüfungen und Pflichten und die Gelegenheit, Erfahrungen zu sammeln. Wer stets ein Mann wäre, wüsste nur was die Männer wissen.
Verwandtschaft und Abstammung
„Nur das körperliche Leben, denn die Seele ist unteilbar. Ein stumpfsinniger Vater kann geistvolle Kinder haben, und umgekehrt.“
„Das kann nicht anders sein. Die Reihenfolge der leiblichen Existenzen knüpft zwischen den Geistern Bande, die zu einem früheren Dasein zurückleiten. Daher gibt es oft Gründe zu Sympathien zwischen euch und gewissen Geistern, die euch fremd scheinen.“
„Sie dehnt sie aus, aber sie zerreißt sie nicht. Da die Verwandtschaft auf frühere Zuneigungen gegründet ist, so sind die, die Glieder einer Familie einigenden Bande, weniger lose. Die Reinkarnation erhöht die Pflichten der Brüderlichkeit, da in euren Nachbarn oder Angestellten möglicherweise ein Geist leben kann, der euch einst durch Bande des Blutes nahe gestanden war.“
205a. Sie vermindert aber doch das Gewicht, das einige auf ihre Abstammung legen, da man ja einen Geist zum Vater gehabt haben kann, der einem ganz anderen Volk angehörte oder in ganz anderen Verhältnissen lebte.
„Schon wahr, allein jenes Gewicht gründet sich nur auf Hochmut. Was die Mehrzahl an ihren Vorfahren ehrt, sind Titel, Rang, Reichtümer. Solche Leute würden erröten, einen braven Schuster zum Vorfahren gehabt zu haben, während sie sich rühmen von einem ausschweifenden Edelmann abzustammen. Was sie aber sagen oder tun mögen, sie werden es nicht hindern, dass die Dinge so sind, wie sie sind; denn Gott hat die Naturgesetze nicht auf ihre Eitelkeit gegründet.“
„Gewiss nicht, denn man soll sich glücklich schätzen, einer Familie anzugehören, in der hohe Geister sich inkarnierten. Obschon ein Geist nicht einer aus dem andern hervorgeht und von ihm abstammt, so lieben sie deswegen doch nicht minder die, welche durch Familienbande ihnen angehören; denn diese Geister wurden oft zu der und der Familie hingezogen durch Sympathie oder frühere Bande. Glaubt aber nur nicht, dass die Geister eurer Vorfahren sich von einem Kultus, den ihr ihnen aus Hochmut widmet, geehrt fühlen. Ihr Verdienst kommt euch nur soweit zugute, als ihr euch bestrebt ihr gutes Beispiel zu befolgen und nur dann kann euer Andenken an sie ihnen nicht nur angenehm, sondern auch von Nutzen sein.“
Physische und moralische Ähnlichkeiten
„Nein, denn sie haben verschiedene Seelen oder Geister. Der Leib stammt vom Leib, nicht aber der Geist vom Geist. Es besteht nur eine Blutsverwandtschaft.“
207a. Woher stammen die moralischen Ähnlichkeiten, die zuweilen zwischen Eltern und Kindern vorkommen?
„Das sind sympathische Geister, die durch die Ähnlichkeit der Neigungen angezogen werden.“
„Es gibt einen sehr großen sogar; denn, wie gesagt, die Geister sollen gegenseitig zu ihrem Fortschritt beitragen. Nun denn! Die Geister der Eltern haben den Auftrg die Geister der Kinder durch die Erziehung zu entwickeln, es ist dies ihre Aufgabe: erfüllen sie sie nicht, so machen sie sich schuldig.“
„Ein böser Geist kann gute Eltern verlangen, in der Hoffnung, dass deren gute Ratschläge ihn auf einen bessern Weg führen würden, und oft kommt Gott seiner Bitte nach.“
„Nein, aber sie können den Geist ihres Kindes, das ihnen nun anvertraut ist, bessern. Es ist ihre Pflicht. Böse Kinder sind eben eine Prüfung für die Eltern.“
„Es sind sympathische Geister, die sich wegen der Ähnlichkeit ihrer Gefühle nähern und beglückt sind, beisammen zu sein.“
„Ja, aber ihre Ähnlichkeit lässt sie auch oft als nur einen erscheinen.“
„Es ist nicht die Regel, dass Zwillinge nur sympathische Geister haben, böse Geister können miteinander auf dem Schauplatz des Lebens ringen wollen.“
„Das ist nur bildlich zu verstehen. Man lässt ihren Hass, um ihn als recht eingewurzelt darzustellen, schon vor ihrer Geburt da sein. Überhaupt nehmt ihr die dichterische Darstellung zu wichtig. “
„Auch die Geister haben Familien, die durch die Ähnlichkeit ihrer, mehr oder weniger gereinigten Neigungen, je nach ihrer Erhöhung gebildet werden. Nun denn, ein Volk ist eine große Familie, in der sympathische Geister sich zusammentun. Das Einigungsstreben der Glieder dieser Familie ist nun die Quelle der Ähnlichkeit, in welcher der unterscheidende Charakter jedes Volkes liegt. Meinst du etwa, gute und humane Geister würden ein rohes und hartherziges Volk aufsuchen? Nein, die Geister sympathisieren mit den Massen so gut, wie mit den Einzelnen: dort sind sie inmitten der ihrigen.“
„Ja, das ist möglich; indessen während er sich bessert, ändert er sich auch. Auch ist möglicherweise seine soziale Stellung nicht mehr dieselbe. Wird er vom Meister zum Sklaven, so werden seine Neigungen ganz andere sein und ihr werdet ihn nur mit Mühe wiedererkennen. Da der Geist in seinen verschiedenen Inkarnationen derselbe bleibt, so können seine Äußerungen von der einen zur anderen gewisse Ähnlichkeiten bewahren, die jedoch immerhin durch die Gewohnheiten seiner neuen Lage etwas umgewandelt sein werden, bis endlich eine bedeutendere Vervollkommnung seinen Charakter vollständig ändert. Denn aus einem Hochmütigen und Bösartigen kann er demütig und menschlich werden, wenn er bereut hat.“
„Der Leib ist vernichtet und der neue hat keine Beziehungen mehr zum früheren. Dennoch wirft der Geist sein Licht auf den Leib zurück. Gewiss ist dieser nur Stoff, aber dennoch wird er nach den Fähigkeiten des Geistes geformt, besonders im Antlitz, und mit Recht hat man die Augen als den Spiegel der Seele bezeichnet. Das heißt genauer gesprochen: das Antlitz spricht das Wesen der Seele aus. Wie manche äußerst hässliche Person hat dennoch Etwas, das gefällt, wenn sie die Hülle eines guten, weisen, menschlichfühlenden Geistes ist, während es sehr schöne Gesichter gibt, die dich kalt lassen, ja abstoßen. Du könntest glauben, dass nur wohlgestaltete Leiber die Hüllen der vollendetsten Geister sein können, während du doch täglich auf brave Leute mit missgestaltetem Äußern stößt? Es kann daher die Verwandtschaft des Geschmackes und der Neigungen auch ohne ausgesprochene Ähnlichkeit einen sogenannten Familientypus begründen.“
Da der die Seele umhüllende Leib in einer neuen Inkarnation keine notwendigen Beziehungen zu dem hat, den er verlassen hat, da sie ihn ja von einem ganz anderen Stammvater haben kann, so wäre die Annahme einer Reihenfolge von Existenzen, die nur eine zufällige Ähnlichkeit haben, ungereimt. Dennoch verändern die Eigenschaften des Geistes oft die ihnen dienenden Organe und drücken dem Antlitz, ja der Gesamtheit des Benehmens einen bestimmten Stempel auf. So findet man zuweilen unter der niedrigsten Hülle einen Ausdruck von Hoheit und Würde, während unter dem Kleid eines großen Herrn zuweilen Gemeinheit und Schmach hervorlugen. Es gibt Personen, die, obschon aus einem ganz niedrigen Stand hervorgegangen, doch mühelos die Gewohnheiten und das Benehmen der großen Welt annehmen. Es ist, als ob sie hier ihr Element wiederfinden, während andere trotz ihrer Geburt und Erziehung, hier nie an ihrem Platz sind. Wie soll man dies anders erklären, denn als einen Widerschein dessen, was der Geist früher gewesen ist?
Angeborene Ideen
„Es bleibt ihm eine vage Erinnerung, welche ihm die sogenannten angeborenen Ideen verleiht.“
218a. Also wäre die Theorie der angeborenen Ideen kein Wahngebilde?
„Nein, die in jeder Daseinsform erworbenen Kenntnisse gehen nicht verloren und der vom Stoff befreite Geist erinnert sich stets derselben. Während der Inkarnation kann er sie momentan teilweise vergessen, aber das vage Gefühl, das ihm davon bleibt, hilft ihm zu seinem Fortschreiten. Sonst müsste er immer von vorn anfangen. In jeder neuen Existenz nimmt der Geist seinen Ausgangspunkt da, wo er in der früheren geblieben war.“
218b. Muss da somit eine enge Verbindung zwischen zwei aufeinanderfolgenden Existenzen bestehen?
„Nicht immer eine so starke, wie du glauben möchtest; denn die Lagen sind bisweilen sehr verschieden und in der Zwischenzeit konnte der Geist Fortschritte machen.“ (216.)
,,Erinnerung der Vergangenheit, früherer Fortschritt der Seele, worin sie selbst aber kein Bewusstsein hat. Woher sollten sie sonst kommen? Der Leib ändert sich, aber der Geist ändert sich nicht, wenn er auch sein Kleid ändert.“
,,Ja, wenn man solch eine Fähigkeit befleckt oder sie schlecht angewendet hat. Ferner kann eine solche Fähigkeit während einer Existenz schlummern, weil der Geist eine andere üben will, die zu jener keine Beziehung hat. Dann bleibt sie in latentem Zustand, um später wieder aufzutreten.“
,,Es ist dies eine Erinnerung an das, was er als Geist wusste, bevor er inkarniert war. Aber der Hochmut erstickt oft dieses Gefühl.“
221a. Verdanken auch gewisse die spiritistische Lehre betreffende Annahmen, die man bei allen Völkern findet, dieser Erinnerung ihren Ursprung?
„Diese Lehre ist so alt, wie die Welt. Darum findet man sie überall und das ist ein Beweis ihrer Wahrheit. Der inkarnierte Geist hat, indem er das vage Gefühl seines Zustandes als Geist bewahrt, ein instinktartiges Bewusstsein von der unsichtbaren Welt, oft ist er aber von Vorurteilen verfälscht und die Unwissenheit mischt den Aberglauben hinein.“
KAPITEL V – Betrachtungen über die Mehrheit der Existenzen
2. Woher stammt die außergewöhnliche Befähigung gewisser ganz junger Kinder für gewisse Künste oder Wissenschaften, während andere ihr Leben lang auf unteren oder mittleren Stufen stehenbleiben?
3. Woher stammen bei den einen die angeborenen Ideen oder Anschauungen, die bei anderen nicht vorkommen?
4. Woher stammen bei gewissen Kindern jene frühreifen Triebe zum Laster oder zur Tugend, jener angeborene Sinn für Würde oder Gemeinheit, der in keinem Verhältnis steht zu der Umgebung, in der sie aufwachsen?
5. Warum sind gewisse Menschen, abgesehen von ihrer Erziehung weiter fortgeschritten, als andere?
6. Warum gibt es wilde und zivilisierte Menschen? Nähmet ihr ein Hottentottenkind an eure Brust und erzöget ihr es auf unsern berühmtesten Gymnasien, würdet ihr jemals aus ihm einen Laplace oder Newton machen?
Wir fragen, welche Philosophie oder Theosophie vermag diese Rätsel zu lösen? Die Seelen sind bei ihrer Geburt entweder gleich oder ungleich; daran ist kein Zweifel. Sind sie gleich, woher denn jene so verschiedenen Fähigkeiten? Sollte das vom Organismus abhängen? Dies wäre aber die ungeheuerlichste unmoralischste Lehre. Dann wäre der Mensch nichts, als eine Maschine, der Spielball des Stoffes. Er wäre für seine Handlungen nicht verantwortlich und könnte alles auf seine physischen Unvollkommenheiten schieben. Sind aber die Seelen ungleich, hat sie Gott so geschaffen. Warum dann aber dieser angeborene Vorrang der einen vor den anderen? Ist eine solche Parteilichkeit mit seiner Gerechtigkeit und mit seiner gleichen Liebe zu allen seinen Geschöpfen vereinbar?
Nehmen wir nun dem gegenüber eine Reihenfolge von früheren fortschreitenden Existenzen an und es ist alles erklärt. Die Menschen bringen bei ihrer Geburt die vage Anschauung dessen, was sie sich erworben haben, mit. Sie sind mehr oder weniger fortgeschritten, je nach der Zahl der Existenzen, die sie schon durchlaufen haben, je nachdem sie mehr oder weniger von ihrem Ausgangspunkt entfernt sind: genau so, wie in einer Versammlung von Individuen jedes Alters. Auch hier wird jeder soweit entwickelt sein, als die Zahl seiner Jahre es mit sich bringt. Die aufeinanderfolgenden Existenzen werden so für das Leben der Seele dasselbe sein, was die Jahre für das des Körpers sind. Versammelt einmal 1000 Individuen von 1 bis zu 80 Jahren, denkt euch, ein Schleier sei über alle vorangegangenen Tage geworfen und ihr hieltet sie so in eurer Unwissenheit alle für an demselben Tage geboren: natürlich würdet ihr euch fragen, wie es kommt, dass die einen groß, die anderen klein, die einen alt, die anderen jung, die einen kenntnisreich, die anderen unwissend sind. Sowie aber die Wolke, die euch die Vergangenheit verbirgt, sich hebt, sowie ihr vernehmt, dass alle mehr oder weniger lang gelebt haben, wird sich euch alles erklären. Gott konnte nicht in seiner Gerechtigkeit mehr oder weniger vollkommene Seelen schaffen; bei einer Vielheit von Existenzen hingegen hat die Ungleichheit, die wir vor uns sehen, nichts mehr, das auch dem strengsten Gerechtigkeitsgefühl widerspräche. Wir sehen eben nur das Gegenwärtige, nicht das Vergangene. Beruht diese Betrachtungsweise auf einem System oder einer banalen Voraussetzung? Nein, wir fußen auf einer offenkundigen, unbestreitbaren Tatsache: auf der Ungleichheit der Fähigkeiten und der intellektuellen wie moralischen Entwicklung und wir finden diese Tatsache unerklärlich bei allen landläufigen Theorien, während ihre Erklärung durch eine andere Theorie doch so einfach, natürlich und logisch ist. Was ist vernünftiger, diejenige vorzuziehen, welche nichts erklärt, oder die, welche etwas erklärt?
1. Wenn unser jetziges Leben allein über unsere Zukunft entscheiden soll, welches wird dann im künftigen Leben die Stellung des Wilden beziehungsweise des Zivilisierten sein? Stehen sie dort auf der gleichen Stufe oder genießen sie in verschiedenem Grad die Summe ewiger Seligkeit?
2. Steht der Mensch, der sein Leben lang an seiner Besserung arbeitete, auf derselben Stufe wie der, welcher zurückblieb, nicht durch seinen eigenen Fehler, sondern weil er weder Zeit noch Möglichkeit hatte, sich zu bessern?
3. Kann der Mensch, der Böses tat, weil er sich nicht bilden konnte, für einen Zustand verantwortlich sein, der nicht von ihm abhing?
4. Man arbeitet an der Aufklärung, Besserung und Zivilisation der Menschen. Aber gegen einen, den man aufklärt, sterben täglich Millionen, bevor das Licht zu ihnen drang. Welches ist das Los dieser Letzteren? Werden sie als Verdammte behandelt? Und im entgegengesetzten Fall, was taten sie, um dasselbe Los zu verdienen, wie die anderen?
5. Welches ist das Los der im frühesten Alter gestorbenen Kinder, die weder Gutes noch Böses tun konnten? Befinden sie sich unter den Auserwählten, woher denn diese Gunst, ohne sie auch verdient zu haben? Durch welches Vorrecht sind sie von den Trübsalen des Lebens befreit? Gibt es überhaupt eine Lehre, die diese Fragen zu lösen vermag? Nehmt aufeinander folgende Existenzen an und alles erklärt sich Gottes Gerechtigkeit entsprechend. Was man in einer Existenz nicht tun konnte, tut man in einer anderen. So entgeht niemand dem Gesetz des Fortschritts, jeder wird nach seinem wirklichen Verdienst belohnt und keiner ist von der höchsten Seligkeit ausgeschlossen, auf die er Anspruch hat, welches auch die Hindernisse waren, die ihn auf seinem Weg begegneten.
Ihr erster Anspruch auf Glaubwürdigkeit ist also in unseren Augen, dass sie logisch ist *, ferner, dass sie durch die Tatsache bestätigt wird, durch Tatsachen, die positiv und sozusagen handgreiflich sind und die ein aufmerksames und vernünftiges Studium jedem offenbart, der sich die Mühe nimmt, geduldig und beharrlich zu beobachten und denen gegenüber ein Zweifel nicht mehr gestattet ist. Sind diese Tatsachen einst allgemein bekannt, wie die von der Gestaltung und der Bewegung der Erde, so wird man sich wohl den zwingenden Gründen unterwerfen und die Gegner werden die Kosten ihres Widerspruchs selbst tragen müssen.
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* In der 2. Auflage (1860) hatte Allan Kardec im Satz geschrieben: „Es sind die Tatsachen die sie bestätigen.“ Ab der 4. Auflage (1861) wurde dieser Satz weggelassen. (Anmerkung der Übersetzer)
** In der 2. französischen Auflage (1860) weist Allan Kardec am Ende dieses Absatzes auf das Kapitel „Von den Widersprüchen“ hin. Ab der 4. Auflage (1861) hat er diesen Hinweis weggelassen.
*** Die Bibelzitate wurden in der 2. französichen Auflagen (1860) 9 nicht erwähnt. Allan Kardec hat diese in der 4. Auflage dazugenommen und werden auch in den darauffolgenden Auflagen erwähnt. (Anmerkung der Übersetzer)
3. „Wahrlich, wahrlich ich sage dir: es sei denn, dass jemand von Neuem geboren werde, kann er das Reich Gottes nicht sehen.
4. Nikodemus spricht zu ihm: Wie kann ein Mensch geboren werden, wenn er alt ist, kann er auch wieder in seinen Mutterleib eingehen und geboren werden?
5. Jesus antwortete: „Wahrlich, wahrlich ich sage dir, es sei denn, dass jemand geboren werde aus dem Wasser und Geist, so kann er nicht in das Reich Gottes kommen. Was vom Fleisch geboren wird, ist Fleisch; und was vom Geist geboren wird, das ist Geist. Lass dich’s nicht wundern, dass ich dir gesagt habe: „Ihr müsset von Neuem, geboren werden.“ (Siehe unten den Art. ,,Wiederaufstehung des Fleisches“ Nr. 1010.)
KAPITEL VI – Geistiges Leben
Herumirrende Geister
,,Zuweilen ja, gewöhnlich aber erst nach kürzeren oder längeren Zwischenräumen. Auf den höheren Welten geschieht die Reinkarnation fast immer unmittelbar. Da der Stoff des Leibes weniger grob ist, so verfügt der inkarnierte Geist über fast alle seine Geistesfähigkeiten. Sein normaler Zustand ist derjenige eurer hellsehenden Somnambulen.“
„Ein herumirrender oder wandernder Geist, der sich nach seiner neuen Bestimmung sehnt: ,,Er wartet.“
224a. Wie lange mag so eine Zwischenzeit dauern?
,,Von einigen Stunden bis zu einigen Jahrtausenden. Übrigens gibt es genau genommen keine äußerste Grenze für diesen Zustand, der sich gar sehr verlängern, aber doch nie ins Ewige ausdehnen kann. Der Geist findet stets früher oder später den Neubeginn einer Existenz, die zur Reinigung seiner früheren dient.“
224b. Ist diese Dauer vom Willen des Geistes abhängig oder kann sie als Sühne auferlegt werden?
„Sie ist eine Folge des freien Willens. Die Geister wissen ganz gut, was sie tun, es gibt aber welche, für die es eine von Gott verhängte Strafe ist. Andere wünschen sie zu verlängern, um Studien zu verfolgen, die sich mit Erfolg nur in dem Zustand eines freien Geistes machen lassen.“
„Nein, denn es gibt herumirrende Geister von allen Stufen. Die Inkarnation ist ein vorübergehender Zustand, wie schon gesagt. In seinem normalen Zustand ist der Geist vom Stoff befreit.“
„Die, welche sich inkarnieren sollen, ja; die reinen Geister dagegen, die zur Vollendung gelangten, sind keine herum – irrenden: Ihr Zustand ist ein endgültiger.“
In Beziehung auf ihre inneren Eigenschaften gehören die Geister verschiedenen Stufen oder Graden an, die sie allmählich durch – laufen, in dem Maße, wie sie sich reinigen. In Beziehung auf ihren äußerlichen Zustand können sie entweder Inkarnierte, d.h. Geister mit einem Leib vereinigt, Herumirrende, d.h. Geister vom stoff – lichen Leib befreit und zu ihrer Besserung eine neue Inkarnation erwartend, oder endlich reine Geister, d.h. vollendet und keiner Inkarnation mehr bedürftig sein.
„ Sie studieren ihre Vergangenheit und suchen die Mittel, sich zu erhöhen. Sie schauen und beobachten das, was sich an den Orten, die sie durchziehen, zuträgt. Sie lauschen den Reden erleuchteter Menschen und den Ansprüchen höherer Geister als sie und das gibt ihnen Ideen, die sie noch nie hatten.“
„Die hohen Geister lassen, wenn sie ihre Hülle verlieren, die schlechten Leidenschaften zurück und behalten nur die Leidenschaft des Guten; die niedrigen aber behalten jene, sonst gehörten sie ja zu den Ersteren.“
„Du siehst auf dieser Erde Menschen, die außerordentlich neidisch sind. Glaubst du, dass sie diesen Fehler, sobald sie sie verlassen, sofort verlieren? Es bleibt ihnen, nach ihrem Weggang von hier, besonders denjenigen mit sehr ausgesprochenen Leidenschaften, eine Art Dunstkreis, der sie umhüllt und ihnen all jenes Böse belässt, weil der Geist noch nicht gänzlich von der Materie losgelöst ist. Nur für Augenblicke ahnt er die Wahrheit, damit der rechte Weg sichtbar werde.“
„Er kann sich sehr bessern, stets je nach seinem Willen und seiner Sehnsucht. In seiner leiblichen Existenz aber verwertet er dann die gewonnenen neuen Ideen.“
„Mehr oder weniger, je nach ihrem Verdienst. Sie leiden an den Folgen ihrer Leidenschaften, deren Prinzip sie bewahrt haben, oder sie sind glücklich, je nachdem sie sich mehr oder weniger entstofflicht haben. Im herumirrenden Zustand ahnt der Geist, was ihm fehlt, um glücklich zu sein. Dann sucht er die Mittel, dies zu erreichen, aber es ist nicht immer gestattet, sich nach Belieben zu reinkarnieren und das dient ihm dann zur Strafe.“
„ Je nach dem. Hat der Geist den Leib verlassen, so ist er des – wegen noch nicht völlig vom Stoff befreit und er gehört noch der Welt an, in der er lebte oder einer Welt auf derselben Stufe, wenn er sich nicht bei Lebzeiten erhöhte; aber eben hiernach soll er streben, sonst würde er sich nie vervollkommnen. Er kann jedoch auf gewisse höhere Welten gehen, aber dann fühlt er sich dort fremd: er sieht sie sozusagen nur halb und das erweckt in ihm dann den Wunsch sich zu bessern, um des Glücks würdig zu werden, das man dort genießt, und sie später selbst zu bewohnen.“
„Sie gehen oft dahin, um sie in ihrem Fortschreiten zu fördern; sonst wären diese Welten sich selbst überlassen und ohne Führer.“
Übergangswelten
„Ja, es gibt Welten, die für die herumirrenden Wesen bestimmt sind und in denen sie kürzere oder längere Zeit wohnen können: gewissermaßen Lagerstätten, in denen sie von einem allzu langen Wandern, das immer etwas beschwerlich ist, sich ausruhen können. Zwischenstationen zwischen den anderen Welten, abgestuft je nach der Natur der sie aufsuchenden Geister, die nun hier ein mehr oder weniger großes Glück genießen.“
234a. Können die diese Welten bewohnenden Geister die selben nach Belieben verlassen?
„Ja, sie können sich von denselben trennen, um dahin zu gehen, wohin sie sollen. Denkt euch Zugvögel, die sich auf einer Insel niederlassen, bis sie neue Kräfte gesammelt haben, um ihre Reise fortzusetzen.“
„Gewiss. Die, welche sich so zusammentun, haben dabei den Zweck sich zu unterrichten, um leichter die Erlaubnis zu erhalten, sich nach besseren Orten zu begeben und schließlich die Stellung der Auserwählten zu erringen.“
„Nein, denn ihr Zustand ist nur ein vorübergehender.“
236a. Sind sie gleichzeitig von leiblichen Wesen bewohnt?
„Nein, Ihre Oberfläche ist unfruchtbar. Wer sie bewohnt, hat kein Bedürfnis.“
236b. Ist diese Unfruchtbarkeit eine dauernde und hängt sie von ihrer besonderen Natur ab?
„Nein, sie sind nur vorübergehend in diesem Zustand.“
236c. Diese Welten müssten dann keine Naturschönheiten besitzen?
„Die Natur zeigt sich hier in den Schönheiten der Unendlichkeit, die nicht minder bewunderungswert sind, als das was ihr Naturschönheiten nennt.“
236d. Wird unsere Erde, da der Zustand jener Welten ein vorübergehender ist, einst auch zu ihrer Zahl gehören?
„Sie hat dazu gehört.“
236e. Wann?
„Während ihrer Entstehung.“
Nichts ist unnütz in der Natur. Jedes Ding hat seinen Zweck, seine Bestimmung. Nichts ist leer, alles ist bewohnt, überall ist Leben. So gab es keinen Zustand ohne Leben, während jener langen Reihe von Jahrhunderten, die vor des Menschen Erscheinung auf Erden verflossen, während jener langsamen, von den geologischen Schichten erzeugten Übergangsperioden, selbst vor der Entstehung der ersten organischen Wesen, auf jener gestaltlosen Masse, in jenem unfruchtbaren Chaos, wo die Elemente durcheinander gärten. Wesen, die weder unsere physischen Bedürfnisse, noch unsere Empfindungen hatten, fanden hier ihre Zuflucht. Gott wollte, dass die Erde selbst in diesem unfertigen Zustand zu etwas diente. Wer wagt es zu behaupten, dass unter jenen Milliarden Welten, die in der Unendlichkeit dahinrollen, eine einzige, eine der kleinsten, verloren in der Menge, das ausschließliche Vorrecht hat, bewohnt zu sein? Was wäre da der Nutzen der anderen? Sollte sie Gott nur geschaffen haben, um unsere Augen zu ergötzen? Ungereimter Gedanke, unverträglich mit jener Weisheit, die allen seinen Werken entstrahlt und unannehmbar, wenn man an alle die denkt, die wir nicht wahrnehmen können. Niemand wird es bestreiten, dass in diesem Gedanken von Welten, die sich zum stofflichen Leben noch nicht eignen und doch von lebendigen Wesen bevölkert sind, die für diesen Zustand passen, etwas Großes und Erhabenes liegt, worin vielleicht die Lösung von mehr als einem Rätsel zu suchen ist.
Wahrnehmungen, Empfindungen und Leiden der Geister
„Ja, und noch andere dazu, die sie nicht hatte, weil ihr Leib gleichsam ein, dieselben nicht durchlassender Schleier war. Die Intelligenz ist eine Eigenschaft des Geistes, der sich aber freier betätigt, wenn ihm keine Hindernisse entgegenstehen.“
„Je mehr sie der Vollendung sich nähern, desto mehr wissen sie; gehören sie zu den höheren, so wissen sie viel; die niedrigeren sind mehr oder weniger unwissend in allem.“
„Je nach ihrer Erhöhung und Reinheit; die niederen wissen davon nicht mehr, als die Menschen.“
„Nein, eben darum versteht ihr uns nicht, wenn es sich um Feststellungen von Daten und Epochen handelt.“
Die Geister leben außerhalb der Zeit, wie wir diese verstehen. Die Zeitdauer verschwindet für sie sozusagen in Nichts und die für uns so langen Jahrtausende sind in ihren Augen bloße Augenblicke, die in der Ewigkeit verschwinden, gerade so wie die Unebenheiten des Bodens sich verwischen für den, der sich in die Luft erhebt.
„Etwa so, wie der, welcher gut sieht, eine richtigere Vorstellung hat als der Blinde. Die Geister sehen das, was ihr nicht seht; also urteilen sie auch anders, als ihr. Aber noch einmal, das hängt von ihrer Erhöhung ab.“
„Die Vergangenheit ist für uns, wenn wir uns damit beschäftigen, eine Gegenwart, genau so, wie wenn du dich einer Sache, die dir in deiner Verbannung aufgefallen ist, erinnerst. Da uns aber der stoffliche Schleier, der deinen Sinn verdunkelt, nicht mehr hindert, so erinnern wir uns an Dinge, die für dich schon ausgelöscht sind. Aber nicht alles ist den Geistern bekannt, vor allem nicht ihre Erschaffung.“
„Das hängt wieder von ihrer Vollkommenheit ab: Oft sehen sie sie nur vage, aber es ist ihnen nicht immer erlaubt, sie zu schauen. Wenn sie sie sehen, so erscheint sie ihnen als Gegenwart. Je mehr er sich Gott nähert, desto deutlicher sieht der Geist die Zukunft. Nach dem Tod sieht und umfasst die Seele ihre früheren Wanderungen mit einem Blick, was aber Gott ihr bereitet, vermag sie nicht zu sehen; dazu gehört, dass sie ganz in ihm sei nach sehr vielen Existenzen erst.“
243a. Haben die zur völligen Vollkommenheit gelangten Geister eine vollständige Kenntnis der Zukunft?
„Vollständig ist hier nicht der rechte Ausdruck; denn Gott allein ist der unumschränkte Herr und keiner kommt ihm gleich.“
„Nur die höheren Geister schauen und begreifen ihn, die niederen fühlen und ahnen ihn.“
244a. Wenn ein niederer Geist sagt, Gott verbiete oder erlaube ihm etwas, wie weiß er dann, dass dies von Gott kommt?
„Er sieht Gott nicht, aber er fühlt seine Herrschaft und wenn etwas nicht getan oder gesagt werden darf, so fühlt er etwas wie eine vage Anschauung, eine unsichtbare Warnung, die es ihm verbietet. Habt nicht auch ihr selbst Vorahnungen, die euch als geheime Warnungen dies oder jenes zu tun oder zu lassen, dienen? So ist es bei uns, nur auf einer höheren Stufe, denn du begreifst, dass, da das Wesen der Geister feiner ist, als das eurige, sie auch die göttlichen Weisungen besser empfangen können.“
244b. Wird ihm der Befehl unmittelbar von Gott oder durch Vermittlung anderer Geister erteilt?
„Er kommt ihm nicht direkt von Gott. Um mit ihm zu verkehren, muss man dessen auch würdig sein. Gott übermittelt ihm seine Befehle durch Geister, die auf einer höheren Stufe der Vollkommenheit und Erkenntnis stehen.“
„Nein, er wohnt in ihnen selbst.“
„Sie sehen durch sich selbst und bedürfen des äusseren Lichtes nicht. Für sie gibt es keine Finsternis, außer derjenigen, in welcher sie sich selbst etwa zur Sühne befinden mögen.“
„Da sich der Geist mit der Schnelligkeit des Gedankens fortbewegt, so kann man sagen, er sehe überall zugleich. Sein Gedanke kann sich ausstrahlen und sich gleichzeitig auf verschiedene Punkte richten. Aber die Befähigung hängt von seiner Reinheit ab: je weniger er gereinigt ist, desto beschränkter sein Blick. Nur die höheren Geister können eine Gesamtheit umfassen.“
Die Fähigkeit zu sehen, ist bei den Geistern eine ihrer Natur inne – wohnende Eigenschaft, die in ihrem ganzen Wesen liegt, wie das Licht in allen Teilen eines leuchtenden Körpers. Es ist eine Art von universeller Lichtheit oder Helle, die sich über alles ausbreitet, gleichzeitig Raum, Zeit und Dinge umfasst und für die es weder Finsternis, noch stoffliche Hindernisse gibt. Man sieht ein, dass dies so sein muss: Der Mensch, dessen Sehkraft auf dem Spiel eines vom Licht getroffenen Organs beruht, befindet sich ohne Licht in der Finsternis; beim Geist dagegen, dessen Sehkraft eine Eigenschaft seiner selbst ist und keines äußeren Auges bedarf, hängt sie nicht mehr vom Licht ab (Siehe: Kapitel ,,Allgegenwart“ Frage Nr. 92).
„Deutlicher; denn sein Auge durchdringt auch das, was ihr nicht zu durchdringen vermögt, es wird von nichts verdunkelt.“
„Ja und zwar auch solche, die eure stumpfen Sinne nicht wahrnehmen können.“
249a. Liegt die Fähigkeit zu hören, in seinem ganzen Wesen, so wie die Fähigkeits des Sehens?
„Alle Wahrnehmungen sind Eigenschaften des Geistes und machen einen Teil seines Wesens aus. Wenn er mit einem stofflichen Leib bekleidet ist, so gelangen sie zu ihm nur durch die Vermittlung seiner Organe; im Zustand der Freiheit dagegen sind sie nicht mehr auf ein Organ beschränkt.“
„Der Geist sieht und hört nur das, was er will. Dies ist aber allgemein gesprochen und bezieht sich hauptsächlich auf die höheren Geister; denn die unvollkommenen hören und sehen oft ohne zu wollen, was ihnen zu ihrer Besserung nützen kann.“
„Meinst du eure Musik? Was ist die gegen die himmlische? Gegen jene Harmonien, von denen euch nichts auf dieser Erde eine Vorstellung geben kann? Die eine verhält sich zur anderen wie das unharmonische Geräusch zu einer lieblichen Melodie. Indessen können gemeine Geister ein gewisses Vergnügen an eurer Musik empfinden, weil es ihnen noch nicht gegeben ist, eine erhabenere zu verstehen. Die Musik hat für die Geister einen unendlichen Reiz, wegen der sehr hohen Entwicklung ihrer Empfindungsfähigkeit; ich meine damit die himmlische Musik, welche das Schönste und Lieblichste ist, das eine geistige Einbildungskraft sich vorstellen kann.“
„Die Naturschönheiten der Weltkörper sind so verschiedenartig, dass man weit entfernt ist, sie alle zu kennen. Ja, die Geister sind dafür empfänglich, je nach ihrer Entwicklung. Für die höheren Geister gibt es Gesamtschönheiten, vor denen die Einzelheiten sich sozusagen verwischen.“
„Sie kennen sie, weil sie sie selbst einst empfanden, sie fühlen sie aber nicht so wie ihr in stofflicher Weise, sie sind eben Geister.“
„Ermüdung, wie ihr sie versteht, können sie nicht empfinden, also haben sie auch kein Bedürfnis nach eurer körperlichen Ruhe, da sie keine Organe besitzen, deren Kräfte erneuert werden müssten. Aber der Geist ruht sich in dem Sinne aus, dass er nicht in einer fortwährenden Tätigkeit ist. Er betätigt sich nicht auf stoffliche Art, sein Tun ist rein intellektuell und moralisch, d. h. es gibt Augenblicke, wo sein Denken nicht mehr so tätig ist und sich auf keinen bestimmten Gegenstand richtet. Es ist dies eine wirkliche Ruhe, die sich aber nicht mit der des Leibes vergleichen lässt. Die Ermüdungsfähigkeit der Geister steht im Verhältnis zu ihrer tieferen Stufe; denn je höher sie stehen, desto weniger bedürfen sie der Ruhe.“
„Moralische Angst, die ihn stärker quält, als leibliche Schmerzen.“
„Das sind Erinnerungen an das, was sie bei Leibesleben empfanden, welche oft gerade so schmerzlich sind, als die Wirklichkeit. Oft ist es eine Vergleichung, durch die sie, in Ermangelung eines Besseren, ihre Lage ausdrücken. Wenn sie sich ihres Leibes erinnern, haben sie den Eindruck etwa wie wenn man den Mantel ablegt und ihn doch noch eine Zeitlang zu tragen meint.“
Theoretische Abhandlung über die Empfindungen bei den Geistern
Der Perispirit ist das Band, das den Geist mit dem Stoff des Leibes verbindet, er ist aus dem umgebenden und dem universellen Fluidum geschöpft. Er enthält sowohl Elektrizität, als auch Magnetismus und bis zu einem gewissen Grad auch trägen Stoff. Man könnte sagen, er sei die Quintessenz des Stoffes. Er ist das Prinzip des organischen Lebens, nicht aber des intellektuellen Lebens. Letzteres liegt im Geist selbst. Ferner ist er das Agens bei den äußerlichen Empfindungen. Im Leib sind diese Empfindungen durch die Organe, die ihnen als Vermittler dienen, angesiedelt. Ist der Leib aber zerstört, so sind die Empfindungen nur noch allgemeine. Darum sagt der Geist nicht, dass er eher am Kopf oder an den Füßen Schmerz empfindet. Übrigens darf man die Empfindungen des unabhängig gewordenen Perispirits nicht verwechseln mit denen des Leibes: letztere dienen uns nur als Vergleich, nicht als Analogie. Vom Leib befreit kann der Geist zwar noch leiden, aber das Leiden ist nicht das des Leibes. Dennoch ist es wiederum nicht nur ein moralisches Leiden wie die Reue, wenn er sich über Kälte oder Hitze beklagt. Im Winter leidet er nicht mehr als im Sommer: wir haben welche durch das Feuer gehen sehen, ohne Schmerz zu empfinden. Die Temperatur macht somit keinen Eindruck auf sie. Ihr Schmerz ist also kein eigentlich leiblicher: er ist ein unbestimmtes inneres Gefühl, von dem sich der Geist selbst nicht immer Rechenschaft gibt, weil eben der Schmerz nicht auf einen bestimmten Ort begrenzt und nicht durch äußerlich wirkende Kräfte hervorgebracht wird: Er ist eher eine Erinnerung als eine Wirklichkeit, die deswegen aber nicht minder qualvoll ist. Zuweilen jedoch ist der Schmerz auch mehr als eine bloße Erinnerung, wie wir gleich sehen werden.
Die Erfahrung lehrt, dass im Moment des Todes der Perispirit sich mehr oder weniger langsam vom Leib ablöst, während der ersten Augenblicke, kann sich der Geist sei ne Lage nicht erklären, und er weiß nicht, dass er tot ist, sondern glaubt noch zu leben. Dort sieht er seinen Leib liegen, er weiß, dass er ihm gehört, begreift aber nicht, dass er davon getrennt ist. Dieser Zustand dauert so lange, als noch ein Band zwischen Leib und Perispirit besteht. Ein Selbstmörder sagte zu uns: „Nein, ich bin nicht tot.“ Und fügte dann hinzu: „Und dennoch fühle ich die Würmer, die an mir nagen.“ Nun nagten die Würmer gewiss nicht am Perispirit und noch weniger am Geist, sondern nur am Leib. Da aber die Trennung von Leib und Perispirit keine vollständige war, so folgte daraus eine Art moralischen Rückschlages, der ihm die Empfindung dessen, was sich im Leib zutrug, vermittelte. Rückschlag ist vielleicht nicht das rechte Wort, es könnte an eine zu stoffliche Wirkung erinnern. Es ist vielmehr der Anblick dessen, was sich in seinem, noch an seinem Perispirit geknüpften Leib zutrug, welcher in ihm eine Illusion erzeugte, die er für Wirklichkeit nahm. So war es also keine Erinnerung, da er ja während des Lebens nicht von den Würmern benagt worden war, sondern es war das Gefühl der momentanen Wirklichkeit. Man ersieht hieraus, welche Schlüsse man aus Tatsachen ziehen kann, wenn diese genau beobachtet werden.
Während des Lebens empfängt der Leib die Eindrücke von außen und überträgt sie auf den Geist durch Vermittlung des Perispirits, der wahrscheinlich das sogenannte Nervenfluidum bildet. Ist der Leib tot, so empfindet er nichts mehr, weil weder der Geist noch der Perispirit mehr in ihm ist. Der Perispirit, vom Leib gelöst, hat die Empfindung, aber da sie ihm nicht mehr durch ein bestimmtes Organ zugeleitet wird, so ist sie nur eine allgemeine. Da der Perispirit nun in Wirklichkeit nur ein Instrument der Übermittlung ist, da der Geist es ist, der das Bewusstsein hat, so folgt daraus, dass, wenn ein Perispirit ohne Geist existieren könnte, jener nicht mehr empfinden würde, als der Leib, nachdem er tot ist; ebenso, dass, wenn der Geist keinen Perispirit hätte, er jeder unangenehmen Empfindung unzugänglich wäre, und das findet statt bei den ganz reinen Geistern. Wir wissen, dass das Wesen des Perispirits desto ätherischer wird, je mehr sie sich reinigen, woraus weiter folgt, dass der Einfluss des Stoffes in dem Maße abnimmt, als der Geist fortschreitet, d.h. als der Perispirit selbst weniger grob wird.
Nun wird man aber einwenden, dass die angenehmen Emp – findungen so gut wie die unangenehmen dem Geist durch den Perispirit vermittelt werden, dass der Geist somit, wenn er den einen zugänglich, es auch den anderen sein müsse. Ja, ohne Zweifel denjenigen, welche ausschließlich vom Einfluss des uns bekannten Stoffes herkommen. Der Ton unserer Instrumente, der Duft unserer Blumen macht auf ihn keinen Eindruck und doch gibt es bei ihm innere Gefühle, von einem unbeschreiblichen Reiz, wovon wir uns keine Vorstellung machen können, da wir hier wie Blindgeborene gegenüber dem Licht sind. Wir wissen, dass so etwas existiert, aber auf welche Weise? Hier steht unser Wissen still. Wir wissen, es gibt eine Wahrnehmung, Empfindung, ein Hören, ein Sehen. Wir wissen, dass diese Fähigkeiten Eigenschaften des ganzen Wesens sind, und nicht wie beim Menschen nur ein Teil seines Wesens. Aber, noch einmal, durch welche Vermittlung? Das wissen wir nun einmal nicht. Die Geister selbst können uns darüber nicht belehren, weil unsere Sprache keine Ideen auszudrücken vermag, die wir selbst nicht haben, ebenso wenig, als es in den Sprachen der „Primitiven“ Ausdrücke für unsere Künste, Wissenschaften und philosophischen Lehrgebäude gibt.
Wenn wir von der Unzulänglichkeit der Geister für die Eindrücke unseres Stoffes sprechen, so meinen wir damit die ganz hohen Geister, deren Ätherhülle es hier auf Erden nichts Gleiches gibt. Nicht dasselbe gilt von denen, deren Perispirit dichter ist. Diese nehmen unsere Töne und Gerüche wahr, jedoch nicht vermittelst eines bestimmten Teils ihrer Individualität, wie zu ihren Lebzeiten. Man könnte etwa sagen, dass molekulare Schwingungen sich in ihrem Wesen fühlbar machen und so zu ihrem Gesamtsinn gelangen, das der Geist selbst ist, obgleich auf eine verschiedene Weise und vielleicht auch mit einem verschiedenen Eindruck, was dann eine Änderung in der Wahrnehmung hervorbrächte. Sie hören den Ton unserer Stimme und doch verstehen sie uns ohne Hilfe der Worte, durch die einzige Vermittlung des Gedankens. Und was unsere Behauptung noch unterstützt ist, dass ihr Auffassungsvermögen umso größer ist, je mehr der Geist entstofflicht wurde. Was die Sehkraft betrifft, so ist sie unabhängig von unserem Licht. Die Fähigkeit zu sehen ist eine wesentliche Eigenschaft der Seele: für diese gibt es keine Dunkelheit; aber entwickelter, durchdringender ist sie bei denen, die am meisten gereinigt sind. Die Seele oder der Geist hat also an sich selbst die Fähigkeit zu allen Wahrnehmungen. Im leiblichen Leben sind sie durch die Grobstofflichkeit unserer Organe gehindert; in dem außerleiblichen Leben werden sie es immer weniger, je mehr sich die halbstoffliche Hülle erhellt.
Diese aus den umgebenden Elementen geschöpfte Hülle wechselt je nach der Natur der Welten. Die Geister wechseln sie, wenn sie von einer in eine andere übergehen, wie wir ein Kleid, wenn wir vom Winter in den Sommer oder vom Pol zum Äquator gehen. Auch die erhabensten Geister kleiden sich also, wenn sie uns besuchen, in einem irdischen Perispirit, dann gestalten sich ihre Wahrnehmungen so, wie bei unseren gewöhnlichen Geistern; alle aber, niedere und höhere, hören und fühlen nur das, was sie hören und fühlen wollen. Ohne Sinneswerkzeuge zu haben, können sie ihre Wahrnehmungen nach Belieben in Tätigkeit setzen oder unterdrücken; nur eines sind sie genötigt zu hören: Die Ratschläge der guten Geister. Die Sehkraft ist stets tätig, aber sie können sich einander gegenseitig unsichtbar machen. Je zu welcher Kategorie sie angehören, können sie sich vor den niedrigeren Geistern unsichtbar machen, aber niemals vor den Höheren. In den ersten Augenblicken nach dem Tod ist die Sehkraft des Geistes immer trüb und wirr; sie erhellt sich, je mehr er sich befreit und kann dieselbe Klarheit, wie während des Lebens erlangen, abgesehen von seiner Durchdringung von Körpern, die für uns undurchsichtig sind. Bezüglich seiner Ausdehnung durch den unendlichen Raum, in die Zukunft und in die Vergangenheit, so hängt dieselbe vom Grad der Reinheit und Erhöhung des Geistes ab.
Diese ganze Theorie, wird man sagen, ist nicht sehr tröstlich. Wir glaubten, wir würden, wenn einmal unserer groben Hülle, des Werkzeuges für unsere Schmerzen, entledigt, nicht mehr zu leiden haben und nun kommt ihr und lehrt uns, dass wir abermals leiden müssen. Nenne es nun, wie du willst, Leiden bleibt Leiden.“ Ach ja, wir können weiter leiden, viel und lange, aber wir brauchen auch nicht mehr zu leiden, selbst schon von dem Augenblick an, wo wir dieses Leibesleben verlassen.
Die Schmerzen hier auf Erden sind zuweilen unabhängig von uns, viele jedoch sind nur die Folgen unseres Willens. Man gehe nur zur Quelle zurück und man wird entdecken, dass die Mehrzahl eine Folge von Ursachen ist, die wir hätten vermeiden können. Wie viele Übel, wie viele Krankheiten hat der Mensch nicht seinen Ausschweifungen, seinem Ehrgeiz, kurz seinen Leidenschaften zu zuschreiben! Der Mensch, der stets nüchtern gelebt hat, der nichts missbraucht hat, der stets einfach in seinem Geschmack, bescheiden in seinen Wünschen gewesen war, erspart sich mancher Trübsal. So ist es auch mit dem Geist: Seine Leiden sind stets die Folgen seiner Lebensweise auf Erden. Er wird zwar gewiss keine Gicht und keine Rheumatismen mehr, aber dafür andere Leiden haben, die nicht geringer sind. Wir sehen, dass seine Leiden die Folgen der Fesseln sind, die ihn noch an den Stoff ketten, dass je mehr er sich vom Einfluss desselben befreit, d.h. sich dematerialisiert oder entstofflicht, er auch desto weniger unangenehme Empfindungen hat. Nun hängt es also von ihm ab, sich dieses Einflusses schon in diesem Leben zu entledigen. Er hat seinen freien Willen und also auch die Wahl etwas zu tun oder nicht zu tun. Bändige er seine tierischen Leidenschaften, nähre er keinen Hass, keinen Neid, keine Eifersucht und keinen Hochmut mehr, lasse er sich nicht vom Egoismus beherrschen, reinige er seine Seele durch gute Gefühle, lege er den irdischen Dingen nicht mehr Wichtigkeit bei, als sie verdienen, dann wird er selbst schon in seiner irdischen Hülle gereinigt dastehen und vom Stoff befreit sein und wenn er seine Hülle verlässt, wird er ihren Einfluss nicht verspüren. Die physischen Leiden werden ihm keine qualvolle Erinnerung zurücklassen, nicht einmal einen unangenehmen Eindruck, denn sie hatten nur den Leib, nicht den Geist getroffen. Er ist dann glücklich, von ihnen befreit zu sein und die Ruhe seines Gewissens befreit ihn von jedem moralischen Schmerz.
Tausende Geiser haben wir darüber befragt, welche allen Rangstufen und allen Berufsarten der Gesellschaft angehört hatten. Wir haben sie studiert in allen Perioden ihres geistigen Lebens seit dem Augenblick, wo sie den Leib verließen. Wir sind ihnen gefolgt Schritt für Schritt in jenem jenseitigen Leben, um die Veränderungen, die in ihnen, in ihren Vorstellungen und Gefühlen vorgingen, zu beobachten und hier waren es gerade nicht die niedrigsten Menschen, die uns die am wenigsten kostbaren Gegenstände des Studiums lieferten. Und da fanden wir auch immer, dass die Leiden in Beziehung stehen zu der vorhergegangenen Lebensführung und dass die neue Existenz für die, welche den rechten Weg gegangen sind, zur Quelle eines unaussprechlichen Glücks wird. Eben daraus folgt dann aber auch, dass die, welche leiden, es nicht so wollten und dass sie es sich nur selbst zu zuschreiben haben, in der anderen, so gut wie in dieser Welt.
Wahl der Prüfungen
„Er wählt selbst die Art der Prüfungen, die er übernehmen will, und hierin eben besteht sein freier Wille.“
258a. Also nicht Gott legt ihm Trübsale auf als Züchtigung?
„Nichts geschieht ohne Gottes Zulassung, denn er ist es, der alle Gesetze gemacht hat, welche das Universum regieren. Fragt nur nicht immer, warum er dieses und nicht ein anderes Gesetz gegeben hat. Indem er dem Geist die Freiheit schenkte zu wählen, überlässt er ihm die volle Verntwortlichkeit für sein Tun und dessen Folgen, nichts hindert ihn an seiner Zukunft, der Weg des Guten steht ihm offen, wie der des Bösen. Unterliegt er aber, so bleibt ihm der Trost, dass für ihn noch nicht alles abgeschlossen ist und dass Gott ihm in seiner Güte freilässt, was er nicht richtig getan hat, wieder von vorn anzufangen. Man muss auch unterscheiden zwischen dem, was das Werk von Gottes Willen und dem, was der Wille des Menschen war. Bedroht dich eine Gefahr, so hast nicht du, sondern Gott dieselbe geschaffen, aber du hast den Willen, dich ihr auszusetzen, weil du darin ein Mittel zum Fortschreiten erblicktest, und Gott hat es zugelassen.“
„Alle“, ist nicht der rechte Ausdruck, denn man kann nicht behaupten, dass von euch alles, was in dieser Welt sich ereignet, bis in alle Einzelheiten gewählt und vorausgesehen wurde. Die Art der Prüfung wähltet ihr, die Einzelheiten aber sind die Folgen eurer Lage und oft auch eurer eigenen Handlungen. Wenn der Geist z. B. unter Übeltätern geboren sein wollte, so wusste er, was für Versuchungen er sich aussetzte, aber er kannte nicht jede Handlung, die er begehen würde; letztere sind die Folgen seines Willens oder seiner Wahlfreiheit. Der Geist weiß, dass, wenn er den und den Weg einschlägt, er die und die Art von Kampf zu kämpfen haben werde; er kennt also die Natur der Ereignisse, auf die er stoßen wird, aber er weiß nicht, in was für Ereignissen dieselben bestehen. Die einzelnen Ereignisse entstehen aus den Umständen und aus der Gewalt der Tatsachen. Nur die großen Ereignisse, welche auf sein Schicksal Einfluss üben, werden von ihm vorausgesehen. Wenn du eine ausgefahrene Straße einschlägst, so weißt du, dass dir große Vorsicht geboten ist, weil du leicht fallen könntest, du weißt aber nicht, wo du fallen wirst, und möglicherweise fällst du gar nicht, wenn du dich gehörig in Acht nimmst. Wenn dir auf der Straße ein Ziegel auf den Kopf fällt, so glaube nicht, dass es so geschrieben stand, wie man zu sagen pflegt.“
„Er muss wohl in eine Umgebung gesandt werden, wo er die Prüfung, die er verlangte, bestehen kann. Nun denn, es muss eine Analogie zwischen beiden vorhanden sein. Um gegen den Trieb der Räuberei zu kämpfen, muss er unter Menschen dieser Gattung sich befinden.“
260a. Gäbe es also keine schlechten Menschen auf Erden, so könnte der Geist hier nicht die zu gewissen Prüfüngen notwendige Umgebung finden?
„Sollte er sich darüber beklagen? Eben dies findet auf den höheren Welten statt, wo das Böse keinen Zutritt hat. Darum gibt es dort nur gute Geister. Macht, dass es sich bald auch so verhält auf eurer Erde.“
„Gewiss nicht, denn ihr wisst ja, dass es solche gibt, die gleich von Anbeginn einen Weg einschlagen, der sie von vielen Prüfungen befreit. Wer sich aber auf den schlechten Weg begibt, der trifft dann auch auf alle Gefahren desselben. Ein Geist z. B. kann Reichtum verlangen und der kann ihm gewährt werden. Dann wird er, je nach seinem Charakter, geizig oder verschwenderisch, eigennützig oder großmütig werden oder er wird sich allen Genüssen der Sinnlichkeit hingeben; aber es ist damit keineswegs gesagt, dass er notwendig die Reihenfolge dieser Neigungen durchmachen muss.“
„Gott hilft seiner Unerfahrenheit aus, indem er ihm den einzuschlagenden Weg weist, wie du dies mit einem Kind tust, das die Wiege verlässt. Je mehr aber sein freier Wille sich entwickelt, desto mehr lässt er ihn frei wählen, und hier ist es dann, wo er zuweilen auf Abwege gerät, wenn er nicht auf den Rat der guten Geister hört. Das kann man dann den Fall des Menschen nennen.“
262a. Hängt die Wahl der leiblichen Existenz des Geistes, wenn er seinen freien Willen hat, immer nur von letzterem ab, oder kann ihm diese Existenz durch Gottes Willen als Sühne auferlegt werden?
„Gott kann abwarten: Er beschleunigt die Sühne nicht. Jedoch kann er einem Geist eine bestimmte Existenz auferlegen, wenn dieser wegen seiner niederen Stufe oder seines bösen Willens nicht zu begreifen fähig ist, was ihm am heilsamsten wäre, und wenn er sieht, dass diese Existenz zu seiner Reinigung und seinem Fortschreiten beiträgt und er darin zugleich eine Sühne findet.“
„Nein, viele glauben an die Ewigkeit der Leiden. Man hat auch schon gesagt: sie sind eine Züchtigung.“
„Er wählt solche, die ihm nach der Natur seiner Fehler zur Sühne dienen und ihn schneller fortschreiten lassen können. Die einen können sich also ein Leben voll Elend und Entbehrungen auferlegen, um es mutig zu ertragen zu versuchen; andere sich durch die Versuchungen des Reichtums und der Macht prüfen lassen wollen, welche viel gefährlicher durch ihren Missbrauch sind und durch die schlechten Leidenschaften, die sie entwickeln; andere endlich wollen sich prüfen im Kampf mit der Ansteckung des Lasters.“
„Deren gibt es, das ist gewiss, aber das geschieht stets bei solchen, deren moralischer Sinn noch wenig entwickelt ist. Die Prüfung kommt von selbst und sie dauert dann länger. Früher oder später sehen sie ein, dass die Befriedigung roher Begierden beklagenswerte Folgen hat, die ihnen eine Ewigkeit zu dauern scheinen. Und Gott wird sie in diesem Zustand belassen, bis sie ihren Fehltritt eingesehen haben und ihn nun selbst durch ersprießlichere Prüfungen wieder gut zu machen verlangen.“
„Für euch, ja; für den Geist aber nicht. Ist er vom Stoff befreit, so schwindet die Illusion und er denkt anders.“
Auf Erden steht der Mensch unter dem Einfluss fleischlicher Gedanken und erblickt in jenen Prüfungen nur die schmerzliche Seite. Darum scheint es ihm natürlich, solche zu wählen, die von seinem Gesichtspunkt aus sich mit sinnlichen Genüssen vereinen lassen; im Geisterleben aber vergleicht er jene flüchtigen und groben Genüsse mit der unveränderlichen Glückseligkeit, die er ahnt. Was liegt ihm dann noch an einigen vorübergehenden Leiden? Der Geist kann daher die allerschwerste Prüfung und folglich die leidensvollste Existenz sich wählen in der Hoffnung, schneller zu einem besseren Zustand zu gelangen, wie der Kranke oft die bitterste Arznei wählt, um schneller zu genesen. Wer seinen Namen durch die Entdeckung eines neuen Landes unsterblich machen will, wählt nicht einen blumigen Weg: Er kennt die Gefahren, denen er entgegengeht, aber er kennt auch den Ruhm, der seiner wartet, wenn es ihm gelingt.
Die Lehre von der freien Wahl unserer Existenzen und unserer Prüfung erscheint nicht mehr außerordentlich, wenn man erwägt, dass die Geister, wenn einmal vom Stoff befreit, die Dinge anders ansehen, als wir. Sie erkennen den Zweck, der für sie einen viel höheren Ernst hat, als die flüchtigen weltlichen Vergnügungen. Nach jeder Existenz sehen sie den Schritt, den sie vorwärts getan haben und erkennen, was ihnen noch an Reinheit fehlt, um jenen Zweck zu erreichen. Darum unterziehen sie sich freiwillig allen Ereignissen des leiblichen Lebens und verlangen selbst diejenigen, welche sie am schnellsten zum Ziel führen können. Darum wundert man sich mit Unrecht, den Geist nicht der angenehmsten Existenz den Vorzug geben zu sehen. Jenes Leben ohne Leid kann er in seinem noch unvollkommenen Zustand nicht genießen, aber er ahnt es und um zu demselben zu gelangen, strebt er nach Besserung.
Haben wir übrigens nicht täglich Beispiele solchen Wählens vor Augen? Der Mensch, der einen Teil seines Lebens ohne Ruh und ohne Rast sich abarbeitet, um zum Wohlstand zu gelangen, – was ist das anderes als eine Aufgabe, die er sich selbst auferlegt im Hinblick auf eine bessere Zukunft? Der Soldat, der sich zu einem gefährlichen Auftrag meldet, der Reisende, der sich nicht geringeren Gefahren im Interesse der Wissenschaft oder seiner eigenen Bereicherung aussetzt, was sind auch das wieder anderes, als freiwillig übernommene Prüfungen, die später Ehre und Nutzen einbringen sollen? Was unterzieht sich und setzt sich der Mensch nicht allem aus für sein Interesse oder seinen Ruhm? Ist nicht jedes Examen auch eine Prüfung, der man sich freiwillig unterwirft, in der Aussicht, in seiner erwählten Laufbahn vorwärts zu kommen? Zu einer hervorragenden gesellschaftlichen Stellung in den Wissenschaften, Künsten, der Industrie gelangt keiner, der nicht die Reihenfolge der untergeordneten Stellungen durchmacht, welche ebenso viele Prüfungen bedeuten. So ist das Menschenleben gleichsam die Kopie des Lebens der Geister: im Kleinen finden wir darin überall dieselben Wechselfälle. Wenn wir somit im Leben oft die härtesten Prüfungen wählen, um zu einem höheren Ziel zu gelangen, warum sollte der Geist, der weiter blickt als der Leib und für den das Leibesleben nur ein flüchtiger Augenblick ist, nicht eine beschwerliche und mühevolle Existenz wählen, wenn diese zu einer ewigen Seligkeit führen muss? Wer da sagt, dass, wenn der Mensch die Wahl hätte unter seinen Existenzen, er ein Fürst oder Millionär zu werden verlangen würde, der gleicht den Kurzsichtigen, die nur sehen, was sie mit Händen greifen oder Kindern, die, wenn man sie fragt, was sie am liebsten werden wollen, antworten: Pastetenbäcker oder Zuckerbäcker. So sieht der im nebligen Talgrund dahinschreitende Wanderer weder die Länge noch die äußersten Punkte seines Weges, gelangt er aber auf die Höhe des Berges, so überschaut er den durchlaufenen und den ihm noch bevorstehenden Weg. Er sieht das Ziel und die Hindernisse, die noch zu überwinden sind, und kann jetzt mit mehr Sicherheit überlegen, was er zu tun hat. Der inkarnierte Geist gleicht dem Wanderer am Fuß des Berges; ist er aber entledigt von den irdischen Banden, so überblickt er alles, wie jener, der auf dem Gipfel steht. Des Wanderers Zweck ist die Ruhe nach der Ermüdung, des Geistes Zweck die höchste Glückseligkeit nach den Trübsalen und den Prüfungen.
Alle Geister sagen aus, dass sie im herumwandernden Zustand nur suchen, forschen, lernen und beobachten, um ihre Wahl zu treffen. Besitzen wir nicht ein Abbild davon in unserem leiblichen Leben? Suchen wir nicht oft jahrelang die Laufbahn, für die wir uns dann endlich frei entscheiden, weil wir sie für die geeignetste halten, um zu unserem Ziel zu gelangen? Geht es auf der einen nicht, so wählen wir eine andere. Jeder Weg, den wir einschlagen, ist eine Gestaltung, ein Abschnitt unseres Lebens. Denken wir nicht jeden Tag an das, was wir morgen tun werden? Was sind nun die verschiedenen leiblichen Existenzen für den Geist anderes, als die Gestaltungen, Abschnitte, Tage seines spirituellen Lebens, das, wie wir wissen, sein eigentliches und regelmäßiges Leben ist, während sein leibliches nur ein vorübergehendes ist?
„Sein Wunsch kann hier einigen Einfluss haben. Das hängt von seiner Absicht ab. Ist er aber Geist, so sieht er die Dinge ganz anders an. Erst der Geist entscheidet sich, aber, wie gesagt, er kann es schon in diesem stofflichen Leben tun, denn er hat immer solche Augenblicke, wo er unabhängig von seinem Leib ist.“
267a. Viele Leute wünschen sich hohe Stellungen und Reichtümer und das geschieht doch gewiss weder zur Sühne, noch zur Prüfung?
„Natürlich, es ist der Stoff, der diese Dinge begehrt, um sie zu genießen, der Geist aber begehrt sie, um deren Wechselfälle kennenzulernen.“
„Ja, aber es sind keine solche wie ihr annehmt. Ihr heißt die stofflichen Trübsale Prüfungen; deren hat aber der, bis zu einer gewissen Stufe gelangte Geist keine mehr zu bestehen. Hingegen hat er immer Pflichten zu erfüllen, die zu seiner Vervollkommnung beitragen und nichts Peinliches für ihn haben. Viele derselben bestehen selbst nur darin, anderen zu ihrer Vervollkommnung behilflich zu sein.“
„Er kann eine wählen, die über seine Kräfte geht und dann unterliegt er; oder eine solche, welche ihm gar nichts nützt, wie wenn er eine untätige und unnütze Lebensweise suchen würde. Tritt er danach aber wieder in das Leben der Geister ein, so erkennt er, dass er nichts gewonnen hat und verlangt die verlorene Zeit wieder gut zu machen.“
„Ich denke, ihr könntet diese Frage euch selbst beantworten. Ist dies nicht die Folge von allem, was wir über die Wahl der Prüfungen und den Fortschritt in einer früheren Existenz gesagt haben?“
„Nicht die schon fortgeschrittenen Geister werden unter den Kannibalen geboren, sondern solche von der Natur der Kannibalen und noch tieferstehende.“
Bekanntlich stehen unsere Kannibalen nicht auf der untersten Sprosse der Leiter und es gibt Welten, wo die Verrohung und Wildheit nichts Ähnliches auf Erden findet. Jene Geister stehen also noch tiefer, als die tiefststehenden unserer Welt. Unter unsere „Primitiven“ zu kommen, ist für sie ein Fortschritt, wie es für unsere Kannibalen einer wäre, unter uns ein Handwerk auszuüben, das sie nötigte, Blut zu vergießen. Richten sie ihren Blick nicht höher so gestattet ihnen eben ihre moralische Niedrigkeit nicht, einen größeren Fortschritt zu begreifen. Nur stufenweise schreitet der Geist fort; er kann nicht mit einem Satz aus der Barbarei in die Zivilisation hineinspringen und hierin erkennen wir eine der Notwendigkeiten der Reinkarnation, welche wirklich und wahrhaftig der Gerechtigkeit Gottes entspricht. Was würde sonst aus jenen Millionen von Wesen werden, die alltäglich im Zustand der tiefsten Verkommenheit dahinsterben, wenn dieselben nicht die Mittel hätten, höher zu steigen? Warum sollte sie Gott der anderen Menschen gewährten Vorteile enterbt haben?
„Ja, es gibt welche die sich verirren, weil sie zu hoch hinaus wollten. Dann sind sie aber bei euch fehl am Platz wegen ihrer zu den eurigen nicht passenden Sitten und Instinke.“
Diese Wesen bieten uns das traurige Schauspiel der Wildheit mitten in der Zivilisation. Kehren sie zu den Kannibalen zurück, so ist dies kein Rückschritt, sie nehmen nur ihren Platz wieder ein und gewinnen dabei vielleicht noch.
„Ja, aber das hängt von der Art der Sühne ab. Ein Herr, der hart gegen seine Sklaven gewesen ist, kann selbst ein Sklave werden und die schlechte Behandlung, die er anderen angedeihen ließ, nun selbst erfahren. Wer einst herrschte, kann in einem neuen Dasein gerade denen gehorchen müssen, die sich einst seinem Willen beugten. Das ist eine Sühne für ihn, wenn er seine Macht missbrauchte, und Gott kann sie ihm auferlegen. Ein guter Geist kann sich auch eine einflussreiche Existenz unter solchen Stämmen auswählen, um sie zu fördern, und dies ist dann eine Mission.“
Beziehungen im Jenseits
„Ja, gar sehr. Die Geister haben unter sich ein ihrem Rang entsprechendes Ansehen und üben dieses mit unwiderstehlicher moralischer Gewalt aus.“
274a. Können die niedrigeren Geister sich der Autorität der über ihnen stehenden entziehen?
„Ich sagte: unwiderstehlich.“
„Nein; denn dort werden die Kleinen erhöht und die Großen erniedrigt werden. Lies die Psalmen.“
275a. Wie sollen wir diese Erhöhung und Erniedrigung verstehen?
„Weißt du nicht, dass die Geister je nach ihrem Verdienst verschiedenen Ranges sind? Nun denn! Der Größte auf Erden kann bei den Geistern zum untersten Rang gehören, während sein Diener zum ersten gehört. Verstehst du? Hat nicht Jesus gesagt: wer sich selbst erniedrigt, wird erhöht werden und wer sich selbst erhöht, wird erniedrigt werden?“
„Oft eine sehr große, besonders wenn er hochmütig und neidisch gewesen ist.“
„Der Titel ist nichts, die wirkliche Überlegenheit ist alles.“
„Ja und nein, d.h. sie sehen einander, aber sie unterscheiden sich voneinander. Sie fliehen oder nähern sich einander, je nach der Ähnlichkeit oder Antipathie ihrer Gefühle, sowie es bei euch auch ist. Es ist eine ganze Welt, von der die eurige ein vages Abbild ist. Die zum selben Rang gehörigen vereinigen sich durch eine Art von Verwandtschaft und bilden Geistergruppen oder – familien, welche die Sympathie und ein gemeinsamer Zweck vereinigt. Bei den Guten ist es der Wunsch Gutes zu wirken, bei den Bösen der Wunsch Übles zu tun, die Schande ihrer Fehler und das Bedürfnis sich unter ihresgleichen zu befinden.“
Die Gesellschaften bilden sich nach der Ähnlichkeit der Neigun – gen. Laster und Tugend drängen sich aneinander vorbei, ohne sich etwas zu sagen.
„Die Guten gehen überall hin und es muss dies so sein, damit sie auf die Bösen ihren Einfluss ausüben können. Aber die von den guten bewohnten Gebiete sind den unvollkommenen Geistern untersagt, auf dass diese nicht den Tumult der schlechten Leidenschaften dahinbringen können.“
„Die Guten suchen die schlimmen Neigungen der anderen zu bekämpfen, um ihnen bei ihrem Aufsteigen zu helfen: es ist eine Mission.“
„Aus Eifersucht es selbst nicht verdient zu haben unter den Guten zu sein. Ihr Streben geht dahin, die noch unerfahrenen Geister zu hindern zum höchsten Gut zu gelangen: Sie möchten die anderen dasselbe erdulden lassen, was sie selbst erdulden. Seht ihr nicht auch unter euch das Gleiche?“
„Sie sehen sich und verstehen sich. Das Wort ist stofflich, es ist nur der Widerschein des Geistes. Das universelle Fluidum stellt zwischen ihnen eine fortwährende Mitteilung her, es ist das Beförderungsmittel des Gedankenaustausches, sowie für euch die Luft das Beförderungsmittel des Tones ist: eine Art Universal – Telegraf, der alle Welten verbindet und den Geistern gestattet von einer Welt nach der anderen zu korrespondieren.“
„Nein, für sie liegt alles offen da, besonders wenn sie vollkommen sind. Sie können sich entfernen, aber sie sehen sich immer. Dies ist jedoch keine durchgängige Regel, denn gewisse Geister können sich sehr wohl anderen unsichtbar machen, wenn sie es für zweckmäßig halten.“
„Sie beweisen ihre Individualität durch den Perispirit, der sie füreinander zu verschiedenen Wesen macht, wie der Leib die Menschen.“
„Ja, und so von Generation zu Generation.“
285a. Wie erkennen sich die Menschen die sich auf Erden kannten, in der Geisterwelt wieder?
„Wir sehen unser vergangenes Leben und lesen darin wie in einem Buch. Indem wir die Vergangenheit unserer Freunde und Feinde erkennen, sehen wir ihr Hinübergehen vom Leben zum Tod.“
„Sofort“ ist nicht immer der passende Ausdruck; denn sie braucht, wie gesagt, einige Zeit, um sich wiederzuerkennen und den stofflichen Schleier zu lüften.“
287. Wie wird die Seele bei ihrer Rückkehr in die Geisterwelt auf – genommen?
„Die Seele des Gerechten, wie ein längst erwarteter geliebter Bruder, die des Ungerechten, wie ein Wesen, das man verachtet.“
„Die Bösen fühlen sich befriedigt, Wesen nach ihrem Bild zu sehen, die wie sie selbst der unendlichen Glückseligkeit beraubt sind, sowie auf Erden ein Schurke sich unter seinesgleichen befriedigt fühlt.“
„Ja, sie kommen der geliebten Seele entgegen, sie beglückwünschen sie wie zur Rückkehr von einer Reise, wenn sie deren Gefahren entging und helfen ihr sich von den leiblichen Banden zu befreien. Es ist dies eine Gunst für die guten Geister, wenn die, welche sie einst liebten, ihnen entgegenkommen, während der Befleckte vereinsamt dasteht oder sich nur von Geistern seinesgleihen umgeben sieht: das ist eine Strafe.“
„Das hängt von ihrer Erhöhung und dem Weg ab, den sie zu ihrem Fortschritt einschlagen. Ist der eine weiter fortgeschritten oder schreitet er schneller fort, als der andere, so werden sie nicht zusammenbleiben können. Sie werden sich zuweilen sehen können, aber zusammen werden sie erst dann bleiben, wenn sie neben und nicht hintereinander schreiten, oder wenn sie ihre Gleichheit in der Vollendung werden erreicht haben. Sodann dient die Entbehrung des Anblicks von Verwandten und Freunden zuweilen als Strafe.“
Sympathische und antipathische Beziehungen der Geister. Ewige Hälften
„Ja, wie die Menschen auch. Aber das Band zwischen den Geistern ist stärker, wenn der Leib nicht mehr da ist, weil es dann nicht mehr den Wechselfällen der Leidenschaften ausgesetzt ist.“
„Nur zwischen den unreinen Geistern gibt es Hass und sie sind es, die unter euch Feindschaft und Uneinigkeit säen.“
„Nein, sie werden erkennen, dass der Hass dumm und sein Grund ein kindischer gewesen ist. Nur die unvollkommenen Geister behalten eine Art Erbitterung bis zu ihrer Reinigung. War es nur ein materielles Interesse, das sie trennte, so werden sie, kaum vom Stoff befreit, schon nicht mehr daran denken. Findet keine Antipathie zwischen ihnen statt, so können sie sich, da der Gegenstand des Streites nicht mehr vorhanden ist, mit Vergnügen wiedersehen.“
So sehen zwei Schüler, nachdem sie ins reifere Alter getreten sind, das Kindische ihrer Streitigkeiten des Jugendalters ein und sind sich nicht mehr böse.
„Ja, es entfernt sie voneinander.“
„Sind sie gut, so verzeihen sie je nach euerer Reue. Sind sie böse, so können sie es euch nachtragen, ja auch zuweilen bis in eine andere Daseinsform verfolgen. Gott kann dies als Züchtigung zulassen.“
„Nein, denn sie können sich nicht täuschen: sie tragen nicht mehr die Maske, hinter der die Heuchler sich verstecken. Darum sind ihre Zuneigungen, wenn rein, unveränderlich. Die sie einigende Liebe ist für sie eine Quelle des höchsten Glückes.“
„Ja, gewiss, wenn sie auf eine echte Sympathie gegründet war. War sie aber mehr von körperlichen Ursachen als von der Sympathie bedingt, so verschwindet sie zugleich mit ihrer Ursache. Zuneigungen sind bei den Geistern fester und dauerhafter als auf Erden, weil sie nicht der Laune der materiellen Interessen und der Eigenliebe unterworfen sind.“
„Nein, es gibt keine besondere zum Voraus bestimmte Einigung zweier Seelen. Letztere findet zwischen allen Geistern statt, jedoch in verschiedenem Grad, je nach ihrer Stufe, d.h. ihrer Vollendung. Je vollendeter sie sind, desto geeinigter sind sie auch. Aus der Zwietracht entspringen alle Übel der Sterblichen, aus der Eintracht entsteht das vollkommene Glück.“
„Der Ausdruck ist ungenau. Wäre ein Geist die eine Hälfte eines anderen, so wäre er, wenn von diesem getrennt, kein vollständiger Geist mehr.“
„Alle Geister sind unter sich vereinigt, d.h. diejenigen, die die Vollendung erreicht haben. In den niedrigeren Sphären aber behält ein Geist, wenn er höher steigt, nicht mehr die frühere Sympathie für die, welche er verlassen hat.“
„Die Sympathie, die einen Geist zum anderen hinzieht, ist die Folge der völligen Übereinstimmung ihrer Neigungen und Instinkten; müsste einer den anderen ergänzen, so verlöre er seine Individualität.“
„In der Gleichheit des Erhöhungsgrades.“
„Ja, alle werden es sein. So wird ein Geist, der jetzt noch auf irgendeiner tieferen Stufe steht, in die Sphäre eines anderen gelangen, wenn er sich vervollkommnet. Sie werden sich um so eher begegnen, wenn der höhere Geist, weil er seine Prüfung nicht gut bestanden hat, im gleichen Zustand verharrte.“
303a. Können zwei sympathische Geister aufhören sich sympathisch zu sein?
„Gewiss, wenn der eine träge ist.“
Die Theorie von den sogenannten „ewigen Hälften“ ist ein Bild von der Vereinigung zweier sympathischer Geister, ein selbst in der Volkssprache gebrauchter Ausdruck, den man nicht buchstäblich nehmen darf. Die Geister, die sich derselben bedienten, gehören gewiss nicht zu der höchsten Ordnung. Der Kreis ihrer Ideen war ein beschränkter und sie gaben ihre Gedanken durch Ausdrücke ihres früheren leiblichen Lebens wieder. Die Vorstellung, dass zwei füreinander geschaffene Geister vom Schicksal bestimmt seien, sich einst in der Ewigkeit zu finden und zu vereinigen, nachdem sie während kürzerer oder längerer Zeit voneinander getrennt waren, ist somit zu verwerfen.
Erinnerung an die leibliche Existenz
„Ja, d.h. nachdem er mehrere Male als Mensch gelebt hat, erinnert er sich dessen, was er gewesen ist und ich versichere dir, dass er zuweilen aus lauter Mitleid mit sich selber lachen muss.“
So wie der ins vernünftige Alter getretene Mensch über die Tor – heiten seiner Jugend und die Anschläge seiner Kindheit lacht.
„Nein, sie kommt ihm nach und nach wie Etwas, das aus einem Nebel hervortritt und auch dies nur in dem Maß als er seine Aufmerksamkeit darauf richtet.“
„Er erinnert sich der Dinge nach Maßgabe der Folgen, die sie nun für seinen Zustand als Geist haben; aber du begreifst, dass es Lebensumstände gab, denen er keine Wichtigkeit beilegt und an die er sich nicht einmal zu erinnern sucht.“
306a. Könnte er sich aber derselben erinnern, wenn er wollte?
„Er kann sich auch der geringfügigsten Einzelheiten, nicht nur der Ereignisse, sondern selbst seiner Gedanken erinnern; ist ihm dies aber von keinem Nutzen, so tut er es nicht.“
306b. Ahnt er den Zweck des irdischen Lebens in Bezug auf sein zukünftiges Leben?
„Gewiss schaut und erkennt er es besser als dereinst, er erkennt das Bedürfnis seiner Reinigung, um zum Unendlichen zu gelangen und er weiß, dass er in jeder Daseinsform einige Unreinheiten zurücklässt.“
,,Das Eine wie das Andere: alle Geschehnisse, für die er sich interessiert, sind ihm wie etwas Gegenwärtiges, die anderen verschwimmen mehr oder weniger in vagen Ge danken oder bleiben ganz vergessen. Je mehr er entstofflicht ist, desto weniger Wichtigkeit legt er den stofflichen Dingen bei. Du rufst oft einen wandernden Geist an, der soeben erst die Erde verlassen hat und der sich nicht mehr der Namen einst geliebter Personen, noch der Einzelheiten, die dir von Belang scheinen, erinnert; er kümmert sich eben wenig darum und vergisst es. Woran er sich sehr gut erinnert, das sind die hauptsächlichsten Tatsachen, die ihm helfen sich zu bessern.“
„Seine ganze Vergangenheit entrollt sich vor ihm, wie vor dem Wanderer die durchlaufenen Stationen; aber wie gesagt, er erinnert sich nicht vollständig aller Geschehnisse, sondern nur so weit solche Einfluss auf seinen gegenwärtigen Zustand haben. Seine frühesten Existenzen, die gleichsam als die Kindheit des Geistes angesehen werden können, verschwimmen und verlieren sich in der Nacht der Vergessenheit.“
„Wie ein schlechtgemachtes Kleid, das ihn genierte und dessen entledigt zu sein er sich glücklich schätzt.“
309a. Was für ein Gefühl erweckt in ihm der Anblick seines verwesenden Körpers?
„Fast immer das der Gleichgültigkeit, wie gegenüber einem Ding, an dem ihm nichts mehr liegt.“
„Zuweilen. Das hängt von dem mehr oder weniger erhabenen Gesichtspunkt ab, von dem er die irdischen Dinge betrachtet.“
„Der Geist freut sich stets unseres Andenkens an ihn. Die Dinge, die man von ihm aufbewahrt, erwecken seine Erinnerung. Nicht aber diese Dinge selbst, sondern der Gedanke ist es, der ihn zu euch hinzieht.“
„Oft bewahren sie dieselben und sie ist es dann, welche sie den Wert der Glückseligkeit ermessen lassen, die sie nun als Geister genießen.“
„Nur niedrigere Geister können Freuden vermissen, die zur Unreinheit ihres Wesens passen und die sie mit ihren Leiden sühnen müssen. Für hohe Geister ist die ewige Seligkeit tausendmal den flüchtigen Freuden der Erde vorzuziehen.“ So verachtet der Erwachsene das, was einst die Vergnügungen seiner Kindheit ausmachte.
„Nein, denn er sieht, dass andere berufen sind, sie zu vollenden. Im Gegenteil, er versucht andere menschliche Geister zu beeinflussen, sie fortzusetzen. Sein Zweck auf der Erde war das Wohl der Menschheit und dieser Zweck bleibt derselbe auch in der Welt der Geister.“
„Je nach seiner Erhöhung beurteilt er sie von einem anderen Standpunkt und oft tadelt er das, was er einst am meisten bewunderte.“
„Das hängt von seiner Erhöhung ab oder von der Mission, die er möglicherweise zu erfüllen hat. Was euch herrlich erscheint, hat für gewisse Geister oft sehr wenig zu bedeuten. Sie bewundern es, wie der Gelehrte die Arbeit eines Schülers bewundert. Er forscht vielmehr nach dem, was die Erhöhung der inkarnierten Geister und ihren Fortschritt bezeugt.“
„Hier gilt überall dasselbe Prinzip. Für die hohen Geister ist das Universum ihr Vaterland; auf Erden ist es für sie da, wo sie sich am zahlreichsten sympathisch zusammenfinden.“
Die Lage und die Anschauungsweise der Geister sind unendlich verschieden, je nach der Stufe ihrer intellektuellen und moralischen Entwicklung. Geister hohen Ranges halten sich auf Erden gewöhnlich nur kurze Zeit auf. Alles, was hier vorgeht, ist in Vergleich mit den hohen Dingen der Unendlichkeit so kleinlich, die für die Menschen wichtigsten Angelegenheiten sind in ihren Augen so kindisch, dass sie wenig Reiz an ihnen finden, es sei denn, dass sie zur Teilnahme an ihnen berufen werden, um am Fortschritt der Menschheit mitzuarbeiten. Die Geister einer mittleren Rangstufe halten sich öfter hier auf, obgleich sie die Dinge von einem höheren Gesichtspunkt aus betrachten, als zu ihren Lebzeiten. Die gemeinen Geister sind hier gewissermaßen sesshaft und bilden die Masse der uns umgebenden Bevölkerung der unsichtbaren Welt. Sie haben nahezu die gleichen Ideen und Neigungen bewahrt, die sie unter ihrer leiblichen Hülle besaßen. Sie mischen sich ein in unsere Versammlungen, in unsere Angelegenheiten, und Vergnügungen, und nehmen, je nach ihrem Charakter, daran einen mehr oder minder tätigen Anteil. Da sie ihre eigenen Leidenschaften nicht befriedigen können, so freuen sie sich über die, welche sich denselben hingeben und reizen sie dazu an. Unter denselben gibt es aber auch ernstere, welche zuschauen und beobachten, um sich zu vervollkommnen.
„Gar sehr. Sie erleiden große Veränderungen, in dem Maß, als der Geist sich entstofflicht. Zuweilen kann er lange die gleichen Vorstellungen bewahren, aber nach und nach vermindert sich der Einfluss des Stoffes und der Geist sieht die Dinge klarer. Dann sucht er die Mittel, sich zu bessern.“
„Das ist nur die Wirkung des ersten Augenblicks und der Verwirrung, die seinem Erwachen folgt. Später erkennt er sich vollkommen, je mehr die Erinnerung an das Vergangene in ihm wiederkehrt und der Eindruck des irdischen Lebens sich verwischt.“ (163 f.)
Andenken an die Verstorbenen. Das Begräbnis
„Mehr als ihr es glauben mögt. Dieses Gedenken vermehrt ihr Glück, wenn sie glücklich, und mildert ihr Leid, wenn sie unglücklich sind.“
„Auf den Ruf des Gedankens kommen die Geister an diesem Tag wie an den anderen.“
321a. Ist dieser Tag für sie ein Stelldichein an ihren Gräbern?
„Sie finden sich da zahlreicher ein, weil sie von mehr Personen gerufen werden, aber jeder kommt nur für seine Freunde, und nicht für die Menge der Gleichgültigen.“
321b. In welcher Gestalt kommen sie und wie würde man sie sehen, wenn sie sich sichtbar machen könnten?
„Unter der, in welcher man sie bei ihren Lebzeiten gekannt hat.“
„Was liegt ihnen an der Erde? Sie hängen an ihr nur mit dem Herzen. Ist dort keine Liebe, so fesselt den Geist nichts mehr an sie: das ganze Universum gehört ihm.“
„Das Gebet am Grab ist eine Art auszudrücken, dass man an den abwesenden Geist denkt: Es ist ein Bild. Ich sagte euch schon, das Gebet ist es, das den Akt der Erinnerung heiligt. Es kommt wenig auf den Ort an, wenn dasselbe von Herzen kommt.“
„Viele kommen her, wenn sie können, aber sie sind weniger empfänglich für die Ehre, die man ihnen erweist, als für das Andenken der Menschen.“
„Die Vorliebe des Geistes für gewisse Ort bedeutet moralische Unterlegenheit. Was tut einem erhabenen Geist ein Plätzchen Erde vor dem Anderen? Weiß er nicht, dass seine Seele mit seinen Lieben vereint werden wird, selbst wenn Ihre Gebeine getrennt sind?“
325a. Muss die Vereinigung der sterblichen Überreste aller Glieder einer Familie als etwas Nichtiges betrachtet werden?
„Nein, sie ist ein frommer Brauch und ein Beweis von Sympathie für die, welche man liebte. Mag sie auch den Geistern gleichgültig sein, so ist sie doch von Nutzen für die Menschen. Ihre Erinnerungen bekommen mehr Stärke.“
„Wenn der Geist schon einen gewissen Grad von Vollendung erreichte, so hat er keine irdische Eitelkeit mehr und erkennt die Nichtigkeit aller dieser Dinge. Jedoch wisse, dass es Geister gibt, welche im ersten Augenblick ihres Todes ein großes Vergnügen an den ihnen erwiesenen Ehren, sowie auch Kummer über die Vernachlässigung ihrer Hülle empfinden; denn sie behalten noch einige Vorurteile aus îhrem Leben auf Erden.“
„Sehr oft wohnt er ihm bei, aber wenn er sich noch in der Verwirrung befindet, erfasst er nicht was vor sich geht.“
327a. Fühlt er sich von dem Zuströmen der Teilnehmenden geschmeichelt?
„Mehr oder weniger, je nach den Gefühlen, die sie herführen.“
„Fast immer. Gott will es so zu seiner Belehrung und zur Züchtigung der Schuldigen. Hier sieht er nun, was ihm Beteuerungen Wert waren; jetzt liegt jede Gesinnung offen vor ihm. Die Täuschung, die er beim Anblick der Habgier derer empfindet, die seine Hinterlassenschaft unter sich teilen, klärt ihn über ihre Gesinnungen auf. Die Reihe wird aber auch an sie kommen.“
„Sie ist die natürliche Folge desselben; sonst wäre jene Achtung gegenstandslos.“
KAPITEL VII – Rückkehr ins leibliche Leben
Vorstufe zur Rückkehr
“Sie ahnen sie, wie der Blinde das Feuer, dem er sich nähert. Sie wissen, dass sie wieder in einen Leib eingehen müssen, so wie ihr wisst, dass ihr einmal sterben müsst, ohne jedoch den Tag zu kennen.“ (166.)
330a. Die Reinkarnation ist also eine Notwendigkeit für das geistige Leben, wie der Tod für das leibliche?
„Gewiss, so ist es.“
„Es gibt deren, die gar nicht an dieselbe denken, ja die sie gar nicht begreifen; das hängt von ihrem mehr oder weniger fort geschrittenen Wesen ab. Einigen dient ihre Ungewissheit über ihre Zukunft zur Strafe.“
„Er kann sie beschleunigen, indem er sie herbeiwünscht; er kann sie auch hinausschieben, wenn er vor der Prüfung zurückschreckt; denn auch unter den Geistern gibt es Feiglinge und Gleichgültige. Aber er tut dies nicht ungestraft: er leidet darunter, wie einer, der vor einer wirksamen Arznei zurückschreckt, die ihn heilen könnte.“
„Nein, nicht ins Unendliche. Der Fortschritt ist für den Geist ein Bedürfnis, das er stets früher oder später fühlt; alle sollen sich vervollkommnen, das ist ihre Bestimmung.“
„Der Geist ist stets vorausbestimmt. Indem er sich eine bestimmte Prüfung wählt, verlangt er sich zu inkarnieren. Nun aber wusste und sah Gott, der alles weiß und sieht, zum Voraus, dass diese Seele sich mit diesem Leib verbinden wird.“
„Er kann sich auch seinen Leib wählen, denn die Unvollkommen – heiten des letzteren dienen ihm als seinen Fortschritt fördernde Prüfungen, wenn er die ihm entgegenstehenden Hindernisse überwindet. Die Wahl hängt aber nicht immer von ihm ab: er kann nur bitten.“
335a. Könnte der Geist im letzten Augenblick sich weigern in den von ihm gewählten Leib einzugehen? „Würde er sich weigern, so hätte er dadurch vielmehr zu leiden, als derjenige, der keine Prüfung versucht hätte.“
„Gott würde hier vorsorgen. Das lebensfähige Kind ist stets dazu vorherbestimmt, eine Seele zu haben: nichts war ohne Absicht und Plan geschaffen.“
„Sie kann es so gut wie die verschiedenen Prüfungen, besonders wenn der Geist noch nicht fähig ist, seine Wahl mit Sachkenntnis zu treffen. Zur Sühne kann der Geist genötigt werden, sich mit dem Leib eines Kindes zu vereinigen, das durch Geburt und Lebensstellung für ihn einst eine Züchtigung werden wird.“
„Mehrere können es verlangen. Gott bestimmt dann denjenigen, der am besten sich eignet, die Mission des Kindes zu erfüllen; aber, wie gesagt, der Geist wird vor dem Augenblick, in welchem er sich mit dem Leib verbinden soll, bestimmt.“
„Eine viel größere und namentlich viel längere. Beim Tod tritt der Geist aus der Knechtschaft aus, bei der Geburt tritt er wieder in sie ein.“
„Er ist gleich einem Reisenden, der sich zu einer gefährlichen Überfahrt einschifft und der nicht weiß, ob er nicht den Tod finden soll in den Wellen, denen er trotzt.“
„Eine sehr große Angst, weil die ihm bevorstehenden Prüfungen seine Entwicklung verzögern oder vorantreiben, je nachdem ob er sie gut oder schlecht bestanden haben wird.“
„Das hängt von der Sphäre ab, die der Geist bewohnt. Ist er in den Sphären, wo die Liebe herrscht, so begleiten ihn die ihm zugetanen Geister bis zum letzten Augenblick, sprechen ihm Mut zu, stehen ihm oft in seinem Leben bei.“
„Sehr oft sind es diese. Sie besuchen euch, wie ihr einen Gefangenen hinter Schloss und Riegel besucht.“
Vereinigung der Seele und des Leibes Abtreibung. Fehlgeburt
„Die Vereinigung beginnt mit der Empfängnis, vollständig wird sie aber erst durch die Geburt. Vom Augenblick der Empfängnis an ist der zum Wohnen in dem betreffenden Leib bestimmte Geist mit demselben durch ein fluidisches Band verbunden, welches sich immer fester zusammenzieht bis zum Augenblick, wo das Kind das Licht der Welt erblickt. Das Schreien des Kindes verkündigt dann, dass es zur Zahl der Lebendigen und der Diener Gottes gehört.“
„Die Vereinigung ist eine endgültige in dem Sinn, dass kein anderer Geist den für diesen Leib bestimmten ersetzen könnte; da aber die ihn haltenden Bande sehr schwach sind, so reissen sie leicht und sie können so vom Geist, der vor der gewählten Prüfung zurückschreckt, gesprengt werden. Dann lebt aber das Kind nicht.“
„Die Unvollkommenheiten des Stoffes sind es, die am häufigsten die Ursache eines solchen Todes sind.“
„Das Wesen besitzt kein entwickeltes Bewusstsein seines Daseins, der Tod hat für dasselbe sozusagen gar keine Bedeutung; letzterer ist, wie gesagt, oft eine Prüfung für die Eltern.“
„Zuweilen weiß er es; wählt er denselben aber aus diesem Grund, so weicht er eben vor der Prüfung zurück.“
„Nicht immer sofort. Der Geist muss Zeit haben von Neuem zu wählen, wenn nicht etwa die sofortige Reinkarnation von einem früheren Entschluss herkommt.“
„Willst du damit sagen, ob er sich als Mensch über sein Leben beklagt und ob er dasselbe anders wünschte? Ja! Oder ob er die getroffene Wahl bereut? Dann nein! Denn er weiß nicht, dass er die Wahl getroffen hat. Der einmal inkarnierte Geist kann eine Wahl, von der er kein Bewusstsein hat, nicht bereuen. Hingegen kann er seine Bürde zu schwer finden und wenn er meint, dass sie wirklich über seine Kräfte gehe, dann schreitet er zum Selbstmord.“
„Mehr oder weniger, je nach dem fortschreitenden Stadium der Schwangerschaft; denn er ist noch nicht inkarniert, sondern nur an seinen werdenden Leib gebunden. Vom Augenblick der Empfängnis an beginnt beim Geist die Verwirrung, in dem ihm dadurch angezeigt wird, dass der Zeitpunkt gekommen ist, wo er eine neue Existenz annehmen muss. Diese Verwirrung steigert sich fortwährend bis zur Geburt. In diesem Zeitraum ist sein Zustand etwa derjenige eines inkarnierten Geistes während des leiblichen Schlafes. Je näher der Zeitpunkt der Geburt kommt, desto mehr verschwinden ihm seine Vorstellungen und das Gedächtnis der Vergangenheit, von der er als Mensch, einmal ins Leben eingetreten, gar kein Bewusstsein mehr hat. Jene Erinnerung kehrt ihm aber (später) in seinem Zustand als Geist allmählich wieder.“
„Nein, dieselben entwickeln sich Schritt für Schritt mit den Organen. Er ist jetzt in einer neuen Daseinsform: er muss sich erst seiner Werkzeuge bedienen lernen. Die Ideen kehren ihm nur allmählich wieder, wie bei einem Menschen, der aus dem Schlaf erwacht und der sich in einer Lage befindet, die von der des vorhergehenden Tages abweicht.“
„Der Geist, der ihn beseelen soll, existiert gewissermaßen noch außerhalb von ihm; Der Fötus hat also eigentlich noch nicht eine Seele, da die Inkarnation sich erst vorbereitet. Immerhin aber ist der Geist an die Inkarnation gebunden, die er bestehen soll.“
„Es ist das der vegetierenden Pflanze. Das Kind lebt schon ein animalisches Leben. Der Mensch besitzt ein animalisches und ein vegetatives Leben, das er bei der Geburt mit dem geistigen ergänzt.“
„Das kommt häufig vor: Gott lässt es zu als Prüfung, für die Eltern, oder für den Geist, der hier inkarnieren sollte.“
„Ja, es gibt solche, für deren Leib nie ein Geist bestimmt war: nichts sollte für sie zu Stande kommen. Dann kam dieses Kind nur für die Eltern zur Welt.“
356a. Kann ein so geartetes Wesen rechtzeitig auf die Welt kommen?
„Ja, zuweilen; aber dann lebt es nicht.“
356b. Also hat jedes Kind, das seine Geburt überlebt, einen in dasselbe inkarnierten Geist?
„Was wäre es sonst? Es wäre kein menschliches Wesen.“
„Es ist ein nichtiges Dasein; das wieder neu begonnen werden muss.“
„Überall liegt ein Verbrechen vor, sobald ihr Gottes Gesetze überschreitet. Die Mutter oder jeder andere begeht stets ein Verbrechen, wenn sie einem Kind vor seiner Geburt das Leben nimmt, denn das heißt die Seele hindern, die Prüfungen, deren Werkzeug der Leib werden sollte, zu ertragen.“
„Besser ist es, das noch nicht existierende Wesen dem existierenden zu opfern.“
„Erblickt in allen diesen Dingen Gottes Willen und Werk. Behandelt nicht leichtsinnig Dinge, die ihr achten sollt. Warum den Werken der Schöpfung, die zuweilen nach dem Willen des Schöpfers unvollendet bleiben, nicht Achtung angedeihen lassen? Das gehört zu seinen Plänen, die niemand zu beurteilen berufen ist.“
Moralische und intellektuelle Fähigkeiten
„Es sind die des in ihn inkarnierten Geistes. Je reiner dieser Geist ist, desto mehr fühlt sich der Mensch zum Guten angetrieben.“
361a. Daraus scheint hervorzugehen, dass der gute Mensch die Inkarnation eines guten Geistes und der lasterhafte die eines bösen Geistes ist?
„Ja; aber sage lieber, es sei ein unvollkommener Geist, sonst könnte man an stets böse bleibende Geister, an sogenannte Dämonen glauben.“
„Flatterhafte, schelmische und zuweilen bösartige Wesen.“
„Nein, denn dann hätten sie sie euch auch mitgeteilt.“
„Gewiss der gleiche und zwar nach Maßgabe der Stufe, die er schon erreicht hat. Der Mensch birgt nicht zwei Geister in sich.“
„Weil der inkarnierte Geist nicht rein genug ist und der Mensch dem Einfluss anderer schlechterer Geister sich hingibt. Der Geist schreitet in aufsteigender Linie unmerklich stets vorwärts, der Fortschritt vollzieht sich aber nicht gleichzeitig nach allen Richtungen. In einem Zeitraum kann er im Wissen, in einem andern in der moralischen Entwicklung fortschreiten.“
„Bei einigem Nachdenken sieht man ein, dass sie einfältig ist. Der Geist als solcher muss zu allem befähigt sein. Um fortschreiten zu können, muss er einen einheitlichen Willen besitzen. Wäre der Mensch eine Mischung von Geistern, so bestände jener Wille nicht und es gäbe für ihn nicht einmal eine Individualität, da bei seinem Tod alle jene Geister einem Flug aus dem Käfig entfliehender Vögel glichen. Der Mensch klagt so oft, gewisse Dinge nicht zu begreifen, ja er sucht noch die Schwierigkeiten zu häufen, während er eine einfache und natürliche Erklärung zur Hand hat. Auch hier nimmt er die Wirkung für die Ursache: Er macht aus dem Menschen, was die Heiden aus Gott machten. Diese glaubten an so viele Götter, als es Erscheinungen in der Natur gibt, vernünftige Leute aber unter ihnen erblickten in jenen Erscheinungen nur Wirkungen, die einen einzigen Gott zur Ursache haben.“
Die physische wie die moralische Welt bieten uns hier zahlreiche Vergleiche. Man glaubte an eine mehrfache Existenz des Stoffes, so lange man beim Äußern der Erscheinungen stehen blieb. Heutzutage begreift man, dass diese so verschiedenen Erscheinungen sehr wohl nur die Veränderungen eines und desselben Urstoffes sein können. Die verschiedenen Fähigkeiten sind die Äußerung einer und derselben Ursache, der Seele oder des inkarnierten Geistes und nicht mehrerer Seelen, gerade so, wie die verschiedenen Töne der Orgel das Erzeugnis derselben Luftart sind und nicht von ebenso vielen Luftarten, als es Töne gibt. Es würde daraus folgen, dass, wenn ein Mensch gewisse Fähigkeiten oder Neigungen verliert oder erwirbt, dies die Folge von ebenso vielen Geistern wäre, die ihn verlassen oder besuchen, was aus ihm ein zusammengesetztes Wesen ohne Individualität und somit ohne Verantwortlichkeit machte. Außerdem wird dieser Ansicht von den so zahlreichen Manifestationen widersprochen, welche durch die Geister ihre Persönlichkeit und Identität beweisen.
Einfluss des Organismus
„Der Stoff ist nur die Hülle des Geistes, wie das Kleid die des Leibes. Wenn der Geist sich mit dem Leib verbindet, so behält er alle Eigenschaften der geistigen Natur.“
„Die Ausübung der Fähigkeiten hängt von den Organen, die ihm als Werkzeuge dienen, ab. Sie wird aber geschwächt durch die Plumpheit des Stoffes.“
368a. Folglich wäre die stoffliche Hülle ein Hindernis für die freie Ausübung der Fähigkeiten des Geistes, sowie sich ein undurchsichtiges Glas dem freien Ausstrahlen des Lichtes widersetzt?
„Ja, und zwar sehr undurchsichtig.“
Man kann die Wirkung des plumpen Stoffes des Leibes auch mit derjenigen eines schlammigen Wassers vergleichen, das dem darin schwimmenden Körper seine freie Bewegung raubt.
„Die Organe sind Werkzeuge der Betätigung der Seelenkräfte. Diese Betätigung ist der Entwicklung und dem Grad der Vollkommenheit jener Organe untergeordnet, so wie die Güte einer Arbeit von der des Werkzeugs abhängt.“
„Verwechselt nicht die Wirkung mit der Ursache. Der Geist besitzt stets die ihm eigen gehörenden Fähigkeiten. So sind es denn nicht die Organe, welche die Fähigkeiten verleihen, sondern die Fähigkeiten, die zur Entwicklung der Organe treiben.“
370a. Folglich hinge die Verschiedenartigkeit der Fähigkeiten bei dem Menschen einzig und allein an seinem Zustand als Geist?
„Einzig und allein ist nicht ganz genau. Die Eigenschaften des Geistes, der mehr oder weniger fortgeschritten sein kann, sind das Prinzip; man muss dabei jedoch dem Einfluss des Stoffes Rechnung tragen, der mehr oder weniger die Ausübung der Fähigkeiten beeinträchtigt.“
Wenn der Geist sich inkarniert, bringt er gewisse Veranlagungen mit und wenn man für jede derselben ein entsprechendes Organ im Gehirn annimmt, so wäre die Entwicklung dieser Organe nicht eine Ursache, sondern eine Wirkung jener. Hätten die Fähigkeiten ihr Prinzip in den Organen, so wäre der Mensch eine Maschine ohne freien Willen und ohne Verantwortlichkeit. Man müsste annehmen, dass die größten Genies, Gelehrte, Dichter, Künstler nur deshalb Genies sind, weil der Zufall ihnen besondere Organe gab, woraus dann folgen würde, dass sie ohne diese letztere keine Genies geworden wären und dass der letzte Dummkopf ein Newton, Virgil oder Raphael hätte werden können, wenn er mit gewissen Organen versehen worden wäre, – eine Annahme, die noch viel einfältiger erscheint, wenn man sie auf die moralischen Eigenschaften anwendet. Nach diesem System hätte also der heilige Vinzenz von Paula, wenn er von der Natur mit dem und dem Organ ausgerüstet worden wäre, ein Verbrecher sein können und dem größten Verbrecher würde es nur an einem Organ fehlen, um ein hl. Vinzenz von Paula zu werden. Nehmt nun umgekehrt an, dass die besonderen Organe, wenn sie überhaupt existieren, allmählich entstehen und sich durch die Übung der betreffenden Fähigkeit entwickeln, wie die Muskeln durch die Bewegung, und ihr werdet nichts Vernunftwidriges haben. Machen wir einen um ihrer Wahrheit Willen trivialen Vergleich: An gewissen physiognomischen Kennzeichen erkennt ihr den Trunkenbold. Machen ihn nun diese Kennzeichen zum Trunkenbold oder lässt seine Trunksucht diese Kennzeichen entstehen? Man kann sagen, dass die Organe die Eindrücke der Fähigkeiten aufnehmen.
Geistige Behinderung. Wahnsinn.
„Nein, sie besitzen eine menschliche Seele, die oft intelligenter ist, als ihr glaubt und die an der Unzulänglichkeit der Mittel sich mitzuteilen leidet, wie der Stumme daran, dass er nicht sprechen kann.“
„Büßende Geister sind es, die den Leib der geistig Behinderten bewohnen. Diese Geister leiden unter dem Zwang und unter der Unmöglichkeit, sich durch unentwickelte oder zerrüttete Organe nach außen geltend zu machen.“
372a. Es ist also nicht genau, wenn man sagt, dass die Organe ohne Einfluss auf die Fähigkeiten seien?
„Wir sagten niemals, die Organe seien ohne Einfluss. Sie haben einen sehr großen auf die Äußerungen der Fähigkeiten, aber sie verleihen die letzteren nicht, das ist der Unterschied. Ein guter Musiker mit einem schlechten Instrument wird keine gute Musik machen, das wird ihn aber nicht hindern, ein guter Musiker zu sein.“
Man muss den normalen vom pathologischen Zustand unterscheiden. In ersterem überwindet das Moralische das ihm vom Stoff entgegengesetzte Hindernis. Es gibt aber Fälle, wo der Stoff einen solchen Widerstand leistet, dass die Äußerungen behindert oder entstellt werden, wie bei geistiger Behinderung und Wahnsinn. Das sind pathologische Fälle und da die Seele in diesem Zustand nicht ihre völlige Freiheit genießt, so spricht sie hier das menschliche Gesetz selbst von der Verantwortlichkeit für ihre Handlungen los.
„Es ist eine Sühne für den Missbrauch, den man mit gewissen Fähigkeiten getrieben hat. Es ist eine Zeit der Haft.“
373a. Der Leib eines Geisteskranken kann also einen Geist beherbergen, der in einer früheren Existenz einen Mann von Genie beseelt hätte?
„Ja, das Genie wird zuweilen zu einer Pest, wenn es missbraucht wird.“
Die moralische Überlegenheit steht nicht immer im Verhältnis zur intellektuellen und die größten Genies können viel zu sühnen haben. Daher wird ihnen oft eine niedrigere Daseinsform als ihre frühere auferlegt, was die Ursache von Leiden ist. Die Hindernisse, die der Geist bei seinen Äußerungen erleidet, sind für ihn gleich Ketten, welche die Bewegungen eines starken Mannes behindern. Man kann sagen, der Schwachkopf und der geistig Behinderte seien am Gehirn verkrüppelt, wie der Hinkende es an den Füßen, der Blinde an den Augen ist.
„Ja, sehr häufig: Er erkennt, dass die Ketten, die seinen Aufschwung niederdrücken, eine Prüfung und Sühne sind.“
„Der Geist im Zustand der Freiheit empfängt die Eindrücke und äußert seine Einwirkung auf den Stoff in unmittelbarer Weise; in inkarniertem Zustand steht er unter ganz verschiedenen Bedingungen und ist genötigt, nur mit Beihilfe besonderer Organe sich nach außen zu betätigen. Sowie ein Teil oder die Gesamtheit dieser Organe gestört ist, sind sein Tun oder seine Eindrücke, soweit sie diese Organe betreffen, unterbrochen. Verliert er die Augen, so erblindet er; verliert er das Gehör, so wird er taub usw. Denke dir nun, das Organ, das den Äußerungen der Intelligenz und des Willens vorsteht, sei ganz oder teilweise angegriffen oder verändert, so siehst du leicht ein, dass, wenn der Geist nur noch unvollständige oder beschädigte Organe besitzt, eine Verwirrung daraus entstehen muss, deren der Geist durch sich selbst und in seinem Zustand vollkommen bewusst ist, über deren Fortgang er eben nicht mehr Herr zu werden vermag.“
375a. Dann wäre stets der Leib und nicht der Geist desorganisiert?
„Ja; man darf aber dabei nicht aus dem Auge verlieren, dass, sowie der Geist auf den Stoff wirkt, dieser wiederum auch auf jenen in einem gewissen Masse seine Rückwirkung ausübt und dass sich der Geist für den Augenblick durch die Veränderung der Organe beeinflusst fühlen kann, mit denen er sich äußert und seine Eindrücke empfängt. Es kann geschehen, dass auf die Dauer, wenn der Wahnsinn lange währt, die Wiederholung derselben Tätigkeiten schließlich auf den Geist einen solchen Einfluss übt, dass er vom Wahnsinn erst nach seiner völligen Trennung von jedem stofflichen Eindruck sich befreien kann.“
„Der Geist leidet unter seiner Ohnmacht und der Unmöglichkeit, sich frei äußern zu können; darum sucht er im Tod ein Mittel seine Bande zu sprengen.“
„Er kann sich derselben einige Zeit nach dem Tod bewusst sein, bis er ganz von dem Stoff befreit ist, so wie der Mensch beim Erwachen sich nach einiger Zeit der Verwirrung, in die der Schlaf ihn versetzt, bewusst bleibt.
„Es ist eine Erinnerung; eine Last drückt auf den Geist, und da er nicht von allem, was während seines Wahnsinns vorgegangen war, ein Verständnis hatte, braucht er immer einige Zeit, um wieder auf dem Laufenden zu sein. Je länger der Wahnsinn während des Lebens gewesen ist, umso länger dauert auch die Befangenheit und der Druck nach dem Tod. Der vom Leib gelöste Geist bleibt sich noch einige Zeit des Eindrucks seiner Bande bewusst.“
Von der Kindheit
„Er kann es selbst noch mehr sein, wenn er weiter fortgeschritten ist. Nur die unvollkommenen Organe hindern ihn, sich zu äußern. Er betätigt sich nach Maßgabe des Instrumentes, mit dessen Hilfe er sich äussern kann.“
„Wenn er noch Kind ist, so ist es natürlich, dass die Organe der Intelligenz, da sie noch nicht entwickelt sind, ihm nicht die volle Anschauung eines Erwachsenen gewähren können: Seine Intelligenz bleibt in der Tat sehr beschränkt, bis das Alter seine Vernunft gereift hat. Die Inkarnation begleitende Verwirrung, hört nicht plötzlich mit der Geburt auf; sondern verschwindet erst allmählich mit der Entwicklung der Organe.“
Eine Beobachtung unterstützt diese Antwort: die Träume eines Kindes haben nicht den Charakter der eines Erwachsenen, ihr Gegenstand ist fast immer kindlich, was das Wesen dessen anzeigt, womit der Geist beschäftigt ist.
„Er soll es, da er ja von seiner fleischlichen Hülle befreit ist. Jedoch erlangt er seine ursprüngliche Klarheit erst, wenn die Trennung eine vollendete geworden ist, d.h. wenn keinerlei Band mehr zwischen Geist und Leib existiert.“
„Nein, und dieser Zustand ist eine Notwendigkeit. Er liegt in der Natur und in dem Plan der Vorsehung: Es ist eine Zeit der Ruhe für den Geist.“
„Der zu seiner Vervollkommnung sich inkarnierende Geist ist während jener Zeit den empfangenen Eindrücken, die ihm zu seinem Fortschreiten förderlich sind, zugänglicher und zu Letzterem sollen auch seine Erzieher beitragen.“
„Um das Interesse der Mutter und deren Fürsorge herbeizuführen. Siehst du nicht ein, dass, wenn es nur Freudengeschrei ausstieße, zu einer Zeit, wo es noch nicht sprechen kann, man sich wenig um seine Bedürfnisse kümmern würde? Bewundere darum in allem die Weisheit der Vorsehung.“
„Der Geist ist es, der wieder seine Natur annimmt und sich als das zeigt, was er einst gewesen ist. Ihr kennt das Geheimnis nicht, das die Kinder in ihrer Unschuld verbergen. Ihr wisst weder, was sie sind, noch was sie waren, noch was sie sein werden. Und trotzdem liebt ihr sie, ihr herzt sie, als wären sie ein Teil eures Selbst, so sehr, dass die Mutterliebe für die höchste Liebe überhaupt gilt. Woher dieser süße Drang, dieses zärtliche Wohlwollen, das selbst Fremde für ein Kind empfinden? Wisst ihr das? Nein. Ich will es euch erklären.
Die Kinder sind die Wesen, welche Gott in ein neues Dasein sendet, und damit sie Ihm nicht eine allzu große Strenge vorwerfen können, schenkt er ihnen allen Schein der Unschuld. Selbst bei einem Kind von bösem Naturell bedeckt man seine Übeltaten mit der Unbewusstheit der letzteren. Diese Unschuld ist aber kein wirklicher Vorzug gegenüber dem, was sie früher waren; nein, sie ist das Bild dessen, was sie sein sollten, und wenn sie es nicht sind, so fällt die Strafe auf sie allein zurück.
Aber Gott hat nicht nur ihnen zu Liebe ihnen diesen Schein verliehen, sondern auch und hauptsächlich wegen der Eltern, deren Liebe ihre Schwachheit bedarf und diese Liebe würde bedeutend geschwächt durch den Anblick eines unfreundlichen und mürrischen Charakters, während sie in dem Glauben, dass ihre Kinder gut und sanft seien, ihnen ihre ganze Liebe zuwenden und sie mit der zartesten Fürsorge pflegen. Sobald aber die Kinder dieses Schutzes und jener Hilfe, die ihnen 15 – 20 Jahre lang zuteil geworden sind, nicht mehr bedürfen, dann kommt ihr wirklicher und persönlicher Charakter in seiner ganzen Nacktheit wieder zum Vorschein: Er bleibt gut, wenn er ursprünglich gut gewesen ist, es schimmern aber doch Schattierungen durch, die in der ersten Kindheit verdeckt waren. Ihr seht, dass Gottes Wege immer die besten sind und dass es einem reinen Herzen leicht ist sie zu begreifen.
Die Kindheit hat noch einen anderen Nutzen: Die Geister treten nur zu ihrer Vervollkommnung und Besserung in das leibliche Leben ein, die Schwachheit des Jugendalters macht sie biegsam und dem Rat der Erfahrung und der Erzieher zugänglich. Da kann man dann ihren Charakter verbessern, ihre bösen Neigungen zurückdrängen. Das ist die Pflicht, die Gott den Eltern auferlegte, eine heilige Berufung, über den sie sich zu verantworten haben werden.
So ist die Kindheit nicht nur nützlich, notwendig, unvermeidlich, sondern sie ist auch die natürliche Folge der von Gott gegebenen Gesetze des Universums.“
Irdische Zuneigungen und Abneigungen
„Sich wiedererkennen, nein; aber eines vom anderen sich angezogen fühlen, ja, und oft haben innige Verbindungen, gegründet auf aufrichtige Zuneigung keine andere Ursache. Zwei Wesen nähern sich einander durch scheinbar zufällige Umstände, die aber in Wahrheit die Folge einer Anziehung der beiden Geister sind, die einander mitten durch die Menge hindurch suchen.“
386a. Wäre es nicht angenehmer für sie, wenn sie sich wiedererkannten?
„Nicht immer. Die Erinnerung an vergangene Existenzen hätte größere Unzulänglichkeiten als ihr glaubt. Nach dem Tod werden sie sich wiedererkennen, sie werden die Zeit kennen, die sie zusammengelebt hatten.“ (392.)
„ Nein, zwei Geister, die sich zusagen, suchen sich natürlich auf, ohne dass sie sich als Menschen gekannt hätten.“
„Es gibt zwischen den denkenden Wesen Bande, die euch noch unbekannt sind. Der Magnetismus ist der Führer durch diese Wissenschaft, die ihr später besser verstehen werdet.“
„Antipathische Geister, die sich erkennen und wiedererkennen, ohne miteinander zu sprechen.“
„Zwei Geister sind nicht notwendig böse, weil sie nicht sympathisch sind. Die Antipathie kann aus einem Mangel an Verwandtschaft des Denkens entstehen. Je mehr sie sich aber erheben, desto mehr verwischen sich die Verschiedenheiten und die Antipathie verschwindet.“
„Bei beiden zugleich. Aber die Ursache und die Wirkungen sind verschieden. Ein böser Geist hat Antipathie gegen jeden, der ihn beurteilen und entlarven kann. Wenn er eine Person zum ersten Mal sieht, so weiß er schon, dass er missbilligt werden wird, seine Entfremdung verwandelt sich in Hass und in Neid und erweckt in ihm das Verlangen, jenem Böses zu zufügen. Der gute Geist fühlt sich zurückgestoßen vom Bösen, da er weiß, dass er von ihm nicht verstanden werden wird und dass er seine Gefühle nicht teilt. Aber stark in seiner Überlegenheit fühlt er weder Hass, noch Neid gegen ihn: er begnügt sich ihn zu meiden und zu bedauern.“
Vergessen der Vergangenheit
„Der Mensch kann und soll nicht alles wissen, so will es Gott in seiner Weisheit. Ohne den Schleier, der ihm gewisse Dinge verbirgt, würde der Mensch geblendet wie der, welcher ohne Übergang vom Dunkel ins Licht tritt. Durch das Vergessen der Vergangenheit ist er mehr sich selbst.“
„Bei jedem neuen Dasein hat der Mensch mehr Intelligenz und kann das Gute vom Bösen besser unterscheiden. Wo bliebe das Verdienst, wenn er sich der ganzen Vergangenheit erinnerte? Kehrt der Geist in sein ursprüngliches geistiges Leben zurück, dann entrollt sich vor ihm sein ganzes vergangenes Leben: Er sieht die Fehler, die er begangen hat, die die Ursachen seines Leidens sind, sowie das, was ihn vor denselben hätte bewahren können. Er erkennt, dass die Lage, in der er ist, gerecht ist und sucht nun ein Dasein, welches das Vergangene wieder gutmachen könnte. Er sucht ähnliche Prüfungen wie die, welche er durchgemacht hat, oder Kämpfe, die er zu seiner Förderung geeignet hält. Er bittet höhere Geister, ihm beizustehen in der neuen Aufgabe, die er sich stellt; denn er weiß, dass der Geist, der ihm zum Führer in seinem neuen Dasein beigegeben wird, ihm seine Fehler gut machen helfen wird, indem er ihm eine Art von vagem Gefühl von den begangenen Fehlern verleihen wird. Dieses selbe Gefühl ist der zuweilen in euch auftauchende, strafbare Wunsch, dem ihr instinktmäßig widersteht, indem ihr euren Widerstand meistens den von den Eltern empfangenen Grundsätzen zuschreibt, während es in Wahrheit die Stimme des Gewissens ist, die zu euch redet. Diese Stimme ist die Erinnerung an das Vergangene. Sie warnt euch, von neuem in die schon begangenen Fehler zu verfallen. Wenn nun der, in dieses neue Dasein eingegangene Geist sich jenen Prüfungen mutig unterzieht und sie überwindet, so erhebt er sich und steigt höher in der Rangordnung der Geister, wenn er einst zu ihnen zurückkehrt.“
Haben wir auch während des leiblichen Lebens keine bestimmte Erinnerung an das, was wir gewesen sind und was wir in früheren Existenzen Böses oder Gutes getan haben, so haben wir doch davon das vage Gefühl und unsere instinktartigen Neigungen sind eine Erinnerung an unsere Vergangenheit, das Gewissen, welches die Sehnsucht ist, nicht mehr die gleichen Fehler zu begehen, ruft uns zum Widerstand auf.
„Dazu gibt es zwei unterschiedliche Antworten: Unter den Welten, von denen du sprichst, gibt es solche, deren Bewohner eine sehr klare und deutliche Erinnerung an ihre früheren Existenzen haben. Diese vermögen natürlich das Glück, das ihnen Gott spendet, sehr wohl zu schätzen. Es gibt aber auch andere Welten, wo die Bewohner, wie du fragst, in besseren Verhältnissen leben als ihr und dennoch viel Verdruss, ja Trübsale haben. Diese wissen ihr Glück nicht zu schätzen, eben deswegen, weil sie keine Erinnerung an einen noch schlimmeren Zustand haben. Wissen sie ihn aber nicht als Menschen zu schätzen, so tun sie es als Geister.“
Liegt nicht in dem Vergessen jener früheren Existenzen, besonders wenn sie mühselige gewesen sind, etwas Fürsorgliches, worin sich die göttliche Weisheit offenbart? Erst auf den höheren Welten, wenn einmal die Erinnerung an unglückliche Daseinsformen nur noch ein böser Traum ist, treten sie in dem Gedächtnis auf. Und würden nicht auf den niedrigeren Welten die gegenwärtigen Übel durch die Erinnerung an alle die früher erlittenen noch erhöht? Schließen wir somit hieraus, dass alles, was Gott getan hat, wohlgetan ist und dass es uns nicht ansteht, seine Werke zu kritisieren und zu sagen, wie er das Universum hätte einrichten sollen.
Die Erinnerung an unsere früheren Individualitäten hätte schwer – wiegende Unzulänglichkeiten. In gewissen Fällen könnte sie uns seltsam demütigen, in anderen unseren Stolz entflammen und gerade dadurch unseren freien Willen beeinträchtigen. Gott gab uns zu unserer Besserung gerade, was wir bedürfen und was uns genügen kann: die Stimme des Gewissens und unsere instinktartigen Neigungen. Was uns schaden könnte hat er uns genommen. Fügen wir dem noch bei, dass, wenn wir eine Erinnerung an unsere früheren persönlichen Handlungen hätten, wir auch die an die Handlungen anderer hätten und dass diese Kenntnis die unangenehmsten Wirkungen auf die gesellschaftlichen Beziehungen ausüben könnte. Da wir nicht immer Grund haben, uns unserer Vergangenheit zu rühmen, so ist es oft besser, wenn ein Schleier darüber geworfen wird. Das stimmt vollkommen mit der Lehre der Geister von den höheren Welten überein. Dort wo nur das Gute herrscht, hat die Erinnerung an das Vergangene nichts Unangenehmes. Darum erinnert man sich dort an sein früheres Dasein, wie wir uns an das, was wir am Tag zuvor getan haben. Die Zeit, die man auf niedrigeren Welten zugebracht hat, erscheint als böser Traum.
„Nicht immer. Einige wissen indessen doch, was sie waren und was sie getan haben. Wäre es ihnen gestattet, es offen zu sagen, sie würden sonderbare Enthüllungen über die Vergangenheit zu machen haben.“
„Zuweilen ist es Wirklichkeit, oft aber auch nur eine Selbst – täuschung, vor der man sich zu hüten hat, denn es kann die Wirkung einer überreizten Einbildungskraft sein.“
„Ja, in dem Maß, als der Leib weniger stofflich ist, erinnert man sich auch besser. Die Erinnerung an das Vergangene ist eine klarere für die Bewohner einer höheren Welt.“
„Gewiss, wenigstens bis zu einem gewissen Punkt. Man muss dabei aber auch der Besserung Rechnung tragen, die sich im Geist vollziehen konnte, sowie den Vorsätzen, die er im Wanderzustand gefasst haben mag. Er kann in seiner jetzigen Existenz möglicher – weise viel besser sein, als in seiner vorhergehenden.“
398a. Kann er auch schlechter sein, d. h. kann der Mensch in einer Existenz Fehler begehen, die er in der früheren nicht begangen hatte?
„Das hängt von seinem Fortschritt ab. Wenn er den Prüfungen nicht zu widerstehen weiß, so kann er zu neuen Fehlern hin – gerissen werden, welche die Folgen seiner neu gewählten Lage sind. Im Allgemeinen weisen solche Fehler eher auf einen Stillstand, als auf einen Rückschritt hin; denn der Geist kann voranschreiten oder stillstehen, nicht aber rückwärts gehen.“
„Sehr oft, da jeder durch das, worin er gesündigt hat, gestraft wird. Jedoch dürfte man hieraus keine unbedingte Regel machen. Die instinktartigen Neigungen sind ein sichereres Zeichen; denn die Prüfungen beziehen sich ebenso sehr auf die Zukunft, als auf die Vergangenheit.“
Ist der Geist an dem ihm von der Vorsehung gesetzten Ziel seines Wanderlebens angelangt, so wählt er selbst die Prüfungen, denen er sich, um sein Fortschreiten zu beschleunigen, unterziehen will, d. h. er wählt diejenige Daseinsform, die er für die geeignetste hält, ihm dazu die Mittel zu reichen und diese Prüfungen stehen dann stets in Beziehung zu den zu sühnenden Fehlern. Siegt er über sie, so erhöht er sich selbst; unterliegt er, so muss er von vorn anfangen. Der Geist erfreut sich stets des freien Willens. Kraft dieser Freiheit wählt er im desinkarnierten Zustand die Prüfungen des leiblichen Lebens und erwägt im inkarnierten Zustand, ob er etwas tun oder lassen will, und wählt zwischen Gut und Böse. Dem Menschen den freien Willen absprechen, hieße, ihn zur Maschine erniedrigen.
Nach seiner Rückkehr ins leibliche Leben verliert der Geist für eine gewisse Zeit die Erinnerung an seine früheren Existenzen, als ob ein Schleier sie ihm verhüllte. Dennoch erwacht in ihm zuweilen ein unbestimmtes Bewusstsein von denselben, ja sie können ihm unter gewissen Umständen enthüllt werden; das geschieht dann aber nach dem Willen höherer Geister und aus deren freiem Antrieb zu nützlichem Zweck, nie aber zur Befriedigung einer eitlen Neugier.
Künftige Daseinsformen können in keinem Fall enthüllt werden aus dem einfachen Grund, weil dieselben von der Art und Weise bedingt sind, wie man die Gegenwart erfüllt, sowie auch von der späteren Wahl des Geistes.
Das Vergessen der begangenen Fehler ist kein Hindernis für die Besserung des Geistes; denn wenn er auch keine bestimmte Erinnerung an dieselben hat, so leiten ihn doch die Kenntnis, die er in seinem Wanderzustand davon hatte, und der Wunsch, sie gutzumachen, vermittelst eines vagen Gefühls und reizen ihn zum Widerstand gegen das Böse. Dies ist die Stimme des Gewissens, die bestärkt wird durch die ihm beistehenden Geister, wenn er auf die guten Eingebungen achtet, die sie ihm eingeben.
Kennt der Mensch auch nicht die Handlungen selbst, die er in seinen früheren Existenzen begangen hat, so vermag er doch stets zu erkennen, welcher Art von Fehlern er sich schuldig gemacht und welches sein vorherrschender Charakter gewesen ist. Er braucht nur sich selbst zu beobachten und er kann über das, was er gewesen ist, nicht nach dem, was er ist, jedoch nach seinen Neigungen sich ein Urteil bilden.
Die Widrigkeiten des leiblichen Lebens sind gleichzeitig eine Sühne für die vergangenen Fehler und eine Prüfung für die Zukunft. Sie reinigen und erheben uns, je nachdem wir sie mit Ergebung und ohne Murren durchmachen.
Die Art der Wechselfälle und Prüfungen kann uns auch über das aufklären, was wir waren und was wir taten, so wie wir hier die Handlungen eines Schuldigen nach der Strafe, die ihm das Gesetz auferlegt, beurteilen. So wird der für seinen Hochmut durch die Schmach einer untergeordneten Existenz, – der gegen andere geizig und hartherzig gewesen ist, durch von ihm nun zu erduldende Hartherzigkeiten und Elend, – der Tyrann durch seine eigene Versklavung, – das undankbare Kind durch den Undank seiner eigenen Kinder, – der Faule durch aufgezwungene Arbeit gezüchtigt werden u.s.w.
KAPITEL VIII – Befreiung der Seel
Schlaf und Träume
„Das ist, wie wenn du fragtest, ob der Gefangene sich hinter Schloß und Riegel gefalle? Der inkarnierte Geist trachtet stets nach Befreiung und je gröber die Hülle ist, desto sehnlicher wünscht er ihrer entledigt zu werden.“
„Nein, der Geist ist nie untätig. Während des Schlafes werden die Bande, die ihn an den Leib fesseln, lockerer und da der Leib seiner jetzt nicht bedarf, so durchzieht er den Weltraum und tritt in unmittelbarere Beziehung zu den anderen Geistern.“
,,Durch die Träume. Sei gewiss, dass der Geist, wenn der Leib ruht, mehr Fähigkeiten besitzt, als während des Wachens. Er besitzt die Erinnerung an das Vergangene und zuweilen auch den Blick in die Zukunft. Ein größeres Können wird ihm zuteil und er vermag mit anderen Geistern, sei es auf dieser, sei es auf einer anderen Welt, in Verbindung zu treten. Oft sagst du: ich hatte einen wunderlichen Traum, einen schrecklichen Traum, der aber keinerlei Wahrscheinlichkeit hat. Du irrst dich: das ist oft eine Erinnerung an Orte und Dinge, die du gesehen hast oder sehen wirst in einer anderen Existenz oder zu einer andern Zeit. Da der Leib schlaff da liegt, so sucht der Geist seine Kette zu brechen, um in der Vergangenheit oder der Zukunft zu forschen.
Arme Menschen, wie wenig kennt ihr die gewöhnlichsten Erscheinungen des Lebens. Ihr glaubt, sehr gelehrt zu sein und die gemeinsten Dinge setzen euch in Verlegenheit. Auf jene Frage aller Kinder, was tun wir, wenn wir schlafen, was sind eigentlich die Träume? Da steht ihr verblüfft da.
Der Schlaf befreit die Seele teilweise vom Leib. Wenn man schläft so ist man vorübergehend in dem Zustand, in welchem man sich bleibend nach dem Tod befindet. Die Geister, die bei ihrem Tod bald vom Stoff befreit sind, haben (bei Lebzeiten) intelligente Träume gehabt; wenn sie schlafen, so suchen sie die Gesellschaft der anderen höheren Wesen wieder auf: sie reisen, unterhalten und lernen mit ihnen; ja sie arbeiten an Werken, die sie bei ihrem Tod fertig vorfinden. Dies soll euch noch einmal zeigen, dass ihr den Tod nicht zu fürchten habt, da ihr ja, nach den Worten eines Heiligen, jeden Tag sterbt.
So viel von den höheren Geistern. Was aber die große Menge der Menschen betrifft, die beim Tod lange Stunden in jener Verwirrung bleiben müssen, in jener Ungewissheit, von der sie euch sprechen, so gehen dieselben teils auf niedrigere Welten als die unsrige, wohin alte Neigungen sie rufen, teils suchen sie noch niedrigere Vergnügungen auf, als ihre hiesigen waren. Sie gehen noch niedrigere, unedlere, schädlichere Lehrmeinungen zu erfinden, als die, welche sie mitten unter euch bekennen. Und was auf Erden die Sympathie erzeugt, ist nichts anderes als die Tatsache, dass man sich beim Erwachen innerlich zu denen hingezogen fühlt, mit denen man 8 oder 9 Stunden des Glücks oder der Freude zugebracht hat. Was zugleich unüberwindliche Antipathien erklärt, ist, dass man im Grunde seines Herzens weiß, dass jene Menschen ein anderes moralisches Bewusstsein haben, als wir, indem man sie erkennt, ohne sie je mit Augen gesehen zu haben. Ebenso erklärt sich die Gleichgültigkeit daraus, dass einem nichts daran liegt, neue Freunde zu erwerben, wenn man weiß, dass man andere besitzt, denen wir lieb und teuer sind. Mit einem Wort, der Schlaf hat größeren Einfluss auf euer Leben als ihr es glaubt.
Durch die Wirkung des Schlafes stehen die inkarnierten Geister fortwährend in Beziehung zu der Welt der Geister und eben darum willigen die höheren Geister ohne zu großes Widerstreben ein, sich unter euch zu inkarnieren. Gott hat es gewollt, dass sie während ihrer Berührung mit dem Laster sich wieder in den Urquell des Guten eintauchen können, um nicht selbst sich zu verfehlen, – sie, welche kommen, um die anderen zu belehren. Der Schlaf ist die Türe, die Gott ihnen auftut zu ihren Freunden im Himmel. Er ist ihre Erholung von der Arbeit in Erwartung der großen Befreiung, jener endgültigen, die sie ihrer wahren Bestimmung wiedergeben soll.
Der Traum ist die Erinnerung an das, was euer Geist im Schlaf gesehen hat; aber bedenkt, dass ihr immer träumt, auch wenn ihr euch nicht immer dessen erinnert, was ihr gesehen, oder wenigstens nicht an alles, was ihr gesehen habt. Nicht eure Seele ist es in ihrer ganzen Entfaltung: Oft ist es nur die Erinnerung an die Verwirrung, welche euer Wegzug oder eure Wiederkehr begleitet, woran sich die Erinnerung an das, was ihr getan oder was euch im wahren Zustand beschäftigt, anreiht. Wie wolltet ihr auch sonst jene ungereimten Träume erklären, welche die gelehrtesten wie die einfachsten Menschen haben? Auch die bösen Geister bedienen sich der Träume, um schwache und kleinmütige Seelen zu quälen.
Übrigens werdet ihr bald eine andere Gattung von Träumen sich entwickeln sehen. Die ist so alt wie die, welche ihr schon kennt; aber euch ist sie unbekannt. Der Traum Johannes, der Traum Jakobs, der Traum der jüdischen Propheten und einiger indischer Wahrsager und Weisen. Dieser Traum ist die Erinnerung der ganz vom Leib gelösten Seele, die Erinnerung an jenes zweite Leben, von dem ich euch eben erst erzählt habe. Bestrebt euch zwischen diesen beiden Arten von Träumen wohl zu unterscheiden bei denjenigen, deren ihr euch noch erinnern werdet, sonst würdet ihr in Widersprüche und Irrtümer verfallen, die eurem Glauben verderblich wären.“
Die Träume sind das Erzeugnis der Befreiung der Seele, die durch Aufhebung des tätigen zusammenhängenden Lebens unabhängiger geworden ist. Daher stammt eine Art von unbestimmtem Hellsehen, die sich auf die entferntesten Orte oder auf solche ausdehnt, die man noch nie gesehen hat; ja zuweilen bis auf andere Welten. Daher auch die Erinnerung an Ereignisse, der jetzigen oder früheren Existenzen. Die Seltsamkeit der Bilder aus einer unbekannten Welt, die sich mit Dingen dieser wirklichen Welt vermengen, erzeugt jene sonderbaren und konfusen Verkettungen, welche weder Sinn noch Zusammenhang zu haben scheinen. Dies Unzusammenhängende der Träume erklärt sich ferner durch die Lücken, welche durch die unvollständige Erinnerung an die Erscheinungen in den Träumen hervorgebracht werden. Man denke an eine Erzählung, aus der man zufällig einzelne Sätze oder Teile von Sätzen herausgerissen hätte: Die hiernach aneinandergereihten Bruchstücke würden jedes vernünftigen Sinnes entbehren.
Was du den Schlaf nennst, ist nur die Ruhe des Leibes, denn der Geist ist ständig in Bewegung. Jetzt erlangt er etwas von seiner Freiheit wieder und verkehrt mit seinen Lieben in dieser oder in der anderen Welt. Da der Leib aber ein schwerer und grober Stoff ist, so behält er nur mit Mühe die Eindrücke, die der Geist empfangen hat, weil sie diesem nicht durch die Organe des Leibes vermittelt wurden.“
„Die Träume sind keineswegs in dem Sinne der Wahrsager und Traumdeuter als wahr anzunehmen, denn es ist einfältig zu meinen, dass etwas Bestimmtes zu träumen auch etwas Bestimmtes ankündige. Wahr sind die Träume nur in dem Sinne, dass sie dem Geist wirkliche Bilder darbieten, die aber oft keine Beziehung zu den Begebnissen des leiblichen Lebens haben. Oft sind sie auch, wie gesagt, eine Erinnerung und endlich können sie zuweilen auch Ahnungen des Künftigen sein, wenn Gott es gestattet, oder auch das Gesicht von dem, was in diesem Augenblick an einem anderen Ort, wohin sich die Seele versetzt, sich ereignet. Gibt es nicht zahlreiche Beispiele, wo Personen ihren Verwandten oder Freunden im Traum erscheinen und sie von dem, was ihnen zustößt, unterrichten? Was sind diese Erscheinungen anderes, als die Seele oder der Geist jener Personen, die mit dem eurigen in Verkehr treten? Wenn ihr die Gewissheit erlangt, dass das, was ihr gesehen habt, wirklich stattgefunden hat, ist dies dann nicht ein Beweis, dass die Einbildung damit nichts zu tun hatte, besonders wenn euch die Sache in keiner Weise während des Wachzustandes beschäftigte?“
„Für den Geist können sie sich erfüllen, wenn auch nicht für den Leib, d. h. der Geist sieht das, was er wünscht, weil er es finden wird. Man darf nicht vergessen, dass die Seele während des Schlafes stets mehr oder weniger unter dem Einfluss des Stoffes steht und dass sie sich also nie gänzlich von den irdischen Vorstellungen befreit. Daraus folgt, dass das, womit man sich am Tag vorher besonders beschäftigte, dem was man schaut, den Schein dessen verleihen kann, was man herbeiwünscht oder auch was man fürchtet. Das ist dann in Wahrheit eine Wirkung der Einbildungskraft. Ist man einmal gelegentlich mit etwas beschäftigt, so verknüpft man damit alles, was man sieht.“
„An die sie in keiner Weise denken“, woher weißt du das? Ihr Geist kann zum deinigen auf Besuch kommen, wie der deinige zum ihrigen und du weißt nicht immer, woran er denkt. Ferner übertragt ihr auch oft das, was in anderen Existenzen geschehen ist oder geschieht, je nach euren Wünschen auf Personen, die ihr kennt.“
„Nein, der Geist empfängt seine Freiheit wieder, sobald die Sinne ermatten. Um sich frei zu machen, benutzt er jeden Augenblick, den ihm der Leib übrig lässt. Sowie die Lebenskräfte sinken, macht sich der Geist los und je schwächer der Leib ist, desto stärker erhebt sich der Geist.“ So bietet der Halbschlaf oder eine einfache Erschlaffung des Sinnenlebens oft die gleichen Bilder dar, wie der Traum.
„Wenn der Leib erschlafft ist, so sucht der Geist seine Ketten zu brechen: Er zieht aus und schaut. Wäre der Schlaf vollständig, so wäre dies ein Traum.“
„Sie sind das Ergebnis der Freiheit des Geistes, der sich entfesselt und während dieser Augenblicke über größere Kräfte verfügt. Oft auch sind es Ratschläge, welche andere Geister uns geben.“
410a. Wozu nützen diese Gedanken und diese Ratschläge, da man sich doch ihrer nicht erinnert und sie nicht befolgen kann?
,,Diese Gedanken gehören zuweilen mehr der Geisterwelt als der eurigen an; meistenteils aber erinnert sich der Geist, wenn der Leib vergisst und der Gedanke kehrt dann im rechten Augenblick wie eine Eingebung wieder.“
„Oft ahnt er ihn, zuweilen ist er sich desselben ganz deutlich bewusst und dies gibt ihm dann im wachen Zustand ein vages Gefühl davon. Daher kommt es, dass gewisse Personen ihren Tod zuweilen mit großer Genauigkeit voraus wissen.“
„Ja, denn der Geist ist gewissermaßen am Leib befestigt, wie der angebundene Luftballon an seinem Pfahl, und so wie die Bewegungen des Luftballons den Pfahl erschüttern können, so wirkt der Geist auf den Leib zurück und kann ihn schließlich ermüden.“
Geistige Besuche zwischen lebenden Personen
„Im Zustand der Befreiung weicht das Leben des Leibes dem der Seele; genau genommen sind es aber nicht zwei Existenzen, sondern vielmehr zwei Seiten oder Wandlungen derselben Existenz, desselben Daseins. Denn der Mensch führt kein doppeltes Leben.“
„Ja und auch viele andere, die sich nicht zu kennen glauben, kommen zusammen und sprechen miteinander. Du kannst ohne einen Gedanken davon zu haben, Freunde in einem anderen Land besitzen. Die Tatsache, dass man während des Schlafes Freunde, Verwandte Bekannte, Leute, die euch nützlich sein können, besucht, kommt so häufig vor, dass ihr es fast jede Nacht selbst tut.“
„Es bleibt davon gewöhnlich eine vage Ahnung beim Erwachen und oft sind sie die Quelle gewisser Gedanken, die einem auf unerklärliche Weise wie vom Himmel gefallen kommen und die nichts anderes sind als eben die, welche man in jenen Unterhaltungen geschöpft hat.“
„Was hier vorgeht, ist folgendes: Der Mensch schläft ein, sein Geist wacht auf, und dieser ist oft sehr weit davon entfernt, was der Mensch beschlossen hat, auszuführen; denn des Menschen Leben interessiert den Geist wenig, wenn er vom Stoff los ist. Das gilt von schon ziemlich hohen Geistern, die anderen aber bringen ihre Geistesexistenz auf ganz andere Weise zu: Sie geben sich ihren Leidenschaften hin oder bleiben in Untätigkeit. Es ist also möglich, dass der Geist, je nach dem Zweck, den man sich vornahm, die begehrten Personen besucht; dass er aber im wachen Zustand den Willen dazu hat, ist kein Grund, dass er es auch tut.“
„Ohne allen Zweifel, Bande der Freundschaft, alte oder neue, vereinigen so häufig verschiedene Geister, die sich glücklich fühlen, sich zusammen zu finden.“ Unter dem Wort „alt“ sind die in früheren Existenzen geschlossenen Freundschaftsbande zu verstehen. Es bleibt uns beim Aufwachen eine vage Ahnung der in geheimnisvollen Unterhaltungen geschöpften Gedanken, deren Quelle uns aber unbekannt bleibt.
„Als Geist kann sie ihn sicherlich sehen und sein Schicksal erkennen. Wenn es ihr nicht als Prüfung auferlegt ist, an den Tod ihres Freundes zu glauben, so wird sie eine Ahnung seines Daseins haben, so wie sie auch eine von seinem Tod haben könnte.“
Verborgene Übertragung des Gedankens
„Wir haben bereits gesagt, dass die Geister sich untereinander mitteilen während des Schlafes. Wohlan, wenn der Leib erwacht, so erinnert sich der Geist dessen, was er vernommen und der Mensch meint, es selbst gefunden zu haben. So können viele die gleiche Sache gleichzeitig finden. Wenn ihr sagt, ein Gedanke liege in der Luft, so ist das ein treffenderes Bild als ihr selbst glaubt: Jeder trägt zu seiner Verbreitung bei, ohne es zu wissen.“ So enthüllt unser Geist oft selbst und ohne unser Wissen anderen Geistern das, was während unseres Wachens der Gegenstand unserer eifrigsten Beschäftigungen gewesen ist.
„Der Geist ist in den Leib nicht wie in eine Schachtel einge – schlossen: Er strahlt sich nach allen Richtungen aus. Deshalb kann er sich selbst im wachen Zustand, wenn auch mit mehr Schwierigkeit, anderen Geistern mitteilen.“
„Das sind dann zwei gleichgestimmte Geister, die sich einander mitteilen und gegenseitig ihre Gedanken erkennen, selbst wenn der Leib nicht schläft.“ Zwischen gleichgestimmten Geistern gibt es einen Gedanken – austausch, durch dessen zwei Personen sich sehen und verstehen können, ohne der äußeren Zeichen der Sprache zu bedürfen. Man könnte sagen, sie redeten miteinander die Sprache der Geister.
Lethargie, Katalepsie, Scheintod.
„Nein, durch den Geist: der Geist kennt sich aus, aber er kann sich nicht mitteilen.
422a. Warum kann er sich nicht mitteilen?
„Der Zustand des Leibes verbietet es ihm. Dieser eigentümliche Zustand der Organe liefert auch den Beweis, dass es im Menschen noch etwas anderes gibt, als den Leib, da ja hier der Körper nicht mehr tätig ist, wohl aber der Geist.“
„In der Lethargie ist der Leib nicht tot, da noch gewisse Tätigkeiten stattfinden. Die Lebenskraft ist dann latent, wie bei der Puppe, aber nicht vernichtet. Ferner bleibt der Geist mit dem Leib vereinigt, so lange dieser lebt. Sind aber einmal die Bande durch den wirklichen Tod zerrissen, so ist die Zersetzung der Organe, die Trennung vollständig und der Geist kehrt nicht mehr zurück. Kehrt ein Mensch, der den Anschein des Todes hatte, zum Leben zurück, so war der Tod eben kein vollständiger.“
„Gewiss, und ihr seht täglich Beweise davon. Der Magnetismus ist in diesem Fall ein mächtiges Mittel, weil er dem Leib das ihm mangelnde Lebensfluidum zurückgibt, das zum Spiel der Organe nicht mehr ausreichte.“
Die Lethargie und die Katalepsie beruhen beide auf demselben Prinzip, nämlich auf dem zeitweiligen Verlust der Sensibilität und der Bewegung, infolge einer bisher noch unerklärten physio – logischen Ursache. Sie unterscheiden sich dadurch, dass bei der Lethargie die Aufhebung der Lebenskräfte eine umfassende ist und dem Leib allen Anschein des Todes gibt, während sie bei der Katalepsie lokalisiert istund einen kleineren oder größeren Teil des Leibes treffen kann, ohne die Intelligenz zu hemmen, was dann ihre Verwechslung mit dem Tod nicht zulässt. Die Lethargie ist stets natürlich, die Katalepsie zuweilen spontan, kann aber durch magnetische Behandlung künstlich hervorgebracht und wieder aufgehoben werden.
Somnambulismus
„Er besteht in einer vollständigeren Unabhängigkeit der Seele, als beim Traum, und dann sind deren Fähigkeiten höher entwickelt: Sie hat Wahrnehmungen, deren sie im Traum entbehrt, der nur ein Zustand von unvollkommenem Somnambulismus ist.
Im Somnambulismus gehört der Geist ganz sich selbst an. Die stofflichen Organe empfangen keine äußeren Eindrücke mehr, da sie gewissermaßen sich in kataleptischen Zustand befinden. Dieser Zustand zeigt sich besonders im Schlaf: Es ist der Augenblick, wo der Geist vorläufig den Leib verlassen kann, da dieser sich der ihm unentbehrlichen Ruhe hingeben muss. Wenn sich die Tatsachen des Somnambulismus zeigen, so kommt dies daher, dass der Geist, mit irgendetwas lebhaft sich beschäftigend, sich irgendeiner Handlung hingibt, welche notwendig den Gebrauch seines Leibes erfordert, dessen er sich dann in ähnlicher Weise bedient, wie wenn er von einem Tisch oder sonst welchem stofflichen Gegenstand, bei physischen Äußerungen oder selbst von eurer Hand bei schriftlichen Mitteilungen, Gebrauch macht. Bei den bewussten Träumen beginnen die Organe, auch die des Gedächtnisses, zu erwachen. Diese empfangen in unvollkommener Weise die von den äußeren Gegenständen oder Ursachen hervorgebrachten Eindrücke und teilen sie dem Geist mit, der, jetzt selbstruhend, davon nur wirre und zusammenhangslose Wahrnehmungen, die oft gar keinen auch nur scheinbaren Grund haben, aufnimmt – ein Gemisch unbestimmter Erinnerungen, sei es an dieses, sei es an ein früheres Dasein. Da ist es dann leicht zu erkennen, warum die Somnambulen gar keine Erinnerung, und die Träume, an die man sie noch erinnert, meistens gar keinen Sinn haben. Ich sage „meistens“, denn es kommt vor, dass sie die Folge einer ganz bestimmten Erinnerung an Ereignisse eines früheren Lebens und zuweilen sogar eine Art von vager Ahnung der Zukunft sind.“
426. Hat der sogenannte magnetische Somnambulismus Beziehungen zum natürlichen Somnambulismus?
„Er ist dasselbe, nur dass er künstlich hervorgebracht wird.“
427. Welches ist die Natur der Kraft, die man magnetisches Fluidum nennt?
„Lebensfluidum, animalisierte Elektrizität, beides Modifikationen oder Wandlungen des Universalfluidums.“
428. Was ist die Ursache des somnambulen Hellsehens?
„Wir haben es gesagt: Die Seele ist es, welche sieht.“
„Nur für eure groben Organe gibt es undurchsichtige Körper: für den Geist ist der Stoff kein Hindernis, da er ihn frei durchdringt. Oft sagt er euch, er sehe durch seine Stirn, sein Knie u.s.w., weil ihr, ganz in den Stoff versenkt, es nicht begreift, dass er ohne Hilfe von Organen sehen kann. Er selbst meint, weil ihr es so haben wollt, dieser Organe zu bedürfen: würdet ihr ihn aber gewähren lassen, so würde er erkennen, dass er durch alle Teile seines Leibes sieht, oder besser, dass er außerhalb seines Leibes sieht.“
„Zunächst ist es den unvollkommenen Geistern nicht gegeben, alles zu sehen und zu kennen. Du weißt, dass sie noch an euren Irrtümern und Vorurteilen teilhaben; sodann erfreuen sie sich, solange sie an den Stoff gebunden sind, nicht aller ihrer Fähigkeiten als Geister. Gott gab dem Menschen diese Fähigkeit zu einem nützlichen und ernsten Zweck und nicht um ihn das zu lehren, was er nicht wissen soll. Deswegen können die Somnambulen nicht alles sagen.“
„Es kommt vor, dass der Somnambule mehr Kenntnisse besitzt, als du weißt; nur schlummern dieselben, weil seine Hülle zu unvollkommen ist, um sich daran erinnern zu können. Aber schließlich, was ist er denn? Er ist, wie wir, ein in den Stoff inkarnierter Geist, der seine Aufgabe zu erfüllen hat, und der Zustand, in den er eintritt, erweckt ihn aus seiner Lethargie. Wir haben dir sehr oft gesagt, dass wir mehrere Male neu zu leben anfangen: Diese Veränderung ist es, welche ihn physisch das vergessen lässt, was er in einem früheren Dasein sich hatte aneignen können. Tritt er nun in die sogenannte Krise ein, so kehrt die Erinnerung wieder, nicht immer aber vollständig. Er weiß, aber er kann nicht sagen, woher er weiß, noch wie er sich dieses Wissen aneignete. Ist die Krise vorüber, so hört jede Erinnerung auf und er verliert jedes Wissen darüber.
Die Erfahrung lehrt, dass die Somnambulen auch von anderen Geistern Mitteilungen empfangen, die ihnen das, was sie sagen sollen, vermitteln und ihrer Unzulänglichkeit aushelfen. Das zeigt sich besonders bei den ärztlichen Vorschriften: der Geist des Somnambulen erkennt die Krankheit, ein anderer gibt ihm das Heilmittel an. Diese doppelte Tätigkeit tritt zuweilen ganz offen zu Tage und kündigt sich außerdem durch jene ziemlich häufigen Ausdrücke an, wie: „Man sagt mir“ oder „man verbietet mir, das und das zu sagen. In letzterem Fall ist es immer gefährlich, auf den Empfang einer verweigerten Enthüllung zu bestehen, weil man leicht zum Spielball der leichtfertigen Geister wird, die, ohne sich um die Wahrheit zu kümmern, ohne Skrupel von allem sprechen.
432. Wie erklärt sich in die Ferne sehen können bei gewissen Somnam – bulen?
„Kann sich die Seele während des Schlafes nicht überallhin versetzen? Eben dies geschieht auch im Somnambulismus.“
„Von beiden: Es gibt physische Zustände, die dem Geist gestatten, sich mehr oder weniger leicht vom Stoff zu lösen.“
„Bis zu einem gewissen Grad, denn man muss den Einfluss des Stoffes dabei berücksichtigen, an den er noch gebunden ist.“
„Die Mehrzahl sieht sie sehr wohl. Das hängt vom Grad und der Art ihres Hellsehens ab. Zuweilen aber geben sie sich darüber nicht sofort Rechenschaft und nehmen sie für leibliche Wesen. Es geschieht dies besonders denen, die keine Kenntnis vom Spiritismus haben, sie begreifen noch nicht das Wesen der Geister: Dieses verwundert sie und darum glauben sie Lebendige zu sehen.“ Die gleiche Wirkung zeigt sich im Augenblick des Todes bei denen, die sich für noch lebend halten. Nichts um sie herum scheint ihnen anders geworden zu sein, die Geister scheinen ihnen den unsrigen ähnliche Leiber zu haben und den Schein ihres eigenen Leibes halten sie für einen wirklichen Leib.
436. Sieht der mit Fernsicht begabte Somnambule von dem Punkt aus, wo sein Leib ist oder von dem, wo seine Seele ist?
„Wozu diese Frage, da es ja die Seele ist, welche sieht, und nicht der Leib.“
„Die Seele hat den Leib nicht gänzlich verlassen, sie hängt mit ihm immer durch das die beiden einigende Band zusammen: dieses Band ist der Leiter der Empfindungen. Wenn zwei Menschen durch die Elektrizität von einer Stadt in die andere korrespondieren, so ist die Elektrizität das Band zwischen ihren Gedanken; darum teilen sie sich gegenseitig mit, als wenn sie sich nebeneinander befänden.“
438. Hat der Gebrauch, den der Somnambule von seiner Begabung macht, Einfluss auf den Zustand seines Geistes nach dem Tod?
„Einen großen, wie der gute oder schlechte Gebrauch aller Gaben, die Gott dem Menschen schenkte.“
Ekstase oder Verzückung
„Sie ist eine reinere Form des Somnambulismus: Die Seele des Ekstatischen ist noch unabhängiger.“
„Ja, er schaut sie und erkennt die Glückseligkeit derer, die dort sind. Darum möchte er selbst dort bleiben. Es gibt aber Welten, die den Geistern, die nicht rein genug sind, unzugänglich bleiben.“
„Das hängt von dem Reinheitsgrad des Geistes ab. Sieht er seine künftige Lage als besser an, als sein gegenwärtiges Leben, so versucht er seine irdischen Bande zu sprengen.“
„Ja, er kann sterben. Deswegen muss man ihn durch alles, was ihn hier auf Erden fesseln kann, zurückzuhalten versuchen, besonders, indem man ihm klar macht, dass, wenn er seine Kette sprengte, gerade dies das Mittel wäre, dass er nicht da bleiben könnte, wo er sieht, dass er glücklich wäre.“
„Was er sieht, ist für ihn wirklich. Da aber sein Geist von irdischen Vorstellungen beeinflusst ist, so kann er es nach seiner Weise sehen oder vielmehr es in einer Sprache ausdrücken, die sich seinen oder euren angenommenen Vorurteilen und Vorstellungen anpasst, um sich besser verständlich zu machen. Besonders in dieser Richtung kann er sich irren.“
„Der Ekstatische kann sich sehr oft täuschen, besondes wenn er in das eindringen will, was für den Menschen ein Geheimnis bleiben soll; denn dann überlässt er sich seinen eigenen Vorstellungen oder vielmehr er wird das Spielzeug trügerischer Geister, die seine Begeisterung benutzen, um ihn zu verblenden.“
„Oder vielmehr: es ist das vergangene und das künftige Leben, das der Mensch hier vage schaut. Er mag diese Erscheinungen studieren und er wird in denselben die Lösung von mehr als einem Rätsel finden, was seine Vernunft vergeblich zu lösen versucht.“
446. Könnten die Erscheinungen des Somnambulismus und der Ekstase mit dem Materialismus in Einklang gebracht werden?
„Wer sie aufrichtig und ohne Voreingenommenheit studiert, kann weder ein Materialist noch ein Atheist sein.“
Zweites Gesicht
„Das alles ist dasselbe: Was du „zweites Gesicht“ nennst, ist wieder der Geist, der freier ist, obschon der Leib nicht schläft. Das zweite Gesicht ist das Gesicht der Seele.“
„Ja, die Fähigkeit, aber nicht der Gebrauch desselben. In den weniger materiellen Welten als die eurige, befreien sich die Geister leichter und treten allein durch den Gedanken miteinander in Verbindung, ohne dass jedoch die artikulierte Sprache dabei ausgeschlossen wäre. Auch ist dort für die Mehrzahl das doppelte Gesicht eine andauernde Fähigkeit. Ihr normaler Zustand kann mit dem eurer Hellseherinnen höheren Grades verglichen werden und dies ist auch der Grund, warum sie sich euch leichter mitteilen, als die in gröberen Leibern Inkarnierten.“
„Am häufigsten entwickelt es sich von selbst, oft spielt aber auch der Wille eine große Rolle dabei. Denke dir z. B. die sogenannten Wahrsager, von denen einige diese Befähigung besitzen, und du wirst feststellen, dass es ihr Wille ist, der ihnen zu diesem zweiten Gesicht und zu dem, was du Vision nennst, verhilft.“
450. Kann das zweite Gesicht sich durch Übung weiter entwickeln?
„Ja, die Arbeit fördert stets den Fortschritt und der die Dinge verhüllende Schleier wird durchsichtiger.“
450a. Hängt diese Fähigkeit von der physischen Veranlagung ab?
„Gewiss, letztere spielt dabei eine Rolle. Es gibt Veranlagungen, die sich dagegen sträuben.“
„Ähnlichkeit der Veranlagung, die sich wie andere physische Eigenschaften vererbt; sowie die Entwicklung der Fähigkeit durch eine Art von Erziehung, die ebenfalls von einem zum anderen weitergegeben wird.“
„Krankheit, Annäherung einer Gefahr, starke Gemütsbewegung, können es entwickeln. Der Leib ist zuweilen in einem eigen – tümlichen Zustand, der dem Geist das zu schauen gestattet, was ihr mit den leiblichen Augen nicht zu sehen vermögt.“ Zeiten großer Krisen und Unglücksfälle, starke Gemütsbewegungen, eigentlich alles, was den moralischen Sinn besonders erregt, bringen zuweilen die Entwicklung des zweiten Gesichts hervor. Es ist dann, als ob die Vorsehung uns gegenüber der Gefahr die Mittel reichen wollte, sie abzuwehren.
,,Nicht immer. Für sie ist es eine, ganz sich von selbst verstehende Sache und viele meinen, wenn einer sich selbst beobachtete, würde er es ebenfalls haben.“
,,Es ist stets die Seele, die sich freier aus – und einstrahlt und besser urteilt, als unter dem Schleier des Stoffes.“
454a. Kann diese Befähigung in gewissen Fällen eine Voraussicht der Dinge verleihen?
Ja; sie gibt auch Vorahnungen. Denn es gibt verschiedene Grade dieser Befähigung und dieselbe Person kann alle Grade oder auch nur einige davon besitzen.“
Theoretische Übersicht über Somnambulimus, Ekstase und Zweites Gesicht.
Der mit dem Namen ,,magnetischer Somnambulismus“ bezeichnete Zustand unterscheidet sich vom natürlichen Somnambulismus nur dadurch, dass der eine von selbst entsteht, der andere hervorgebracht werden muss.
Der natürliche Somnambulismus ist eine notorische Tatsache, die niemand zu bezweifeln wagt, trotz des Wunderbaren seiner Erscheinungen. Was hat also, weil er, wie so vieles andere künstlich hervorgebracht wird, der magnetischne Hypnose außerordentlicheres und weniger vernunftgemäßes an sich? Quacksalber, sagt man, haben ihn ausgebeutet. Also Grund genug, ihn nicht in ihren Händen zu belassen. Wenn die Wissenschaft sich ihn einmal angeeignet haben wird, so wird der Scharlatanismus bei der großen Menge viel weniger Glauben finden; einstweilen aber, da der natürliche und der künstliche Somnambulismus eine Tatsache sind und gegen Tatsachen kein Vernünfteln aufkommt, beglaubigt er sich trotz dem üblen Willen einiger, und zwar in der Wissenschaft selbst, wo er, statt durch den Haupteingang, durch eine Menge von kleinen Pforten eindringt. Ist er einmal ganz drinnen, so wird man ihm wohl das Bürgerrecht zugestehen müssen.
Für den Spiritismus ist der Somnambulismus mehr als nur eine physiologische Tatsache: er ist ein, die Psychologie erhellendes Licht. Hier lässt sich die Seele studieren, denn hier zeigt sie sich nackt und bloß. Nun ist aber eine der sie charakterisierenden Erscheinungen, ihr von der physischen Seekraft unabhängiges Hellsehen. Wer diese Tatsache bestreitet, stützt sich darauf, dass der Somnambule nicht immer, wie mit den Augen und so wie es der Experimentierende wünscht, sieht.
Darf man sich wundern, dass, wenn die Mittel verschieden sind, auch die Wirkungen nicht mehr die gleichen sind? Ist es vernunftgemäß, dieselben Wirkungen zu verlangen, wenn das Werkzeug nicht mehr vorhanden ist? Die Seele hat ihre Eigenschaften so gut wie das Auge, man muss also jedes von beiden nach seinem eigenen Maßstab messen und nicht Vergleiche anstellen und Analogien suchen. Die Ursache des Hellsehens des magnetischen und des natürlichen Somnambulen ist ein und dieselbe: Sie ist eine Eigenschaft der Seele, eine, allen Teilen des in uns wohnenden unkörperlichen Wesens einwohnende Fähigkeit, welche keine anderen Grenzen hat, als die der Seele selbst gesetzten. Der Somnambule sieht überallhin, wohin seine Seele sich versetzen kann, wie groß auch die Entfernung sein mag.
Beim geistigen Weitsehen schaut der Somnambule die Dinge nicht von dem Punkt aus, wo sein Leib ist, und gleichsam durch ein Fernrohr. Er sieht sie gegenwärtig, wie wenn er sich selbst an Ort und Stelle befände, weil seine Seele wirklich dort ist; darum ist sein Leib wie vernichtet und scheinbar ohne Empfindung bis zu dem Zeitpunkt, wo die Seele wieder von ihm Besitz nimmt. Die teilweise Trennung von Seele und Leib ist ein ausnahmsweiser anormaler Zustand, der kürzere oder längere Zeit, aber nicht ewig dauern kann, sie ist die Ursache der vom Leib nach einer gewissen Zeit empfundenen Ermüdung, besonders wenn die Seele sich einer angestrengten Arbeit hingibt.
Dass das Schauen der Seele oder des Geistes nicht umschrieben ist und keinen bestimmten Sitz hat, erklärt es, dass die Somnambulen ihm auch kein bestimmtes Organ zu zuweisen vermögen: sie schauen, weil sie schauen, ohne zu wissen, warum oder wie, da das Schauen für sie an keinen bestimmten Brennpunkt gebunden ist, so wenig wie der Geist. Wenn sie sich in ihren Leib zurückversetzen, so scheint ihnen dieser Brennpunkt in dem Zentrum zu liegen, wo die Lebenstätigkeit gerade am stärksten entwickelt ist, besonders im Gehirn, in der Gegend der Herzgrube, oder in dem Organ, welches für sie der zäheste Verbindungspunkt zwischen Geist und Leib ist.
Die Kraft des Hellsehens ist nicht unbegrenzt. Selbst der ganz befreite Geist ist in seinen Fähigkeiten und Kenntnissen je nach dem Grad seiner Vervollkommnung begrenzt; noch mehr ist er es, wenn er an den ihn beeinflussenden Stoff gebunden ist. Eben deshalb ist das Hellsehen weder allgemein verbreitet noch unfehlbar. Auf letztere Eigenschaft kann man um so weniger zählen, wenn sie zu anderen Zwecken als den, von der Natur gesetzten, missbraucht werden sollen und man sie zur Befriedigung der Neugier und zu Experimenten verwendet. Im Zustand des Freiseins, in dem sich der Geist des Somnambulen befindet, tritt jener in leichteren Verkehr mit den anderen inkarnierten und nicht inkarnierten Geistern. Dieser Verkehr gründet sich auf die Berührung der Fluide, die die Perispirits bilden, und welche, gleich dem elektrischen Draht, zur Übertragung des Gedankens dienen. Der Somnambule bedarf es somit nicht, dass der Gedanke durch das Wort gegliedert wird; er fühlt und ahnt denselben. Das macht ihn in hervorragender Weise für die Einflüsse der moralischen Atmosphäre eindrucksfähig und zugänglich, in welche er sich versetzt sieht. Darum ist auch ein gewisser Zusammenfluss von Zuschauern, besonders von neugierigen und mehr oder weniger übelwollenden, der Entwicklung seiner Fähigkeiten wesentlich hinderlich, welche sich dann auf sich selbst zurückziehen und sich in voller Freiheit nur in vertraulicher und sympathischer Umgebung entfalten. Die Anwesenheit übelwollender oder antipathischer Personen wirkt auf ihn wie die Berührung mit der Hand auf die Mimosa (Sinnpflanze).
Der Hellsehende schaut gleichzeitig seinen eigenen Geist und seinen Leib: Beide sind ihm sozusagen zwei Wesen, die ihm das doppelte, geistige und leibliche, Dasein darstellen und doch wieder durch die einigenden Bande ineinander fliessen. Der Hellsehende gibt sich nicht immer Rechenschaft über diese Lage der Dinge und wegen dieser Dualität spricht er oft von sich selbst wie von einem anderen: Bald ist es nämlich das leibliche Wesen, das zum geistigen, bald das geistige, das zum leiblichen spricht.
Der Geist erwirbt sich in jeder seiner leiblichen Existenzen einen Zuwachs an Kenntnissen und Erfahrungen. Während seiner Einverleibung in einen zu groben Stoff vergisst er dieselben zum Teil, aber er erinnert sich derselben als Geist. Daher kommt es, dass gewisse Somnambulen Kenntnisse verraten, die über ihre Bildungsstufe und selbst über ihre augenscheinlichen intellektuellen Fähigkeiten hinausreichen. Die niedere intellektuelle Wissensstufe der Somnambule im wachen Zustand gestattet also keine Schlüsse auf die Kenntnisse, die er im klarsichtigen Zustand enthüllt. Je nach den Umständen und dem vorgesetzten Zweck kann er sie teils aus seiner eigenen Erfahrung, teils aus dem Durchschauen gegenwärtiger Gegenstände, teils aus den Ratschlägen anderer Geister schöpfen. Da aber sein eigener Geist mehr oder weniger fortgeschritten sein kann, kann er auch mehr oder weniger richtige Gedanken aussprechen.
Durch die Erscheinungen des Somnambulismus, des natür – lichen wie des magnetischen, gibt uns die Vorsehung den unwi – derlegbaren Beweis von dem Dasein und der Unabhängigkeit der Seele und lässt uns dem erhebenden Schauspiel ihrer Befreiung beiwohnen. Damit öffnet sie uns das Buch unserer Bestimmung. Wenn der Hellsehende das sich in der Ferne Ereignende beschreibt, so muss er es doch wohl sehen, und zwar nicht mit seinen leiblichen Augen: Er erblickt sich selbst dort und fühlt sich dorthin versetzt. Etwas von ihm befindet sich also dort und dieses etwas, da es sein Leib nicht ist, kann somit nur seine Seele oder sein Geist sein. Während der Mensch sich in die Spitzfindigkeiten einer abstrakten und unverständlichen Metaphysik verirrt, um hier die Ursachen unseres moralischen Daseins zu entdecken, legt Gott ihm täglich die einfachsten und augenfälligsten Mittel zum Studium der experimentellen Psychologie (Erfahrungsseelenlehre) vor die Augen und unter die Hand.
Die Ekstase ist derjenige Zustand, in welchem die Unab – hängigkeit der Seele und des Leibes sich in deutlichster und sozusagen in handgreiflichster Weise äußert. Im Traum und im Somnambulismus wandert die Seele in den irdischen Regionen herum, in der Ekstase dringt sie in eine unbekannte Welt ein, in die Welt der ätherischen Geister, mit denen sie in Verkehr tritt, ohne jedoch gewisse Grenzen zu überschreiten, über die sie nur um den Preis ihrer bleibenden Trennung vom Leib hinauskönnte. Ein ganz neuer strahlender Glanz umflutet sie, auf Erden ungehörte Harmonien entzücken sie, ein unbeschreibliches Wohlbehagen durchdringt sie: Sie genießt zum Voraus die himmlische Glückseligkeit und man darf sagen, sie setze einen Fuß auf die Schwelle der Ewigkeit.
Im ekstatischen Zustand ist die Vernichtung des Leibes eine fast vollständige, er besitzt sozusagen nur noch das organische Leben und man fühlt, dass die Seele an diesem nur noch mit einem Faden hängt, den der nächste Ruck für immer zerreißen würde. In diesem Zustand verschwinden alle irdischen Gedanken, um dem reinen Gefühl, dem innersten Wesen unseres nichtstofflichen Daseins, Raum zu geben. Ganz dieser hohen Betrachtung hingegeben, erblickt der Ekstatische im Leben nur eine augenblickliche Rast und das irdische Glück, das Übel, die groben Freuden und Leiden hier auf Erden sind ihm nur geringfügige Zwischenfälle einer Reise, deren Ziel er freudig voraussieht.
Mit den Ekstatischen verhält es sich, wie mit den Somnambulen: Ihr Hellsehen kann mehr oder weniger vollkommen sein und ihr eigener Geist, je nachdem wie weit er fortgeschritten ist, ist ebenfalls mehr oder weniger geeignet, die Dinge zu kennen und zu begreifen. Zuweilen findet sich bei ihnen mehr Aufregung oder Überspannung, als eigentliches Hellsehen oder richtiger: Ihre Aufregung schadet ihrem Hellsehen. Darum sind ihre Enthüllungen oft ein Gemisch von Wahrheit und Irrtum, erhabenen und ungereimten, ja lächerlichen Dingen. Niedrige Geister benutzen oft diese Aufregung, welche stets zur Schwäche führt, wenn man sie nicht zu meistern weiß, – um den Ekstatischen in ihre Gewalt zu bekommen, und zu diesem Ende gaukeln sie ihm Trugbilder vor, die ihn in den Vorstellungen oder Vorurteilen des wachen Zustandes unterhalten. Das ist eine Klippe; aber nicht alle sind so. An uns ist es, kühl zu urteilen und ihre Enthüllungen mit der Waage der Vernunft zu wägen.
Die Befreiung der Seele zeigt sich zuweilen auch im wachen Zustand und bringt die mit dem Namen ,,zweites Gesicht“ bezeichnete Erscheinung hervor, welche den damit Begabten die Befähigung verleiht, über die Grenzen unserer Sinne hinaus zu sehen, zu hören und zu fühlen. Sie nehmen abwesende Dinge überall da wahr, wohin ihre Seele ihre Tätigkeit erstreckt. Sie erblicken dieselben gewissermaßen durch das gewöhnliche Gesicht hindurch wie durch eine Art von Spiegelung.
Zur Zeit, wo das zweite Gesicht eintritt, ist der physische Zustand merklich verändert: Das Auge hat etwas Unbestimmtes, es blickt ohne zu sehen und die ganze Physiognomie spiegelt eine Art von Aufregung ab. Es konstatiert, dass die Gesichtsorgane bei der Sache außer Spiel sind, da die Vision trotz der Schließung der Augen fortdauert.
Diese Fähigkeit erscheint denen, die sie besitzen, so natürlich wie das gewöhnliche Sehen: Sie ist ihnen eine Eigenschaft ihres Wesens und keine Ausnahme von der Regel. Das Vergessen folgt meistenteils auf dieses vorübergehende Hellsehen, dessen Erinnerung immer unbestimmter wird und schließlich wie die an einen Traum verlöscht.
Die Kraft des zweiten Gesichts wechselt von der wirren Empfindung bis zur klaren und deutlichen Wahrnehmung gegenwärtiger oder abwesender Dinge. In ihren ersten Ansätzen verleiht sie gewissen Leuten Takt, Scharfblick, eine Art von Sicherheit des Auftretens, was man etwa einen richtigen moralischen Blick nennen könnte. Weiterentwickelt, verleiht sie Vorahnungen, noch weiter entwickelt zeigt sie vollendete Ereignisse oder solche, die sich eben vollziehen wollen.
Natürlicher und künstlicher Somnambulismus, Ekstase und zweites Gesicht sind nur verschiedenartige Äußerungen einer und derselben Ursache. Diese Erscheinungen liegen, wie die Träume, in unserer Natur. Darum haben sie zu allen Zeiten statt gefunden. Die Geschichte lehrt, dass sie schon im höchsten Altertume bekannt waren und selbst benutzt wurden, und man findet in ihnen die Erklärung einer Menge von Tatsachen, welche das Vorurteil für übernatürliche hielt.
KAPITEL IX – Einwirkungen der Geister auf die leibliche Welt
Durchdringung unseres Denkens durch die Geister
„Sie können es sehen, da ihr stets von ihnen umgeben seid. Jeder sieht aber nur das, worauf er seine Aufmerksamkeit richtet; denn mit Gleichgültigem beschäftigen sie sich nicht.“
„Oft wissen sie das, was ihr vor euch selbst verbergen möchtet. Weder Handlungen noch Gedanken können ihnen verhehlt werden.“
457a. Demnach schient es leichter, einer lebenden Person etwas zu verheimlichen, als derselben Person, wenn sie gestorben wäre?
„Gewiss, und wenn ihr euch recht wohl verborgen glaubt, habt ihr zuweilen eine Menge von Geistern an eurer Seite, die euch sehen.“
„Es kommt darauf an. Die Irrgeister lachen über die kleinen Quälereien die sie euch bereiten und spotten über eure Ungeduld. Die ernsthaften Geister beklagen euch wegen eurer Fehler und suchen euch zu helfen.“
Geheimer Einfluss der Geister auf unsere Gedanken und Handlungen
459. Üben die Geister einen Einfluss aus auf unser Tun und Denken?„In dieser Beziehung ist ihr Einfluss größer als ihr denkt, denn sehr oft sind sie es, die euch leiten.“
„Eure Seele ist ein denkender Geist. Es ist euch nicht unbekannt, dass bezüglich eines und desselben Gegenstandes gleichzeitig mehrere und zuweilen einander sehr entgegengesetzte Gedanken in euch auftauchen. Nun denn, darunter sind stets welche von euch und von uns. Das bring euch nur in Ungewissheit, weil ihr zwei Gedanken habt, die sich gegenseitig bekämpfen.“
„Wenn ein Gedanke eingegeben ist, so ist es wie eine Stimme, die zu euch redet. Die eigenen Gedanken sind im Allgemeinen diejenigen der ersten Regung. Übrigens liegt kein großes Interesse für euch in dieser Unterscheidung und es ist zuweilen gut, es nicht zu wissen: der Mensch handelt dann freier. Entscheidet er sich für das Gute, so tut er es mit freierem Willen; schlägt er den bösen Weg ein, so ist er dafür nur umso mehr verantwortlich.“
„Zuweilen stammen ihre Ideen aus ihrem eigenen Geist, oft aber werden sie ihnen von anderen Geistern eingegeben, welche sie für fähig und würdig halten sie zu verstehen und zu überliefern. Finden sie sie dagegen nicht in sich selbst, so rufen sie die Inspiration an, – eine unbewusste Geisterbeschwörung!“
Hätte es zu unserem Nutzen gedient, dass wir unsere eigenen Gedanken deutlich von den eingegebenen unterscheiden könnten, so hätte Gott es uns so verliehen, so gut als er uns gestattet, Tag und Nacht zu unterscheiden. Bleibt eine Sache unentschieden, so soll dies eben zu unserem Heil dienen.
„Er kann gut oder auch böse sein, je nach der Natur des inkarnierten Geistes. Gut ist er stets bei dem, der auf die guten Eingebungen hört.“
„Untersucht die Sache: Die guten Geister raten nur Gutes; an euch ist es zu unterscheiden.“
465. Zu welchem Zweck treiben uns die unvollkommenen Geister zum Bösen an?
„Um euch leiden zu machen, wie sie selbst leiden.“
465a. Lindert das ihre Leiden?
„Nein, aber sie tun es aus Neid, glücklichere Wesen sehen zu müssen.“
465b. Was für eine Art von Leiden möchten sie uns bereiten?
„Diejenigen Leiden, welche daraus entstehen, dass man auf einer tieferen und von Gott entfernteren Stufe steht.“
„Die unvollkommenen Geister sind Werkzeuge zur Erprobung des Glaubens und der Beharrlichkeit der Menschen im Guten. Da du ein Geist bist, so sollst du in der Erkenntnis des Unendlichen fortschreiten. Durch die Prüfungen des Bösen gehst du, um zum Guten zu gelangen. Unsere Sendung ist es, dich auf rechten Weg zu stellen. Wenn böse Einflüsse auf dich wirken, so kommt dies daher, dass du sie durch deine Neigung zum Bösen herbeirufst, denn die niederen Geister eilen dir zu Hilfe, wenn du den Willen hast es zu begehen. Zum Bösen können sie dir nur helfen, wenn du das Böse willst. Hast du eine Neigung zum Morden, wohlan eine ganze Schar von Geistern werden dann diesen Gedanken in dir unterhalten. Du wirst aber auch andere Geister um dich haben, die dich fürs Gute zu beeinflussen suchen, so dass das Gleichgewicht wieder hergestellt wird und du frei entscheiden kannst.“
So lässt Gott unserem Gewissen die Wahl des von uns einzu – schlagenden Weges und die Freiheit, dem einen oder dem anderen jener entgegengesetzten Einflüsse zu folgen.
467. Kann man sich von dem Einfluss der Geister, die zum Bösen antreiben, befreien?
„Ja, denn sie machen sich nur an die, die sie durch ihre Wünsche oder Gedanken anziehen.“
„Was sollen sie tun? Wenn es nichts mehr zu tun gibt, so geben sie es auf. Jedoch passen sie auf einen günstigen Zeitpunkt, wie die Katze auf die Maus.“
„Indem ihr das Gute tut und euer ganzes Vertrauen in Gott setzt, weist ihr denn Einfluss der niederen Geister zurück und ihr zerstört die Herrschaft, die sie sich über euch anmaßen wollten. Hütet euch vor den Einflüsterungen der Geister, die in euch böse Gedanken erregen, die Zwietracht unter euch stiften und alle bösen Leidenschaften in euch anregen. Misstraut namentlich denen, die euren Hochmut aufblasen, denn die sind es, die euch an eurer schwachen Seite fassen. Darum lässt euch Jesus im Gebet des Herrn bitten: „Und führe uns nicht in Versuchung, sondern erlöse uns vom Übel!“
„Kein Geist empfängt einen Auftrag Böses zu tun. Tut er es, so ist es sein eigener Wille, also hat er auch die Folgen zu tragen. Gott kann es zulassen, um euch zu prüfen, aber er befiehlt es nicht und an euch ist es, jenen zurückzuweisen.“
„Fast immer ist dies die Wirkung von Verkehr, die ihr ohne es zu wissen mit den Geistern führt oder mit ihnen im Schlaf geführt habt.“
„Sie benutzen die Umstände, aber oft führen sie sie auch herbei, indem sie euch, ohne dass ihr es merkt, dem Gegenstand eurer Gelüste näher bringen. So findet z. B. ein Mensch auf seinem Wege eine Summe Geld: Glaube nun nicht, dass die Geister dasselbe hierher gebracht haben; aber sie können dem Menschen den Gedanken eingeben, sich in dieser Richtung zu bewegen und dann wird ihm von ihnen der Gedanke eingeflüstert, sich des Geldes zu bemächtigen, während andere ihm zuflüstern es seinem Eigentümer zurückzugeben. So verhält es sich mit allen anderen Versuchungen.“
Von den Besessenen
„Der Geist begibt sich nicht in einen Leib, so wie du dich in ein Haus begibst. Er verbindet sich mit dem inkarnierten Geist, der dieselben Fehler und Eigenschaften hat, um gemeinschaftlich mit ihm zu handeln. Immer ist es aber der inkarnierte Geist, der so wie er will, auf den ihn umkleidenden Stoff einwirkt. Ein Geist kann sich nicht an die Stelle des inkarnierten setzen, weil Geist und Leib verbunden sind und bleiben bis zu der Zeit, die jenem als Ziel seiner stofflichen Existenz gesetzt ist.“
„Ja, und das sind die wahren Besessenen. Wisse aber, dass diese Herrschaft nie ohne die Teilnahme des Beherrschten selbst zustande kommt, sei es nun durch seine Schwachheit oder auf seinen Wunsch. Oft hat man Epileptiker und Wahnsinnige für Besessene gehalten, während sie doch eher des Arztes, als des Beschwörers bedurft hätten.“
Das Wort Besessener setzt seinem landläufigen Sinn nach das Dasein von Dämonen, d. h. einer Gattung von bösartigen Wesen und das Zusammenwohnen eines solchen Wesens mit der Seele im Leib eines Individuums voraus. Da es nun aber keine Dämonen in diesem Sinne gibt und nicht zwei Geister zugleich in demselben Leib wohnen können, so gibt es auch keine Besessenen in dem diesem Wort beigelegten Sinn. Das Wort „Besessener“, kann nur die unbedingte Abhängigkeit der Seele von sie unterjochenden, unvollkommenen Geistern bedeuten.
475. Kann man die bösen Geister selbst entfernen und sich von ihrer Herrschaft befreien?
„Man kann immer ein Joch abwerfen, wenn man den festen Willen dazu hat.“
„Wenn es ein guter Mensch ist, so kann sein Wille da helfen, indem er den Beistand guter Geister anruft; denn je besser ein Mensch ist, desto mehr Gewalt hat er über die unvollkommenen Geister sie zu entfernen, und über die guten sie herbeizuziehen. Jedoch bliebe er ohnmächtig, wenn der Unterjochte nicht mithilft. Es gibt Leute, welche sich in einer Abhängigkeit gefallen, die nach ihrem Wunsch und Geschmack ist. Jedenfalls kann, wer nicht reinen Herzens ist, keinerlei Einfluss ausüben; die guten Geister meiden ihn und die bösen fürchten ihn nicht.“
477. Besitzen die Beschwörungsformeln irgendwelche Wirksamkeit gegenüber den bösen Geistern?
„Nein; wenn diese Geister jemanden die Sache ernsthaft nehmen sehen, so lachen sie noch hartnäckiger.“
„Ihre Geduld zu ermüden, in keiner Weise ihren Einflüsterungen Gehör zu geben, ihnen zu zeigen, dass sie nur ihre Zeit verlieren. Wenn sie dann sehen, dass sie nichts zu tun bekommen, so entfernen sie sich.“
„Das Gebet ist in allem von mächtiger Hilfe; glaubt aber nicht dass es genügt, einige Worte zu murmeln, um zu erlangen, was man wünscht. Gott hilft denen, die da handeln und nicht denen, die sich mit dem Bitten begnügen. Der Besessene muss somit seinerseits das Nötige tun, um in sich selbst die Ursache zu zerstören, welche die bösen Geister herbeilockt.“
„Das hängt von der Auslegung ab. Wenn ihr den „Teufel“ einen bösen Geist nennt, der einen Menschen unterjocht, so wird er, wenn sein Einfluss zerstört ist, in Wahrheit ausgetrieben sein. Schreibt ihr eine Krankheit einem Teufel zu, so könnt ihr, wenn ihr die Krankheit geheilt habt, ebenfalls sagen, ihr habt den Teufel ausgetrieben. Es kann etwas wahr oder falsch sein, je nach dem Sinn, den man den Worten beilegt. Die größten Wahrheiten können ungereimt erscheinen, wenn man nur auf die Form sieht und das Bild für Wirklichkeit nimmt. Erkennt das wohl und behaltet es: Es findet allgemein Anwendung.“
Konvulsionäre
„Ja, eine sehr große, so wie auch der Magnetismus, der hier die nächste Quelle ist. Diese Wirkungen wurden jedoch von Marktschreiern ausgebeutet und übertrieben, so dass sie ins Lächerliche gezogen wurden.“
481a. Welcher Art sind allgemein die Geister, die bei dieser Art von Erscheinungen mitwirken?
„Nicht sehr hoher Art. Glaubt ihr denn, dass höhere Geister sich mit solchen Dingen abgeben?“
„Wirkungen der Sympathie: Die moralischen Stimmungen teilen sich in gewissen Fällen sehr leicht mit. Ihr steht den magnetischen Wirkungen nicht fern genug, um dies nicht einzusehen und den Anteil zu begreifen, den gewisse Geister aus Sympathie an denjenigen nehmen, welche sie anrufen.“
Unter den seltsamen Eigentümlichkeiten, die man bei dem Konvulsionär beobachtet, erkennt man ohne Mühe solche, wie sie der Somnambulismus und Magnetismus in zahlreichen Beispielen darbieten; so die körperliche Unempfindlichkeit, das Erkennen der Gedanken, die sympathische Übertragung der Schmerzen u. s. w. Ohne Zweifel befinden sich also diese Leute in einer Art von wachem Somnambulismus, der durch den Einfluss zustande kommt, den sie gegenseitig aufeinander ausüben. Ohne es zu wissen, sind sie Magnetisierende und Magnetisierte zugleich.
Die fanatische Überspannung und die Begeisterung bieten oft bei Hinrichtungen Beispiele von Ruhe und Kaltblütigkeit dar, welche über einen heftigen Schmerz die Oberhand nicht gewinnen könnten, wenn man nicht annehmen wollte, dass das Empfindungsvermögen durch eine Art von schmerztilgender Ursache aufgehoben wird. Man weiß, dass in der Hitze des Kampfes oft eine schwere Verwundung nicht bemerkt wird, während unter gewöhnlichen Umständen eine einfache Ritzung Zucken erregt.
Da nun diese Erscheinungen von einer physischen Ursache und von der Tätigkeit gewisser Geister abhängen, so kann man die Frage aufwerfen, wie es von amtlicher Seite abhängen konnte, sie in gewissen Fällen zu beenden? Der Grund ist einfach folgender. Die Wirkung der Geister steht hier nur in zweiter Linie: sie benutzen nur eine natürliche Veranlagung. Die Obrigkeit hat letztere nicht unterdrückt, wohl aber die Ursache, von welcher dieselbe unterhalten und verstärkt wurde. Was früher äußerlich hervortrat, wurde nach innen getrieben und blieb im Verborgenen, und sie hatte Recht so zu handeln, weil Missbrauch und Ärgernis eingetreten war. Übrigens ist eine solche Intervention bekanntlich wirkungslos, wenn die Einwirkung der Geister eine unmittelbare und selbständige ist.
Zuneigung der Geister zu gewissen Personen
„Die guten Geister sympathisieren mit den guten oder wenigstens besserungsfähigen Menschen, die niederen Geister mit den lasterhaften Menschen oder solchen, die es werden können. Daher ihre Zuneigung, die Folge der Verwandtschaft der Empfindungen.“
„Die wahre Zuneigung hat nichts Fleischliches. Wenn aber ein Geist sich an eine Person anschließt, so geschieht dies nicht immer aus Zuneigung, es kann sich vielmehr auch die Erinnerung an menschliche Leidenschaften hineinmischen.“
„Die guten Geister tun so viel Gutes wie möglich und freuen sich über alle eure Freuden. Sie betrüben sich über euer Unglück, wenn ihr es nicht mit Ergebung tragt, weil es für euch ohne Folge bleibt; denn dann gleicht ihr dem Kranken, der die bittere Arznei zurückweist, die ihn heilen sollte.“
„Euer Egoismus und eure Hartherzigkeit: von da kommt alles. Sie lachen über alle jene eingebildeten Übel, welche aus dem Hochmut und dem Ehrgeiz stammen; sie freuen sich über die, welche die Wirkung haben, eure Prüfungszeit abzukürzen.“
Die Geister wissen, dass das leibliche Leben vorübergeht und dass dessen Trübsale nur Mittel sind zu einem besseren Zustand zu gelangen, sie betrüben sich daher für uns mehr über die moralischen Ursachen, welche uns von letzterem entfernen, als über die körperlichen, welche nur vorübergehend sind.
Die Geister kümmern sich wenig um die Übel, die nur unseren weltlichen Sinn betreffen, wie wir es mit den kindischen Kümmernissen unserer Jugend tun. Der Geist, der in den Trübsalen des Lebens ein Mittel zum Fortschreiten für uns erblickt, betrachtet sie als eine augenblickliche Krise, welche den Kranken retten soll. Er nimmt an unseren Schmerzen teil, wie wir an denen eines Freundes. Da er aber die Dinge von einem richtigeren Standpunkt ansieht, so beurteilt er sie auch anders als wir und während die guten unseren Mut im Interesse unserer Zukunft erhöhen, reizen uns die anderen zur Verzweiflung in der Hoffnung, ihn bloßzustellen.
„Gewiss, und oft beschützen sie euch als Geister, soweit ihr Können reicht.“
488a. Freuen sie sich über die Liebe, die wir ihnen bewahren?
„Gar sehr: aber sie vergessen die, von welchen sie selbst vergessen werden.“
Schutzengel; Schutzgeister, Sympathische oder familiäre Geister
489. Gibt es Geister, die einem Individuum besonders anhängen, um es zu beschützen?„Ja, der `geistige Bruder´. Ihr nennt ihn den `guten Geist´.
490. Was ist unter einem Schutzengel zu verstehen?
„Der Schutzgeist aus einer höheren Rangstufe.“
„Sie ist die eines Vaters für seine Kinder: Seinen Schützling auf den guten Weg zu führen, ihn mit seinem Rat zu unterstützen, in Trübsalen zu trösten, seinen Mut in den Prüfungen des Lebens zu heben.“
„Von der Geburt bis zum Tod und oft folgt er ihm nach letzterem in das geistige Leben, selbst in mehrere leibliche Daseinsformen, denn diese erscheinen nur als sehr kurze Existenzen im Vergleich mit dem Leben des Geistes.“
„Der Geist hat die Pflicht, über euch zu wachen, weil er diese Aufgabe übernommen hat; er hat aber die Wahl zwischen den Wesen die ihm sympathisch sind. Für die einen ist es eine Freude, für andere eine Sendung oder eine Pflicht.“
493a. Verzichtet der Geist, wenn er sich mit einer Person verbindet, auf die Beschützung anderer Individuen?
„Nein, aber er übt sie nun weniger ausschließlich aus.“
„Es geschieht zuweilen, dass gewisse Geister ihre Stellung verlassen, um verschiedene Missionen zu erfüllen, dann werden sie aber durch einen anderen ersetzt.“
„Er entfernt sich, wenn er seinen Rat als vergeblich betrachten muss und wenn der Wille, sich dem Einfluss der niederen Geister hinzugeben, die Oberhand gewinnt. Ganz verlässt er ihn aber nie, sondern macht sich stets hörbar. Dann ist es der Mensch der seine Ohren verschließt. Der Schutzgeist kehrt zurück, sobald man ihn ruft.
Es gibt eine Lehre, welche durch ihren Reiz und ihre Lieblichkeit auch die Ungläubigsten bekehren sollte: Die Lehre von den Schutzengeln. Sich denken, dass man stets höhere Wesen um sich hat, welche da sind, um euch zu beraten, zu stärken, um euch die raue Höhe des Guten erklimmen zu helfen, welche höhere und ergebenere Freunde sind, als die innigste Verbindung, die man auf dieser Erde knüpfen könnte, ist das nicht ein hochtröstlicher Gedanke? Diese Wesen sind da auf Gottes Befehl: Er hat sie euch zugesellt, durch Gottes Willen sind sie da und vollführen bei euch eine schöne, aber mühsame Sendung. Ja, wo ihr auch sein mögt, der Freund wird mit euch sein: die Gefängnisse, die Spitäler, die Orte der Lust und der Laster, die Einsamkeit, nichts trennt euch von ihm, den ihr nicht sehen könnt, von dem aber eure Seele die sanftesten Antriebe verspürt und seine weisen Ratschläge hört?
Dass ihr diese Wahrheit nicht besser kennt! Wie oft würde sie euch helfen in Zeiten der Not, wie oft euch vor den bösen Geistern retten! Am besagten Tag aber wird jener Engel euch oft zu sagen haben: „Sagte ich es dir nicht? Aber du tatest es nicht! Zeigte ich dir nicht den Abgrund? Aber du stürztest dich doch hinein! Ließ ich nicht in deinem Gewissen die Stimme der Wahrheit vernehmen und du folgtest dem Rat der Lüge? Oh, befragt eure Schutzengel, befestigt zwischen ihnen und euch jenen zarten, innigen Verkehr, der zwischen den besten Freunden stattfindet. Glaubt nicht ihnen etwas zu verbergen, denn sie sind das Auge Gottes und ihr könnt sie nicht betrügen. Bedenkt die Zukunft, trachtet fortzuschreiten in diesem Leben, eure Prüfungen werden umso kürzer, euer Dasein umso glücklicher sein. Wohlan, Menschen, fasst Mut, werft weit von euch weg, ein für alle Mal, Vorurteile und Hintergedanken. Tretet ein in die neue Laufbahn die sich vor euch auftut: Schreitet voran, ihr habt Führer, folgt ihnen. Das Ziel könnt ihr nicht verfehlen, euer Ziel ist Gott selbst.
Denen, welche etwa denken, es sei für wahrhaft hohe Geister unmöglich, sich an eine so mühsame und jeden Augenblick beanspruchende Aufgabe zu machen, sagen wir, dass wir auf eure Seelen wirken, wenn wir auch Millionen von Meilen von euch weg sind. Für uns gibt es keinen Raum und, leben wir auch in einer anderen Welt, so behalten doch unsere Geister ihre Verbindung mit der eurigen. Wir besitzen Eigenschaften, die ihr nicht verstehen könnt; aber dessen seid gewiss, Gott hat uns keine Aufgabe gestellt, die über unsere Kräfte geht und euch hat er nicht einsam auf Erden zurückgelassen ohne Freunde und ohne Stützen. Jeder Schutzengel hat seinen Schützling, über den er wacht, wie der Vater über sein Kind. Er ist glücklich, wenn er ihn auf dem guten Weg erblickt; er seufzt, wenn sein Rat verkannt wird. Fürchtet nicht, uns mit euren Fragen zu ermüden, bleibt vielmehr stets in Berührung mit uns; ihr werdet stärker und glücklicher sein. Dieser Verkehr jedes Menschen mit seinem Schutzgeist ist es, der alle Menschen zu Mittlern macht, zu Mittlern, welche, heute noch unbekannt, einst sich zu erkennen geben und welche sich gleich einem uferlosen Weltmeer verbreiten werden, den Unglauben und die Unwissenheit zu verdrängen. Unterrichtete Menschen, begabte Menschen, erzieht eure Brüder. Ihr wisst nicht, was für ein schönes Werk ihr also erfüllt. Es ist das Werk Christi, das Gott euch auferlegt. Wozu hat euch Gott Intelligenz und Wissenschaft gegeben? Es sei denn, dass ihr davon euren Brüdern berichtet, um sie auf dem Weg des Glücks und der ewigen Seligkeit zu fördern?“
hl. Augustinus, hl. Ludwig
Die Lehre von den Schutzengeln, die trotz der Entfernung der Welten über ihre Schützlinge wachen, hat nichts Überraschendes, sie ist im Gegenteil groß und erhaben. Sehen wir nicht auch auf Erden den Vater über sein Kind wachen, wenn er auch von ihm entfernt ist, sehen wir ihn nicht in die Ferne ihm Ratschläge erteilen? Was läge also Verwunderliches darin, dass die Geister ihre Schützlinge von einer Welt aus in einer anderen leiten könnten, da ja die Entfernung, welche die Welten trennt, für sie geringer ist, als die zwischen den Erdteilen? Haben sie nicht außerdem noch das allgemeine Fluidum, welches alle Welten untereinander verbindet, jenes großartige Beförderungsmittel der Gedanken, wie für uns die Luft dasjenige des Schalls ist?
„Die guten Geister erweisen nie Böses, sie überlassen dies denen, die an ihre Stelle treten. Dann klagt ihr über das Unglück, das euch trifft, während es doch euer eigenes Werk ist.“
„Es besteht eine Vereinigung der bösen Geister, um die Wirksamkeit der Guten aufzuheben; wenn es aber der Schützling will, so kann er seinem guten Geist die ganze Kraft zurückgeben. Der Schutzgeist findet vielleicht den guten Willen zu helfen bei einem anderen Menschen und diesen benutzt er bis zu seiner Rückkehr zu seinem Schützling.“
„Das geschieht nicht, weil er nicht kann, sondern weil er nicht will; sein Schützling geht aus den Prüfungen vollkommener und erfahrener hervor. Er steht ihm mit seinem Rat bei, durch die guten Gedanken, die er ihm eingibt, auf die aber unglücklicherweise nicht immer geachtet wird. Nur die Schwachheit, Gleichgültigkeit oder der Hochmut des Menschen geben den bösen Geistern Macht, und ihre Gewalt über euch kommt nur daher, dass ihr ihnen keinen Widerstand entgegensetzt.“
„Es gibt Umstände, unter denen der Schutzgeist nicht von Nöten ist bei seinem Schützling.“
„Ja, wenn er dazu gelangt ist, sich selbst leiten zu können, sowie es ja auch eine Zeit gibt, wo der Schüler des Lehrers nicht mehr bedarf. Das geschieht aber nicht auf eurer Erde.“
„Würdet ihr mit deren Unterstützung rechnen, so würdet ihr nicht aus euch selbst handeln und euer Geist schritte nicht fort. Hierzu bedarf er der Erfahrung und oft ist es notwendig, dass er sie auf seine eigenen Kosten macht. Er muss seine Kräfte üben, sonst wäre er gleich einem Kind, das man nicht gehen lehrt. Die Wirksamkeit der Geister, die euch wohlwollen, ist immer so eingerichtet, dass euch euer freier Wille bleibt. Sonst hättet ihr keine Verantwortlichkeit, ihr würdet nicht auf dem Weg der euch zu Gott führen soll fortschreiten. Der Mensch, der seinen Rückhalt nicht sehen kann, stützt sich auf die eigene Kraft, dennoch wacht sein Schutzgeist über ihm und ruft ihm von Zeit zu Zeit zu, sich vor Gefahren zu hüten.“
„Es ist dies ein Verdienst, dem Rechnung getragen wird, sei es für seinen eigenen Fortschritt, sei es für sein Glück. Er ist glücklich, wenn er seine Bemühungen mit Erfolg gekrönt sieht, er freut sich darüber, wie der Lehrer über die Erfolge seines Schülers.“
502a. Ist er dafür verantwortlich, wenn er keinen Erfolg hat?
„Nein, er tat ja, was er konnte.“
„Er seufzt über dessen Irrtümer, er beklagt ihn. Diese Empfindung ist aber nicht gleich der Angst des irdischen Vaters, weil er weiß, dass das Übel wieder gut gemacht werden kann und das, was heute nicht geschieht, morgen geschehen kann.“
„Wie wollt ihr Namen wissen, die nicht für euch existieren? Meint ihr denn, es gäbe unter den Geistern nur die, welche ihr kennt?“
504a. Wie soll man ihn denn anrufen, wenn man ihn nicht kennt?
„Gebt ihm welchen Namen ihr wollt, denjenigen eines höheren Geistes, für den ihr Sympathie oder Verehrung habt, euer Schutzgeist wird auf diesen Ruf sich nahen, denn alle guten Geister sind Brüder und helfen sich untereinander.“
„Nein, aber Geister, die ihnen sympathisch sind und die oft auf ihren Befehl kommen. Ihr bedürft der Namen: da nehmen sie denn einen an, der euch Vertrauen einflößt. Wenn ihr selbst nicht in Person eine Aufgabe übernehmen könnt, so schickt ihr ja auch eine Vertretung, die in eurem Namen handelt.“
506. Werden wir einst im geistigen Leben unseren Schutzgeist wieder – erkennen?
„Ja, denn oft kennt ihr ihn schon vor eurer Inkarnation.“
„Er kann es, aber Schutz setzt einen gewissen Grad von Erhöhung und eine von Gott gewährte größere Tugend oder Macht voraus. Der väterliche Schutzgeist des Kindes kann selbst von einem, über ihm stehenden Geist unterstützt werden.“
„Ihre Macht ist mehr oder weniger eingeschränkt Ihre Stellung lässt ihnen nicht immer die volle Freiheit des Handelns.“
„Jeder Mensch hat einen Geist, der über ihm wacht, aber die Missionen richten sich nach ihrem Gegenstand. Einem Kind, das Lesen lernen soll, gebt ihr nicht einem Professor der Philosophie. Die Vorgeschrittenheit des familiären Geistes richtet sich nach der seines Schützlings. Während ihr selbst einen höheren Geist habt der über euch wacht, könnt ihr dennoch wieder der Beschützer eines niedrigeren Geistes werden, als ihr seid und die Fortschritte, die ihr ihn lehrt, werden zu eurem eigenen Gedeihen beitragen. Gott verlangt von keinem Geist mehr, als sich mit seiner Natur und der Stufe, die er erreicht hat, verträgt.“
„Das ist schwieriger; aber er bittet dann in einem Augenblick der Befreiung einen sympathischen Geist, ihn in dieser Mission zu unterstützen. Übrigens übernehmen die Geister nur solche Sendungen, die sie auch zu Ende führen können. Der inkarnierte Geist ist, besonders auf den Welten, wo das Dasein ein stoffliches ist, zu sehr von seinem Leib abhängig, um sich der Aufgabe ganz und in eigener Person hingeben zu können. Darum werden die, welche selbst noch nicht hoch genug stehen, von höher stehenden Geistern unterstützt, so dass, wenn der eine aus irgendwelchem Grund nicht zur rechten Zeit bei der Hand ist, ein anderer ihn ersetzt.“
„An ihn gebunden wäre nicht das rechte Wort. Die bösen Geister suchen allerdings die Menschen vom guten Weg abzubringen, wenn die Gelegenheit sich findet, wenn sich aber einer von ihnen zu einem gesellt, so tut er es von sich aus, weil er gehört zu werden hofft. Dann gibt es einen Kampf zwischen dem Bösen und dem Guten und welchem der Mensch die Herrschaft über sich lässt, dem fällt sie auch zu.“
„Jeder Mensch hat stets mehr oder weniger hohe sympathische Geister, die ihn lieben und sich für ihn interessieren, so wie ihn wieder andere im Bösen unterstützen.“
„Zuweilen können sie eine zeitliche Mission haben, meistens aber werden sie nur von der Ähnlichkeit der Gedanken und Gefühle im Guten wie im Bösen angetrieben.“
513a. Daraus scheint zu folgen, dass die sympathischen Geister sowohl gut als böse sein können?
„Ja, der Mensch findet stets Geister, die mit ihm sympathisieren, welches auch sein Charakter sein mag.“
Es gibt viele Abstufungen des gewährten Schutzes und der Sympathie, nennt sie, wie ihr wollt. Der sogenannte vertraute Geist ist vielmehr der Freund des Hauses.“
Aus den obigen Erklärungen und den Beobachtungen über die Natur der Geister, die sich dem Menschen anschließen, kann folgendes geschlossen werden: Der Schutzgeist, Schutzengel oder gute Genius ist derjenige, welcher die Mission hat, dem Menschen im Leben zu folgen und ihn in seinem Fortschreiten zu fördern. Er ist stets höherer Natur als der Schützling.
Die vertrauten Geister schließen sich gewissen Personen durch mehr oder weniger dauerhafte Bande an, in der Absicht, ihnen innerhalb der Grenzen ihrer, oft ziemlich beschränkten Macht nützlich zu sein. Sie sind gut, aber zuweilen nicht sehr fortge – schritten, und selbst etwas leichtsinnig. Sie beschäftigen sich gern mit den Einzelheiten des vertrauteren Lebens und handeln nur auf Befehl oder mit der Erlaubnis der Schutzgeister.
Die sympathischen Geister sind die, welche durch unsere besonderen Zuneigungen oder eine gewisse Ähnlichkeit des Geschmacks und des Gefühls sowohl im Guten wie im Schlimmen sich zu uns hingezogen fühlen. Die Dauer ihrer Beziehungen zu uns ist fast immer von den Umständen abhängig.
Der böse Geist ist ein unvollkommener oder vom Weg abge – kommener Geist, der sich dem Menschen in der Absicht anschließt, ihn vom Guten abzubringen. Allein er handelt auf eigenen Antrieb und nicht Kraft einer Mission. Seine Ausdauer steht im Verhältnis zur Aufnahme, die er findet. Der Mensch ist stets frei, auf seine Stimme zu hören oder ihn zurückzuweisen.
„Gewisse Personen üben in der Tat auf andere eine Art von unwiderstehlichem Zauber aus. Geschieht dies in schlimmem Sinn, so sind es böse Geister, deren sich andere böse Geister bedienen, um euch leichter zu unterjochen. Gott kann dies zulassen, um euch zu prüfen.“
„Das kommt zuweilen vor; oft aber beauftragen sie damit auch andere inkarnierte Geister, welche ihnen sympathisch sind.“
„Gewisse Geister schließen sich den Gliedern einer und derselben Familie an, welche durch Liebe geeint ist, glaubt jedoch nicht an Schutzgeister des Ahnenstolzes.“
„Die Geister gehen vorzugsweise dahin, wo sie ihresgleichen finden, hier befinden sie sich besser und sind sicherer, gehört zu werden. Der Mensch zieht die Geister je nach seinem Treiben an, ob er nun allein sei oder eine Gesamtheit bildet, wie eine Gesellschaft, eine Stadt oder ein Volk. Es gibt also Gesellschaften, Städte, Völker, welche von Geistern unterstützt werden, die je nach den dort herrschenden Charakteren oder Leidenschaften mehr oder weniger erhaben sind. Die unvollkommenen Geister entfernen sich von denen, die sie zurückweisen; hieraus folgt, dass die moralische Vervollkommnung der Gesamtheiten oder Kollektiv – Individuen, wie die der Einzelindividuen darauf gerichtet ist, die bösen Geister zu entfernen und die guten anzuziehen, welche den Sinn für das Gute in der Menge erregen und unterhalten, sowie andere hier die üblen Leidenschaften entflammen können.“
„Ja, denn diese Vereinigungen sind Kollektiv – Individualitäten, welche nach einem gemeinschaftlichen Ziel sich bewegen und einer höheren Leitung bedürfen.“
520. Sind die Schutzgeister der Massen höherer Natur als die, welche sich den Einzelnen anschließen?
„Alles steht im Verhältnis zum Fortschritt der Massen wie der Einzelnen.“
„Es gibt besondere Schutzgeister, welche die sie Anrufenden, wenn sie würdig sind, unterstützen. Was sollen sie aber mit denen tun, welche etwas zu sein meinen, das sie nicht sind? Die Blinden können sie nicht sehend, noch die Tauben hörend machen.“
Die Alten hatten aus ihnen besondere Gottheiten gemacht. Die Musen waren nur eine allegorische Personifikation der Schutzgeister der Wissenschaften und Künste, sowie sie mit dem Namen Laren und Penaten die Schutzgeister der Familie bezeichneten. Auch bei den Neueren haben die Künste, die verschiedenen Industrien, die Städte, Gegenden ihre Schutzpatrone, die nichts anderes sind, als höhere Geister, nur unter anderen Namen. Da jeder Mensch seine sympatischen Geister hat, so folgt daraus, dass bei den Kollektivindividuen die Gesamtheit der sympathischen Geister mit derjenigen der Individuen in Beziehung steht, dass die fremden Geister durch Gleichheit der Neigungen und Gefühle dahin gezogen werden, kurz, dass diese Vereinigungen so gut wie die Einzelmenschen mehr oder weniger umgeben, unterstützt, beeinflusst sind je nach der Denkweise der Menge.
Bei den Völkern sind es die Sitten, Gewohnheiten, der herrschende Charakter, besonders die Gesetze in denen sich der National – charakter abspiegelt, welche den Grund der Anziehung für die Geister bilden. Die Menschen, welche die Gerechtigkeit unter sich zur Herrschaft bringen, bekämpfen den Einfluss der bösen Geister. Überall wo die Gesetze ungerechte, der Menschlichkeit widersprechende Dinge heiligen, sind die guten Geister in der Minderheit und die Menge der herbeiströmenden Bösen unterhält die Nation in ihren Ideen und entkräftet die einzelnen guten Einflüsse, die sich in der Menge verlieren wie ein vereinzeltes Korn inmitten des Unkrauts. Beim Studium der Sitten eines Volkes oder überhaupt jeder Vereinigung von Menschen ist es daher leicht, sich eine Vorstellung der verborgenen Bevölkerung zu machen, die sich in ihre Handlungen und Gedanken mischt.
Vorahnungen
„Die Vorahnung ist stets der vertraute und geheime Rat eines euch wohlwollenden Geistes. Sie liegt auch in der Intuition einer getroffenen Wahl; sie ist die Stimme des Instinkts. Der Geist hat vor seiner Inkarnation Kenntnis von den hauptsächlichsten Wandlungen seiner Existenz, d.h. der Art von Prüfungen, die er übernimmt. Sind sie von einem hervortretenden Charakter, so bewahrt er davon eine Art von Eindruck in seinem Inneren und dieser, der die Stimme des Instinkts ist, die sich beim Herannahen des Zeitpunkts regt, wird zur Vorahnung.“
„Bist du in Ungewissheit, so rufe deinen guten Geist an oder bitte unserer aller Herr, Gott, dass er dir einen seiner Boten, einen der Unsrigen sende.“
„Alles: sie suchen euch so gut als möglich leben zu machen; aber oft verschließt ihr dem guten Rat die Ohren und werdet unglücklich durch eure eigenen Fehler.“
Die Schutzgeister helfen uns mit ihren Ratschlägen durch die Stimme des Gewissens, die sie in uns ertönen lassen. Da wir derselben oft nicht das nötige Gewicht beilegen, geben sie uns deren noch unmittelbarere, indem sie sich der Personen unserer Umgebung bedienen. Es prüfe jeder die verschiedenen glücklichen und unglücklichen Umstände seines Lebens und er wird entdecken, dass er bei gar vielen Gelegenheiten Ratschläge empfing, die er nicht immer benutzte und die ihm sehr viele Unannehmlichkeiten erspart hätten, wenn er auf sie gehört hätte.
Einfluss der Geister auf Lebensereignisse
„Gewiss, da sie dir ja Rat erteilen.“
525a. Üben sie diesen Einfluss auch anders als durch Gedanken aus, die sie uns eingeben, d.h. haben sie eine unmittelbare Wirksamkeit bei der Ausführung der Dinge?
„Ja, aber sie handeln nie außerhalb der Grenzen der Naturgesetze.“
Wir bilden uns fälschlich ein, die Wirksamkeit der Geister könne sich nur durch außergewöhnliche Manifestationen äußern; wir möchten sie gerne mit Wundern uns zu Hilfe kommen sehen und stellen sie uns stets als mit einem Zauberstab bewaffnet vor. So ist es aber nicht und darum scheint uns ihr Wirken verborgen und was durch ihre Mitwirkung geschieht, ganz natürlich. So können sie z. B. das Zusammentreffen zweier Personen veranlassen, die nun meinen, sich zufällig zu begegnen; sie geben einem den Gedanken ein, bei dem und dem Ort vorbeizugehen, sie lenken seine Aufmerksamkeit auf den und den Punkt, wenn es den von ihnen gewünschten Erfolg herbeiführen soll, so dass der Mensch, indem er seinem eigenen Antrieb zu folgen meint, stets seinen freien Willen behält.
„Es ist ganz richtig, dass die Geister eine Wirksamkeit über den Stoff ausüben, jedoch nur zur Ausführung der Naturgesetze und nicht um sie zu durchbrechen, in dem sie an einem bestimmten Punkt ein unerwartetes Ereignis herbeiführen, das jenen Gesetzen widerspricht. In dem von dir angeführten Beispiel brach die Leiter, weil sie wurmstichig oder nicht stark genug war, die Last des Mannes zu tragen. Lag es in der Bestimmung dieses Menschen, auf diese Weise umzukommen, so geben sie ihm den Gedanken ein, diese Leiter zu besteigen, die unter seiner Last brechen musste und sein Tod findet durch eine natürliche Wirkung, ohne dass ein Wunder dazu nötig ist.“
„Das ist wieder dasselbe. Der Blitz schlug in diesen Baum ein und in diesem bestimmten Augenblick, weil es so in den Naturgesetzen lag. Er wurde nicht gegen diesen Baum gerichtet, weil der Mensch darunter war, aber dem Menschen war der Gedanke eingegeben, sich unter einen Baum zu flüchten, in den der Blitz einschlagen sollte, denn der Baum wäre nicht minder getroffen worden, ob der Mensch darunter war oder nicht.“
„Wenn die Person nicht getroffen werden soll, so wird der wohlwollende Geist ihr den Gedanken eingeben sich abzuwenden oder er kann auch ihren Feind so blenden, dass er schlecht zielt, denn ist einmal das Geschoß geschleudert, so folgt es der Bahn, die es durchlaufen muss.“
„Reine Einbildungen. Der Mensch liebt das Wunderbare und begnügt sich nicht mit den Wundern der Natur.“
529a. Können die Geister, welche die Ereignisse des Lebens lenken, von Geistern, die das Gegenteil wollen gehindert werden?
„Was Gott will, muss geschehen. Tritt eine Verzögerung oder ein Hindernis ein, so geschieht auch dies mit seinem Willen.“
„Sie gefallen sich in diesen Plackereien, die für euch Prüfungen abgeben, um euch in der Geduld zu üben. Aber sie werden müde, wenn sie sehen, dass sie nicht zum Ziel kommen. Indessen wäre es weder gerecht noch richtig, jedes Mal, wenn ihr euch verrechnet habt, es ihnen aufzubürden, während vielleicht ihr selbst es durch eure Unüberlegtheiten verschuldet; denn glaube mir nur, wenn dir Schüssel oder Teller zerbricht, so kommt das viel wahrscheinlicher von deiner Ungeschicklichkeit, als von den Geistern.“
530a. Handeln die Geister, die dergleichen Plackereien anstellen, aus persönlicher Gereiztheit, oder werfen sie sich auf den ersten Besten ohne bestimmten Grund, einzig und allein aus Bosheit?
„Das eine und das andere. Zuweilen sind es Feinde, die man sich in diesem oder in einem anderen Leben gemacht hat und die einen nun verfolgen, ein anderes Mal liegen gar keine Gründe vor.“
„Oft sehen sie ihr Unrecht ein und erkennen das Böse, das sie getan haben; oft aber auch verfolgen sie euch noch ferner, wenn Gott es zulässt, um eure Prüfungen fortzusetzen.“
531a. Kann man hier ein Ende machen und durch was für Mittel?
„Ja, man kann für sie beten und wenn man ihnen Böses mit Gutem vergilt, erkennen sie endlich ihr Unrecht. Übrigens, wenn man sich über ihre Ränke erhaben zeigt, so hören sie endlich damit auf, weil sie sehen, dass sie nichts ausrichten.“
Die Erfahrung lehrt, dass gewisse Geister ihre Rache von einer Existenz auf die andere übertragen und dass man so früher oder später das Unrecht, das man gegen jemanden ausübte, büßen muss.
„Nicht ganz, denn es gibt Übel, die in den Beschlüssen der Vorsehung liegen: hingegen können sie eure Schmerzen lindern, indem sie euch Geduld und Ergebenheit eingeben.
Wisset auch, dass es oft von euch selbst abhängt, solche Übel abzuwenden, oder wenigstens abzuschwächen. Gott hat euch den Verstand gegeben, um denselben zu gebrauchen und gerade hierin kommen euch die Geister zu Hilfe, indem sie euch gute Gedanken eingeben. Aber sie helfen nur denen, die sich selbst zu helfen wissen. Das ist der Sinn jener Worte: „Sucht, so werdet ihr finden, klopft an, so wird euch aufgetan.
Wisset auch das noch, dass, was euch ein Übel scheint, oft keines ist. Oft soll daraus etwas Gutes hergehen, das größer ist als das Übel und das begreift ihr dann nicht, weil ihr nur an den Augenblick denkt oder an euer liebes Ich.“
„Zuweilen als Prüfung: oft aber weigern sie sich, wie man einem Kind eine unbedachte Bitte abschlägt.“
533a. Sind es die guten oder die bösen Geister, die diese Vergünstigungen erteilen?
„Die einen wie die anderen, das hängt von der Absicht ab; meistens aber sind es die Geister, die euch zum Bösen verleiten möchten und die in den Genüssen, die das Glück bietet, dazu ein leichtes Mittel finden.“
„Zuweilen sind es die Geister, andere Male und gewöhnlich benehmt nur ihr selbst euch dabei nicht, wie ihr solltet. Stellung und Charakter haben hier großen Einfluss. Wenn ihr hartnäckig auf einem Weg besteht, der nicht euer Weg ist, so haben die Geister damit nichts zu schaffen. Ihr selbst seid nur euer eigener böser Geist.“
„Dankt zunächst Gott, ohne dessen Zulassen nichts geschieht, sodann den guten Geistern, die seine Diener waren.“
535a. Was geschähe, wenn man den Dank vernachlässigte?
„Was den Undankbaren geschieht.“
535b. Doch gibt es Leute, die weder beten noch danken und denen doch alles gelingt?
„Ja, aber warte auf das Ende. Sie werden ihr vergängliches Glück teuer bezahlen; denn je mehr sie empfangen haben, desto mehr haben sie wieder zu erstatten.“
Einwirkung der Geister auf Naturerscheinungen
„Alles hat seinen Grund und nichts geschieht ohne die Zulassung Gottes.“
536a. Haben diese Erscheinungen stets den Menschen zum Gegenstand?
„Zuweilen haben sie einen den Menschen unmittelbar betreffenden Grund, oft aber dienen sie nur zur Wiederherstellung des Gleichgewichts und der Harmonie der physischen Naturgewalten.“
536b. Wir erkennen gar wohl, dass Gottes Wille die erste Ursache von allem ist, da wir aber wissen, dass die Geister eine Wirkung auf den Stoff ausüben können und dass sie die Diener des Willens Gottes sind, so fragen wir: Ob einige von ihnen nicht einen Einfluss auf die Elemente ausüben dürften, um sie zu erregen, zu stillen und zu lenken?
„Das ist außer Zweifel und kann nicht anders sein: Gott übt keine unmittelbare Wirkung auf den Stoff aus, dazu hat er seine ergebenen Diener auf allen Stufen der Welten.“
„So wenig entbehrt es des Grundes, dass er vielmehr noch tief unter der Wahrheit steht.“
537a. Aus demselben Grund könnte es also Geister geben, die das Innere der Erde bewohnen und den geologischen Erscheinungen vorstehen?
„Diese Geister bewohnen nicht gerade die Erde, aber sie regieren doch ihren Befugnissen entsprechend. Einst wird euch die Erklärung aller dieser Erscheinungen offenbar werden und ihr werdet sie besser verstehen.“
„Die es sein werden, oder die es gewesen sind.“
538a. Gehören diese Geister zu den höheren oder niedrigeren Klassen der geistigen Rangordnung?
„Je nachdem ob ihre Aufgabe mehr oder wenig stofflich oder geistig ist: die einen befehlen, die anderen führen aus; diejenigen, die stoffliche Dinge ausführen, sind stets niedrigeren Ranges, bei den Geistern ist es wie bei den Menschen.“
„In unzähligen Massen.“
„Die einen ja, die anderen nein. Machen wir ein Vergleich. Denke dir jene Myriaden von Tierchen, die Inseln und ganze Gruppen von Inseln aus dem Meer emporsteigen lassen. Glaubst du, dass hier kein Zweck der Vorsehung zu Grunde liege und dass diese Umgestaltung der Erdfläche nicht zur allgemeinen Harmonie notwendig sei? Und doch sind es nur Tiere der niedrigsten Stufe, welche diese Dinge vollbringen, indem sie zugleich ihre Bedürfnisse befriedigen, ohne eine Ahnung zu haben, dass sie Gottes Werkzeuge sind. Nun denn!; gerade so sind auch die am weitesten zurückgebliebenen Geister dem Ganzen von Nutzen; während sie sich erst am Leben versuchen und bevor sie noch das volle Bewusstsein ihrer Handlungen und einen freien Willen haben, wirken sie auf gewisse Erscheinungen, deren Diener oder Triebfedern sie sind, ohne es zu wissen.
Zunächst führen sie nur aus, später, wenn ihre Intelligenz weiter entwickelt ist, werden sie befehlen und die Dinge der stofflichen Welt leiten; noch später können sie auch die Dinge der moralischen Welt leiten. So dient alles und verbindet sich alles in der Natur vom ersten Atom bis zum Erzengel, der selbst mit dem Atom begonnen hat, eine wunderbare Harmonie, deren Ganzes euer beschränkter Geist noch nicht zu fassen vermag.“
Geister während der Kämpfe
„Ja, und solche, die ihren Mut entflammen.“ So stellten uns einst die Antiken die Götter, als für das eine oder das andere Volk Partei nehmend dar. Diese Götter waren nichts anderes als versinnbildlichte Geister.
„Ihr wisst ja, dass es Geister gibt, die nur Zwietracht und Zerstörung lieben: Für diese ist der Krieg einfach Krieg, die Gerechtigkeit der Sache berührt sie wenig.“
543. Können gewisse Geister den Feldherrn bei seinen Feldzugsplänen beeinflussen?
„Ohne allen Zweifel. Die Geister können hier wie bei jedem anderen Plan ihren Einfluss üben.“
„Ja; aber hat er nicht seinen freien Willen? Wenn seine Urteilskraft es ihm nicht gestattet, einen richtigen Gedanken von einem falschen zu unterscheiden, so trägt er selbst die Folgen und dann täte er besser zu gehorchen als zu befehlen.“
„Das kommt oft so vor bei einem Mann von Genie, er nennt dies dann Inspiration und dies macht, dass er mit einer Art von Gewissheit handelt. Diese Inspiration kommt von den ihn leitenden Geistern, die seine Fähigkeiten benutzen.“
„Einige tun es, andere entfernen sich.“
In den Schlachten geschieht, was bei allen Fällen gewaltsamen Todes vorkommt: Im ersten Augenblick ist der Geist überrascht und wie verstört und glaubt nicht tot zu sein; er meint noch an der Aktion teilzunehmen; erst allmählich wird ihm die Wirklichkeit klar.
„In diesen Augenblicken ist der Geist nie von kaltem Blut. Im ersten Augenblick kann er seinem Feind noch zürnen, ja ihn noch verfolgen. Kehrt ihm aber die Besonnenheit wieder, so sieht er, dass seine Gereiztheit keinen Gegenstand mehr hat, immerhin aber kann er, je nach seinem Charakter noch Spuren derselben zeigen.“
547a. Vernimmt er noch das Waffengetöse?
„Ja, vollkommen.“
„Es gibt nur selten einen ganz augenblicklichen Tod. Meistens hat der Geist, dessen Leib soeben tödlich getroffen war, in dem Moment kein Bewusstsein davon. Wenn er sich wiederzuerkennen beginnt, dann lässt sich der Geist bemerken, wie er sich zur Seite des Leichnams bewegt. Dies erscheint so natürlich, dass der Anblick des toten Leibes keinerlei unangenehmen Eindruck macht. Da alles Leben sich im Geist zusammendrängt, so lenkt dieser allein die Aufmerksamkeit auf sich. Mit ihm unterhält man sich, ihm gibt man Befehle.“
Von den Geister – Pakten
„Nein, es gibt keine Verträge, sondern nur schlechte Naturen, die mit bösen Geistern sympathisieren. Z.B. du möchtest deinen Nachbarn quälen und du weißt nicht, wie du es anstellen könntest. Dann rufst du niedrige Geister herbei, die, so wie du, nur das Böse wollen und welche, wenn sie dir helfen sollen, von dir verlangen, dass du sie in ihren, schlechten Plänen unterstützest. Daraus folgt aber nicht, dass dein Nachbar sich einst ihrer durch eine entgegengesetzte Beschwörung und durch seinen eigenen Willen entledigen könnte. Wer eine schlechte Handlung begehen will, ruft schon dadurch allein böse Geister zu Hilfe. Dann muss er ihnen dienen, sowie sie ihm; denn auch sie bedürfen seiner zum Bösen, das sie tun wollen. Einzig hierin besteht der Pakt.“
Die zeitweilige Abhängigkeit des Menschen von niedrigen Geistern kommt davon, dass er sich den schlechten von ihnen eingegebenen Gedanken überlässt und nicht von irgendwelchen Abmachungen zwischen ihnen und ihm. Der Pakt im landläufigen Sinne des Wortes ist ein bildlicher Ausdruck, der eine böse Natur, die mit bösen Geistern sympathisiert, bezeichnet.
„Alle Fabeln schließen eine Lehre und einen moralischen Sinn in sich. Ihr tut nur Unrecht, sie wörtlich zu nehmen. Diese ist eine Allegorie, die man in folgender Weise auslegen kann: Wer die Geister zu Hilfe ruft, um von ihnen Glücksgüter oder was sonst für eine Gunst zu erlangen, der murrt gegen die Vorsehung, er verzichtet auf seine Sendung und auf die Prüfungen, die er hier auf Erden bestehen soll und davon wird er die Folgen im künftigen Leben zu tragen haben. Damit ist nicht gesagt, dass seine Seele für immer dem Unglück geweiht sei; aber da er, statt sich vom Stoff frei zu machen, sich immer mehr in denselben versenkt, so wird er, was er auf Erden an Freuden genossen hat, im Reich der Geister nicht mehr besitzen, bis er es durch neue, vielleicht größere und schwerere Prüfungen wieder gut gemacht hat. Durch seine Liebe zu materiellen Genüssen begibt er sich in die Abhängigkeit von den unreinen Geistern: Es ist ein, zwischen diesen und ihm geschlossener stillschweigender Vertrag, der ihn ins Verderben stürzt, den es ihm aber stets leicht ist zu zerreißen mit Hilfe der guten Geister, wenn er den festen Willen hat.“
Geheime Macht. Talismane. Hexerei
551. Kann ein schlechter Mensch mit Hilfe eines ihm ergebenen bösen Geistes seinem Nächsten Übles zufügen?„Nein, Gott ließe es nicht zu.“
„Gewisse Leute besitzen eine sehr große magnetische Kraft, von der sie, wenn ihr eigener Geist böse ist, einen schlechten Gebrauch machen können und in diesem Fall können sie von anderen bösen Geistern unterstützt werden. Glaubt aber nicht an eine solche angebliche magische Gewalt, die nur in der Einbildung abergläubischer Menschen lebt, welche die wahren Naturgesetze nicht kennen. Die Tatsachen, die man hier anführt, sind nichts als schlecht beobachtete und namentlich schlecht verstandene natürliche Tatsachen.“
„Die Wirkung ist, dass sie sich lächerlich machen, wenn sie selbst daran glauben. Im umgekehrten Fall sind sie Schurken, die Züchtigung verdienen. Alle Formeln sind Taschenspielerkünste: Es gibt kein sakramentales Wort, kabbalistisches Zeichen, keinen Talisman, der irgendeine Wirkung auf die Geister ausübte, denn diese werden durch den Gedanken und nicht durch materielle Dinge angezogen.“
553a. Haben nicht gewisse Geister zuweilen selbst kabbalistische Formeln diktiert?
„Ja, ihr habt Geister, die euch Zeichen, sonderliche Wörter angeben oder die euch gewisse Handlungen vorschreiben, mit deren Hilfe ihr sogenannte Beschwörungen vornehmt. Ihr könnt jedoch versichert sein, dass diese Geister nur eurer spotten und eure Leichtgläubigkeit ausbeuten.“
,,Das ist wahr. Aber die Natur des angezogenen Geistes hängt von der Absicht und der Höhe der Gefühle ab. Nun wird der, welcher einfältig genug ist, an die Kraft eines Talismans zu glauben, selten eher einen moralischen als vielmehr einen materiellen Zweck verfolgen. Jedenfalls deutet dies auf eine Kleinlichkeit und Schwäche des Denkens, welche den unvollkommenen und den Spottgeistern Anlass zur Einmischung gibt.“
„Was ihr Hexen nennt, sind Leute, die, wenn aufrichtig, mit gewissen Fähigkeiten wie Magnetismus und zweitem Gesicht begabt sind und die ihr dann, da sie euch unbegreifliche Dinge verrichten, für mit einer übernatürlichen Kraft begabt haltet. Haben nicht eure Gelehrten bei der unwissenden Menge oft genug für Hexen gegolten?“
Der Spiritismus und der Magnetismus geben uns den Schlüssel zu einer Menge von Erscheinungen, auf welche die Unwissenheit eine Unzahl von Fabeln gebaut hat, bei denen die Tatsachen durch die Einbildung übertrieben werden. Das vorurteilslose Verständnis dieser beiden Wissenschaften, die sozusagen nur eine bilden, ist, indem es die Wirklichkeit der Dinge und ihren wahren Zusammenhang zeigt, das beste Schutzmittel gegen abergläubische Vorstellungen, weil man so sieht, was möglich und was unmöglich ist, was in den Naturgesetzen liegt und was nur eine lächerliche Meinung ist.
„Die magnetische Kraft kann sich soweit erstrecken, wenn sie von Reinheit der Gesinnung und einem starken Verlangen, Gutes zu wirken, begleitet wird, denn dann kommen ihr die guten Geister zu Hilfe. Man muss aber der Art und Weise misstrauen, wie die Dinge von zu leichtgläubigen oder zu begeisterten Personen erzählt werden, die stets auch in den einfachsten und natürlichsten Dingen nur Wunder und Zeichen erblicken wollen. Ebenso ist den eigennützigen Erzählungen von Leuten zu misstrauen, welche die Leichtgläubigkeit zu ihrem Vorteil ausnutzen.“
Segen und Fluch
„Gott hört auf keinen ungerechten Fluch und wer ihn aus – spricht, ist schuldig vor ihm. Da wir die beiden entgegengesetzten Geister, das Gute und Böse haben, so kann dabei ein momentaner Einfluss, selbst auf den Stoff, obwalten; dieser Einfluss findet aber nur nach Gottes Willen statt und als Zugabe der Prüfung für den davon Betroffenen. Übrigens verflucht man meistenteils die Bösen und segnet die Guten. Segen und Fluch können nie die Vorsehung vom Weg der Gerechtigkeit abbringen; sie trifft den Verfluchten nur, wenn er böse ist und ihren Schutz breitet sie nur über den, welcher ihn verdient.“
KAPITEL X – Beschäftigungen und Missionen der Geister
„Sie wirken zur Harmonie des Universums mit, indem sie den Willen Gottes ausführen, dessen Diener sie sind. Das geistige Leben ist eine fortwährende Beschäftigung, die aber nichts Mühsames hat, wie auf Erden, weil es weder leibliche Ermüdung noch eine Angst der Bedürfnisse gibt.“
„Alle haben Pflichten zu erfüllen. Trägt nicht auch der letzte Maurer so gut zum Bau des Gebäudes bei, wie der Baumeister?“ (540.).
”Wir müssen alle überall wohnen und uns die Kenntnis aller Dinge erwerben, indem wir der Reihe nach allen Teilen des Alls vorstehen. Aber, wie geschrieben steht im Prediger Salomonis: Alles hat seine Zeit. So erfüllt heute dieser seine Aufgabe in dieser Welt, ein anderer zu einer anderen Zeit, auf der Erde, im Wasser, in der Luft u.s.w.“
„Alle müssen die ganze Stufenleiter zu ihrer Vervollkommnung durchlaufen. Gott, der gerecht ist, konnte nicht den einen die Erkenntnis ohne Arbeit schenken wollen, während sie andere nur mittelst Mühe und Anstrengung erwerben.“ Ebenso gelangt auch bei den Menschen keiner in irgendeiner Kunst auf die höchste Stufe der Geschicklichkeit, ohne die nötigen Kenntnisse durch Dienst von unten auf in derselben sich erworben zu haben.
,,Was sollten sie denn die Ewigkeit hindurch tun? Eine ewige Untätigkeit wäre eine ewige Strafe.“
562a. Was ist denn das Wesen ihrer Beschäftigungen?
„Gottes Befehle empfangen, sie im All auszuteilen und über deren Ausführung zu wachen.“
„Durch nichts, wenn man darunter versteht, dass ihr Denken ununterbrochen tätig ist, denn sie leben vom Gedanken. Man darf jedoch ihre Beschäftigungen nicht mit den materiellen der Menschen zusammenwerfen: die Tätigkeit an sich ist für sie ein Genuss vermöge des Bewusstseins Nutzen zu stiften.“
563a. Das ist begreiflich bei den guten Geistern, aber verhält es sich auch ebenso mit den niedrigen ?
„Die niederen Geister haben ihrer Natur angepasste Beschäf – tigungen. Vertraut ihr den Handlangern, dem Unwissenden die Arbeiten eines gebildeten Menschen an?“
„Ja, aber dieser Zustand ist ein vorübergehender und der Entwicklung ihres Erkenntnisvermögens untergeordnet. Gewiss gibt es auch unter ihnen wie bei den Menschen solche, die nur sich selbst leben. Aber dieser Müßiggang lastet schwer auf ihnen und früher oder später erweckt die Sehnsucht nach Fortschritt in ihnen das Bedürfnis der Tätigkeit und dann sind sie glücklich, wenn sie sich nützlich machen können. Wir reden hier von den Geistern, welche zum Selbstbewusstsein und zur Willensfreiheit durchgedrungen sind; denn bei ihrem Ursprung gleichen sie den neugeborenen Kindern, welche mehr durch Instinkt als einen bestimmten Willen tätig sind.“
565. Prüfen die Geister die Leistungen unserer Kunst und interessieren sie sich dafür?
„Sie prüfen alles, was die Erhebung der Geister und ihren Fortschritt beweist.“
„Alles klingt in einem Gesamtzweck zusammen. Wenn er gut ist, so interessiert er sich dafür gerade so weit als dies ihm gestattet sich mit der Förderung der Seelen in ihrem Aufsteigen zu Gott zu beschäftigen. Ihr vergesst übrigens, dass ein Geist, der in seinem euch bekannten Dasein eine bestimmte Kunst betrieb, in einem anderen Dasein eine andere konnte betrieben haben; denn er muss alles wissen, um vollkommen zu sein. So kann es, je nach dem Grad seines Fortschrittes, auch gar keine Spezialität möglicherweise für ihn geben. Das meinte ich mit den Worten: Alles klingt in einem Gesamtzweck zusammen. Merkt euch auch das noch: Was bei euch auf eurer zurückgebliebenen Welt erhaben ist, ist auf fortgeschrittenen Welten nur Kinderei. Wie könnt ihr von Geistern, welche jene Welten bewohnen, wo es von euch ungeahnte Künste gibt, verlangen, dass sie das bewundern, was für sie nur eine Schülerarbeit ist? Ich habe es gesagt: Sie prüfen, was den Fortschritt nachzuweisen vermag.“
566a. Wir begreifen, dass es mit den sehr fortgeschrittenen Geistern sich so verhalten muss; aber wir reden von den gemeineren Geistern, die sich noch nicht über die irdischen Vorstellungen erhoben haben.
„Bei diesen ist es anders; ihr Gesichtspunkt ist viel beschränkter und sie mögen bewundern, was ihr selbst bewundert.“
„Die gemeinen Geister ja, wie du es sagst. Diese sind ohne Unterlass um euch und nehmen oft sehr lebhaft an dem Teil was ihr treibt, je nach ihrer Natur und es ist auch wohl nötig, die Menschen auf ihren verschiedenen Lebenswegen anzutreiben oder ihre Leidenschaften zu mäßigen.“ Die Geister beschäftigen sich mit den Dingen dieser Welt je nach ihrer Erhabenheit oder Niedrigkeit. Die höheren besitzen ohne Zweifel die Fähigkeit, sie auch in den kleinsten Einzelheiten zu durchschauen, tun es aber nur soweit es zum Fortschritt dient; nur die niederen Geister legen denselben eine ihren noch fortlebenden Erinnerungen und ihren, noch nicht erloschenen sinnlichen Vorstellungen entsprechende Wichtigkeit bei.
„In beiden Zuständen können sie Missionen haben. Für gewisse Wandergeister ist dies eine Hauptbeschäftigung.“
„Sie sind so verschieden, dass es unmöglich wäre sie zu beschreiben; übrigens gibt es solche, die ihr nicht begreifen würdet.
Die Geister vollziehen den Willen Gottes und ihr könnt nicht in alle seine Pläne eindringen. “Die Misssionen der Geister haben stets das Gute zum Gegen – stand. Sei es als Geister oder als Menschen, stets sind sie berufen den Fortschritt der Menschheit, der Völker oder der Individuen in einem weiteren oder engeren, mehr oder weniger speziellen Kreis zu fördern, die Wege für gewisse Ereignisse zu ebnen, über die Ausführung gewisser Dinge zu wachen. Einige haben beschränktere und gewissermaßen persönliche oder ganz lokale Missionen, wie den Kranken, Sterbenden, Betrübten beizustehen, über diejenigen zu wachen, deren Führer und Beschützer sie werden, sie durch ihre Ratschläge oder die guten Gedanken, die sie ihnen eingeben, zu leiten. Man kann sagen, es gebe ebenso viele Arten von Missionen als es Arten von zu überwachenden Interessen gibt, sei es in der physischen, sei es in der moralischen Welt. Der Geist schreitet fort nach der Art, wie er seine Aufgabe erfüllt.
„Nein, es gibt solche, die nur blinde Werkzeuge sind, andere wiederum wissen sehr wohl, zu welchem Zweck sie handeln.“
„Die Wichtigkeit der Missionen steht im Verhältnis zu den Fähigkeiten und der Höhe des Geistes. Der Kurier, der eine Depesche überbringt, erfüllt auch eine Sendung, welche aber freilich nicht die des Feldherrn ist.“
572. Wird dem Geist seine Mission auferlegt oder hängt sie von seinem Willen ab?
„Er bittet um sie und ist glücklich, wenn er sie erhält.“
572a. Kann die gleiche Mission von mehreren Geistern verlangt werden?
„Ja, es gibt zuweilen mehrere Bewerber, aber nicht jeder wird angenommen.“
„Die Menschen zu bilden, ihren Fortschritt zu fördern, ihre Einrichtungen auf unmittelbare und tatsächliche Weise zu vervollkommnen. Die Missionen sind aber mehr oder weniger allgemein und wichtig: Wer den Boden bebaut, erfüllt eine Mission, so gut wie der, welcher regiert oder lehrt. In der Natur hängt alles aneinander. Während der Geist sich durch seine Inkarnation reinigt, trägt er zugleich unter dieser Form zur Ausführung der Pläne der Vorsehung bei. Jeder hat hier auf Erden seine Sendung, weil jeder etwas nützen kann.“
„Allerdings gibt es Leute, die nur sich selbst leben und sich für nichts nützlich zu machen wissen. Das sind arme Wesen, die man beklagen muss, denn sie werden schmerzlich ihre freiwillige Unnützheit büßen und ihre Züchtigung beginnt oft schon hier auf Erden mit der Langweile und dem Lebensüberdruss.“
574a. Da sie doch die Wahl hatten, warum zogen sie dann ein Leben vor, das sie in nichts fördern konnte?
„Unter den Geistern gibt es auch träge, die vor einem Leben voll Arbeit zurückschrecken. Gott lässt sie gewähren: später und auf eigene Kosten werden sie die Nachteile ihrer Unnützlichkeit einsehen und werden die Ersten sein, die Wiedereinbringung ihrer verlorenen Zeit zu begehren. Vielleicht auch hatten sie ein nützlicheres Leben gewählt, aber einmal an der Arbeit, schreckten sie davor zurück und ließen sich von den Einflüsterungen der Geister hinreißen, die sie zum Müßiggang ermutigten.“
„An den großen Dingen, die er vollführt, an den Fortschritten, die er Seinesgleichen machen lässt.“
„Zuweilen ja; gewöhnlich aber wissen sie es nicht. Nur einen unbestimmten Zweck haben sie, wenn sie auf die Erde kommen. Ihre Mission zeichnet sich erst nach ihrer Geburt und je nach den Umständen. Gott führt sie auf den Weg, wo sie seine Pläne ausführen sollen.“
„Nicht alles was ein Mensch tut, ist die Folge einer vorausbes – timmten Mission. Oft ist er nur das Werkzeug in der Hand eines Geistes, der etwas Nützliches ausführen will. Ein Geist hält z. B. dafür, es wäre gut, wenn ein Buch geschrieben würde, das er selbst verfassen würde, wenn er inkarniert wäre. Er sucht daher den Schriftsteller, der am geeignetsten ist seine Ideen zu begreifen und auszuführen, gibt ihm dieselben ein und leitet ihn bei der Ausführung. So ist dieser nicht mit der Mission auf die Erde gekommen dieses Werk auszuführen. Ebenso verhält es sich mit gewissen künstlerischen Arbeiten und mit gewissen Entdeckungen. Auch ist noch hinzuzufügen, dass der inkarnierte Geist während seines Leibes Schlaf mit dem Wandergeist unmittelbar verkehrt und sie sich über die Ausführung verständigen.“
„Ja, wenn er kein höherer Geist ist.“
578a. Welches sind dann die Folgen für ihn?
„Er muss seine Aufgabe noch einmal vornehmen. Das ist seine Strafe, außerdem hat er noch die Folgen des Übels zu tragen, das er verursachte.“
„Weiß Gott etwa nicht, ob sein Feldherr siegen oder unterliegen wird? Er weiß es, seid dessen versichert, und seine Pläne beruhen, weil sie richtig sind, nicht auf denen, die ihr Werk mitten in der Arbeit verlassen sollten. Für euch liegt die ganze Frage in Gottes Kenntnis der Zukunft, die euch jedoch nicht gegeben ist.“
„Nein, er hat Erfahrung.“
„Als durch sie selbst gefälscht. Sie sind der Aufgabe, die sie unternommen haben, nicht gewachsen. Jedoch muss man den Umständen Rechnung tragen. Die Männer von Genie mussten reden, wie es ihre Zeit mit sich brachte und eine Lehre, die einer fortgeschritteneren Zeit irrig oder kindisch erscheint, konnte für ihre Zeit genügend sein.“
,,Unstreitig ist sie eine Mission. Sie ist zugleich eine sehr hohe Pflicht, welche des Menschen Verantwortlichkeit für die Zukunft mehr als ihr es denkt, in Anspruch nimmt. Gott stellte das Kind unter die Vormundschaft der Eltern, auf dass diese es auf dem Weg des Guten leiten und er erleichterte ihre Aufgabe dadurch, dass er ihm eine gebrechliche und zarte Organisation schenkte, die es allen Eindrücken zugänglich macht. Es gibt aber solche, denen mehr daran gelegen ist, die Bäume ihres Gartens zu stutzen und sie viel gute Früchte tragen zu machen, als den Charakter ihres Kindes zu bilden. Unterliegt letzteres durch ihre Fehler, so werden sie die Strafe dafür leiden und die Leiden ihres Kindes im künftigen Leben fallen auf sie zurück, denn sie taten nicht, was von ihnen abhing, zu seinem Fortschreiten auf der Bahn des Guten.“
„Nein, je schlimmer jedoch die Neigungen des Kindes sind, desto schwerer ist ihre Aufgabe und desto größer ihr Verdienst, wenn es ihnen gelingt, es von bösen Wegen abzulenken.“
583a. Wenn ein Kind, trotz der Vernachlässigung und dem schlechten Beispiel seiner Eltern, ein guter Mensch wird, ernten diese dann einige Früchte davon?
„Gott ist gerecht.“
„Meistens ist er nur das Werkzeug, dessen sich Gott zur Ausführung seiner Pläne bedient und jedes Unglück ist zuweilen ein Mittel, ein Volk schneller fortschreiten zu machen.“
584a. Das Werkzeug jener vorübergehenden Unglücksfälle ist also dem Guten, das daraus entspringen kann, fremd, da dieser Mensch nur seine persönlichen Zwecke vor Augen hatte. Wird er nun nichtsdestoweniger von jenem Guten Nutzen ziehen?
„Jeder wird nach seinen Werken gelohnt, nach dem Guten, das er hat tun wollen und nach der Redlichkeit seiner Absichten.“
Andere endlich stehen den Naturereignissen vor, deren unmittelbare Lenker sie sind.
KAPITEL XI – Drei Reiche
Mineralien und Pflanzen
„Sie sind alle gut; es kommt auf den Gesichtspunkt an. In stofflicher Beziehung gibt es nur organische und anorganische Wesen. Unter dem moralischen Gesichtspunkt gibt es augen – scheinlich vier Stufen.“
Diese vier Stufen haben in der Tat entscheidende Merkmale, wenn auch ihre Grenzen ineinander zu fließen scheinen. Der träge Stoff, der das Mineralreich bildet, besitzt nur eine mechanische Kraft. Die Pflanzen, die aus trägem Stoff gebildet sind, sind mit Lebenskraft begabt. Die Tiere, aus trägem Stoff gebildet und mit Lebenskraft begabt, besitzen außerdem eine instinktartige, beschränkte Intelligenz, verbunden mit dem Bewusstsein ihres Daseins und ihrer Individualität. Der Mensch, welcher alles besitzt, was in den Pflanzen und Tieren liegt, beherrscht alle anderen Klassen durch seine besondere, unbeschränkte Intelligenz, die ihm das Bewusstsein von seiner Zukunft, die Erkenntnis außerstofflicher Dinge und Gottes gewährt.
„Nein, sie denken nicht, sie besitzen nur ein organisches Leben.“ *
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* In der französischen 2. Auflage (1860) war zu lesen: „Nein, sie denken nicht. Sie besitzen nur ein organisches und intuitives Leben“. Später hat Allan Kardec den Begriff „intuitives“ aus Verständlichkeitsgründen herausgenommen. (Anmerkung der Übersetzer)
„Die Pflanzen empfangen physische Eindrücke, die auf den Stoff wirken, aber sie haben keine Wahrnehmung, folglich haben sie keine Empfindung des Schmerzes.“
„Ja, da sie ja nicht denken. Es ist eine mechanische Kraft des Stoffes, die auf den Stoff wirkt. Sie können derselben nicht widerstehen.
„Alles in der Natur ist Übergang, schon dadurch, dass nichts sich gleicht und doch alles sich erhält. Die Pflanzen denken nicht und haben folglich keinen Willen. Die sich öffnende Auster und alle Tierpflanzen denken nicht. Es ist nur ein blinder und natürlicher Instinkt.“
Der menschliche Organismus liefert uns Beispiele ähnlicher Bewegungen ohne Beteiligung des Willens, wie bei den Verdauungsprozessen. Der untere Magenmund schließt sich bei Berührung gewisser Körper, um ihnen den Durchpass zu verweigern. Ebenso muss es sich mit der Sinnpflanze verhalten, bei der die Bewegungen keineswegs die Notwendigkeit einer Wahrnehmung und noch weniger eines Willens bedingen.
„Es ist dies in der Tat, wenn man will, eine Art Instinkt. Je nach der Ausdehnung des Sinnes dieses Wortes; aber er ist rein mechanischer Natur. Wenn ihr in der Chemie zwei Körper sich verbinden seht, so geschieht dies, weil sie sich entsprechen, d. h. weil eine Verwandtschaft zwischen beiden vorhanden ist. Und doch nennt ihr das nicht Instinkt.“
„Alles ist vollkommener; aber die Pflanzen sind stets Pflanzen, wie die Tiere stets Tiere und die Menschen Menschen bleiben.“
Tiere und der Mensch
„Hierüber sind eure Philosophen kaum einerlei Meinung: Nach dem einen soll der Mensch ein Tier, nach dem anderen das Tier ein Mensch sein. Beide Teile haben Unrecht. Der Mensch ist ein für sich bestehendes Wesen, das sich zuweilen sehr tief erniedrigt, das sich aber auch sehr hoch erheben kann. Leiblich genommen ist der Mensch wie die Tiere, ja noch weniger reich ausgestattet als manche unter ihnen. Die Natur gab ihnen alles, was der Mensch zur Befriedigung seiner Bedürfnisse und zu seiner Erhaltung erst mit seinem Verstand erfinden muss. Sein Leib vergeht zwar wie der der Tiere, aber sein Geist hat eine Bestimmung, die er allein begreifen kann, weil er allein ganz frei ist. Arme Menschen, die ihr euch unter das Tier erniedrigt! Vermögt ihr euch nicht von ihm zu unterscheiden? Erkennt den Menschen an dem Gedanken Gottes.“
„Auch dies ist wieder nur System. Allerdings herrscht der Instinkt bei den meisten Tieren vor; siehst du aber nicht andere, die einen entschlossenen Willen zeigen? Das ist Intelligenz, aber sie ist beschränkt.“
Außer dem Instinkt könnte man gewissen Tieren kombiniertes Handeln nicht absprechen, das einen auf einen bestimmten Gegenstand und den Umständen entsprechenden Willen dartut. Sie besitzen also eine Art Intelligenz, deren Äußerung jedoch fast ausschließlich auf Befriedigung ihrer Bedürfnisse und auf Selbsterhaltung gerichtet ist. Bei ihnen gibt es keine schöpferische Kraft, keine Verbesserung. Wie groß auch die bewunderungswürdige Kunst ihrer Arbeiten sei, was sie einst taten, tun sie noch heute, weder besser noch schlechter und stets in denselben unveränderlichen Formen und Verhälnissen. Das Junge, das von Seinesgleichen getrennt ist, baut nichts desto weniger sein Nest nach dem alten Muster, ohne je Unterricht empfangen zu haben. Wenn einige einer gewissen Erziehung zugänglich sind, so verdanken sie doch ihre Verstandesentwickelung, die eingeschlossen bleibt, der Einwirkung des Menschen auf ihre biegsame Natur; denn es gibt hier keinen Fortschritt, der von ihnen selbst ausginge. Letzterer aber ist nur vorübergehend und rein individuell, denn das sich selbst überlassene Tier kehrt sofort wieder in die ihm von der Natur gezogenen Grenzen zurück.
”Wenn ihr eine aus Wörtern und Silben gebildete Sprache meint, nein; wenn aber ein Mittel sich untereinander mitzuteilen, ja. Sie sagen sich viel mehr Dinge, als ihr nur glaubt; aber ihre Sprache ist, wie ihre Vorstellungen, auf ihre Bedürfnisse beschränkt.“
594a. Es gibt Tiere ohne Stimme: diese scheinen keine Sprache zu besitzen?
„Sie verstehen sich durch andere Mittel. Habt ihr Menschen auch nur die Sprache, um euch mitzuteilen? Und die Stummen, was ist mit diesen? Die Tiere haben in ihrem Verkehr miteinander Mittel sich zu warnen und sich ihre Empfindungen auszudrücken. Glaubst du, die Fische verstehen sich nicht untereinander? Der Mensch besitzt somit nicht das ausschließliche Vorrecht der Sprache. Die Sprache der Tiere aber ist eine instinktmäßige und auf den Kreis ihrer Bedürfnisse und Vorstellungen beschränkt, während die des Menschen vervollkommnungsfähig ist und alle Errungenschaften seiner Intelligenz auszudrücken vermag.“
In der Tat müssen die in Massen wie die Schwalben auswan – dernden Fische, wenn sie einem Führer folgen, die Mittel haben, sich zu verständigen und zu warnen. Vielleicht geschieht dies durch ein schärferen Blick, der ihnen die Zeichen, die sie sich geben, zu sehen erlaubt; vielleicht auch vermittelt ihnen das Wasser gewisse Schwingungen. Jedenfalls haben sie ein Mittel, sich zu verständigen, wie alle Tiere, die der Stimme beraubt sind und doch ihre Arbeiten gemeinsam verrichten. Darf man sich da wundern, dass die Geister sich gegenseitig mitteilen können, ohne an das artikulierte Wort gebunden zu sein. (282.)
„Sie sind keine bloßen Maschinen, wie ihr meint. Aber die Freiheit ihres Tuns ist auf ihre Bedürfnisse beschränkt und bietet keinen Vergleich mit der des Menschen. Da sie tief unter ihm stehen, haben sie nicht dieselben Pflichten. Ihre Freiheit beschränkt sich auf das Tun des materiellen Lebens.“
„Besondere Bildung der Sprachwerkzeuge, unterstützt vom Nachahmungstrieb. Der Affe ahmt die Bewegungen, gewisse Vögel ahmen die Stimme nach.“
„Ja, und zwar eines, das den Leib überlebt.“
597a. Ist dieses Prinzip eine Seele, die der des Menschen ähnlich ist?
„Es ist auch eine Seele wenn ihr so wollt: das hängt vom Sinn ab, den man dem Wort beilegt; aber sie ist niedriger als die des Menschen.“
598. Bewahrt die Tierseele nach dem Tod ihre Individualität und ihr Bewusstsein?
„Die Individualität, ja, aber nicht das Bewusstsein ihres Ichs. Das Leben der Intelligenz bleibt latent.“
„Nein, sie hat keine Wahlfreiheit.“
„Es ist eine Art von Herumirren, da sie nun an keinen Leib gebunden ist. Ein herumirrender Geist aber ist sie nicht. Der Wandergeist ist ein Wesen, das dank seines freien Willens denkt und handelt; die Tierseele hat diese Fähigkeit nicht. Das seiner selbst Bewusstsein ist die hauptsächlichste Eigenschaft des Geistes. Dem Geist des Tieres wird nach dem Tod von den Geistern, die dies angeht, seine Stelle angewiesen und er wird fast augenblicklich nutzbar gemacht: Er hat nicht Muse, sich mit anderen Geschöpfen in Beziehung zu setzen.“
„Ja, und darum sind auf den höheren Welten, wo die Menschen weiter fortgeschritten sind, es auch die Tiere, indem sie entwickeltere Mitteilungsmittel besitzen. Aber sie sind stets dem Menschen untergeordnet und untertan; für ihn sind sie verständige Diener.“
Es liegt hierin nichts Außerordentliches. Denken wir uns unsere verständigsten Tiere, den Hund, den Elefanten, das Pferd mit einer zur Handarbeit geeigneten Gestalt, was könnten sie nicht alles unter der Leitung des Menschen leisten?
602. Schreiten die Tiere, sowie die Menschen, Kraft ihres Willens oder vermöge der Kraft der Sache fort?
„Kraft der Sache: Darum gibt es für sie keine Buße oder Sühne.“
603. Kennen auf den höheren Welten die Tiere Gott?
„Nein, der Mensch ist ihnen ein Gott, wie einst den Menschen die Geister Götter waren.“
„Alles ist in der Natur durch Bande verbunden, die ihr noch nicht fassen könnt und auch die scheinbar verschiedenartigsten Dinge haben Berührungspunkte, die der Mensch in seinem jetzigen Zustand nie begreifen wird. Er kann sie ahnen, Kraft seiner Vernunft, aber erst wenn diese ihre volle Entwicklung gewonnen hat und von den Vorurteilen des Hochmuts und der Unwissenheit befreit sein wird, wird sie einen klaren Blick in das Werk Gottes tun können. Bis dann wird sein beschränkter Geist ihn die Dinge in einem engen und kleinlichen Licht erscheinen lassen. Wisset wohl, dass Gott sich nicht widersprechen kann und dass alles in der Natur, kraft allgemeiner Gesetze, im Einklang steht, die sich nie von der erhabenen Weisheit des Schöpfers entfernen.“
604a. So wäre also die Intelligenz eine gemeinschaftliche Eigenschaft, ein Berührungspunkt zwischen der Tier – und der Menschen – Seele?
„Ja, aber die Tiere haben nur die Intelligenz des stofflichen Lebens; dem Menschen bringt die Intelligenz das moralische Leben.“
„Nein, der Mensch hat nicht zwei Seelen; aber der Leib hat seine Instinkte, die die Folge der Empfindungen der Organe sind. Es gibt in ihm nur eine doppelte Natur: die Tierische und die Geistige. Durch seinen Leib nimmt er teil an der Natur der Tiere und ihren Instinkten, durch seine Seele an derjenigen der Geister.“
605a. So hat er, abgesehen von den eigenen Unvollkommenheiten, deren der Geist sich entledigen soll, auch noch gegen den Einfluss des Stoffes zu kämpfen?
„Ja, je niedriger er ist, desto enger sind die Bande zwischen Geist und Stoff geknüpft. Seht ihr es denn nicht? Der Mensch hat nicht zwei Seelen: Die Seele ist stets nur eine in einem Wesen. Tier – und Menschen – Seele unterscheiden sich so, dass die eine nicht einen für die andere geschaffenen Leib beseelen könnte. Hat aber der Mensch auch nicht eine Tierseele, die ihn durch ihre Leidenschaften den Tieren gleichstellt, so hat er doch seinen Leib, der ihn zuweilen bis auf ihre Stufe herabdrückt. Denn sein Leib ist ein mit Lebenskraft begabtes Wesen, welches Instinkte besitzt, die aber blind sind und sich auf seine Erhaltung beschränken.“
Indem sich der Geist in den Menschenleib inkarniert, teilt er ihm das Prinzip der Intelligenz und der Moral mit, das ihn über die Tiere erhebt. Diese beiden im Menschen liegenden Naturen geben seinen Leidenschaften zwei verschiedene Quellen: die einen stammen aus den Instinkten seiner tierischen Natur, die anderen aus der Unreinheit des Geistes, dessen Inkarnation er ist und der mehr oder weniger mit den grob tierischen Trieben sympathisiert. Indem sich der Geist reinigt, befreit er sich nach und nach vom Einfluss des Stoffes. Unter des Stoffes Einfluss nähert er sich dem Tier, befreit von diesem Einfluss erhebt er sich zu seiner wahren Bestimmung.
„In dem universellen intelligenten Element.“
606a. Also entfließt der Menschen und der Tiere Intelligenz einem einzigen Prinzip?
„Ohne allen Zweifel, aber im Menschen hat es eine Ausbil – dung empfangen, die es über diejenige der Tiere erhebt.“
„In einer Reihe von Existenzen, die der Periode, die ihr die Menschheit nennt, vorangehen.“
607a. So wäre also die Seele das intelligente Prinzip der niedrigeren Wesen der Schöpfung gewesen?
„Sagten wir nicht, dass alles in der Natur sich aneinander schließt und zur Einheit hinstrebt? In diesen Wesen, die ihr bei weitem nicht alle kennt, arbeitet sich das intelligente Prinzip heraus, individualisiert sich nach und nach und versucht sich, wie gesagt, zum Leben. Es ist gewissermaßen eine Vorarbeit zum Keimen, infolge deren das intelligente Prinzip eine Umwandlung erfährt und Geist wird. Dann beginnt für dasselbe die Periode der Menschheit und damit das Bewusstsein seiner Zukunft, die Unterscheidung zwischen gut und böse und die Verantwortlichkeit für sein Tun und Lassen, so wie auf die Periode der Kindheit die des Heranwachsens, dann die des Jünglingsalters und endlich die des reiferen Alters folgt. Es liegt übrigens in diesem Ursprung nichts, das den Menschen demütigen könnte. Werden die großen Genies dadurch gedemütigt, dass sie einst unförmige Föten im Mutterleib waren? Wenn etwas ihn demütigen sollte, so wäre es seine Niedrigkeit vor Gott und seine Ohnmacht, die Tiefe seiner Pläne und die Weisheit der Gesetze zu ergründen, welche die Harmonie des Universums regieren. Erkennt die Größe Gottes an dieser wunderbaren Harmonie, welche macht, dass alles in der Natur ineinandergreift. Glauben, dass Gott irgend etwas ohne Zweck hätte tun und intelligente Wesen ohne Zukunft hätte schaffen können, hieße seine Güte lästern, die sich über alle seine Geschöpfe erstreckt.“
607b. Beginnt jene Periode der Menschheit auf unserer Erde?
„Die Erde ist nicht der Ausgangspunkt der ersten mensch – lichen Inkarnation. Die Periode der Menschheit beginnt im allgemeinen auf noch niedrigeren Welten. Das ist jedoch keine unbedingte Regel und es könnte geschehen, dass ein Geist gleich bei seinem ersten menschlichen Auftreten geeignet wäre zum Leben auf Erden. Dieser Fall ist nicht häufig und wäre eher eine Ausnahme.“
„Nein, denn erst mit dieser Periode beginnt für ihn sein Leben als Geist und selbst seiner ersten Existenzen als Mensch erinnert er sich kaum, gerade so wie der Mensch sich nicht mehr seiner Kindheit und noch weniger seines Lebens im Mutterleib erinnert. Darum sagen auch die Geister, sie wissen nicht, wie sie angefangen hätten.“ (78.)
„Das hängt von der Entfernung, welche die beiden Perioden trennt und von den gemachten Fortschritten ab. Während einiger Generationen kann ein mehr oder weniger deutlicher Widerschein des ursprünglichen Zutandes sich zeigen, denn nichts in der Natur macht sich mit plötzlichen Sprüngen. Es gibt stets Ringe, welche die Enden der Kette der Wesen und der Ereignisse verbinden; aber diese Spuren verwischen sich mit der Entwicklung des freien Willens. Die ersten Fortschritte sind langsam, da sie noch nicht vom Willen unterstützt werden, sie werden rascher in dem Maße als sich der Geist ein vollkommeneres Bewusstsein seiner selbst erwirbt.“
„Nein, aber die Frage war damals noch nicht klar gestellt, es gibt übrigens Dinge, die erst zu ihrer Zeit kommen können. Der Mensch ist wirklich ein besonderes Wesen, denn er besitzt Fähigkeiten, die ihn von allen anderen unterscheiden und er hat auch eine andere Bestimmung. Das Geschlecht der Menschen ist dasjenige, welches Gott für die Inkarnation der Wesen, welche ihn erkennen können, auserwählte.“
Seelenwanderung
„Zwei Dinge können denselben Ursprung haben und doch sich später in keiner Weise gleichen. Wer würde den Baum, seine Blätter, Blüten und Früchte im unförmigen Keim des Kernes aus dem er geworden ist, wieder erkennen? Vom Augenblick an, wo das intelligente Prinzip die Stufe erreicht hat, wo es Geist werden und in die Periode der Menschheit eintreten kann, hat es keine Beziehungen mehr zu seinem Urzustand und ist ebensowenig die Seele der Tiere, als der Baum der Kern ist. Im Menschen ist nichts mehr vom Tier als sein Leib und die Leidenschaften, die aus dessen Einfluss und dem Erhaltungsinstinkt entstehen, der dem Stoff eigen ist. Man kann also nicht sagen, dass der und der Mensch die Inkarnation des Geistes von dem und dem Tier sei. Folglich ist die Lehre von der Seelenwanderung, wie man sie versteht, ungenau.“
612. Könnte sich der Geist, der den Leib eines Menschen beseelte, in ein Tier inkarnieren?
„Das hieße rückwärts schreiten, der Geist aber schreitet nie rückwärts. Der Fluss kehrt nicht zur Quelle zurück.“
„Dieses Gefühl findet sich in diesem Glauben wie in so manchem anderen: der Mensch hat es aber, wie die meisten seiner ursprünglichen Anschauungen, entarten lassen.“
Der Gedanke der Seelenwanderung wäre wahr, wenn man darunter den Fortschritt der Seele von einem tieferen zu einem höheren Zustand verstände, wo sie Entwicklungen durchmachte, die ihre Natur umwandeln würden. Aber er ist falsch in dem Sinne einer direkten Wanderung des Tieres in den Menschen und umgekehrt, was den Gedanken eines Rückschreitens oder einer Verschmel – zung in sich schlösse. Da nun diese Verschmelzung nicht zwischen zwei leiblichen Wesen der beiden Gattungen stattfinden kann, so ist dies ein Beweis, das sie auf nicht assimilierbaren Stufen stehen und dass es sich mit den Geistern, welche jene Wesen beseelen, ebenso verhalten muss. Könnte der gleiche Geist sie abwechselnd beseelen, so folgte daraus eine Gleichheit der Natur, die sich durch die Möglichkeit stofflicher Wiedererzeugung verraten müsste. Die von den Geistern gelehrte Reinkarnation ist auf den aufsteigenden Gang der Natur und den Fortschritt des Menschen innerhalb seines Geschlechts gegründet, was ihm nichts von seiner Würde nimmt. Was ihn erniedrigt, ist der schlechte Gebrauch der ihm von Gott zu seinem Fortschreiten verliehenen Fähigkeiten. Wie dem auch sei, das Alter und die allgemeine Verbreitung der Lehre von der Seelenwanderung und die hervorragenden Menschen, die sie bekannten, beweisen, dass das Prinzip der Reinkarnation seine Wurzeln in der Natur selbst hat. Es sind also viel eher Gründe zu ihren Gunsten als zu ihren Ungunsten vorhanden.
Die Frage nach dem Ausgangspunkt des Geistes ist eine jener Fragen, die an den Ursprung der Dinge rühren und deren Geheimnis uns Gott vorenthält. Dem Menschen ist nicht verliehen, sie vollständig zu lösen, er kann hier nur Vermutungen anstellen und mehr oder weniger wahrscheinliche Systeme aufbauen. Die Geister selbst sind weit davon entfernt, alles zu wissen. Über das, was sie nicht kennen, können sie auch nur mehr oder weniger vernünftige persönliche Ansichten haben. *
So denken z.B. nicht alle gleich über die Beziehungen zwischen dem Menschen und den Tieren. Nach dem einen gelangt der Geist zu seiner menschlichen Periode erst, nachdem er sich auf den verschieden Stufen der niedrigeren Wesen der Schöpfung heraufgearbeitet und individualisiert hat. Nach anderen hätte der Geist der Menschen stets dem menschlichen Geschlecht angehört, ohne durch die Schule der Tierheit zu gehen. Das erste dieser Systeme hat den Vorzug, der Zukunft der Tiere einen Zweck vorzusetzen, so dass sie die ersten Ringe in der Kette der denkenden Wesen bilden würden. Das zweite entspricht mehr der Würde des Menschen und lässt sich in folgendem zusammenfassen.
Die verschiedenen Tiergattungen entstehen nicht in intellektueller Beziehung eine aus der anderen auf dem Weg des Fortschrittes. So wird der Geist der Auster nicht allmählich zu dem des Fisches, des Vogels, des Vierfüßlers und Vierhänders. Jede Gattung ist ein physisch und moralisch für sich bestehender Typus, von dem jedes Einzelwesen an der allgemeinen Quelle die Summe des intelligenten Prinzips schöpft, die ihm von Nöten ist, je nach der Vollkommenheit seiner Organe und dem Werk, das es in den Erscheinungen der Natur zu vollbringen hat und welche es beim Tod an die Masse zurückgibt. Die Tiere derjenigen Welten, die höher stehen als die unsrige (siehe 188.), bilden ebenfalls besondere Rassen, angepaßt den Bedürfnissen jener Welten und dem Grad des Fortschrittes der Menschen, deren Helfer sie sind, die aber keineswegs von denen der Erde abstammen – geistig gesprochen. Anders ist es mit dem Menschen. Vom physischen Gesichtspunkt aus, bildet er offenbar einen Ring in der Kette der lebendigen Wesen; aber vom moralischen Gesichtspunkt betrachtet, bricht der Zusammenhang zwischen Tier und Mensch ab. Der Mensch besitzt als sein Eigentum die Seele oder den Geist, den göttlichen Funken, der ihm den moralischen Sinn und eine Intelligenz gibt, die den Tieren fehlen. In ihm ist das Hauptsächlichste das Wesen, das vor dem Leib existiert und ihn überlebt: der Träger seiner Individualität. Was ist der Ursprung des Geistes? Wo ist sein Ausgangspunkt? Das ist ein Geheimnis, das vergeblich zu durchdringen versucht wurde und über das man, wie gesagt, nur Systeme machen kann. Was aber bleibt und was gleichzeitig aus der Vernunft und der Erfahrung hervorgeht, das ist das Fortleben des Geistes, die Bewahrung seiner Individualität nach dem Tod, seine Fähigkeit des Fortschreitens, sein glücklicher oder unglücklicher Zustand, je nach seinem Fortschritt auf dem Weg des Guten und aller moralischen Wahrheiten, die aus diesem Prinzip folgen. Was die geheimnisvollen Beziehungen zwischen dem Menschen und den Tieren betrifft, so sind sie, wir wiederholen es, das Geheimnis Gottes, wie manche andere Dinge, deren gegenwärtige Erkenntnis zu unserem Fortschreiten nichts beiträgt und in welche es unnütz wäre sich zu vertiefen.
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* Dieser und die drei folgenden Abschnitte waren in der 2. französischen Auflage (1860) nicht aufgeführt. Allan Kardec hat sie später hinzugefügt. Dies ist in der 4. Auflage des Buches der Geister (1861) und aus nachfolgenden Auflagen ersichtlich. (Anmerkung der Übersetzer)
Drittes Buch – Moralische Gesetze
KAPITEL I – Göttliches oder natürliches Gesetz
Merkmale des natürlichen Gesetzes
„Das natürliche Gesetz ist das Gesetz Gottes, es ist das einzig Wahre für das Glück des Menschen, es zeigt ihm, was er tun und lassen soll und er ist nur darum unglücklich, weil er davon abweicht.“
615. Ist das Gesetz Gottes ewig?
„Es ist ewig und unveränderlich, wie Gott selbst.“
„Gott kann nicht irren, die Menschen sind es, die genötigt sind, ihre Gesetze zu ändern, weil sie unvollkommen sind: Gottes Gesetze aber sind vollkommen. Die Harmonie, welche das stoffliche und das moralische Universum regiert, ist auf die Gesetze gegründet, die Gott für alle Ewigkeit festgelegt hat.“
„Alle Gesetze der Natur sind göttliche Gesetze, da Gott der Urheber aller Dinge ist. Der Gelehrte studiert die Gesetze des Stoffes, der gute Mensch diejenigen der Seele und hält sie auch ein.“
617a. Ist es dem Menschen verliehen, die einen wie die anderen zu ergründen?
„Ja, aber ein einziges Dasein genügt dazu nicht.“
Was sind auch wirklich einige Jahre, um sich alles das zu erwerben, was ein vollkommenes Wesen ausmacht, wenn man auch nur den Zwischenraum zwischen dem Wilden und dem zivilisierten Menschen ins Auge fasst? Die allerlängste Existenz reicht nicht aus, umso weniger also, wenn sie abgekürzt wird, wie dies bei sehr vielen geschieht.
Von den göttlichen Gesetzen ordnen die einen die Bewegung und die Verhältnisse des rohen Stoffs: das sind die physischen Gesetze, deren Studium der Wissenschaft zufällt. Die anderen betreffen im Besonderen den Menschen an und für sich und in seinem Verhältnis zu Gott und seinem Nächsten. Sie umfassen die Regeln über das Leben sowohl des Leibes als der Seele: das sind die moralischen Gesetze.
„Die Vernunft sagt, dass sie dem Wesen einer jeden Welt angepasst und im Verhältnis zu der Stufe des Fortschritts ihrer Bewohner stehen müssen.“
Quelle und Kenntnis des natürlichen Gesetzes
„Alle können es erkennen, aber nicht alle begreifen es. Die, welche es am besten begreifen, sind die guten Menschen und die, welche es zu erkennen suchen. Eines Tages aber werden alle es begreifen, denn der Fortschritt muss sich erfüllen.“
Die Gerechtigkeit der verschiedenen Inkarnationen des Menschen ist eine Folgerung aus diesem Prinzip, weil seine Intelligenz bei jeder neuen Existenz höher entwickelt wird und weil er besser begreift, was gut und was böse ist. Wenn alles sich in einer einzigen Existenz für ihn vollenden müsste, was wäre dann das Los von so vielen Millionen Wesen, die jeden Tag in der Roheit des wilden Zustandes oder in der Finsternis der Unwissenheit dahinsterben, ohne dass es von ihnen abhängt, sich zu bilden. (171. bis 222.)
„Sie begreift es je nach der Stufe der Vervollkommnung, die sie erreicht hat, und bewahrt die vage Erinnerung daran nach ihrer Vereinigung mit dem Leib. Aber die schlechten Instinkte des Menschen lassen es ihn oft vergessen.“
„Im Gewissen.“
621a. Da der Mensch das Gesetz Gottes in seinem Gewissen hat, welche Notwendigkeit bestand dann, es ihm zu offenbaren?
„Er hatte es eben vergessen und verkannt: Gott wollte, dass es ihm ins Gedächtnis zurückgerufen würde.“
„Diejenigen, welche nicht von Gott inspiriert waren und welche sich aus Ehrgeiz eine Mission beilegten die ihnen nicht gebührte, konnten sie gewiss irreführen. Da es jedoch schließlich Männer von Genie waren, so finden sich doch mitten unter den, von ihnen gelehrten Irrtümern große Wahrheiten.“
„Der wahre Prophet ist ein rechtschaffener Mensch, der von Gott inspiriert ist. Man erkennt ihn an seinen Worten und Werken. Gott kann sich nicht des Mundes des Lügners bedienen, um die Wahrheit zu lehren.“
„Schaut auf Jesus.“
Jesus ist für den Menschen das Urbild oder Vorbild der moralischen Vollkommenheit, auf welche die Menschheit auf Erden Anspruch hat. Gott gibt ihn uns als das vollkommenste Musterbild und seine Lehre ist der reinste Ausdruck seines Gesetzes, weil er vom göttlichen Geist beseelt und das reinste Wesen war, das auf der Erde erschienen ist.
Wenn einige von denen, welche den Menschen im Gesetz Gottes zu unterrichten vorgaben, ihn einige Male durch falsche Prinzipien irreführten, so kam das daher, dass sie sich selbst zu sehr von irdischen Gefühlen beherrschen ließen und die Gesetze des Seelenlebens mit denen des leiblichen Lebens verwechselten. Mehrere gaben für göttliche Gesetze aus, was nur menschliche Gesetze waren, erlassen, um den Leidenschaften zu dienen und die Menschen zu beherrschen.
„Sagten wir nicht, sie stehen überall geschrieben? Alle Menschen, welche über deren Weisheit nachdachten, konnten sie also begreifen und lehren seit den ältesten Zeiten. Durch ihren, wenn auch oft unvollkommenen Unterricht bereiteten sie den Boden vor zum Empfang des Samens. Da die göttlichen Gesetze im Buch der Natur geschrieben stehen, so konnte sie der Mensch erkennen, sobald er sie suchte. Darum wurden die von ihnen geheiligten Vorschriften zu jeder Zeit von den rechtschaffenen Menschen verkündigt und eben darum finden sich ihre Elemente in der Moral aller Völker, die der Barbarei entwachsen sind, aber freilich unvollständig oder verändert durch Unwissenheit und Aberglauben.“
„Jesus Wort war oft in Bilder und Gleichnisse gehüllt, weil er seiner Zeit und seinem Land gemäß sprechen musste. Jetzt muss die Wahrheit für die ganze Welt verständlich werden. Freilich muss man jene Gesetze erklären und entwickeln, da es so wenige Leute gibt, die sie verstehen und noch weniger, die sie befolgen. Unsere Mission ist, Augen und Ohren aufzutun, um die Hochmütigen zu beschämen und die Heuchler zu entlarven, diejenigen, welche sich in das Äußere der Tugend und der Religion kleiden, um ihre Schande zu verbergen. Die Lehre der Geister muss klar und unzweideutig sein, auf dass niemand seine Unwissenheit vorschiebt und jeder sie mit seiner Vernunft beurteilen und schätzen könne. Wir sind berufen die Herrschaft des Guten vorzubereiten, die Jesus verkündigte. Darum soll nicht jeder Gottes Gesetz nach dem Gutdünken seiner Leidenschaften auslegen, noch den Sinn eines Gesetzes fälschen, das ganz Liebe und Nächstenliebe ist.“
„Jedes Ding hat seine Zeit. Die Wahrheit ist gleich dem Licht: Man muss sich erst an sie gewöhnen, sonst blendet sie.
Noch nie geschah es, dass Gott dem Menschen gestattete so vollständige und so lehrreiche Mitteilungen zu empfangen, wie die, welche es ihm heutzutage gegeben ist zu empfangen. Es gab wohl auch in alten Zeiten einzelne Menschen, welche im Besitz einer sogenannten heiligen Wissenschaft waren, die sie vor dem Uneingeweihten geheim hielten. Kraft eurer Kenntnis der Gesetze, die jenen Erscheinungen zu Grunde liegen, begreift ihr, dass jene nur einige zerstreute Wahrheiten empfingen mitten unter zweideutigen und meist sinnbildlichen Andeutungen. Dennoch soll der unterrichtete Mensch kein altes philosophisches System, keine Überlieferung, keine Religion vernachlässigen, denn alles enthält Keime großer Wahrheiten welche, obschon scheinbar einander widersprechend und zerstreut in eine Menge von unbegründeten Zutaten, leicht zu ordnen sind kraft des Schlüssels den euch der Spiritismus zu einer Menge von Dingen gibt, die euch bisher grundlos und unvernünftig erschienen und deren Wirklichkeit euch jetzt unwiderleglich bewiesen wird. Versäumt also nicht, aus diesen Materialien Gegenstände eures Studiums zu schöpfen: sie sind sehr reich daran und können mächtig zu eurer Belehrung beitragen.“
Das Gute und das Böse
„Die Moral ist die Regel zu einem guten Verhalten, d.h. die Unterscheidung zwischen gut und böse. Sie gründet sich auf dem Beachten der Gesetze Gottes. Der Mensch benimmt sich recht, wenn er alles im Hinblick auf alles und für das Wohl aller tut, denn dann erfüllt er Gottes Gesetz.“
„Gut ist alles, was dem Gesetz Gottes entspricht und Böse alles, was sich von diesem entfernt. Das Gute tun heißt also nach Gottes Gesetz leben, das Böse tun – dieses Gesetz verletzen.
„Ja, wenn er an Gott glaubt und wenn er es wissen will. Gott gab ihm die Intelligenz, um beide voneinander zu unterscheiden.“
„Jesus hat es euch gesagt: Seht zu, dass was ihr wolltet, man euch tue oder nicht tue. Hieran hängt alles. Ihr werdet euch nicht irren.“
„Wenn ihr zu viel esst, so bekommt es euch schlecht. Nun denn, Gott gibt euch das Maß für das, was ihr braucht. Überschreitet ihr es, so werdet ihr bestraft. So ist es mit allem. Das natürliche Gesetz zieht dem Menschen die Grenzen seiner Bedürfnisse. Überschreitet er sie, so wird er durch Leiden gestraft. Achtete der Mensch in allen Dingen auf jene Stimme die ihm zuruft: „Genug!“; so würde er die meisten Übel vermeiden, deren er die Natur anklagt.“
„Wir sagten dir es schon: die Geister wurden einfach und unwissend geschaffen (115.). Gott lässt dem Menschen die Wahl des Weges. Schlägt er den schlechten ein, desto schlimmer für ihn: Seine Pilgerfahrt wird umso länger sein. Gäbe es keine Berge, so begriffe der Mensch nicht, dass man aufwärts und abwärts steigen kann, und gäbe es keine Felsen, so wüsste er nicht, dass es harte Körper gibt. Der Geist muss sich Erfahrung sammeln und dazu gehört, dass er das Gute und das Böse kennt und darum gibt es auch eine Einigung von Geist und Leib.“ (119.)
„Diese verschiedenen Stellungen liegen in der Natur und im Wesen des Fortschrittes. Dies tut der Einheit des natürlichen Gesetzes, das sich auf alles bezieht, keinen Abbruch.“
Die Existenzbedingungen des Menschen ändern sich, je nach Zeit und Ort, daraus folgen für ihn verschiedene Bedürfnisse und diesen Bedürfnissen angepasste soziale Stellungen. Da diese Verschiedenheit in der Natur der Dinge liegt, so entspricht sie dem Gesetz Gottes und dieses Gesetz ist auch nicht minder ein einiges seinem Prinzip nach. An der Vernunft ist es dann, die wirklichen Bedürfnisse von den künstlichen oder konventionellen zu unterscheiden.
„Das Gesetz Gottes ist für alle dasselbe, aber das Böse hängt hauptsächlich von dem Willen ab, es zu tun. Gut ist immer gut und Böse immer böse, welches auch die Stellung des Menschen sein mag: der Unterschied beruht auf dem Grad der Verantwortlichkeit.“
„Ich sagte, das Böse hängt vom Willen ab. Nun denn, der Mensch macht sich umso mehr schuldig, je besser er weiß, was er tut.“
Die Umstände geben dem Guten und dem Bösen eine relative Wichtigkeit. Der Mensch begeht oft Fehler, welche, wenn sie auch die Folge seiner gesellschaftlichen Stellung sind, deswegen nicht minder tadelnswert sind. Die Verantwortlichkeit jedoch beruht auf seinen Mitteln Gutes und Böses zu erkennen. So ist der gebildete Mensch, der eine einfache Ungerechtigkeit begeht, in Gottes Augen schuldiger, als der unwissende Wilde, der sich seinen Trieben überlässt.
„Böse ist dies nicht minder, obwohl notwendig. Aber diese Notwendigkeit verschwindet in dem Maße, als die Seele sich reinigt, indem sie von einer Existenz zur anderen übergeht, und dann ist der Mensch nur um so schuldiger, wenn er Böses tut, weil er es besser erkennt.“
„Das Böse fällt auf den zurück, der es verursachte. So ist der Mensch, der durch die ihm von seinem Nächsten aufgedrungene Lage zum Bösen verleitet wird, weniger schuldig, als die, welche die Ursache davon sind; denn jeder wird die Strafe tragen, sowohl des von ihm begangenen, als des von ihm veranlassten Unrechts.“
„Das ist als ob er selbst es täte. Es sich zunutze machen, heißt daran teilnehmen. Vielleicht wäre er vor dem Tun zurückgeschreckt; wenn er es aber, wenn es vollbracht ist, sich zunutze macht, so billigt er es auch und er hätte es selbst getan, wenn er gekonnt oder wenn er es gewagt hätte.“
„Je nachdem. Es ist eine Tugend, freiwillig dem Bösen, dessen Wunsch man in sich verspürt, zu widerstehen, besonders wenn die Möglichkeit vorliegt, diesem Wunsch Genüge zu leisten. Fehlt aber nur die Gelegenheit, so ist man schuldig.“
Nein, man muss auch das Gute innerhalb der Grenzen seiner Kräfte tun; denn jeder wird sich für alles Böse, das getan wird, zu verantworten haben, um des von ihm unterlassenen Guten willen.“
„Es gibt niemanden, der nicht Gutes tun könnte: der Egoist allein findet dazu keine Gelegenheit. Es genügt mit anderen Menschen in Beziehung zu stehen, um Gutes tun zu können und jeder Tag des Lebens gibt einem jeden Gelegenheit dazu, der nicht vom Egoismus verblendet ist. Denn Gutes tun heißt nicht nur Liebe üben, sondern auch sich nützlich machen nach dem Maße eures Könnens, jedes Mal wenn eure Hilfe nötig werden kann.“
„Ja, aber auch dies ist eine vom Geist im Stand seiner Freiheit gewählte Prüfung: Er wollte sich der Versuchung aussetzen, um sich das Verdienst des Widerstehens zu erwerben.“
„Versuchung ja, unwiderstehlich nein; denn mitten in diesem Dunstkreis des Lasters findest du zuweilen große Tugenden. Das sind Geister, welche die Kraft hatten, zu widerstehen und welche gleichzeitig die Mission hatten, einen wohltätigen Einfluss auf ihresgleichen auszuüben.“
„Das Verdienst des Guten beruht in der Schwierigkeit des – selben. Es ist kein Verdienst das Gute ohne Mühe und Kosten zu tun. Gott lohnt es dem Armen besser, der sein einziges Stück Brot mit seinem Nächsten teilt, als dem Reichen der von seinem Überfluss abgibt. Jesus hat es gesagt bei Gelegenheit des Scherfleins der Witwe.
Einteilung des natürlichen Gesetzes
„Gewiss umschließt dieser Grundsatz alle Pflichten der Menschen gegeneinander. Aber man muss ihnen dessen Anwendung zeigen, sonst werden sie ihn vernachlässigen, wie sie ihn heute vernachlässigen. Übrigens umfasst das natürliche Gesetz alle Umstände des Lebens und jener Grundsatz ist davon nur ein Teil. Die Menschen bedürfen bestimmter Regeln, allgemeine und zu unbestimmte Vorschriften lassen der Auslegung zuviele Wege offen.“
„Diese Einteilung ist diejenige des Moses und vermag alle Lebensverhältnisse zu umfassen, was von Belang ist. Du kannst ihr daher folgen, ohne dass sie deswegen etwas Absolutes enthielte, so wenig als alle anderen Einteilungssysteme, die stets von dem Gesichtspunkt bedingt sind, von dem aus man eine Sache betrachtet. Das letzte Gesetz ist das Wichtigste, denn nach ihm kann der Mensch am besten im geistigen Leben fortschreiten und es fasst alle anderen in sich zusammen.“
KAPITEL II – I. Das Gesetz der Anbetung.
Zweck der Anbetung
649. Worin besteht die Anbetung?„Sie ist die Erhebung der Gedanken zu Gott. Durch die Anbetung bringt man ihm die Seele näher.“
„Angeborenes Gefühl, wie das der Gottheit. Das Bewusstsein seiner Schwäche führt den Menschen dahin, sich vor dem zu beugen, der ihn beschützen kann.“
651. Hat es Völker gegeben, die des Gefühls der Anbetung ganz entbehrt hätten?
„Nein, denn es gab niemals atheistische Völker. Alle erkennen, dass es über ihnen ein höchstes Wesen gibt.“
„Sie liegt im natürlichen Gesetz, denn sie ist das Ergebnis eines dem Menschen angeborenen Gefühls. Deshalb findet man sie bei allen Völkern, wenn auch in verschiedenen Formen.“
Äußerliche Anbetung
„Die wahre Anbetung liegt im Herzen. Bei all eurem Tun denkt stets, dass ein Herr euch sieht.“
653a. Ist die äußerliche Anbetung von Nutzen?
„Ja, wenn sie nicht ein leerer Schein ist. Es ist immer nützlich, ein gutes Beispiel zu geben. Wer dies aber nur aus Heuchelei und Eigenliebe tut und dessen Verhalten seine scheinbare Frömmigkeit Lügen straft, gibt eher ein schlechtes als ein gutes Beispiel und stiftet mehr Übel, als er denkt.“
„Gott liebt diejenigen, welche ihn vom Grund ihres Herzens mit Aufrichtigkeit anbeten, indem sie das Gute tun und das Böse lassen. Mehr als jene, die glauben ihn mit Zeremonien zu preisen, die sie für ihresgleichen nicht besser machen. Alle Menschen sind Brüder und Gottes Kinder. Zu sich ruft er alle, die seine Gesetze befolgen, was auch die Form sei, in der sie sie ausdrücken. Wer nur die äußerlichen Gebärden der Frömmigkeit hat, ist ein Heuchler, wer nur eine angenommene Anbetung verrichtet, die seinem Verhalten widerspricht, gibt ein schlechtes Beispiel.
Wer da bekennt Christus anzubeten und hochmütig, neidisch und eifersüchtig ist, wer hart und unversöhnlich ge-gen seinen Nächsten ist oder ehrgeizig sich um die Güter dieser Welt bewirbt, von dem sage ich euch: seine Religion ist auf seinen Lippen und nicht in seinem Herzen. Gott, der alles sieht, wird sprechen: dieser da, der die Wahrheit kennt, ist hundertmal schuldiger des Bösen das er tut, als der unwissende Wilde der Wüste, und am Tag des Gerichts wird er demnach beurteilt werden. Wenn ein Blinder euch im Vorbeigehen umwirft, so entschuldigt ihr ihn; ist es aber ein Sehender, so beklagt ihr euch und ihr habt Recht.
Fragt also nicht, ob eine Form der Anbetung besser sei als die andere, denn das hieße fragen, ob es Gott wohlgefälliger sei, in dieser oder in einer anderen Sprache angebetet zu werden. Noch einmal sage ich euch: die Lobgesänge gelangen zu ihm nur durch die Türe des Herzens.“
„Auf die Absicht kommt es hier, wie in vielen anderen Dingen an. Wer nur den Glauben anderer respektieren will, tut nichts Unrechtes. Er handelt besser als der, welcher jenen ins Lächerliche zöge, denn er würde sonst der Liebe ermangeln. Wer aber nur aus Interesse und Ehrgeiz handelt, ist in Gottes und der Menschen Augen verächtlich. Gott können nicht wohlgefallen alle diejenigen, welche Demut vor ihm heucheln, um sich die Billigung der Menschen zu erwerben.“
„In Gemeinschaft der Gedanken und Gefühle versammelte Menschen haben mehr Macht, die guten Geister an sich zu ziehen. Ebenso verhält es sich, wenn sie sich zur Anbetung Gottes versammeln. Glaubt aber deswegen nicht, die Anbetung des Einzelnen sei weniger gut, denn jeder kann Gott anbeten, indem er an ihn denkt.“
Beschauliches Leben
„Nein, denn wenn sie nichts Böses tun, so tun sie auch nichts Gutes und sind unnütze Menschen; außerdem ist nichts Gutes zu tun auch schon ein Übel. Gott will, dass man an ihn denkt, aber er will nicht, dass man nur an ihn denkt, da er ja dem Menschen Pflichten auf Erden zu erfüllen gab. Wer sich in Andacht und Beschaulichkeit aufzehrt, tut vor Gott nichts Verdienstliches, weil sein Leben ein rein persönliches bleibt und für die Menschheit keinen Nutzen bringt. Gott wird von ihm Rechenschaft verlangen über das Gute, das er nicht tat.“ (640.).
Das Gebet
„Das Gebet ist Gott stets wohlgefällig, wenn es aus dem Herzen kommt, denn der Vorsatz ist für ihn alles und das herzliche eigene Gebet ist dem vorzuziehen, das du nur liest, wie schön dieses auch sein mag, wenn du es mehr mit den Lippen als mit den Gedanken liest. Das Gebet ist Gott wohlgefällig, wenn es mit Glauben, Inbrunst, Aufrichtigkeit gesprochen wird; glaube aber nicht, dass er vom Gebet des Hochmütigen, Eitlen und Eigensüchtigen gerührt werde, es geschehe denn aus aufrichtiger Reue und wahrhaftiger Demut.“
„Das Gebet ist eine Handlung der Anbetung. Zu Gott beten heißt, an ihn denken, heißt sich ihm nahen, heißt sich mit ihm in Verbindung setzen. Im Gebet kann man drei Dinge tun: Loben, bitten, danken.“
,,Ja, denn wer mit Inbrunst und Vertrauen betet, ist stärker gegenüber den Versuchungen des Bösen und Gott sendet ihm gute Geister zur Unterstützung. Es ist eine Hilfe, die nie verweigert wird, wenn sie aufrichtig verlangt wird.“
660a. Wie kommt es, dass gewisse Personen, welche viel beten, dennoch einen schlechten Charakter haben, eifersüchtig, neidisch, mürrisch sind, dass sie kein Wohlwollen, und keine Nachsicht kennen, ja dass sie oft geradezu lasterhaft sind?
„Es kommt nicht auf das viele Beten an, sondern darauf, dass man recht betet. Die Leute meinen, dass das ganze Verdienst in der Länge des Gebetes liege und schließen ihre Augen über ihre eigenen Fehler. Das Gebet ist für sie eine Beschäftigung, ein Zeitvertreib; aber nicht eine Selbstprüfung. Nicht die Arznei ist unwirksam, sondern die Art ihrer Anwendung.“
„Gott weiß Gut und Böse zu unterscheiden: das Gebet verbirgt die Fehler nicht. Wer Gott um Verzeihung seiner Fehler bittet, erhält sie nur, wenn er sein Verhalten ändert. Gute Handlungen sind das beste Gebet, denn Taten sind mehr wert als Worte.“
„Der Geist des Betenden wirkt durch seinen Willen Gutes zu tun. Durch das Gebet zieht er die guten Geister an sich, welche sich dem Guten, das er tun will, anschließen.“
Wir besitzen in uns dank unseres Denkens und Willens eine Kraft unseres Wirkens, die sich weit über die Grenzen unserer leiblichen Sphäre ausdehnt. Das Gebet für einen Anderen ist die Betätigung eines solchen Willens. Wenn es glühend und aufrichtig ist, so kann es zu seiner Hilfe die guten Geister herbeirufen, um ihm gute Gedanken einzugeben und ihm die Kraft des Leibes und der Seele zu verleihen, deren er bedarf. Aber auch hier ist das Gebet, das aus dem Herzen kommt, alles; das Geplapper der Lippen nichts.
„Eure Prüfungen sind in Gottes Hand und es gibt solche, die bis auf die Hefe geleert werden müssen, dann aber trägt Gott stets der Ergebung Rechnung. Das Gebet ruft die guten Geister an eure Seite und diese geben euch Kraft, jene mutig zu ertragen und dann erscheinen sie euch weniger hart. Wir sagten es schon: das Gebet ist nie unnütz, wenn es echt ist, denn dann gibt es Stärke und das ist schon ein großer Erfolg. Hilf dir selbst, so wird dir Gott helfen – du weißt das ja. Übrigens kann Gott die Gesetze der Natur nicht für einen jeden ändern, denn was für eure kleinliche Auffassung und für euer kurzes Leben ein großes Übel ist, das ist oft ein großes Gut in der allgemeinen Ordnung des Universums. Und dann, wieviele Übel gibt es nicht, deren Urheber der Mensch selbst ist durch seine Unvorsichtigkeit oder seine Fehler! Er wird gestraft mit dem, was er gesündigt hat. Dennoch werden billige Bitten öfter erhört, als ihr denkt. Ihr meint, Gott habe euch nicht erhört, weil er kein Wunder für euch tat, während er euch mit so natürlichen Dingen beispringt, dass es euch als Zufall oder die Wirkung der Gewalt der Dinge erscheint. Oft auch und zwar am meisten erweckt er in euch den nötigen Gedanken, dass ihr euch selbst aus der Verlegenheit zieht.“
„Das Gebet kann nicht die Wirkung haben, Gottes Absichten zu ändern, aber die Seele, für die man betet, fühlt davon Erleichterung, da es ein Beweis des Interesses ist, das man für sie hat und weil der Unglückliche stets erleichtert wird, wenn er liebende Seelen findet, die mit seinen Schmerzen Mitleid fühlen. Andererseits erweckt man in ihm durch das Gebet Reue und den Antrieb das Nötige zu tun, um glücklich zu werden. In diesem Sinn kann man allerdings sein Leiden abkürzen, wenn auch er durch seinen guten Willen das Seinige tut. Dieser, durch das Gebet erweckte Wunsch sich zu bessern, ruft bessere Geister an die Seite des Leidenden, welche ihn erleuchten, trösten und mit Hoffnung beleben. Jesus betete für die verlorenen Schafe: Er zeigt euch dadurch, dass ihr strafbar würdet, wenn ihr es nicht auch tätet für die, welche es am meisten bedürfen.“
„Christus sagte zu den Menschen: Liebet einander. Dieses Gebot schließt das andere ein, alle möglichen Mittel anzuwenden, ihnen Liebe zu bezeugen, ohne deswegen in irgendwelche Einzelheiten über die Art und Weise diesen Zweck zu erreichen, einzutreten. Wenn es wahr ist, dass nichts den Schöpfer davon abbringen kann, Gerechtigkeit, deren Urbild er ist, allem, was der Geist tut, angedeihen zu lassen, so ist es nicht minder wahr, dass das Gebet, das ihr an Gott für den richtet, der euch Liebe einflößt, für diesen letzteren ein Beweis des Andenkens ist, der seine Leiden erleichtern und ihm Trost bringen muss. Sobald er die geringste Reue zeigt, aber auch nur dann, wird er unterstützt. Nie aber bleibt ihm unbekannt, wenn eine sympathische Seele sich mit ihm beschäftigte und man lässt ihm den süßen Gedanken, dass deren Fürbitte ihm von Nutzen gewesen sind. Daraus folgt auf seiner Seite notwendig ein Gefühl des Dankes und der Liebe gegen den, der ihm diesen Beweis der Anhänglichkeit oder des Erbarmens gegeben hat. Folglich hat die von Christus dem Menschen empfohlene Liebe unter ihnen nur zugenommen. Sie haben also beide dem Gesetz der Liebe und der Einigung aller Wesen gehorcht, jenem göttlichen Gesetz, das die Einheit, das Ziel und den Endzweck des Geistes herbeiführen soll.“ *
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* Antwort des hl. Ludwig (Geistwesen)
„Man kann zu den guten Geistern als den Boten Gottes und den Vollziehern seines Willens beten; aber ihre Macht steht im Verhältnis zu ihrer Erhabenheit und ist stets abhängig von dem Herrn aller Dinge, ohne dessen Zulassung nichts geschieht. Darum sind die an sie gerichteten Gebete nur dann wirksam, wenn sie von Gott genehmigt werden.“
Vielgötterei
„Der Gedanke eines einzigen Gottes konnte bei den Menschen nur das Ergebnis der Entwicklung seiner Ideen sein. In seiner Unwissenheit war er nicht imstande, ein unstoff liches Wesen und ohne bestimmte Gestalt, das auf den Stoff wirkt, zu fassen und gab ihm deshalb die Eigenschaften der leiblichen Natur, d. h. eine Gestalt und ein Antlitz. Von nun an war ihm alles eine Gottheit, was ihm das Maß des gemeinen Verstandes zu überschreiten schien. Alles was er nicht begriff, musste so das Werk einer übernatürlichen Macht sein und von hier bis zum Glauben an soviele einzelne Mächte, als er Wirkungen sah, war nur noch ein Schritt. Zu allen Zeiten gab es aber aufgeklärte Menschen, welche die Unmöglichkeit einsahen, dass diese Vielheit von Mächten die Welt ohne eine oberste Leitung regieren könne und sich daher zum Gedanken eines einzigen Gottes aufschwangen.“
„Ohne Zweifel, denn da die Menschen alles Übermenschliche Gott nannten, so waren die Geister für sie Götter und darum machte man aus einem Menschen, der sich vor allen anderen durch seine Taten, sein Genie oder durch eine vom gemeinen Mann unverstandene Macht auszeichnete, einen Gott und weihte ihm nach seinem Tod einen Kultus.“ (603.)
Das Wort Gott hatte in der Antike einen sehr weiten Sinn: Es war nicht, wie heutzutage, die Personifikation des Herrn der Natur, sondern eine allgemeine Bezeichnung für jedes außerhalb der Bedingungen menschlicher Natur stehende Wesen. Da nun die spiritistischen Kundgebungen ihnen das Dasein unkörperlicher, als Naturmächte wirkender Wesen enthüllten, nannten sie diesel – ben Götter, so wie wir sie Geister nennen. So läuft dies also auf eine einfache Wortfrage hinaus, nur mit dem Unterschied, dass sie in ihrer Unwissenheit – die absichtlich von solchen, die ein Interesse daran hatten, aufrecht erhalten wurde – diesen Wesen sehr kostbare Tempel und Altäre errichteten, während sie für uns einfache Geschöpfe, wie wir selbst sind, mehr oder weniger vollkommen und entkleidet von ihrer irdischen Hülle sind. Studiert man gründlich die verschiedenen Eigenschaften der heidnischen Gottheiten, so wird man in ihnen leicht alle die unserer Geister auf allen Stufen der geistigen Leiter wiedererkennen, sowie auch ihren physischen Zustand auf den höheren Welten, alle Eigenschaften des Perispirits und die Rolle, welche sie in den Angelegenheiten der Erde spielen.
Als das Christentum die Welt mit seinem göttlichen Licht erleuchtete, konnte es etwas, das in der Natur selbst liegt, nicht unterdrücken, aber es führte die Anbetung auf denjenigen zurück, dem sie gebührt. Was die Geister betrifft, so erhielt sich die Erinnerung an sie unter verschiedenen Namen, je nach den Völkern. Auch ihre Kundgebungen, die nie aufgehört haben, wurden verschieden ausgelegt und oft unter der Herrschaft des Geheimnisses ausgebeutet. Während die Religion in denselben wunderbare Erscheinungen erblickte, sahen die Ungläubigen darin nur Betrüger. Heutzutage enthüllt uns dank einem ernsthaften Studium der Spiritismus, nachdem er von den Jahrhunderte alten abergläubischen Zugaben gereinigt worden ist, eines der großartigsten und erhabensten Prinzipien der Natur.
Von den Opfern
„Zunächst weil sie Gott nicht als die Quelle des Guten erkannten. Bei den frühesten Völkern hat der Stoff die Oberhand über den Geist, sie lassen sich hinreißen von den tierischen Trieben. Darum sind sie im allgemeinen grausam, denn der moralische Sinn ist in ihnen noch nicht entwickelt. Sodann mussten jene Menschen natürlich annehmen, dass ein beseeltes Wesen in den Augen Gottes einen viel höheren Wert habe, als ein stofflicher Körper. Das veranlasste sie zunächst, Tiere zu opfern und später auch Menschen, da sie ja, nach ihrem verkehrten Glauben dachten, dass der Wert des Opfers im Verhältnis stehe zur Wichtigkeit des Geopferten. Im stofflichen Leben, wie ihr es meist führt, wählt ihr eure Geschenke immer so, dass sein Wert im Verhältnis steht zu dem Grad von Zuneigung und Achtung, die ihr dem Betreffenden bezeugen wollt. So musste es sich auch mit dem in Beziehung auf Gott unwissenden Menschen verhalten.“
669a. So wären also die Tieropfer den Menschenopfern vorausgegangen?
„Ohne Zweifel.“
669b. Nach dieser Auslegung hätten also die Menschenopfer ihre Quelle nicht in dem Gefühl der Grausamkeit?
„Nein, sondern in einer falschen Vorstellung, Gott wohlgefällig zu sein: Seht den Abraham. In der Folge missbrauchten die Menschen jene falsche Vorstellung, um ihre Feinde, selbst ihre Privatfeinde zu opfern. Übrigens forderte Gott nie ein Opfer, weder Tier – noch Menschenopfer. Er kann unmöglich geehrt werden durch die unnütze Vernichtung seines eigenen Geschöpfs.“
„Nein, niemals; aber Gott richtet die Absicht. Wenn die Menschen unwissend waren, so konnten sie eine löbliche Tat zu begehen wähnen, indem sie einen ihresgleichen opferten. In diesem Fall hielt sich Gott nur an die Absicht, nicht an die Tat. Wie sich die Menschen besserten, mussten sie ihren Irrtum einsehen und jene Opfer verdammen, da sie nicht mit dem Denken aufgeklärter Geister zu vereinbaren sind. Ich sage aufgeklärt, weil der Menschengeist damals von dem Schleier des Stoffes verhüllt war. Kraft ihres freien Willens konnten sie einen Blick auf ihren Ursprung und ihr Ende werfen und schon erkannten viele in einem vagen Gefühl das Böse, das sie taten, begingen es aber dessen ungeachtet, um ihre Leidenschaften zu befriedigen.“
„Von den bösen Geistern werden sie getrieben und indem sie gegen ihresgleichen Krieg führen, handeln sie gegen den Willen Gottes, der da sagt, man solle seinen Bruder lieben, wie sich selbst. Da alle Religionen oder vielmehr alle Völker denselben Gott anbeten, möge er nun diesen oder jenen Namen haben, warum gegen solche einen Vertilgungskrieg führen, weil deren Religion etwas verschieden ist oder noch nicht die Stufe der fortgeschritteneren Völker erreicht hat? Die Völker sind zu entschuldigen, wenn sie nicht an das Wort desjenigen glauben, der vom Geist Gottes beseelt und von ihm gesandt war, besonders wenn sie ihn nicht selbst sahen und Zeugen seiner Taten waren. Und wie sollen sie an jenes Wort des Friedens glauben, wenn ihr es ihnen mit dem Schwert bringt? Sie sollen aufgeklärt werden und wir sollen ihnen seine Lehre mit Überzeugung mit Sanftmut verkündigen, nicht mit Blut und Gewalt. Die meisten von euch glauben nicht an die Verbindungen, die wir mit gewissen Sterblichen pflegen: wie könnt ihr dann verlangen, dass Fremde euch aufs Wort glauben sollen, wenn euer Tun die von euch gepredigte Lehre verleugnet?“
„Ich antwortete euch schon als ich sagte, dass Gott die Absicht richte und dass die Tat selbst wenig Gewicht für ihn habe. Offenbar war es Gott wohlgefälliger, sich die Früchte der Erde als das Blut der Tiere opfern zu sehen. Wie wir es auch schon sagten und es stets wiederholen, das Gebet, das vom Herzen kommt, ist Gott hundertmal wohlgefälliger als alle Gaben, die ihr ihm darbringen könnt. Ich wiederhole, an der Absicht liegt alles, an der Handlung nichts.“
„Gott segnet stets die, welche Gutes tun: die Armen und die Betrübten unterstützen ist das beste Mittel, ihn zu ehren. Ich sage deswegen nicht, dass Gott die Zeremonien verdammt, die ihr begeht, wenn ihr zu ihm betet, aber es könnte da viel Geld auf nützlichere Weise angewandt werden. Gott liebt in allem die Einfachheit. Der Mensch, der sich ans Äußere und nicht ans Herz hält, ist ein beschränktes Wesen und nun urteilt selbst, ob Gott sich mehr an die Form als an das Wesen halten wird.“
KAPITEL III – II. Das Gesetz der Arbeit
Notwendigkeit der Arbeit
„Schon deswegen ist die Arbeit ein Naturgesetz, weil sie eine Notwendigkeit ist, und die Zivilisation nötigt den Menschen deswegen zu größerer Arbeit, weil sie seine Bedürfnisse und Genüsse vermehrt.“
675. Darf man unter Arbeit nur die stofflichen (materiellen, Hand – ) Arbeiten verstehen?
„Nein, der Geist arbeitet so gut wie der Leib. Jede nützliche Beschäftigung ist eine Arbeit.“
„Sie ist eine Folge seiner leiblichen Natur. Sie ist eine Sühne und gleichzeitig ein Mittel, seine Intelligenz zu vervollkommnen. Ohne Arbeit verbliebe der Mensch in der Kindheit seiner Intelligenz. Darum verdankt er Nahrung, Sicherheit, Wohlsein nur seiner Arbeit und seiner Tätigkeit. Dem, der leiblich zu schwach ist, gab Gott dafür Intelligenz, aber auch sie ist Arbeit.“
„Alles in der Natur arbeitet. Auch die Tiere arbeiten, so wie du; aber ihre Arbeit wie ihre Intelligenz beschränkt sich auf ihre Selbsterhaltung. Darum bringt sie bei denselben nicht den Fortschritt mit sich, während sie beim Menschen den doppelten Zweck der Erhaltung des Leibes und der Entwicklung des Gedankens hat, welcher letztere auch ein Bedürfnis ist und den Menschen über sich selbst erhebt. Wenn ich sage, dass die Arbeit der Tiere auf ihre Selbsterhaltung beschränkt sei, so meine ich damit den Zweck, den sie sich bei ihrer Arbeit vorsetzen. Zugleich aber sind sie, indem sie ihre leiblichen Bedürfnisse befriedigen, auch und ohne es zu wissen, die wirksamen Vermittler der Absichten des Schöpfers und ihre Arbeit trägt deshalb nicht minder zum Endzweck der Natur bei, wenn ihr auch gar oft kein unmittelbares Ergebnis darin entdecken könnt.“
„Die Natur der Arbeit steht im Verhältnis zur Natur der Bedürfnisse. Je weniger stofflich diese sind, desto weniger auch die Arbeit. Glaube aber darum nicht, dass der Mensch untätig und unnütz sei: der Müßiggang würde eine Strafe, nicht eine Wohltat sein.“
„Vielleicht von der leiblichen Arbeit, nicht aber von der Pflicht, sich je nach seinen Hilfsmitteln nützlich zu machen, seine eigene Intelligenz oder die der anderen zu vervollkommnen, was auch eine Arbeit ist. Wenn der Mensch, dem Gott hinreichendes Vermögen gegeben hat, zur Sicherung seines Daseins nicht genötigt ist, sein Brot im Schweiß seines Angesichts zu verdienen, so ist seine Pflicht, seinesgleichen nützlich zu sein um so größer, als ihm das ihm gleichsam vorgestreckte Besitztum mehr Muße gewährt, Gutes zu tun.“
„Gott ist gerecht: er verurteilt nur den, dessen Dasein aus freien Stücken unnütz ist; denn dieser lebt auf Kosten der Arbeit der anderen. Gott will, dass jeder sich nach dem Maß seiner Fähigkeiten nützlich macht.“(643.)
„Gewiss, so gut wie die Eltern für die Kinder arbeiten sollen. Darum schuf Gott in der Kindes – und der Elternliebe ein angeborenes Gefühl, auf dass Kraft dieser gegenseitigen Liebe, die Glieder einer Familie sich gegenseitig zu unterstützen und zu helfen gedrängt fühlen. Eben dies wird nur zu häufig in eurer gegenwärtigen Gesellschaft verkannt.“(205.)
Grenzen der Arbeit. Ruhe.
„Ohne Zweifel, die Ruhe dient dazu, die Kräfte des Leibes wieder herzustellen und sie ist auch notwendig, um der Intelligenz etwas mehr Freiheit zu lassen, damit sie sich über den Stoff erheben kann.“
683. Welches sind die Grenzen der Arbeit?
„Die Grenzen der Kräfte: Im Übrigen lässt Gott den Menschen frei.“
„Das ist eine der schlechtesten Handlungen. Jeder, der die Macht hat zu befehlen, ist verantwortlich für das Übermaß von Arbeit, das er den Untergebenen auferlegt; denn er übertritt das Gesetz Gottes.“(273.)
„Ja, er ist nur nach Maßgabe seiner Kräfte verpflichtet.“
685a. Aber welche Hilfsmittel besitzt der Greis, der arbeiten muss, um zu leben und es doch nicht kann?
„Der Starke soll arbeiten für die Schwachen. Hat er keine Familie, so soll die Gesellschaft für dieselbe eintreten: Das ist das Gesetz der Nächstenliebe.“
Es genügt nicht, dem Menschen zu sagen: er müsse arbeiten, es ist auch notwendig, dass der, dessen Dasein von seiner Arbeit abhängt, solche findet, und dies ist nicht immer der Fall. Wenn eine Arbeitseinstellung sich verbreitet, so nimmt sie gleich einer Teuerung die Verhältnisse einer Pest an. Die Nationalökonomie sucht das Mittel dagegen in dem Gleichgewicht zwischen der Erzeugung und dem Verbrauch. Dieses Gleichgewicht, – seine Möglichkeit überhaupt vorausgesetzt – setzt immer von Zeit zu Zeit aus und während dieser Zeiten muss der Arbeiter dennoch gelebt haben. Es gibt ein Moment, das man nicht hinlänglich in Rechnung bringt, und ohne welches die Nationalökonomie eine bloße Theorie bleibt, nämlich die Erziehung: nicht die intellektuelle, sondern die moralische Erziehung; auch nicht bloß die moralische Erziehung durch Bücher, sondern die, welche in der Charakterbildung besteht, welche Gewohnheiten schafft; denn die Erziehung als Resultat ist die Gesamtheit der erworbenen Gewohnheiten. Wenn man die Masse der täglich in den Strom der Bevölkerung hineingeworfenen Individuen bedenkt, welche ohne Grundsätze, ohne Zügel, ihren eigenen Trieben folgend dahinleben, darf man sich dann wundern über die unseligen Folgen? Wenn einmal jene Kunst erkannt, verstanden und geübt sein wird, dann wird der Mensch Gewohnheiten der Ordnung und Voraussicht für sich und die seinen, der Achtung vor dem Achtungswerten mit sich in die Welt nehmen, Gewohnheiten, die ihm gestatten werden, seine schlimmen Tage auf weniger peinliche Weise zuzubringen. Mangel an Ordnung und an Blick in die Zukunft sind zwei Wunden, die eine wohlverstandene Erziehung allein heilen kann. Hier liegt der Ausgangspunkt, die Grundbedingung des Wohlstandes und das Unterpfand der Sicherheit für alle.
KAPITEL IV – III. Das Gesetz der Fortpflanzung
Bevölkerung der Erde
686. Ist die Fortpflanzung der lebendigen Wesen ein Naturgesetz?„Offenbar, ohne Fortpflanzung ginge die leibliche Welt zugrunde.“
„Nein, dafür sorgt Gott und er hält das Gleichgewicht stets aufrecht. Er tut nichts Unnützes. Der Mensch, der nur einen kleinen Abschnitt aus dem Gesamtgemälde der Natur überblickt, hat kein Urteil über die Harmonie des Ganzen.“
Aufeinanderfolge und Vervollkommnung der Völker
„Das ist richtig, aber es haben dann andere ihre Stelle einge – nommen, wie einst andere die eure einnehmen werden.“
„Es sind dieselben Geister, welche wiedergekommen sind, um sich in neuen Leibern zu vervollkommnen, die aber noch weit entfernt sind von der Vollendung. So wird die gegenwärtige menschliche Bevölkerung, die durch ihre Vermehrung die ganze Erde zu erobern und an die Stelle der aussterbenden Völker sich selbst zu setzen strebt, auch ihrerseits ihre Periode des Absterbens und des Verschwindens erleben. Andere vollkommenere Völker werden an ihre Stellen treten, Abkömmlinge der jetzigen Völker, wie die zivilisierten Menschen von heute von den rohen und wilden Wesen der Urzeiten abstammen.“
„Der Ursprung der Völker verliert sich im Dunkel der Zeiten. Da sie aber alle der großen menschlichen Familie angehören, welches auch der Urstammvater von jedem gewesen sein mag, so konnten sie sich untereinander verbinden und neue Typen hervorbringen.“
„Entwicklung der rohen Kraft auf Unkosten der Intelligenz: Jetzt findet das Gegenteil statt: Der Mensch wirkt mehr durch seine Intelligenz als durch seine Leibesstärke und doch wirkt er hundertmal mehr, weil er die Kräfte der Natur zu benutzen wusste, was die Tiere nicht können.“
„Man soll alles tun, um zur Vollkommenheit zu gelangen und der Mensch selbst ist ein Werkzeug, dessen sich Gott bedient, um zu seinen Zielen zu gelangen. Da die Vollkommenheit das Ziel ist, dem die Natur zustrebt, so ist eine Begünstigung dieser Vollkommenheit nur eine Förderung ihrer Absichten.“
Hindernisse der Fortpflanzung
„Alles, was die Natur in ihrem Fortschreiten behindert, widersteht dem allgemeinen Gesetz.“
693a. Es gibt aber dennoch gewisse Gattungen lebender Wesen, sowohl Pflanzen als Tiere, deren unbeschränkte Fortpflanzung anderen Gattungen schädlich wäre und denen der Mensch selbst zum Opfer fallen würde. Begeht er nun etwas Tadelnswertes, wenn er diese Fortpflanzung aufhält?
„Gott gab dem Menschen die Macht über alle lebenden Wesen, die er zum Guten gebrauchen, aber nicht missbrauchen soll. Er darf die Fortpflanzung nach Bedarf regeln, er darf sie aber ohne Not nicht behindern. Die vernünftige Einwirkung des Menschen ist ein von Gott geordnetes Gegengewicht, um in den Kräften der Natur das Gleichmaß herzustellen und auch das unterscheidet ihn von den Tieren, weil er es mit Sachkenntnis tun kann. Aber die Tiere selbst tragen ebenfalls zu diesem Gleichgewicht bei, denn der ihnen verliehene Zerstörungstrieb bewirkt, dass sie gerade in der Sorge für ihre eigene Erhaltung die übermäßige und vielleicht gefährliche Entwicklung der Tier – und Pflanzengattungen aufhalten, von denen sie sich nähren.“
694. Was ist vom Brauch zu halten, die Fortpflanzung in der Absicht sinnlicher Genüsse aufzuhalten?
„Das beweist die Vorherrschaft des Leibes über die Seele und wie tief der Mensch im Stoff steckt.“
Ehe und Zölibat
695. Widerspricht die Ehe, d.h., die bleibende Vereinigung zweier Wesen dem Gesetz der Natur?„Sie ist ein Fortschritt im Ganzen der Menschheit.“
„Die Rückkehr zum Leben der Tiere.“ Die freie und zufällige Vereinigung der Geschlechter ist der Zustand der Natur. Die Ehe ist einer der ersten Fortschritte in der menschlichen Gesellschaft, weil sie die wechselseitige brüderliche Verpflichtung einführt und sich bei allen Völkern findet, wenn auch unter mannigfachen Bedingungen. Die Abschaffung der Ehe wäre daher eine Rückkehr zur Kindheit der Menschheit und würde den Menschen sogar tiefer als gewisse Tiere stellen, die ihm das Beispiel bleibender Vereinigung bieten.
„Sie ist ein dem Naturgesetz höchst widersprechendes menschliches Gesetz. Die Menschen können aber ihre Gesetze ändern: nur die Naturgesetze sind unveränderlich.“
698. Ist die freiwillige Enthaltung von der Ehe ein in den Augen Gottes verdienstlicher, vollkommenerer Zustand?
„Nein, und die, welche aus Egoismus so leben, missfallen Gott und betrügen jedermann.“
„Das ist etwas ganz anderes. Ich sagte `aus Egoismus´. Jedes persönliche Opfer ist verdienstlich, wenn es um des Guten willen geschieht. Je größer das Opfer, desto größer das Verdienst.“
Gott kann sich nicht widersprechen, noch das, was er getan hat schlecht finden. Er kann also in der Verletzung seines Gesetzes nichts verdienstliches finden. Wenn aber die Ehelosigkeit an und für sich kein verdienstlicher Stand ist, so verhält es sich anders, wenn sie durch den Verzicht auf die Freuden der Familie zu einem zum Nutzen der Menschheit gebrachten Opfer wird. Jedes dem Guten gebrachte persönliche Opfer, wenn es ohne eigennützigen Hintergedanken geschieht, erhebt den Menschen hoch über sein nur sinnliches Dasein.
Polygamie
„Ja, denn in der Natur hat alles seinen Zweck.“
„Die Polygamie ist ein menschliches Gesetz, dessen Abschaffung einen gesellschaftlichen Fortschritt bezeichnet. Nach den Absichten Gottes soll die Ehe auf die Zuneigung der sich vereinigenden Wesen begründet werden. Bei der Polygamie gibt es keine wahre Zuneigung, sondern nur Sinnlichkeit.“
Entspräche die Polygamie dem Naturgesetz, so müsste sie allgemein verbreitet sein können, was gegenüber der gleichen Stärke der beiden Geschlechter eine tatsächliche Unmöglichkeit wäre. Die Polygamie muss als ein besonderer Brauch oder ein besonderes Gesetz betrachtet werden, das gewissen Sitten entspricht und welches der gesellschaftliche Fortschritt allmählich verschwinden lässt.
KAPITEL V – IV. Das Gesetz der Erhaltung
Erhaltungstrieb
„Ohne Zweifel. Er ist allen lebenden Wesen eingepflanzt, welches auch die Stufe ihrer Intelligenz sein mag. Bei den einen ist er rein mechanisch, bei anderen vernunftgemäß.“
„Weil alle zu den Absichten der Vorsehung mitwirken sollen. Darum gab ihnen Gott das Bedürfnis zu leben. Sodann ist das Leben notwendig zur Vervollkommnung der Wesen: Sie fühlen dies instinktartig, ohne sich darüber Rechenschaft zu geben.“
Erhaltungsmittel
„Ja, und wenn er sie nicht findet, so kommt dies nur daher, dass er sie nicht erkennt. Gott konnte dem Menschen nicht das Bedürfnis zu leben geben, ohne ihm auch die Mittel dazu zu geben; darum lässt er die Erde Dinge hervorbringen, die ihren Bewohnern alles Notwendige bieten; denn nur das Notwendige ist nützlich, das Überflüssige ist es nie.“
„Weil der Mensch sie vernachlässigt, der Undankbare! Sie ist doch eine vortreffliche Mutter. Oft auch klagt der Mensch die Natur dessen an, was doch nur die Folge einer Unerfahrenheit oder seines Mangels an Voraussicht ist. Die Erde würde stets das Nötige erzeugen, wenn der Mensch sich damit zu begnügen wüsste. Wenn sie nicht allen Bedürfnissen entspricht, so kommt dies daher, dass der Mensch das, was zum Nötigen gebraucht werden sollte, auf das Überflüssige verwendet. Sieh den Araber der Wüste, er findet stets zu leben, weil er sich keine künstlichen Bedürfnisse schafft. Wenn aber die Hälfte der Erzeugnisse zur Befriedigung von unnützen Einfällen verschleudert wird, darf sich der Mensch dann wundern, am folgenden Tag nichts mehr zu finden und darf er sich beklagen, dass er nichts mehr vor sich sieht, wenn die Zeit der Entbehrung herankommt? Wahrlich ich sage euch, nicht der Natur mangelt es an Voraussicht, nur der Mensch weiß sein Leben nicht zu ordnen.“
„Der Boden ist die erste Quelle, dem alle anderen Hilfsmittel entströmen, denn schließlich sind die letzteren nur Umwandlungen der Bodenerzeugnisse. Daraus ist unter den Gütern der Erde alles zu verstehen, was der Mensch hier auf Erden genießen kann.“
„Dem Egoismus der Menschen, die nicht immer tun, was sie sollen. Suchet, so werdet ihr finden, diese Worte besagen keineswegs, dass es genügt, auf den Boden zu schauen, um gleich das zu finden, was man wünscht, sondern dass man mit Eifer und Beharrlichkeit und nicht in weichlichem Behagen zu suchen habe, ohne sich durch die Hindernisse entmutigen zu lassen; denn durch diese soll oft nur eure Beständigkeit, Geduld und Festigkeit auf die Probe gestellt werden.“ (534.)
Wenn die Zivilisation die Bedürfnisse vermehrt, so vermehrt sie zugleich die Quellen der Arbeit und die Mittel zum Leben. Allerdings aber bleibt derselben hier noch viel zu tun übrig. Hat sie einst ihre Aufgabe vollendet, so wird keiner mehr sagen können, dass es ihm am Notwendigen fehle, es sei denn durch seinen eigenen Fehler. Für viele ist das das Unglück, dass sie auf einem Weg bleiben wollen, den ihnen die Natur nicht vorzeichnete. Dann lässt sie die zum Gelingen nötige Intelligenz im Stich. Es ist Raum für jeden auf der Erde, aber unter der Bedingung, dass jeder seine eigene und nicht die Stelle der anderen einnehme. Die Natur kann nicht für die Fehler der sozialen Ordnung und die Folgen des Ehrgeizes und der Eigenliebe verantwortlich gemacht werden.
Indessen müsste man blind sein, wenn man den Fortschritt, der bei den vorgerücktesten Völkern gemacht wurde, nicht sehen wollte. Dank der unermüdlichen löblichen Bestrebungen der vereinigten Menschenliebe und Wissenschaft zur Verbesserung der materiellen Lage der Menschen und trotz dem stetigen Zunehmen der Bevölkerung wurde dem Mangel an Produktion, wenigstens größtenteils, gegengesteuert und die schlimmsten Hungerjahre lassen sich nicht mehr mit denjenigen der jüngsten Vergangenheit vergleichen. Die öffentliche Gesundheitspflege, jenes für Kraft und Wohlsein so wesentliche Element, das unseren Vätern noch unbekannt gewesen ist, ist jetzt der Gegenstand sorgfältigster Ergründung. Unglück und Leiden finden ihre Zufluchtsstätten und überall muss sich die Wissenschaft zur Vermehrung des Wohlstandes in Anspruch nehmen lassen. Wollen wir damit etwa sagen, dass man die Vollkommenheit schon erreicht hat? Oh, gewiss nicht, aber was bisher geschehen ist, daraus lässt sich schließen, was künftig geschehen kann, wenn der Mensch Ausdauer und Weisheit genug zeigt, um das Glück in tatsächlichen und ernsten Dingen und nicht in unausführbaren Träumereien sucht, die ihn nur rückwärts statt vorwärts bringen.
„Das ist eine oft sehr harte Prüfung für den Menschen, von der er aber wusste, dass er sich ihr zu unterziehen haben wird. Dann liegt sein Verdienst in der Ergebung in den Willen Gottes, wenn sein Verstand ihm keinen Weg weist, sich aus der Verlegenheit zu ziehen. Ist ihm der Tod verhängt, so soll er sich ohne Murren ergeben mit dem Gedanken, dass die Stunde der wahren Befreiung gekommen und dass die Verzweiflung des letzten Augenblickes ihn um die Frucht seiner Ergebung bringen kann.“
„Ich antwortete schon, indem ich sagte, dass es ein größeres Verdienst sei, alle Prüfungen des Lebens mutig und mit Ergebenheit zu ertragen. Jenes ist Menschenmord und ein Verbrechen gegen die Natur und verdient doppelte Strafe.“
„Ja, aber ihre Nahrung richtet sich nach ihrer Natur. Diese Nahrung wäre für eure groben Mägen nicht fest und stofflich genug und ebenso wenig könnten sie die eurige verdauen.“
Genuß irdischer Güter
„Dieses Recht folgt aus der Notwendigkeit, leben zu müssen. Gott kann nicht eine Pflicht geboten haben, ohne auch die Mittel zu deren Erfüllung zu bieten.“
„Um den Menschen zur Erfüllung seiner Mission anzutreiben und gleichzeitig um ihn durch die Versuchung zu erproben.“
712a. Und was ist der Zweck der Versuchung?
„Die Entwicklung seiner Vernunft, welche ihn vor Aus – schweifungen bewahren soll.“
Wenn der Mensch nur im Hinblick auf den Nutzen zum Gebrauch der irdischen Güter gereizt worden wäre, so hätte seine Gleich – gültigkeit die Harmonie des Universums gefährden können: darum gab ihm Gott den Reiz der Lust bei, der ihn zur Vollführung der Absichten der Vorsehung antreibt. Aber gerade durch diesen Reiz wollte ihn Gott außerdem noch in der Versuchung prüfen, die ihn zum Missbrauch zu verleiten sucht, vor dem ihn seine Vernunft bewahren soll.
„Ja, damit ihr die Grenze des Notwendigen erkennt. Aber durch eure Ausschweifungen gelangt ihr schließlich zum Überdruss und straft euch damit selbst.“
„Eine armselige Seele, die man beklagen muss und nicht beneiden kann, denn sie ist nicht mehr weit vom Tod!“
714a. Nähert sie sich dem leiblichen oder dem moralischen Tod?
„Beiden.“
Der Mensch, der in Ausschweifungen aller Art eine Verfeinerung und Steigerung des Genusses sucht, stellt sich unter das Tier; denn das Tier hält inne nach der Befriedigung seines Bedürfnisses. Er entlässt die ihm von Gott mitgegebene Führerin Vernunft und je größer seine Ausschweifungen sind, desto mehr Herrschaft räumt er seiner tierischen Natur über seine geistige ein. Krankheiten und Schwachheit, ja der Tod selbst – die Folgen des Missbrauchs – werden ihm zugleich zur Strafe für die Übertretung des Gesetzes Gottes.
Notwediges und Überflüssiges
„Der Weise erkennt sie intuitiv. Viele erkennen sie durch ihre Erfahrung und auf ihre eigenen Kosten.“
„Ja, aber der Mensch ist unersättlich. Die Natur hat die Grenzen der Bedürfnisse durch die physische Veranlagung gezogen, aber die Laster haben seine Leibesbeschaffenheit gefälscht und verändert und ihm Bedürfnisse geschaffen, die keine tatsächlichen mehr sind.“
„Sie verkennen Gottes Gesetz und werden die Entbehrungen, die sie verursachten, zu verantworten haben.“
Die Grenze zwischen Notwendigem und Überflüssigem ist keine unverrückbare. Die Zivilisation schuf Notwendigkeiten, welche der wilde Zustand nicht kennt und die Geister, die obige Vorschriften diktierten, behaupten nicht, dass der Zivilisierte leben soll wie der Wilde. Alles ist je nach Verhältnis: das Geschäft der Vernunft ist es, jedem Ding seinen Platz anzuweisen. Die Zivilisation entwickelt den moralischen Sinn und zugleich das Gefühl der Nächstenliebe, das die Menschen antreibt, sich gegenseitig zu unterstützen. Wer auf Kosten der Entbehrungen anderer die Wohltaten der Zivilisation für sich selbst ausbeutet, hat von der Zivilisation nur den Firnis, sowie gewisse Leute von der Religion nur den Schein.
Freiwillige Entsagung. Kasteiung.
„Ja, ohne Kraft und Gesundheit ist keine Arbeit möglich.“
„Das Wohlbehagen ist ein natürlicher Wunsch. Gott verbietet nur den Missbrauch, weil dieser der Selbsterhaltung widerspricht. Er sieht kein Verbrechen in dem Trachten nach Wohlbehagen, wenn dieses auf niemandes Kosten erworben wird und wenn es weder eure moralische noch eure physische Kraft schwächt.“
„Erweist den andern Gutes und ihr werdet euch größeres Verdienst erwerben.“
720a. ‘Gibt es überhaupt eine verdienstliche, freiwillige Entsagung?
„Ja, die Entsagung gegenüber unnützen Genüssen, weil sie den Menschen vom Stoff befreit und seine Seele erhebt. Das Verdienstliche besteht im Widerstand gegen die Versuchung, die zum Übermaß oder zum Genuss unnützer Dinge reizt; das heißt dann, vom eigenen Notwendigen zu nehmen und es denen zu geben, die nicht genug haben. Ist die Entsagung ein leeres Trugbild, so ist sie ein Hohn.“
„Fragt euch selbst, wem sie dienen und ihr werdet die Antwort finden. Dienen sie nur dem, der sie übt und den sie Gutes zu tun hindern, so ist dies Egoismus, welches auch der Vorwand sei, mit dem man sie begründet. Entsagen und für andere arbeiten, das ist die wahre Kasteiung und entspricht der christlichen Nächstenliebe.“
„Alles, wovon sich der Mensch ohne Schaden für seine Gesundheit nähren kann, ist erlaubt. Die Gesetzgeber konnten euch gewisse Nahrungsmittel zu einem nützlichen Zweck verbieten und stellten euch dann solche Gesetze, um ihnen mehr Achtung zu verschaffen, als von Gott kommend dar. “
„Bei eurer leiblichen Beschaffenheit nährt Fleisch das Fleisch, sonst verkümmert der Mensch. Das Gesetz der Erhaltung macht es dem Menschen zur Pflicht, seine Kräfte und seine Gesundheit zu erhalten, um das Gesetz der Arbeit zu erfüllen. Er soll sich also so nähren, wie es seine Leibesbeschaffenheit erfordert.“
„Ja, wenn man sich zu Gunsten anderer enthält, Gott kann aber keine Kasteiung billigen, wenn sie nicht eine ernstgemeinte und gemeinnützige ist. Darum sagen wir, dass die, welche sich nur zum Schein enthalten, Heuchler sind.“ (720.)
„Wozu eine solche Frage? Fragt euch doch noch einmal, ob eine Sache nützlich sei. Was unnütz ist, kann Gott nicht gefallen und was schädlich ist, missfällt ihm immer; denn wisset, Gott freut sich nur über die Gefühle, welche die Seele zu ihm erheben. Nicht wenn ihr sein Gesetz verletzt, sondern wenn ihr es befolgt, könnt ihr eueren irdischen Stoff allmählich abschütteln.“
„Die einzigen uns wirklich erhebenden Leiden sind die natürlichen, weil sie von Gott kommen; die freiwillig übernommenen dienen zu nichts, wenn sie kein Gutes für andere stiften. Glaubst du denn, die, welche ihr Leben durch übermenschliche Strenge und Grausamkeit abkürzen, wie die Bonzen, Fakire und gewisse Fanatiker verschiedener Sekten, kommen auf ihrer Bahn vorwärts? Warum arbeiten sie nicht vielmehr zum Besten von ihresgleichen? Die Armen mögen sie kleiden, die Weinenden trösten, für den Schwachen arbeiten, zur Tröstung der Unglücklichen mögen sie sich Entbehrungen auferlegen, dann wird ihr Leben ein Gott wohlgefälliges sein. Wenn man bei freiwilligem Leiden nur an sich selbst denkt, so ist das Egoismus; leidet man aber für andere, so ist es Nächstenliebe. Das sind Christi Gebote.“
„Der Trieb der Selbsterhaltung wurde allen Wesen eingepflanzt gegenüber Gefahren und Leiden. Geißelt euren Geist und nicht euren Leib, tötet eueren Hochmut ab, erstickt euren Egoismus, der euch, einer Schlange gleich, am Herzen nagt und ihr werdet mehr ausrichten zu eurem Vorwärtskommen, als durch Grausamkeiten, die nicht mehr in unser Jahrhundert passen.“
KAPITEL VI – V. Das Gesetz der Zerstörung
Notwendige und mißbräuchliche Zerstörung
„Alles muss zu Grunde gehen, damit es nun wieder auflebe und sich neu schaffe; denn was ihr Zerstörung nennt, ist nur eine Umwandlung, welche die Erneuerung und Verwandlung der lebenden Wesen zum Zweck hat.“
728a. So wäre also der Zerstörungstrieb den lebenden Wesen von der Vorsehung eingepflanzt worden?
„Gottes Geschöpfe sind die Werkzeuge, deren er sich zu seinen Zwecken bedient. Um sich zu ernähren, zerstören sich die lebenden Wesen untereinander, und zwar zu dem doppelten Zweck, das Gleichgewicht in der Fortpflanzung, die sonst ihr Maß überschritte, herzustellen und andererseits, die Trümmer der äußerlichen Hülle nutzbar zu machen. Es wird aber stets nur die Hülle zerstört, die nur das Zubehör, nicht aber der wesentliche Teil des denkenden Wesens ist. Der wesentliche Teil ist das intelligente Prinzip: dieses ist unzerstörbar und arbeitet sich in seinen Umwandlungen immer höher empor.“
„Damit die Vernichtung nicht vorzeitig eintrete. Jede zu frühzeitige Zerstörung hindert das intelligente Prinzip an seiner Entwicklung. Darum legte Gott in jedes Wesen den Lebens – und den Fortpflanzungstrieb.“
„Wir sagten bereits, dass der Mensch sein Leben zu verlängern suchen soll, um seine Aufgabe zu erfüllen. Darum gab ihm Gott den Erhaltungstrieb, der ihn in seinen Prüfungen aufrecht erhält; sonst würde er sich zu oft der Entmutigung hingeben. Die geheime Stimme, die ihn den Tod meiden lässt, sagt ihm, er könne noch etwas Gutes zu seinem Fortschritt verrichten. Droht ihm eine Gefahr, so ist dies eine Warnung, den Aufschub, den ihm Gott zugesteht, sich zunutze zu machen. Aber, welch Undank! Öfter dankt er es seinem guten Stern, als seinem Schöpfer.“
„Die Arznei neben das Übel. Wir sagten es schon: Es geschieht dies zur Erhaltung des Gleichgewichts und als Gegengewicht.“
„Sie steht im Verhältnis zu dem mehr oder weniger stofflichen Zustand der Welten. Sie hört auf bei einem höheren und reineren leiblichen und moralischen Zustand. Auf den fortgeschritteneren Welten als die eurige sind die Bedingungen des Daseins ganz andere.“
„Sie vermindert sich beim Menschen in dem Maße, als der Geist über den Stoff Herr wird. Deshalb seht ihr den Graus der Zerstörung sich nach der intellektuellen und moralischen Entwicklung richten.“
„Dieses Recht knüpft sich an die Notwendigkeit für seine Nahrung und seine Sicherheit zu sorgen. Der Missbrauch war niemals ein Recht.“
„Vorherrschaft der Vertiertheit über die geistige Natur. Jede Zerstörung, welche die Grenzen des Bedürfnisses überschreitet, ist eine Verletzung des Gesetzes Gottes. Die Tiere zerstören nur um ihrer Bedürfnisse willen, der Mensch aber mit seinem freien Willen vernichtet ohne Not. Er wird Rechenschaft zu geben haben über den Missbrauch seiner Freiheit, denn hier folgt er seinen schlechten Trieben.“
„Es ist dies ein Übermaß eines an sich löblichen Gefühls, das so aber ausartet und dessen Verdienst durch manche andere Missbräuche wieder aufgewogen wird. Es ist bei denselben mehr abergläubische Furcht, als wahre Güte.“
Verwüstende Landplagen
„Um sie schneller fortschreiten zu lassen. Sagten wir nicht, dass die Zerstörung notwendig sei zur moralischen Erneuerung der Geister, die in jedem neuen Dasein einen neuen Grad der Vollendung erlangen? Das Ende muss man sehen, um die Resultate zu würdigen. Ihr beurteilt jene nur nach eurem persönlichen Gesichtspunkt und ihr nennt sie Landplagen wegen des Schadens, den sie euch verursachen. Aber diese Umwälzungen sind oft notwendig, um schneller – d.h. oft in wenigen Jahren, wo es sonst viele Jahrhunderte gebraucht hätte – eine bessere Ordnung der Dinge herbeizuführen.“ (744.)
„Ja, und er verwendet sie auch alle Tage, da er einem jeden die Mittel, sich zu vervollkommnen, verlieh, in der Erkenntnis des Guten und Bösen. Der Mensch aber benutzt sie nicht; da muss er dann geschädigt werden für seinen Hochmut, auf dass er seine Schwachheit fühle.“
738a. Aber bei diesen Landplagen unterliegt der Gute wie der Schlechte. Ist denn das gerecht?
„Während seines Lebens führt der Mensch alles auf seinen Leib zurück, nach dem Tod aber denkt er anders und wie wir gesagt haben: Das Leben des Leibes hat nicht viel zu bedeuten, ein Jahrhundert eurer Welt ist gleich einem Blitz in der Ewigkeit. Also sind auch eure Leiden von einigen Monaten oder einigen Tagen, wie ihr das nennt, nichts. Lasst euch das zur Lehre dienen, auch für die Zukunft. Die Geister, sie sind die wirkliche Welt, die vor allem war und alles überdauert.(85.) Sie sind die Kinder Gottes und der Gegenstand all seiner Sorge. Die Leiber sind nur Verkleidungen, in denen die Geister in der Welt erscheinen. Die bei großen Unglücksfällen hinweggerafften Menschen gleichen einem Kriegsheer, das während eines Feldzugs seine Bekleidung abnützt, zerreißt oder verliert. Der Feldherr aber kümmert sich mehr um seine Soldaten, als um ihre Kleider.“
738b. Aber die Opfer dieser Landplagen sind deswegen nicht minder Opfer?
„Wenn man das Leben für das nähme, was es ist und bedachte, wie wenig es bedeutet gegenüber der Unendlichkeit, man legte ihm weniger Gewicht bei. Jene Opfer finden in einem anderen Dasein einen reichlichen Ersatz für ihre Leiden, wenn sie dieselben ohne Murren zu ertragen wissen.“
Mag der Tod durch eine Pest oder durch eine gewöhnliche Ursache herbeigeführt werden, man muss eben doch sterben, wenn das Stündlein zur Abreise geschlagen hat: der einzige Unterschied ist, dass eine größere Zahl gleichzeitig von dannen zieht. Könnten wir uns in Gedanken soweit erheben, dass wir die Menschheit ganz umfassten und überblickten, so erschienen uns jene grossen Verheerungen nur noch als vorübergehende Gewitter in den Geschicken der Welt.
„Ja, sie verändern zuweilen den Zustand einer Gegend. Das Gute, das daraus entsteht, wird aber oft erst von späteren Geschlechtern empfunden.“
„Die Landplagen sind Prüfungen, die dem Menschen Gelegenheit bieten, seine Intelligenz zu üben, seine Geduld und seine Ergebung in Gottes Willen zu zeigen und die es ihm möglich machen, seine Selbstlosigkeit, seine Uneigennützigkeit und Nächstenliebe zu entfalten, wenn er nicht in die Banden des Egoismus geschlagen ist.“
„Ja, teilweise, aber nicht so, wie man es gewöhnlich meint. Viele Landplagen sind die Folge von seinem Mangel an Voraussicht. In dem Maße als er sich Kenntnisse und Erfahrung sammelt, vermag er sie zu vermeiden, d.h. ihnen zuvorzukommen, wenn er hinter deren Ursachen zu kommen weiß. Unter den Übeln der Menschheit gibt es aber auch solche allgemeinerer Natur, die in den Absichten der Vorsehung liegen und von denen jedes Individuum mehr oder weniger betroffen wird. Diesen kann der Mensch nur Ergebenheit in den Willen Gottes entgegensetzen. Auch diese Übel werden häufig durch des Menschen Sorglosigkeit verschlimmert.“
Zu den zerstörenden Landplagen, den natürlichen und vom Menschen unabhängigen, sind zunächst die Pest, die Hungersnot, die Überschwemmungen, die Missernten zu rechnen. Hat aber der Mensch nicht schon in der Wissenschaft, den künstlichen Arbeiten, in der Vervollkommnung des Ackerbaues, in der Koppelwirtschaft und der Bewässerung, im Studium der Gesundheitslehre die Mittel gefunden, manch solches Missgeschick abzuwenden und wenigstens zu verringern? Werden nicht gewisse, einst von schrecklichen Plagen heimgesuchte Gegenden jetzt davon verschont? Was wird also der Mensch nicht noch alles für sein leibliches Wohl auszurichten vermögen, wenn er alle Hilfsmittel seiner Intelligenz sich zunutze machen und mit der Sorge für seinen eigenen Schutz die echte Nächstenliebe zu verbinden wissen wird! (707.)
Kriege
„Oberherrschaft der tierischen über die geistige Natur und Befriedigung seiner Leidenschaften. Im Zustand der Barbarei kennen die Völker nur das Recht des Stärkeren und darum ist der Krieg für sie ein normaler, regelrechter Zustand. Je mehr der Mensch fortschreitet, desto seltener werden die Kriege, weil der Mensch dann deren Ursachen vermeidet und, wenn sie nicht mehr zu vermeiden sind, die Menschlichkeit damit zu verbinden weiß.“
„Ja, wenn die Menschen die Gerechtigkeit erkennen und das Gesetz Gottes betätigen werden: dann sind alle Menschen Brüder.“
„Freiheit und Fortschritt.“
744a. Wenn aber der Krieg die Wirkung haben soll, dass der Mensch zur Freiheit gelange, wie kommt es denn, dass er oft die Unterjochung zum Zweck und zur Folge hat?
„Vorübergehende Unterjochung, um die Völker zu ermüden, damit sie desto schneller zum Ziel gelangen.“
„Der ist der wahre Schuldige und er wird sehr vieler Existenzen bedürfen, um alle Totschläge, die er veranlasste, zu sühnen, denn er wird über jeden Menschen, dessen Tod er zur Befriedigung seines Ehrgeizes verursachte, Rechenschaft zu geben haben.“
Mord
„Ja, ein großes Verbrechen. Denn wer seinesgleichen das Leben nimmt, zerreißt ein Leben der Sühne oder der Mission und hierin liegt das Übel.“
„Schon oft sagten wir: Gott ist gerecht, er richtet die Absicht mehr als die Tat selbst.“
„Die Notwendigkeit allein kann ihn entschuldigen. Kann man aber sein eigenes Leben bewahren, ohne das des Angreifers zu beeinträchtigen, so soll man es tun.“
„Nein, wenn er durch die Gewalt dazu angehalten wird; hingegen ist er der Grausamkeiten schuldig, die er begeht, und seine Menschlichkeit wird ihm gutgeschrieben werden.“
„Beide tragen dieselbe Schuld, denn jedes Verbrechen ist ein Verbrechen.“
„Die intellektuelle Entwicklung bedingt noch nicht die Notwendigkeit des Guten. Der an Intelligenz überlegene Geist kann sehr schlecht sein. Das ist der, welcher viel gelebt hat, ohne sich zu bessern: Er besitzt aber nur das Wissen.“
Grausamkeit
„Es ist der Zerstörungstrieb in seiner schlimmsten Entartung, denn wenn das Zerstören zuweilen notwendig ist, so ist es doch niemals die Grausamkeit; diese ist stets das Ergebnis einer schlechten Natur.“
„Bei den ältesten Völkern führt, wie du weißt, der Stoff die Herrschaft über den Geist. Sie überlassen sich den tierischen Trieben und da sie keine anderen Bedürfnisse kennen als die des leiblichen Lebens, so denken sie nur an ihre eigene Erhaltung, was sie eben gewöhnlich grausam macht. Ferner stehen die noch wenig entwickelten Völker unter dem Einfluss ebenso unvollkommener Geister, die ihnen sympathisch sind, bis fortgeschrittenere Völker kommen und diesen Einfluss zerstören oder wenigstens abschwächen.“
„Sage lieber, der moralische Sinn sei nicht entwickelt, denn er existiert im Prinzip bei jedem Menschen. Dieser moralische Sinn ist es, der aus ihnen später gute und menschliche Wesen macht. Er existiert also auch beim Wilden, aber nur so wie das Prinzip des Wohlgeruchs in dem Keime der Blume liegt, bevor sie sich öffnet.“
Alle Fähigkeiten sind im Menschen zunächst nur gleichsam als Ansätze oder Anlagen vorhanden und erwarten in diesem Zustand die zu ihrer Entwicklung mehr oder weniger günstigen Umstände und Bedingungen. Die übermäßige Entwicklung der einen hindert oder unterdrückt die der anderen. Die Überreizung der stofflichen Triebe erstickt sozusagen den moralischen Sinn, sowie die Entwicklung des letzteren nach und nach die rein tierischen Fähigkeiten abschwächt.
„So wie man auf einem mit guten Früchten voll beladenen Baum auch faule. Das sind, wenn du willst, Wilde, die von der Zivilisation nur das Kleid tragen, Wölfe, die sich mitten unter die Schafe verirrten. Geister niederen Ranges, die sehr zurückgeblieben sind, können sich unter fortgeschrittenen Menschen inkarnieren in der Hoffnung, dann selbst fortzuschreiten. Wird ihnen aber die Prüfung zu schwer, so gewinnt ihr ursprüngliches Wesen wieder die Oberhand.“
„Die Menschheit schreitet fort. Jene, vom Trieb des Bösen beherrschten Menschen, die unter den rechtschaffenen Leuten nicht an ihrem Platz sind, werden allmählich verschwinden, wie das schlechte Korn sich vom guten trennt, wenn es geschwungen wird; sie werden aber unter einer anderen Hülle wiedergeboren werden. Alsdann werden sie, da sie nun mehr Erfahrung besitzen, Gutes und Böses besser erkennen. Du findest hierzu ein Beispiel in den vom Menschen veredelten Pflanzen und Tieren, bei denen er neue Eigenschaften entwickelt. Das ist eben: erst nach mehreren Generationen wird die Vervollkommnung vollständig. Es ist dies ein Abbild der verschiedenen Existenzen des Menschen.“
Zweikampf (Duell)
„Nein, er ist ein Mord und eine geschmacklose, der Barbarei würdige Sitte. Bei einer höher fortgeschritteneren und moralischeren Zivilisation wird der Mensch einsehen, dass der Zweikampf etwas ebenso Lächerliches ist wie die Kämpfe, die man einst als Gottesgerichte betrachtete.“
„Das ist ein Selbstmord.“
758a. Und wenn die Aussichten gleich sind, ist es dann ein Mord oder ein Selbstmord?
„Das eine wie das andere.“
Wer einen Zweikampf eingeht, ist in allen Fällen, selbst wenn die Aussichten für beide Teile sich gleichstehen, strafbar, zunächst weil er kaltblütig und mit Überlegung sich an dem Leben seinesgleichen vergreift, sodann weil er in unnötiger Weise und ohne Nutzen für irgend jemanden sein eigenes Leben einsetzt.
„Hochmut und Eitelkeit: zwei Beulen am Leib der Menschheit.“
759a. Gibt es nicht Fälle, wo die Ehre wirklich in Frage steht und wo eine Weigerung Feigheit wäre?
„Das hängt von den Sitten und Gebräuchen ab. Jedes Land und jedes Jahrhundert haben darin eine verschiedene Anschauungsweise. Wenn einmal die Menschen besser und in der Moral weiter fortgeschritten sein werden, werden sie erkennen, dass der wahre Ehrenkodex über den irdischen Leidenschaften steht und dass man nicht dadurch, dass man einen anderen tötet oder sich selbst töten lässt, ein Unrecht wieder gut macht.“
Es liegt mehr Größe und wahre Ehre darin, sich schuldig zu bekennen, wenn man Unrecht hat, oder zu verzeihen, wenn man im Recht ist, auf alle Fälle aber die Beleidigungen zu verachten, die uns ja doch nicht treffen können.
Todesstrafe
„Die Todesstrafe wird unstreitig verschwinden und ihre Abschaffung wird einen Fortschritt der Menschheit bezeichnen. Sind einmal die Menschen mehr aufgeklärt, so wird die Todesstrafe auf Erden nicht mehr bestehen: die Menschen werden es nicht mehr nötig haben, von den Menschen gerichtet zu werden. Ich spreche von einer Zeit, die euch noch ziemlich fern liegt.“
Der gesellschaftliche Fortschritt lässt ohne Zweifel noch viel zu wünschen übrig; man beginge jedoch eine Ungerechtigkeit gegen die moderne Gesellschaft, wenn man nicht in der Beschränkung der Todesstrafe bei den fortgeschrittensten Völkern und in der Gattung der Verbrecher, auf welche sie beschränkt bleibt, einen Fortschritt erblickte. Vergleicht man die Menschenrechte, mit denen die Gerechtigkeit bei diesen gleichen Völkern den Angeklagten zu schützen sucht, die Menschlichkeit, die sie gegen denselben, selbst wenn er als schuldig erkannt ist, übt, mit dem, was in einer noch nicht sehr entfernten Zeit zu geschehen pflegte, so kann man den vorwärtsdringenden Gang der Menschheit nicht verkennen.
„Es gibt noch andere Mittel, sich vor Gefahr zu schützen, als es zu töten. Außerdem soll man dem Verbrecher die Tür der Reue öffnen und nicht sie ihm verschließen.“
„Notwendigkeit ist nicht das rechte Wort. Der Mensch hält stets etwas für notwendig, wenn er nichts besseres findet; aber je mehr er fortschreitet und sich aufklärt, desto besser erkennt er, was gerecht und was ungerecht ist und verwirft dann die, in den Zeiten der Unwissenheit im Namen des Rechts begangenen Ausschreitungen.“
„Kannst du zweifeln? Sträubt sich dein Geist nicht bei den Berichten über die Menschenschlächtereien, die einst im Namen der Gerechtigkeit, ja oft zur größeren Ehre Gottes vorgenommen wurden, bei den Martern, denen man den Verurteilten und selbst schon den Angeklagten unterzog, um ihm durch ein Übermaß von Schmerzen das Geständnis eines Verbrechens zu entreißen, das er oft nicht einmal begangen hatte? Wohlan, hättest du zu jener Zeit gelebt, du hättest das alles ganz natürlich gefunden und du selbst hättest als Richter genau dasselbe getan. So erscheint das, was zu einer Zeit als gerecht erschien, zu einer anderen Zeit als barbarisch. Die göttlichen Gesetze allein sind ewig, die menschlichen ändern sich mit dem Fortschritt und sie werden fortfahren sich zu ändern, bis sie sich mit den göttlichen decken.“
„Habt Acht, ihr missversteht diese Worte wie so manche andere. Das Wiedervergeltungsrecht ist die Gerechtigkeit Gottes: Er ist es, der davon Gebrauch macht. Ihr alle erleidet in jedem Augenblick diese Strafe, denn ihr werdet mit dem gestraft, worin ihr gesündigt habt, sei es in diesem oder in einem anderen Leben. Wer seinesgleichen leiden ließ, wird in eine Lage versetzt werden, wo er selbst das zu leiden haben wird, was er anderen hatte leiden lassen. Das ist der Sinn jener Worte Jesu. Aber hat er euch nicht auch gesagt: „Vergebet euren Feinden“ und hat er euch nicht gelehrt, Gott zu bitten: „Vergib uns unsere Schuld, wie auch wir vergeben unseren Schuldigern“, d.h. in dem Maße als ihr werdet vergeben haben. Versteht das wohl.“
„Das heißt, sich in der Gerechtigkeit an Gottes Stelle setzen. Wer so handelt, beweist, wie weit er noch von der Erkenntnis Gottes entfernt ist und dass er noch vieles zu sühnen hat. Die Todesstrafe ist ein Verbrechen, wenn sie im Namen Gottes verhängt wird und die, welche sie aussprechen, sind derselben als ebenso vieler Morde schuldig.“
KAPITEL VII – VI. Das Gesetz der Gesellschaft
Notwendigkeit des gesellschaftlichen Lebens
„Gewiss, Gott schuf den Menschen zu einem geselligen Wesen. Gott gab dem Menschen nicht unnötigerweise die Sprache und alle anderen zum geselligen Leben notwendigen Eigenschaften.“
„Ja, denn die Menschen suchen die Gesellschaft aus Instinkt und sie sollen alle zum Fortschritt durch gegenseitige Unterstützung beitragen.“
„Der Mensch soll fortschreiten: Allein kann er das nicht, weil der einzelne nicht alle Eigenschaften dazu hat. Er bedarf der Berührung mit anderen Menschen. In der Vereinsamung vertiert und verkümmert er.“
Kein Mensch besitzt alle Fähigkeiten vollständig. Durch gesellschaftliche Vereinigung ergänzen sich die einen durch die anderen, um sich gegenseitig ihr Wohl zu sichern und um fortzuschreiten. Da so die einen der anderen bedürfen, sind sie dazu geschaffen in Gesellschaft und nicht in der Einsiedelei zu leben.
Leben in der Isolation. Schweigegelübde.
„Die Befriedigung des Egoisten. Es gibt auch Leute, die im Rausch ihre Befriedigung finden. Billigst du sie etwa? Ein Leben kann Gott nicht wohlgefällig sein, durch das man sich dazu verurteilt, niemandem nützlich zu sein.“
Zweifacher Egoismus.“
770a. Wenn aber diese Zurückgezogenheit eine Sühne zum Zweck hat, indem man sich eine mühsame Entbehrung auferlegt, ist sie dann nicht verdienstlich?
„Mehr Gutes tun, als man Böses getan hat, das ist die beste Sühne. Indem er ein Übel vermeidet, verfällt er in ein anderes, weil er das Gesetz der Liebe und Barmherzigkeit vergisst.“
„Diese erhöhen sich, indem sie sich erniedrigen. Sie haben das doppelte Verdienst, sich über die sinnlichen Genüsse zu erheben und Gutes zu tun, indem sie das Gesetz der Arbeit erfüllen.“
771a. Und die, welche in der Abgeschiedenheit die Ruhe suchen, die ihnen gewisse Arbeiten zum Bedürfnis machen?
„Das ist nicht die unbedingte Zurückgezogenheit des Egoisten: sie schließen sich nicht von der Gesellschaft aus, da sie für dieselbe arbeiten.“
„Fragt euch lieber selbst, ob die Sprache in der Natur liege und warum sie Gott verliehen hat. Gott verdammt den Missbrauch und nicht den Gebrauch der von ihm verliehenen Fähigkeiten. Demnach ist das Stillschweigen von Nutzen; denn in demselben sammelst du dich, dein Geist wird freier und vermag dann mit uns in Verbindung zu treten. Ein Gelübde des Schweigens aber ist eine Albernheit. Ohne Zweifel haben die, welche diese freiwilligen Entbehrungen als tugendhafte Handlungen ansehen, einen guten Zweck dabei; aber sie sind im Irrtum, weil sie die wahren Gesetze Gottes nicht hinreichend kennen.“
Das Gelübde unbedingten Stillschweigens sowie das der Einsamkeit beraubt den Menschen der gesellschaftlichen Beziehungen, welche ihm Gelegenheit bieten können Gutes zu tun und das Gesetz des Fortschrittes zu erfüllen.
Familienbande
„Die Tiere leben nur ein stoffliches, kein moralisches Leben. Die Zärtlichkeit der Mutter für ihre Jungen hat zum Prinzip den Trieb zur Erhaltung der Wesen, denen sie das Leben gab. Wenn diese Wesen sich selbst genügen, so ist der Mutter Aufgabe erfüllt und die Natur verlangt nichts weiter von ihr. Deshalb kümmert sie sich nicht mehr um sie und beschäftigt sich mit den neuen Ankömmlingen.“
„Der Mensch hat eine andere Bestimmung als die Tiere. Warum ihn also stets diesen zugesellen wollen? Bei ihm gibt es noch etwas anderes, als die nur leiblichen Bedürfnisse: Hier herrscht die Notwendigkeit des Fortschritts. Die gesellschaftlichen Bande sind nötig zum Fortschritt und die Bande der Familie knüpfen an die der Gesellschaft: Darum sind die Familienbande ein Naturgesetz. Gott wollte, dass auf diese Weise die Menschen sich wie Brüder lieben lernen sollten.“ (205.)
„Eine Verschlimmerung des Egoismus.“
KAPITEL VIII – VII. Das Gesetz des Fortschritts
Naturzustand
„Nein, der Naturzustand ist der Urzustand. Die Zivilisation verträgt sich nicht mit dem Naturzustand, während das Naturgesetz zum Fortschritt der Menschheit beiträgt.
Der Naturzustand ist die Kindheit des Menschengeschlechts und der Ausgangspunkt seiner intellektuellen und moralischen Entwicklung. Da der Mensch vervollkommnungsfähig ist und den Keim seiner Besserung in sich trägt, so ist er nicht dazu bestimmt, fortwährend im Naturzustand zu leben, so wenig er dazu bestimmt ist, fortwährend ein Kind zu bleiben. Der Naturzustand ist vorübergehend, der Mensch tritt aus ihm heraus durch den Fortschritt und die Zivilisation. Das Naturgesetz dagegen regiert die ganze Menschheit und der Mensch wird in dem Maße besser, als er dieses Gesetz besser begreift und danach lebt.
„Was willst du?! Es ist das Glück des Primitiven: Es gibt Leute, die kein anderes fassen können. Das heißt man ist glücklich nach Art der Primitiven. Auch die Kinder sind glücklicher als die Erwachsenen.“
„Nein, der Mensch soll ohne Unterlass vorwärts schreiten und er kann nicht zum Zustand der Kindheit zurückkehren. Schreitet er fort, so will Gott es so. Glauben, er könne zum Urzustand zurückgehen, hieße das Gesetz des Fortschritts leugnen.“
Wesen des Fortschritts
„Der Mensch entwickelt sich selbst auf natürliche Weise; aber nicht alle schreiten gleichzeitig und in derselben Weise fort. Dann unterstützen durch den geselligen Verkehr die am weitesten Fortgeschrittenen die anderen.“
„Er ist die Folge desselben, aber er folgt auf ihn nicht immer unmittelbar.“ (192. bis 365.)
780a. Wie kann der intellektuelle Fortschritt den moralischen herbeiführen?
„Indem er Gut und Böse erkennen lässt. Dann kann der Mensch wählen. Die Entwicklung des freien Willens folgt auf die Entwicklung der Intelligenz und erhöht die Verantwortung des Tun und Lassens.“
780b. Woher kommt es dann, dass oft die aufgeklärtesten Völker zugleich die verdorbensten sind?
„Der vollendete Fortschritt ist das Ziel, aber Völker wieIndividuen erreichen dasselbe nur Schritt für Schritt. Bis dass der moralische Sinn sich in ihnen entwickelt hat, können sie sich sogar ihrer Intelligenz zum Bösen bedienen. Moral und Intelligenz sind zwei Kräfte, die erst nach langem Miteinander ins Gleichgewicht kommen.“ (365. bis 751.)
„Nein, aber ihm zuweilen Hindernisse in den Weg zu legen.“
781a. Was soll man von den Menschen denken, die den Fortschritt aufzuhalten und das Menschengeschlecht zum Rückschritt zu bringen suchen?
„Arme Wesen, welche Gott zu Rechenschaft ziehen wird: Sie werden verschlungen werden von dem Strom, den sie aufhalten wollen.“
Da der Fortschritt eine Grundbedingung in der Natur des Mensches ist, so liegt es in keines Menschen Macht, sich demselben entgegenzustemmen. Er ist eine lebendige Kraft, welche schlechte Gesetze aufhalten, aber nicht ersticken können. Wenn diese Gesetze unverträglich mit ihm werden, so bricht er sie samt allen denjenigen, die sie aufrecht zu halten streben. So wird es bleiben bis der Mensch seine Gesetze mit der göttlichen Gerechtigkeit wird in Einklang gesetzt haben, die das Wohl aller will, nicht Gesetze zu Gunsten des Stärkeren, auf Kosten des Schwachen.
„Ein unter das Rad des Lastwagens gelegtes Steinchen, das ihn nicht am Vorwärtskommen hindert.“
„Der regelmäßige und langsame Fortschritt entspringt aus der Macht der Verhältnisse; wenn aber ein Volk nicht schnell genug fortschreitet, so erweckt ihm Gott zur einen oder anderen Zeit eine physische oder moralische Erschütterung, die es umgestaltet.“
Der Mensch kann nicht dauernd in Unwissenheit verharren, weil er an das ihm von der Vorsehung gesetzte Ziel gelangen soll: Er unterrichtet sich durch die Macht der Verhältnisse. Die mora – lischen, wie die sozialen Umwälzungen, dringen allmählich in den allgemeinen Vorstellungskreis ein. Sie keimen Jahrhunderte lang, platzen dann plötzlich und zertrümmern das wurmstichige Gebäude der Vergangenheit, das nicht mehr mit den neuen Bedürfnissen und Bestrebungen in Einklang steht.
Der Mensch bemerkt an diesen Erschütterungen oft nur die Unordnung und Verwirrung, die ihn in seinen materiellen Interessen benachteiligen. Wer aber seine Gedanken über die eigene Person zu erheben weiß, der bewundert die Pläne der Vorsehung, die aus dem Übel das Gute hervorgehen lässt. Sturm und Gewitter sind es, die den Dunstkreis wieder gesund machen, nachdem sie ihn durcheinander geworfen haben.
„Da irrst du; beobachte scharf das Ganze und du wirst sehen, dass er fortschreitet, weil er besser erkennt was Böse ist und weil er jeden Tag Missbräuche abschafft. Das Übermaß des Übels ist nötig, um die Notwendigkeit des Guten und der Reformen einsehen zu lassen.“
„Im Hochmut und im Egoismus. Ich meine den moralischen Fortschritt, denn der intellektuelle ist ein ununterbrochener. Im Anfang scheint er sogar jene Laster in ihrer Tätigkeit zu verdoppeln, indem er den Ehrgeiz und die Geldgier entwickelt, welche dann selbst wieder den Menschen zu Untersuchungen führen; die seinen Geist aufklären. So hängt alles in der moralischen wie in der physischen Welt zusammen und aus dem Übel selbst kann das Gute hervorgehen. Dieser Zustand der Dinge wird aber seine Zeit haben: Er wird sich ändern in dem Maß, wie der Mensch besser erkennen wird, dass es außer dem Genuss der irdischen Güter ein unendlich höheres und dauerhafteres Glück gibt.“ (Siehe: Drittes Buch, Kap. XII, Moralische Vervollkommung, `Vom Egoismus´.)
Es gibt zwei Arten von Fortschritt, die sich gegenseitig unterstützen und die dennoch nicht nebeneinander herschreiten: der intellek – tuelle und der moralische Fortschritt. In unserem Jahrhundert empfängt der erstere bei den zivilisierten Völkern alle wünschenswerte Ermutigung. Er hat auch einen bisher noch nicht gekannten Grad erreicht. Es fehlt dagegen viel, dass der letztere sich auf derselben Stufe befindet, und doch müsste man bei Vergleichung unserer sozialen Sitten mit denen vor einigen Jahrhunderten blind sein, wenn man den Fortschritt leugnen wollte. Warum sollte also der aufsteigende Gang eher im Moralischen als im Intellektuellen stillstehen? Warum sollte der Unterschied zwischen dem neunzehnten und des vierundzwanzigsten Jahrhunderts nicht ebenso groß sein wie der zwischen dem vierzehnten und dem neunzehnten? Daran zweifeln hieße zu behaupten, dass die Menschheit auf dem Höhepunkt der Vollendung angekommen sei, – was ungereimt wäre oder aber, dass sie moralisch nicht vervollkommnungsfähig sei, – was durch die Erfahrung widerlegt wird.
Verkommene Völker
„Wenn deinem Haus der Einsturz droht, so reißst du es ein, um ein neues und festeres zu bauen. Aber bis es wieder aufgebaut ist, herrscht Unordnung und Verwirrung in deinem Haus.Erkenne auch dies noch: Du warst arm und bewohntest eine Hütte, du wirst reich und du verlässt sie, um in einem Palast zu wohnen. Dann kommt ein armer Teufel wie du warst und nimmt deinen Platz in der Hütte ein und er ist sogar noch sehr zufrieden, denn früher hatte er gar kein Unterkommen. Nun denn, erkenne, dass die Geister, die in diesem verkommenen Volk inkarniert sind, nicht dieselben sind, welche es zur Zeit seines Glanzes bildeten. Die von damals, welche fortgeschritten waren, sind zu vollkommeneren Wohnsitzen gezogen und sind immer weiter fortgeschritten, während andere weniger fortgeschrittenere ihre Stelle einnahmen, welche sie, wenn die Reihe an sie kommt, auch wieder verlassen werden.“
„Ja, aber diese vernichten sich körperlich Tag für Tag.“
787a. Welches wird das künftige Schicksal der Seelen sein, die diese Völker beseelen?“
„Sie werden wie alle anderen zur Vollkomenheit gelangen, indem sie andere Daseinsformen durchlaufen: Gott enterbt keinen.“
787b. Also konnten die gebildetsten Menschen einst Wilde und Menschenfresser gewesen sein?
„Du selbst bist es mehr als einmal gewesen, bevor du das warst, was du jetzt bist.“
„Die Völker, die nur ein leibliches Leben führen, deren Größe nur auf Gewalt und Ausdehnung beruht, entstehen, wachsen und vergehen, weil die Kraft eines Volkes sich erschöpft, wie die des Einzelnen. Die, deren eigennützige Gesetze dem Fortschritt des Lichtes und der Nächstenliebe widerstreiten, sterben, weil das Licht die Finsternis und die Liebe den Egoismus tötet. Für die Völker aber gibt es, wie für den Einzelnen, auch ein Leben der Seele: Diejenigen, deren Gesetze mit den ewigen Gesetzen des Schöpfers in Einklang stehen, werden leben und werden eine Leuchte sein für die anderen Völker.“
„Nein, nicht in eine einzige Nation, das ist unmöglich; denn aus der Verschiedenheit des Klimas entstehen verschiedene Sitten und Bedürfnisse, welche die Nationalität bestimmen. Darum wird es immer diesen Sitten und Bedürfnissen angepasster Gesetze bedürfen. Die Nächstenliebe aber kennt keine Breitengrade und macht keinen Unterschied zwischen den Farben der Menschen. Wenn das Gesetz Gottes überall die Grundlage der menschlichen Gesetze sein wird, werden auch die Völker die Nächstenliebe unter sich üben, sowie die Einzelmenschen unter sich. Dann werden sie glücklich und in Frieden leben, weil keines dem Nachbarvolk Unrecht zuzufügen oder auf dessen Unkosten zu leben suchen wird.“
Das Menschengeschlecht schreitet fort durch die sich nach und nach unterrichtenden und bessernden Einzelmenschen. Sobald diese die Mehrzahl bilden, so gewinnen sie auch die Oberhand und reißen die anderen mit sich. Von Zeit zu Zeit treten unter ihnen Männer von Genie auf, die einen allgemeinen Aufschwung erwecken, sodann Männer von besonderem Ansehen, Werkzeuge Gottes, die das Menschengeschlecht in wenigen Jahren um mehrere Jahrhunderte vorwärtsbringen.
Auch der Fortschritt der Völker stellt die Gerechtigkeit der Reinkarnation in ein helles Licht. Die rechtschaffenen Menschen machen löbliche Anstrengungen, eine Nation moralisch und intellektuell vorwärts zu bringen. Aber während des langsamen Ganges durch die Jahrhunderte sterben täglich Tausende von Individuen. Was ist nun das Los derjenigen, die auf diesem Zug unterliegen? Beraubt sie ihre verhältnismäßig niedere Entwicklungsstufe des für die zuletzt Ankommenden vorbehaltenen Glücks? Oder ist ihr Glück nur ein verhältnismäßiges und halbes? Die göttliche Gerechtigkeit vermöchte keine solche Ungerechtigkeit zu besiegeln. Durch die Vielheit der Daseinsformen wird das Recht auf Glück für alle dasselbe, denn jeder ist der Möglichkeit seines Fortschrittes sicher. Da die, welche zur Zeit der Barbarei lebten, zur Zeit der Zivilisation zurückkehren können in das gleiche Volk oder auch in ein anderes, so ziehen alle aus dem aufsteigenden Gang der Geschichte Nutzen.
Die Lehre von der Einheit der Daseinsformen bietet dagegen eine besondere Schwierigkeit. Nach dieser Lehre wird die Seele im Augenblick der Geburt geschaffen. Wenn also ein Mensch weiter fortgeschritten ist als ein anderer, so muss Gott ihm eine fortgeschrittenere Seele geschaffen haben. Woher nun diese Bevorzugung? Was für ein Verdienst hat er, der nicht länger als ein anderer lebte, ja oft weniger, was für einen Anspruch hat er auf eine höher geartete Seele. Aber nicht hierin liegt die Hauptschwierigkeit. Eine Nation geht in einem Jahrtausend von der Barbarei zur Zivilisation über. Lebten die Menschen tausend Jahre, so würde man begreifen können, dass sie in dieser Periode Zeit hätten zum Fortschreiten. Aber täglich sterben welche in jedem Lebensalter, sie erneuern sich unaufhörlich, so dass jeder Tag ihrer viele erscheinen und verschwinden sieht. Nach Verfluss jenes Jahrtausends ist keine Spur mehr von den alten Einwohnern zu finden. Die Nation ist aus einer barbarischen zu einer zivilisierten geworden. Wer ist nun fortgeschritten? Sind es die einst barbarischen Einzelmenschen? Aber diese sind ja längst tot. Sind es die neuen Ankömmlinge? Aber wenn ihre Seele im Augenblick der Geburt geschaffen wurde, so existierten diese Seelen noch nicht zur Zeit der Barbarei und dann muss man zugestehen, dass die zur Zivilisierung eines Volkes gemachten Anstrengungen die Macht haben, nicht unvollkommene Seelen zu bessern, sondern von Gott vollkommenere Seelen schaffen zu lassen.
Vergleichen wir diese Lehre mit der von den Geistern gegebenen. Die zur Zeit der Zivilisation geborenen Seelen hatten ihre Kindheit wie alle anderen. Aber sie haben schon gelebt und wurden durch frühere Fortschritte vervollkommnet geboren. Sie kommen, angezogen von einer ihnen sympathischen Umgebung, die zu ihrem gegenwärtigen Standpunkt im Verhältnis steht. So haben die für die Zivilisation eines Volkes aufgewandten Bemühungen nicht die Wirkung, künftig die Erschaffung vollkommenerer Seelen herbeizuführen, sondern vielmehr solche heranzuziehen, die schon fortgeschritten sind, mögen sie nun früher beim gleichen Volk zur Zeit seiner Barbarei gelebt haben oder mögen sie anderswoher kommen. Hierin liegt auch der Schlüssel zum Fortschritt der gesamten Menschheit. Wenn einst alle Völker auf derselben Stufe der Empfänglichkeit für das Gute stehen werden, so wird die Erde nur noch der Sammelplatz guter Geister sein, die unter sich in brüderlicher Einigkeit leben. Während die bösen Geister sich von hier abgestoßen fühlend, auf niedrigeren Welten die für sie passende Umgebung aufsuchen werden, bis sie einst würdig befunden werden, auf unsere umgewandelte Erde zu kommen. Die allgemeine Annahme hat ferner auch noch die Folge, dass die Arbeiten zu sozialen Verbesserungen nur den gegenwärtigen und künftigen Geschlechtern zugute kommen. Ihr Ergebnis ist für die vergangenen Geschlechter, die den Fehler begingen, zu früh zu kommen, gleich Null, so dass sie nun werden mögen was sie eben können – belastet mit der Vergangenheit eines barbarischen Lebens. Nach der Lehre der Geister bringen die späteren Fortschritte ebenso sehr diesen, jetzt unter besseren Bedingungen wieder ins Leben eintretenden Geschlechtern Nutzen, welche sich so am Brennpunkt der Zivilisation vervollkommnen können. (222.)
Zivilisation
„Ein unvollständiger Fortschritt: Der Mensch springt nicht auf einmal von der Kindheit in das reife Alter hinein.“
790a. Ist es vernunftgemäß, die Zivilisation zu verdammen?
„Verdammt vielmehr die, welche sie missbrauchen, nicht aber das Werk Gottes.“
„Ja, wenn der moralische Sinn ebenso weit entwickelt sein wird, wie die Intelligenz. Die Frucht kann nicht vor der Blüte kommen.“
„Weil die Menschen weder schon reif noch schon empfänglich sind, es aufzunehmen.“
792a. Könnte der Grund nicht auch darin liegen, dass sie durch Hervorbringung neuer Bedürfnisse auch die neuen Leidenschaften überreizen würde?
„Ja, und weil nicht alle geistigen Fähigkeiten gleichzeitig fortschreiten: Alles braucht seine Zeit. Von einer unvollständigen Zivilisation könnt ihr keine vollkommenen Früchte erwarten.“ (751. bis 780.)
„Ihr erkennt sie an der moralischen Entwicklung. Ihr haltet euch für sehr fortgeschritten, weil ihr große Entdeckungen und wunderbare Erfindungen gemacht habt, weil ihr bessere Wohnungen und eine bessere Bekleidung habt, als die Wilden. In Wahrheit werdet ihr euch aber erst dann zivilisiert nennen dürfen, wenn ihr aus eurer Gesellschaft die sie entehrenden Laster verbannt und untereinander wie Brüder leben werdet, indem ihr christliche Nächstenliebe übt. Bis dahin seid ihr nur aufgeklärte Völker, da ihr nur die erste Strecke der Zivilisation durchschritten habt.“
Die Zivilisation hat ihre Stufen wie alles. Eine unvollständige Zivilisation ist ein Übergangspunkt, der besondere Übel erzeugt, die der Naturzustand nicht kennt. Nichtsdestoweniger aber bringt sie einen natürlichen und notwendigen Fortschritt hervor, der auch das Heilmittel für das von ihr erzeugte Übel in sich schließt. Je mehr die Zivilisation sich vervollkommnet, desto mehr vermindert sie einige der von ihr erzeugten Übel und diese werden mit dem moralischen Fortschritt endlich ganz verschwinden.
Von zwei an der Spitze der sozialen Stufenleiter angelangten Völkern darf nur das sich im wahren Sinne des Wortes das zivilisiertere nennen, bei dem sich wenige Egoismus Begehrlichkeit und Hochmut vorfindet, wo die Gewohnheiten mehr geistiger und moralischer Art sind, wo die Intelligenz sich mit größerer Freiheit entwickeln kann, wo sich am meisten gegenseitige Güte, Treue und Glauben, Wohlwollen und Edelmut findet, wo die Standesvorurteile am wenigsten tief wurzeln – denn diese vertragen sich nicht mit wahrer Nächstenliebe, wo die Gerechtigkeit unparteiischer verwaltet wird, wo der Schwache stets Schutz gegen den Starken findet, wo des Menschen Leben, Glauben und Meinungen am meisten geachtet werden, wo es am wenigsten Unglückliche gibt und endlich wo jeder Mensch von gutem Willen stets sicher ist, nicht am Notwendigen Mangel leiden zu müssen.
Fortschritt der menschlichen Gesetzgebung
„Sie könnte dies, wenn man dieselben richtig verstände, und sie würden auch reichen, wenn man den Willen hätte, nach ihnen zu leben. Aber die Gesellschaft stellt ihre Forderungen und sie bedarf besonderer Gesetze.“
„In den Zeiten der Barbarei gaben die Stärkeren die Gesetze und sie gaben sie zu ihrem eigenen Nutzen. Dann mussten sie freilich abgeändert werden, je mehr die Menschen die Gerechtigkeit erkannten. Die menschlichen Gesetze haben umso mehr Bestand, je mehr sie sich der wahren Gerechtigkeit annähern, d.h. je mehr sie zum Nutzen aller gegeben werden und mit dem natürlichen Gesetz zusammenfallen.“
Die Zivilisation schuf für den Menschen neue Bedürfnisse und diese Bedürfnisse entsprechen seiner gesellschaftlichen Stellung. Er musste die Rechte und Pflichten dieser durch die menschlichen Gesetze ordnen. Unter dem Einfluss seiner Leidenschaften jedoch schuf er oft eingebildete Rechte und Pflichten, welche vom natürlichen Gesetz verdammt und von den Völkern in dem Maße, als sie fortschreiten, aus ihren Gesetzbüchern gestrichen werden. Das natürliche Gesetz ist unveränderlich und für alle dasselbe. Das menschliche Gesetz ist veränderlich und fortschreitend. Es allein konnte zur Zeit der Kindheit der Gesellschaften das Recht des Stärkeren einführen.
„Eine verdorbene Gesellschaft bedarf ohne Zweifel strengerer Gesetze. Unglücklicherweise sind diese Gesetze mehr darauf gerichtet, das geschehene Böse zu bestrafen, als die Quelle desselben zu verstopfen. Nur die Erziehung kann die Menschen erneuern und verbessern. Dann werden sie aber auch keiner so strengen Gesetze mehr bedürfen.“
„Das macht sich auf natürlichem Weg durch die Gewalt der Umstände und den Einfluss rechtschaffener Männer, die ihn auf der Bahn des Fortschritts führen. Er hat schon viele verbessert und wird noch sehr viele verbessern. Nur Geduld!“
Einfluss des Spiritismus auf den Fortschritt
„Gewiss wird er ein allgemeiner Glaube werden und er wird einen neuen Abschnitt in der Geschichte der Menschheit bezeichnen. Denn er liegt in der Natur selbst und die Zeit ist gekommen, wo er seine Stelle und seinen Rang unter den menschlichen Erkenntnissen einzunehmen hat. Jedoch wird er große Kämpfe zu bestehen haben, weniger gegen die Überzeugung, als gegen das Interesse; denn man darf sich nicht verhehlen, dass die einen ihn aus Eigenliebe, die anderen aus ganz materiellen Gründen bekämpfen. Mehr und mehr aber werden die Gegner vereinzelt dastehen und schließlich genötigt sein, so zu denken wie jedermann, bei Gefahr sich sonst lächerlich zu machen.“
Die Ideen wandeln sich nur langsam und nie sprungweise um. Von Geschlecht zu Geschlecht schwächen sie sich ab und verschwinden endlich allmählich mit ihren Bekennern, die durch andere Individuen mit neuen Grundanschauungen ersetzt werden, wie dies bei den politischen Ideen stattfindet. Seht das Heidentum: Gewiss gibt es heutzutage keinen Menschen, der die religiösen Ideen jener Zeiten bekennt; und dennoch haben dieselben noch mehrere Jahrhunderte nach dem Erscheinen des Christentums Spuren zurückgelassen, die erst und einzig und allein die völlige Erneuerung der Völker verwischen konnte. So wird es auch mit dem Spiritismus geschehen. Er macht große Fortschritte, er wird aber noch durch zwei oder drei Generationen ein Sauerteig des Unglaubens bleiben, den die Zeit allein verschwinden lassen wird. Immerhin aber wird sein Fortschritt ein rascherer sein, als der des Christentums, weil dieses letztere selbst ihm die Wege ebnet und er sich auf dasselbe stützt. Das Christentum musste erst zerstören, der Spiritismus darf nur weiterbauen.
„Durch Vernichtung des Materialismus, der eine der Wunden und Plagen der Gesellschaft ist, lässt er die Menschen erkennen, wo ihr wahres Interesse liegt. Da das zukünftige Leben nicht mehr von Zweifel verschleiert wird, so wird der Mensch besser als bisher begreifen, dass er sich seine Zukunft durch die Gegenwart sichern kann. Indem er ferner die Vorurteile der Sekten, Kasten und Haufarben zerstört, lehrt er die Menschen ihre große, wechselseitige Verpflichtung, die sie als Brüder einigen soll.“
„Es hieße die Menschen sehr wenig zu kennen, wenn man meinte, irgend etwas könne sie wie mit einem Zauberschlag verwandeln. Die Ideen verändern sich allmählich, je nach den Individuen, und es braucht Generationen, um die Spuren der alten Gewohnheiten ganz zu verwischen. Die Umwandlung kann somit nur langsam und stufenweise vor sich gehen. Für jedes Geschlecht fällt ein Teil des Schleiers. Der Spiritismus kommt und zerreißt ihn ganz. Hätte er aber vorläufig nur die Wirkung, an einem Menschen einen einzigen Fehler zu verbessern, so wäre das ein Schritt, den der Spiritismus veranlasst hätte, und eine große Wohltat; denn dieser erste Schritt wird ihm die späteren erleichtern.“
„Ihr lehrt nicht die Kinder, was ihr die Erwachsenen lehrt und ihr gebt nicht dem Neugeborenen eine Nahrung, die es nicht verdauen könnte. Jedes Ding hat seine Zeit. Sie lehrten vieles, was die Menschen nicht verstanden oder das sie entstellten, das sie aber jetzt begreifen können. Durch ihre, wenn auch unvollständige Belehrung bereiteten sie den Boden, der jetzt Frucht bringen wird.“
„Ihr möchtet Wunder schauen, aber Gott streut sie mit vollen Händen auf eure Wege und dennoch gibt es noch Menschen, die Gott leugnen. Hat Christus selbst seine Zeitgenossen durch seine Wunder überzeugt? Seht ihr nicht heute die Menschen die offenkundigsten Tatsachen, die sich vor ihren Augen ereignen, wegleugnen? Habt ihr nicht Leute unter euch, die da sagen, sie werden nicht glauben, selbst wenn sie schauten? Nein, nicht durch Wunder will Gott die Menschen sich wieder erobern. In seiner Güte lässt er ihnen das Verdienst, sich durch die Vernunft zu überzeugen.“
KAPITEL IX – VIII. Das Gesetz der Gleichheit
Natürliche Gleichheit
„Ja, alle streben demselben Ziel zu und Gott gab seine Gesetze für alle. Ihr sagt so oft `die Sonne scheint für alle´ und damit sprecht ihr eine größere Wahrheit aus, als ihr denkt.“
Alle Menschen sind denselben Naturgesetzen unterworfen. Alle werden in derselben Schwachheit geboren, leiden dieselben Schmerzen und der Leib des Reichen vergeht wie der des Armen. Gott gab somit keinem Menschen eine durch die Natur gesetzte Überlegenheit weder durch die Geburt noch durch den Tod: alle sind vor ihm gleich.
Ungleichheit der Anlagen
„Gott schuf alle Geister gleich; aber jeder von ihnen hat mehr oder weniger gelebt, folglich mehr oder weniger erfahren. Der Unterschied liegt im Grad ihrer Erfahrung und in ihrem Willen, der frei wählen kann. Daher vervollkommnen sich die einen rascher, was ihnen wiederum verschiedene Anlagen verleiht. Die Mischung der Anlagen ist notwendig, damit jeder zu den Absichten der Vorsehung mitwirken kann innerhalb der Grenzen der Entwicklung seiner leiblichen und geistigen Kräfte. Was der eine nicht tut, tut der andere. So hat jeder seine nützliche Aufgabe. Da ferner alle Welten in wechselseitiger Verpflichtung untereinander stehen, so müssen wohl die Bewohner der höheren und meistenteils vor der eurigen geschaffenen Welten bei euch inkarnieren, um euch ein Beispiel zu geben.“ (361.)
„Ja, wir sagten es schon, der fortgeschrittene Geist geht nicht mehr rückwärts. Er kann in seinem Zustand als Geist sich eine starrere Hülle oder eine zweifelhaftere, unsicherere Stellung als seine frühere wählen, aber das alles stets nur, damit es ihm zur Lehre dient und ihn im Fortschreiten unterstützt.“ (180.)
So stammt die Verschiedenheit der Anlagen der Menschen nicht aus der inneren Natur ihrer Erschaffung, sondern aus dem Grad der Vervollkommnung, den die in ihnen inkarnierten Geister erreicht haben. Gott schuf somit nicht eine Ungleichheit der Befähigungen, sondern er ließ es zu, dass die verschiedenen Entwicklungsgrade miteinander in Berührung stehen, auf dass die mehr Fortgeschrittenen dem Vorwärtskommen der weiter Zurückgebliebenen helfen können und ebenso, damit die Menschen, die einander gegenseitig bedürfen, das Gesetz der Nächstenliebe erkennen, das sie einigen soll.
Soziale Ungleichheiten
„Nein, sie ist das Werk des Menschen und nicht Gottes.“
806a. Wird dieselbe einst verschwinden?
„Nur Gottes Gesetze sind ewig. Siehst du dieselbe nicht jeden Tag sich etwas mehr verwischen? Diese Ungleichheit wird zusammen mit der Vorherrschaft des Hochmutes und des Egoismus verschwinden. Nur die Ungleichheit des Verdienstes wird bleiben. Der Tag wird kommen, wo die Glieder der großen Familie der Kinder Gottes sich nicht mehr als von mehr oder weniger reinem Blut ansehen werden. Nur der Geist ist mehr oder weniger rein und das hängt nicht von der gesellschaftlichen Stellung ab.“
„Diese bringen Schande über sich: Wehe ihnen! Auch an sie wird die Reihe kommen unterdrückt zu werden und sie werden zu einem Dasein wiedergeboren werden, in welchem sie alles, was sie erdulden ließen, selbst erdulden werden.“ (684.)
Ungleichheit des Reichtums
,,Ja und nein. Und die Arglist und der Diebstahl, was hältst du davon?“
808a. Der ererbte Reichtum ist doch nicht die Frucht schlechter Leidenschaften?
„Woher weißt du das? Gehe an die Quelle und sieh, ob sie immer rein ist. Weißt du, ob er nicht ursprünglich die Frucht einer Beraubung oder einer Ungerechtigkeit gewesen ist? Aber ohne von seiner Entstehung zu reden, welche eine schlechte gewesen sein mag, meinst du, dass die Begierde selbst nach den wohlerworbenen Gütern, das heimliche Sehnen, schneller in ihren Besitz zu gelangen, löbliche Gefühle sind? Das ist es, was Gott richtet und ich versichere dir, dass sein Gericht ein strengeres ist, als das der Menschen.“
„Ohne Zweifel sind sie nicht für das verantwortlich, was andere etwa taten, umso weniger, als sie dies vielleicht nicht einmal wissen. Bedenke aber, dass ein Vermögen oft einem Menschen zufällt, nur damit er Gelegenheit hat, eine Ungerechtigkeit wiedergut zu machen. Wohl ihm, wenn er das einsieht! Tut er das im Namen desjenigen, der die Ungerechtigkeit begangen hat, so wird allen beiden für den Schadenersatz Rechnung getragen werden, denn oft ist es der Letztere, der ihn veranlasste.
„Jede Handlung trägt ihre Früchte. Die der guten Handlungen sind süß, die der anderen sind immer bitter, immer, wisset es nur wohl.“
„Nein, sie ist nicht möglich: Die Verschiedenheit der Fähigkeiten und Charakteren widerstreitet dem.“
811a. Aber es gibt doch Menschen, die da meinen, hierin liege die Arznei für die Übel der Gesellschaft. Was denkt ihr davon?
„Das sind Systemmacher oder neidische Ehrgeizige. Sie sehen nicht ein, dass ihre geträumte Gleichheit sehr bald durch die Macht der Dinge aufgehoben würde. Bekämpft den Eigennutz, der ist euer soziales Grundübel und kümmert euch nicht um Chimären.“
„Nein, aber letzteres ist relativ und jeder könnte seiner teilhaftig werden, wenn man sich recht verstände ..., denn das wahre Wohlergehen besteht darin, dass einer seine Zeit nach seinem eigenen Geschmack anwenden kann und nicht zu Arbeiten gezwungen wird, an denen er keinen Gefallen hat. Da nun jeder andere Fähigkeiten besitzt, so bliebe keine nützliche Arbeit mehr zu tun übrig. Nur der Mensch will das überall vorhandene Gleichgewicht stören.“
812a. Ist es möglich, sich zu verständigen?
„Die Menschen werden sich verständigen, wenn sie das Gesetz der Gerechtigkeit einhalten werden.“
„Doch; wir sagten schon einmal, gerade die Gesellschaft ist oft die erste Ursache solcher Fehler. Und hat sie übrigens nicht über die moralische Erziehung zu wachen? Oft ist es die schlechte Erziehung, welche ihr Urteil fälschte, statt die schädlichen Neigungen bei ihnen im Keim zu ersticken.“ (685.)
Prüfungen des Reichtums und der Armut
„Um einen jeden auf verschiedene Weise zu prüfen. Übrigens waren es, wie ihr wisst, die Geister selbst, welche das eine oder das andere wählten und oft unterliegen sie dann.“
„Beide sind gleich sehr zu fürchten. Das Elend reizt zum Murren gegen die Vorsehung, Glück und Reichtum zu allen Ausschweifungen.“
„Das eben tut er nicht immer. Er wird egoistisch, hochmütig, unersättlich, seine Bedürfnisse wachsen mit seinem Reichtum und niemals glaubt er für sich allein genug zu haben.“
Die hohe Stellung in dieser Welt und das Ansehen gegenüber seinesgleichen sind ebenso große und schlüpfrige Prüfungen, wie das Unglück. Denn je reicher und mächtiger einer ist, desto mehr Verpflichtungen hat er zu erfüllen und desto größer sind die Mittel das Gute und das Böse zu tun, Gott prüft den Armen durch die Ergebung und den Reichen durch den Gebrauch, den er von seiner Macht und von seinen Gütern macht. Reichtum und Macht lassen alle Leidenschaften entstehen, die uns an den Stoff fesseln und von der geistigen Vervollkommnung entfernen. Darum sprach Jesus: ,,Wahrlich, ich sage euch, ein Kamel wird leichter durch ein Nadelöhr gehen, als ein Reicher in das Himmelreich eingehen.“ (266.)
Gleichheit der Rechte des Mannes und der Frau
„Schenkte Gott nicht beiden die Erkenntnis des Guten und des Bösen und die Fähigkeit fortzuschreiten?“
„Von der ungerechten und grausamen Herrschaft des Mannes über die Frau. Das ist eine Folge der sozialen Einrichtungen und des Missbrauchs der Kraft gegenüber der Schwäche. Bei den in moralischer Beziehung wenig fortgeschrittenen Menschen tritt an die Stelle des Rechts die Gewalt.“
„Damit ihm besondere Verrichtungen zugewiesen werden. Der Mann, als der stärkere, ist zu harten Arbeiten geeignet, die Frau zu leichteren und beide sollen sich daher gegenseitig helfen, die Prüfungen eines Lebens voll Schmerz und Bitterkeit durchzumachen.“
„Gott gab den einen Stärke, damit sie den Schwachen beschützen, nicht um ihn zu unterjochen.“
Gott hat die physische Veranlagung eines jeden Wesens seinen ihm eigentümlichen Verrichtungen angepasst. Wenn er der Frau eine geringere physische Kraft gab, so beschenkte er sie gleichzeitig mit einem feineren Empfinden in Bezug auf die Zartheit ihrer Mutterpflichten und die Schwachheit der ihrer Sorge anvertrauten Wesen.
„Ja, und eine noch höhere: die Frau ist es, das dem Menschen den ersten Begriff vom Leben gibt.“
„Der erste Grundsatz der Gerechtigkeit heißt: Tut einem andern nicht, was ihr euch selbst nicht getan sehen möchtet.“
822a. Soll demnach eine Gesetzgebung, um völlig gerecht zu sein, die Gleichheit der Rechte zwischen Mann und Frau aussprechen?
„Der Rechte, – ja, der Verrichtungen, – nein. Jeder soll seinen ihm angewiesenen Platz ausfüllen: Der Mann beschäftige sich mit dem Äußeren, die Frau mit dem Inneren; jedes nach seiner Anlage. Das menschliche Gesetz soll, um gerecht zu sein, die Gleichheit der Rechte zwischen Mann und Frau aussprechen: jedes dem einen oder dem anderen eingeräumte Vorrecht widerspricht der Gerechtigkeit. Die Emanzipation der Frauen entspricht dem Fortschritt der Zivilisation, deren Unterdrückung der Barbarei. Die Geschlechter existieren übrigens nur wegen der physischen Veranlagung. Da die Geister das eine wie das andere wählen können, so gibt es in dieser Beziehung keinen Unterschied zwischen ihnen, folglich sollen beide dieselben Rechte genießen.“
Gleichheit vor dem Grab
„Es ist die letzte Tat des Hochmuts.“
823a. Ist aber die Kostbarkeit der Grabmäler nicht oft mehr Sache der Verwandten, die den Verstorbenen ehren wollen, als des Verstorbenen selbst?
„Hochmut der Verwandten, die sich selbst verherrlichen möchten. 0h!; ja, man macht solche Kundgebungen gar nicht immer um des Toten willen: Aus Eigenliebe geschieht es und um der Welt willen und um mit ihrem Reichtum zu prahlen. Meinst du, das Andenken an ein geliebtes Wesen sei weniger dauerhaft in dem Herzen des Armen, weil er nur eine Blume auf dessen Grab zu legen hat? Meinst du, der Marmor rette denjenigen vor der Vergessenheit, der unnütz über die Erde wandelte?“
„Nein, wenn er das Andenken eines rechtschaffenen Mannes ehrt, so ist er gerecht und gibt ein gutes Beispiel.“
Das Grab ist das Stelldichein aller Menschen. Hier endigen unbarmherzig alle menschlichen Unterschiede. Vergeblich sucht der Reiche sein Andenken durch pompöse Grabmäler zu verewigen: die Zeit wird sie zerstören wie den Leib; so will es die Natur. Die Erinnerung an seine guten und bösen Handlungen wird weniger vergänglich sein, als sein Grab. Die Pracht des Lei – chenbegängnisses wird ihn nicht von seinen Schändlichkeiten reinwaschen und wird ihn um keine Sprosse auf der Stufenleiter der Geister weiterbringen. (320 ff.)
KAPITEL X - IX. Das Gesetz der Freiheit
Natürliche Freiheit
„Nein, weil ihr alle einander nötig habt, Große wie Kleine.“
,,Als Einsiedler in der Wüste. So wie zwei Mensche beisammen sind, haben sie Rechte zu achten und folglich keine unbedingte Freiheit mehr.“
„In keiner Weise, denn dieses Recht kommt ihm von Natur zu.“
„Sie haben ein Verständnis des Naturgesetzes, aber es findet sein Gegengewicht in ihrem Hochmut und Egoismus. Sie erkennen, was sein soll – wenn wenigstens ihre Grundsätze nicht nur eine berechnete Komödie sind, – aber sie tun es nicht.“
828a. Wird den, von ihnen hier bekannten Grundsätzen im anderen Leben Rechnung getragen werden?
„Je mehr Verstand einer hat um einen Grundsatz zu verstehen, desto weniger ist er zu entschuldigen, wenn er ihn nicht auf sich selbst anwendet. Wahrlich, ich sage euch: der einfache, aber lautere Mensch steht höher auf dem Weg zu Gott, als der, welcher scheinen möchte, was er nicht ist.“
Sklaverei
„Jede unbedingte Unterwerfung eines Menschen unter einen anderen widerspricht dem Gesetz Gottes. Die Sklaverei ist ein Missbrauch der Gewalt. Sie verschwindet mit dem Fortschritt, wie alle Missbräuche allmählich verschwinden werden.“
Das menschliche Gesetz, das die Sklaverei aufrecht erhält, ist ein widernatürliches Gesetz, weil es den Menschen dem Tier gleich macht und ihn physisch wie moralisch herabwürdigt.
„Übel bleibt Übel und alle eure Trugschlüsse bringen es nicht dahin, dass eine schlechte Handlung zu einer guten werde. Aber die Verantwortlichkeit für das Böse richtet sich nach den Mitteln und der Möglichkeit es zu erkennen. Wer aus dem Gesetz der Sklaverei Nutzen zieht, ist stets einer Verletzung des Naturgesetzes schuldig, aber hier richtet sich wie überall die Schuld nach den Umständen. Da die Sklaverei einmal in die Sitten gewisser Völker übergegangen war, konnte der Mensch in gutem Glauben aus ihr, als einer ihm natürlich scheinenden Sache Nutzen ziehen; sobald aber seine Vernunft, höher entwickelt und besonders von dem Licht des Christentums erleuchtet, ihm in dem Sklaven einen, ihm vor Gott Gleichstehenden zeigte, hatte er keine Entschuldigung mehr.“
,,Ja, um sie emporzuheben, nicht um sie durch Knechtschaft noch mehr zu verdummen. Die Menschen haben zu lange gewisse Völker als Last – und Haustiere mit Händen und Füßen betrachtet, die sie als solche zu kaufen und zu verkaufen berechtigt seien. Sie meinen, ein reineres Blut zu besitzen: Narren, die überall nur den Stoff sehen! Nicht das Blut ist mehr oder weniger rein, sondern der Geist.“ (361. bis 803.)
„Ich sage, dass diese ihren Vorteil besser verstehen: sie tragen auch für ihre Ochsen und Pferde große Sorge, um auf dem Markt größeren Nutzen aus denselben zu ziehen. Sie sind nicht so strafbar wie die, welche sie misshandeln, aber sie verfügen über sie nichtsdestoweniger wie über eine Ware, indem sie sie des Rechts berauben sich selbst zu gehören.“
Denkfreiheit
„In seinem Denken besitzt der Mensch eine schrankenlose Freiheit, denn jenes kennt keine Hindernisse. Man kann seinen Aufschwung niederhalten, nicht aber es vernichten.“
„Vor Gott ist er dafür verantwortlich. Indem Gott allein es kennen kann, verdammt er es oder spricht er es frei nach seiner Gerechtigkeit.“
Gewissensfreiheit
„Das Gewissen ist ein Denken im Innersten des Menschen, das ihm wie alle seine anderen Gedanken zu eigen gehört.“
„Ebenso wenig als die Denkfreiheit, denn Gott allein kommt das Recht zu, das Gewissen zu richten. Wenn der Mensch die Beziehungen von Mensch zu Mensch durch seine Gesetze ordnet, so ordnet Gott die Beziehungen des Menschen zu Gott durch die Gesetze der Natur.“
„Die Menschen zwingen, anders zu handeln, als sie denken, heißt sie zu Heuchlern machen. Die Gewissensfreiheit ist eines der besonderen Kennzeichen der wahren Zivilisation und des Fortschritts.“
„Jeder Glaube ist zu achten, wenn er aufrichtig gemeint ist und zum Tun des Guten führt. Die verdammenswerten Glaubensmeinungen sind diejenigen, welche zum Bösen führen.“
„Das heißt der Nächstenliebe ermangeln und die Denkfreiheit beeinträchtigen.“
„Die Handlungen kann man verhindern, der innerste Glaube aber bleibt unzugänglich.“
Die aus einem bestimmten Glauben entspringenden Handlungen zu unterdrücken, wenn dieselben irgend jemanden Nachteil bringen, ist keine Verletzung der Gewissensfreiheit, denn diese Unterdrückung belässt dem Glauben seine volle Freiheit.
„Gewiss darf man das, ja man soll es sogar: Lehret dann aber nach Jesu Beispiel mit Sanftmut und Überzeugung und nicht mit Gewalt, was schlimmer wäre, als der Glaube dessen, den man überzeugen wollte. Gibt es überhaupt etwas, das zu gebieten erlaubt ist, so ist es das Gute und die Brüderlichkeit. Aber wir glauben nicht, dass das Mittel zu deren Bewirkung die Gewalt ist: Überzeugung lässt sich nicht erzwingen.“
„Es wird diejenige sein, welche die meisten rechtschaffenen Leute und die wenigsten Heuchler erzeugt, indem sie das Gebot der Liebe in seiner größten Reinheit und weitherzigs – ten Anwendung erfüllt. An diesem Zeichen werdet ihr erken – nen, ob eine Lehre gut sei oder nicht; denn jede Lehre, die zur Folge hätte, Zwietracht zu säen und eine Grenzlinie zu ziehen zwischen den Kindern Gottes, kann nur falsch und schädlich sein.“
Der freie Wille
„Da er frei ist in seinem Denken, so ist er auch frei in sei – nem Handeln. Ohne freien Willen wäre der Mensch eine Maschine.“
„Die Freiheit des Tuns erwacht gleichzeitig mit dem Willen etwas zu tun. In den ersten Lebensjahren ist die Freiheit so ziemlich gleich Null, sie entwickelt sich und wechselt ihren Gegenstand mit den Fähigkeiten. Das Kind das denkt, wie es die Bedürfnisse seines Alters mit sich bringen, richtet sei – nen freien Willen auf die Dinge, die ihm nötig sind.“
„Die instinktartigen Neigungen sind diejenigen des Geistes vor seiner Inkarnation. Je nachdem er mehr oder weniger fortgeschritten ist, können sie ihn zu tadelnswertem Tun anreizen und er wird hierin von den Geistern unterstützt werden, die mit diesen Neigungen sympathisieren; unwiderstehlich ist aber diese Anreizung nicht, wenn man den Willen hat zum Widerstand. Erinnert euch: Wollen heißt Können.“ (361.)
„Gewiss wird der Geist vom Stoff beeinflusst, der ihn in seinen Äußerungen behindern kann. Darum entfalten sich auch auf den Welten, wo die Leiber weniger stofflich sind als auf der Erde, die Fähigkeiten mit größerer Freiheit. Nicht aber das Werkzeug verleiht die Fähigkeit. Übrigens muss hier zwischen intellektuellen und moralischen Fähigkeiten unterschieden werden: Wenn ein Mensch Neigung zum Mord hat, so ist es gewiss sein eigener Geist, der jene besitzt und sie ihm eingibt, und nicht seine Organe. Wer sein Denken vernichtet, um sich nur mit dem Stoff abzugeben, der wird dem Tier gleich und noch schlimmer, denn er denkt nicht mehr daran, sich gegen das Übel und das Böse zu schützen und darin eben liegt sein Fehler, in dem er so nach seinem Willen handelt.“ (Siehe: Frage 397 ff. ,,Der Einfluss des Organismus.“)
„Der, dessen Intelligenz aus irgendeiner Ursache gestört ist, ist nicht mehr Herr seines Denkens und hat von da an keine Freiheit mehr. Diese Beeinträchtigung ist oft eine Bestrafung des Geistes, der in einem anderen Dasein eitel und hochmütig gewesen sein und einen schlechten Gebrauch von seinen Fähigkeiten gemacht haben mag. Er kann in dem Leib eines geistig Behinderten wiedergeboren werden, wie der Despot in dem eines Sklaven und der schlechte Reiche in dem eines Bettlers. Der Geist aber leidet von diesem Zwang, dessen er sich vollkommen bewusst ist: Dies ist die Wirkung des Stoffes.“ (371.)
„Nein, denn der Trunkenbold beraubt sich freiwillig seiner Vernunft, um seinen rohen Leidenschaften zu frönen. Statt eines Fehlers begeht er deren zwei.“
„Der Instinkt, – was ihn aber nicht hindert, bei gewissen Dingen in völliger Freiheit zu handeln. Aber er wendet, wie das Kind, diese Freiheit auf seine Bedürfnisse an und sie entwickelt sich so mit seiner Intelligenz. Folglich bist du, der du aufgeklärter bist als ein Wilder, auch verantwortlicher für dein Tun.“
„Die Welt hat ohne Zweifel ihre Ansprüche. Gott ist gerecht: Er trägt allem Rechnung, euch aber lässt er die Verantwortlichkeit für die geringe Anstrengung, die ihr zur Überwindung der Hindernisse macht.“
Verhängnis (Schicksal)
„Das Verhängnis besteht nur in dem vom Geist bei seiner Inkarnation gefassten Entschluss, sich der und der Prüfung zu unterziehen. Indem er sie wählt, schafft er sich selbst eine Art von Schicksal, welches aber die unmittelbare Folge der Stellung ist, in der er sich eben befindet. Ich rede nur von den leiblichen Prüfungen; denn was die moralischen Prüfungen und die Versuchungen betrifft, so ist der Geist, der seinen freien Willen zum Guten wie zum Bösen behält, stets Herr über sein Nachgeben und seinen Widerstand. Ein guter Geist, der ihn schwach werden sieht, kann ihm zu Hilfe kommen, besitzt aber nicht die Macht, seinen Willen zu meistern. Ein böser, d.h. niedriger Geist kann, indem er ihm eine physische Gefahr zeigt oder sie übertreibt, ihn wankend machen und erschrecken, jedoch der Wille des inkarnierten Geistes bleibt nichts desto weniger frei von aller Behinderung.“
„Das sind vielleicht Prüfungen, denen sie sich unterziehen sollen und die sie selbst gewählt haben. Aber noch einmal: Ihr setzt dem Schicksal das auf die Rechnung, was meistenteils nur die Folge eures eigenen Fehlers ist. Mache, dass bei den dich betrübenden Übeln dein Gewissen rein sei und du bist schon zur Hälfte getröstet.“
Die richtigen oder falschen Vorstellungen, die wir uns von den Dingen machen, lassen uns, je nach unserem Charakter und unserer gesellschaftlichen Stellung siegen oder unterliegen. Wir finden es einfacher und für unsere Verhältnisse weniger demütigend, unsere Niederlagen dem Schicksal oder dem Verhängnis zu zuschreiben, als unseren eigenen Fehlern. Wenn der Einfluss der Geister zuweilen etwas dazu beiträgt, so können wir uns demselben stets dadurch entziehen, dass wir die von ihnen uns eingegebenen Gedanken, wenn sie schlecht sind, zurückweisen.
„Vom Verhängnis bestimmt, im wahren Sinne des Wortes, ist nur der Augenblick des Todes. Wenn dieser Moment gekommen ist, sei er durch irgendwas herbeigeführt, so könnt ihr ihm euch nicht entziehen.“
853a. Es mag also die uns bedrohende Gefahr noch so groß sein, wir sterben nicht, wenn die Stunde nicht gekommen ist?
„Nein; du wirst nicht umkommen und davon hast du Tausende von Beispielen. Ist aber deine Stunde gekommen, wo du von dannen gehen sollst, so wird dich nichts derselben entreißen, Gott weiß es voraus, welchen Todes du von dannen gehen wirst und oft weiß es auch dein Geist, denn das wird ihm offenbart, wenn er seine Wahl für diese oder jene Existenz trifft.“
„Nein, denn diese Maßregeln werden euch eingegeben, damit ihr den euch bedrohenden Tod vermeidet: Sie sind eines der Mittel, dass er nicht stattfindet.“
„Wenn dein Leben in Gefahr kommt, so ist das eine, von dir selbst gewünschte Warnung, damit du dich vom Bösen abwendest und besser werdest. Entgehst du dieser Gefahr, so sinnst du, noch unter deren Eindruck und mit mehr oder weniger Energie – je nach dem mehr oder minder kräftigen Einfluss der guten Geister auf deine Besserung. Kommt aber der böse Geist über dich (ich sage böse, indem ich das Böse meine, das noch in ihm ist), so denkst du, du werdest anderen Gefahren ebenso entgehen und lässt deine Leidenschaften von neuem sich entfesseln. Mit den Gefahren, die euch bedrohen, erinnert euch Gott an eure Schwachheit und an die Gebrechlichkeit eures Daseins. Wenn man die Ursache und das Wesen der Gefahr näher prüft, so wird man finden, dass ihre Folgen meistenteils die Bestrafung eines begangenen Fehlers oder einer versäumten Pflicht gewesen wären. Gott mahnt euch, Einkehr in euch selbst zu halten und euch zu bessern.“ (526. bis 532.)
„Er weiß, dass das von ihm gewählte Leben ihn eher dieser oder jener Todesart aussetzt. Er kennt aber ebenso die Kämpfe, die er, um sie zu vermeiden, zu bestehen haben wird und weiß, dass er, wenn Gott es gestattet, nicht unterliegen wird.“
„Sehr oft hat der Mensch eine Vorahnung seines Toddes, so wie er zuweilen auch vorausfühlt, dass er nicht sterben werde. Dieses Vorgefühl kommt ihm von seinen Schutzgeistern, die ihn warnen wollen, sich zu seinem Hingang bereit zu halten, oder die seinen Mut erhöhen in den Augenblicken, wo er desselben am meisten bedarf. Es kann ihm auch aus der vagen Anschauung der von ihm einst gewählten Existenz, oder von der von ihm übernommenen Sendung aufsteigen, von der er weiß, dass er sie erst erfüllen muss.“ (411. bis 522.)
„Den Tod fürchtet der Mensch, nicht der Geist. Wer den Tod vorausahnt, denkt mehr als Geist, denn als Mensch: Er erkennt seine Befreiung und wartet ab.“
„Das sind oft Dinge, die geringschätzig genug sind, dass wir euch davor warnen und sie euch zuweilen vermeiden lassen können, indem wir eure Gedanken lenken; denn wir lieben nicht das leibliche Leiden. Das ist aber für das Leben, das ihr gewählt habt, von geringem Belang. Das wahre und wirkliche Verhängnis hingegen bezieht sich nur auf die Stunde, wo ihr hier auf Erden erscheinen und verschwinden sollt.“
859a. Gibt es Tatsachen, die mit Notwendigkeit eintreten müssen und welche der Wille der Geister nicht beschwören kann?
„Ja, welche du aber in deinem Zustand als Geist gesehen und geahnt hattest, als du deine Wahl trafest. Glaube indessen nicht, dass alles, was sich ereignet, geschrieben steht, wie man zu sagen pflegt. Ein Ereignis ist oft die Folge von etwas, das du Kraft deines freien Willens tatest, so dass, wenn du jenes nicht getan hättest, auch dieses nicht sich ereignet hätte. Wenn du dir den Finger verbrennst, so hat das nicht viel zu bedeuten; es war die Folge deiner Unvorsichtigkeit und davon, dass du ein leibliches Wesen bist. Von Gott vorausgesehen, weil sie zu deiner Reinigung und Belehrung dienen, sind nur die großen Schmerzen und die wichtigen Ereignisse, die auf das Moralische einwirken.“
„Er kann es, wenn diese anscheinende Abweichung in den Rahmen des von ihm gewählten Lebens sich einfügen lässt. Sodann kann er auch, um Gutes zu tun, wie das sein soll und wie es der einzige Zweck des Lebens ist, das Böse vermeiden, besonders das, welches zu einem noch größeren Übel beitragen könnte.“
,,Nein. Er weiß, dass, wenn er ein Leben voll Kämpfe wählt, für ihn die Möglichkeit gegeben ist, einen seinesgleichen zu töten, aber er weiß nicht, ob er es tun wird, denn es findet fast immer eine Überlegung statt, bevor ein Verbrechen begangen wird. Nun ist aber der, welcher etwas in Überlegung zieht, immer frei es zu tun oder nicht zu tun. Wüsste der Geist voraus, dass er als Mensch einen Mord begehen solle, so wäre er zum Voraus zu demselben bestimmt. Wisset also, dass niemand zu einem Verbrechen prädestiniert und dass jedes Verbrechen und überhaupt jede Handlung stets die Tat eines freien Willens ist. Übrigens verwechselt ihr immer zwei durchaus verschiedene Dinge: die materiellen Ereignisse des Lebens und die Handlungen des moralischen Lebens. Wenn zuweilen ein Verhängnis eintritt, so liegt das in den materiellen Ereignissen, deren Ursache außer euch liegt und die nicht von eurem Willen abhängen. Die Handlungen des moralischen Lebens dagegen gehen stets vom Menschen selbst aus, der also hier immer die Wahlfreiheit ausübt: Für diese Handlungen gibt es somit nie ein Verhängnis.“
„Wohl ist dies ein Verhängnis, wenn du es so nennen willst, aber dasselbe beruht auf der Wahl der Existenz, weil diese Menschen durch ein Leben der Enttäuschung geprüft werden wollten, um ihre Geduld und Ergebung zu üben. Glaube aber nicht, dass dies Verhängnis ein unbedingtes sei: Oft ist es die Folge des falschen Weges, den sie einschlugen und der nicht im richtigen Verhältnis zu ihrer Intelligenz und ihren Kräften stand. Wer über einen Fluss setzen will ohne schwimmen zu können, wird sehr wahrscheinlich ertrinken und so ist es mit den meisten Ereignissen des Lebens. Wenn der Mensch nur solches unternähme, das im richtigen Verhältnis zu seinen Fähigkeiten stände, so würde ihm fast alles gelingen. Was ihn ins Verderben stürzt, ist seine Eigenliebe und sein Ehrgeiz, welche ihn vom rechten Weg abbringen und den Wunsch, gewisse Leidenschaften zu befriedigen, als seinen Beruf betrachten lassen. Er geht dann fehl und das ist sein Fehler. Statt sich aber selbst zu verurteilen, gibt er seinem schlechten Stern Schuld. Manch einer wäre ein guter Handwerker geworden und hätte sich ehrlich sein Leben verdient, anstatt als ein schlechter Dichter des Hungers zu sterben. Es wäre Raum für alle, wenn jeder sich an die rechte Stelle zu setzen wüsste.“
„Die Menschen machen die gesellschaftlichen Sitten und nicht Gott. Unterwerfen sie sich denselben, so tun sie es, weil es ihnen so beliebt und das ist eben ein Akt des freien Willens. Da sie es wollten, so hätten sie es auch nicht wollen können: Warum also dann sich beklagen? Nicht die gesellschaftlichen Sitten sollen sie anklagen, sondern ihre dumme Eigenliebe, die sie lieber Hungers sterben, als auf den richtigen Weg einlenken lässt. Kein Mensch dankt ihnen für dieses, der allgemeinen Meinung gebrachte Opfer, während Gott ihnen für das Opfer ihrer Eitelkeit Rechnung tragen wird. Es soll damit nicht gesagt werden, dass man jene Meinung ohne Not herausfordern solle wie gewisse Leute tun, die mehr Originalität als wahre Philosophie besitzen. Es ist ebenso verkehrt mit den Fingern auf sich zeigen oder sich als ein merkwürdiges Tier anschauen zu lassen, als es weise ist, freiwillig und ohne Murren herabzusteigen, wenn man sich nicht auf der Höhe der Leiter zu behaupten vermag.“
„Oft daran, dass sie sich besser zu benehmen wissen. Es kann auch eine Art von Prüfung sein. Der Erfolg berauscht sie, sie vertrauen ihrem Geschick und oft bezahlen sie diese nämlichen Erfolge mit peinvollen Unglücksfällen, die sie hätten vermeiden können, wenn sie klüger gewesen wären.“
„Gewisse Geister wählten zum Voraus gewisse Vergnügungen und der Zufall, der sie begünstigt, ist eine Prüfung. Wer als Mensch gewinnt, verliert als Geist. Dies ist eine Prüfung für seinen Hochmut und seine Begehrlichkeit.“
„Du wähltest deine Prüfung selbst: Je strenger sie ist und je besser du sie bestehst, desto höher erhebst du dich. Die, welche ihr Leben im menschlichen Glück und Überfluss hinbringen, sind feige Geister, die nicht vorwärtskommen. So übersteigt die Zahl der Unglücklichen weit die der Glücklichen dieser Erde, weil die Geister ihrer Mehrzahl nach die Prüfungen aufsuchen, die ihnen die fruchtbringendsten sein werden. Sie erkennen zu wohl die Nichtigkeit eurer Herrlichkeiten und Genüsse. Übrigens ist selbst das glücklichste Leben immer bewegt und getrübt und wäre es auch nur wegen der Abwesenheit des Schmerzes.“ (525 ff.)
„Ein alter Aberglaube, der die Sterne mit dem Geschick der Menschen in Zusammenhang brachte, ein bildlicher Ausdruck den gewisse Leute dumm genug sind buchstäblich zu nehmen.“
Wissen von der Zukunft
„Prinzipiell bleibt ihm die Zukunft verborgen und nur in seltenen Ausnahmefällen gestattet Gott deren Enthüllung.“
„Wenn der Mensch die Zukunft wüsste, so würde er die Gegenwart vernachlässigen und nicht mit derselben Freiheit handeln, denn er würde von dem Gedanken beherrscht werden, dass, wenn etwas geschehen soll, er sich nicht weiter darum zu bekümmern habe, oder er würde es zu verhindern suchen. Gott wollte es nicht so haben, damit jeder zur Erfüllung der Dinge beitrage, selbst derjenigen, denen er sich widersetzen würde; so bereitest du selbst oft, ohne es zu ahnen, die Ereignisse vor, die in deinem Lebenslauf eintreten werden.
„Das geschieht dann, wenn ein solches Vorauswissen die Ausführung der betreffenden Angelegenheit erleichtern, statt hindern soll, indem der Mensch dadurch veranlasst wird anders zu handeln als er es sonst getan hätte. Und dann ist es oft auch eine Prüfung. Die Voraussicht eines Ereignisses kann mehr oder weniger gute Gedanken erwecken. Wenn z. B. ein Mensch vorausweiß, dass er eine Erbschaft machen wird, auf die er nicht rechnete, so kann er von Gefühlen der Begehrlichkeit, von der Freude über die Vermehrung seiner irdischen Genüsse, von dem Wunsch, schneller in deren Besitz zu gelangen, ja von dem Wunsch, der Betreffende möchte recht bald sterben, bewegt werden; oder aber jene Aussicht wird in ihm gute Gefühle und edelmütige Gedanken erwecken. Erfüllt sich das Vorhergesagte nicht, so ist dies wieder eine andere Prüfung: Nämlich auf welche Weise er die Enttäuschung aufnehmen werde. Er wird deswegen aber nicht minder das Verdienst oder die Schuld seiner guten oder schlechten Gedanken tragen, die er bei seinem Glauben an das Ereignis in sich nährte.“
„Du könntest ebenso gut fragen, warum Gott den Menschen nicht vollendet und vollkommen geschaffen habe (119.), warum der Mensch die Kindheit durchläuft, bevor er ein Erwachsener wird (379.). Die Prüfung hat nicht zu ihrem Zweck, Gott über das Verdienst dieses Menschen aufzuklären, denn Gott weiß vollkommen, was derselbe wert ist, – sondern dem Menschen die volle Verantwortlichkeit für sein Tun zu lassen, da er frei ist, es wirklich zu tun oder es zu lassen. Da der Mensch zwischen dem Guten und Bösen die Wahl hat, so hat die Prüfung die Wirkung, dass er der Versuchung ausgesetzt wird, so dass ihm, wenn er ihr widersteht, das Verdienst ganz allein gehört. So kann also Gott, obwohl er sehr wohl voraus erkennt, ob er siegen wird oder nicht, in seiner Gerechtigkeit ihn weder bestrafen noch belohnen für eine Handlung die nicht ausgeführt ward.“ (258.)
So ist es auch unter den Menschen. So fähig auch ein Bewerber, so gewiss man auch seines Erfolgs sei, man gibt ihm keine Stelle ohne Examen, d.h. ohne Prüfung. Ebenso verurteilt ein Richter den Angeklagten nur wegen einer vollbrachten Tat und nicht auf die bloße Vermutung oder Voraussicht hin, dass er sie vollbringen könne oder werde. Je mehr man über die Folgen nachdenkt, die für den Menschen aus seinem Wissen von der Zukunft entstehen müssten, desto mehr sieht man, wie weise die Vorsehung war, sie ihm zu verbergen. Die Gewissheit eines glücklichen Ereignisses würde ihn in Tatenlosigkeit versetzen, die Gewissheit eines unglücklichen ihn entmutigen. In beiden Fällen würde seine Kraft geschwächt. Darum wird die Zukunft dem Menschen nur als ein Ziel gezeigt, das er durch seine Anstrengungen erreichen soll, ohne dass er jedoch die Reihe der Dinge vorauswissen darf, welche er durch – zumachen hat, um es zu erreichen. Die Kenntnis aller Vorfälle seines Weges beraubte ihn seiner Initiative und des Gebrauchs seines freien Willens, er ließe sich an den verhängnisvollen Abgrund der Ereignisse reißen, ohne seine Widerstandskraft zu gebrauchen. Wenn der Erfolg von etwas gesichert ist, so kümmert man sich nicht weiter darum.
Theoretischer Rückblick auf die Triebfedern der menschlichen Handlungen.
Der vom Stoff befreite wandernde Geist wählt sich seine künftigen leiblichen Daseinsformen je nach seinem Grad der Vervollkommnung und hierin besonders liegt, wie gesagt, sein freier Wille. Diese Freiheit wird keineswegs durch die Inkarnation vernichtet: Gibt er dem Einfluss des Stoffes nach, so geschieht dies, weil er eben jenen Prüfungen, die er frei wählte, unterliegt, und eben um sich Hilfe zu verschaffen zu deren Überwindung, kann er den Beistand Gottes und der guten Geister anrufen. (337.)
Ohne freien Willen hat der Mensch weder Unrecht im Bösen noch Verdienst im Guten. Dies ist so allgemein anerkannt, dass in der Welt Lob und Tadel stets an der Absicht, d.h. am Willen gemessen werden. Wer aber Willen sagt, der sagt Freiheit. Der Mensch könnte so mit keine Entschuldigung seiner Missetaten in seiner Veranlagung finden, ohne seine Vernunft und seine menschliche Natur von sich zu werfen, um sich dem Tier gleich zu stellen. Verhielte es sich so mit dem Bösen, so verhielte es sich ebenso mit dem Guten. Tut aber der Mensch etwas Gutes, so ist ihm gar sehr daran gelegen sich ein Verdienst daraus zu machen und er hütet sich wohl, seinen Organen dafür zu danken. Dies beweist, dass er instinktmäßig und trotz der Ansicht einiger Systemmacher nicht auf das schönste Vorrecht seiner Gattung verzichtet: auf die Denkfreiheit.
Das Verhängnis, wie man das Wort gewöhnlich versteht, setzt voraus, dass alle Ereignisse des Lebens, welche auch ihre Wichtigkeit sei, zum Voraus und in unwiderruflicher Weise entschieden seien. Wäre dies die Weltordnung, so wäre der Mensch eine willenlose Maschine. Wozu diente ihm dann noch seine Intelligenz, da er in allen intimen Handlungen unabänderlich von der Macht des Schicksals beherrscht würde? Eine solche Lehre würde, wenn sie wahr wäre, die Aufhebung jeder sittlichen Freiheit sein. Für den Menschen gäbe es keine Verantwortlichkeit mehr und folglich weder Gutes noch Böses, weder Verbrechen noch Tugend. Der allgerechte Gott könnte sein Geschöpf weder für Fehler züchtigen, deren Begehen nicht von ihm abhing, noch für Tugenden belohnen, deren Verdienst ihm nicht zukäme. Eine solche Ordnung der Dinge wäre außerdem eine Verneinung des Gesetzes des Fortschritts; denn der Mensch, der alles vom Schicksal erwartete, täte nichts zur Verbesserung seiner Lage, da er ja doch nichts damit ausrichtete. Demnach ist das Verhängnis kein leeres Wort. Es besteht in der Stellung, die der Mensch auf Erden einnimmt und in den Aufgaben, die für ihn aus derselben erwachsen, welches beides die Folge der Daseinsform ist, die sich sein Geist einst wählte – als Prüfung, Sühne oder Mission. Nach diesem Verhängnis hat er alle Wechselfälle dieses Daseins neu zu bestehen, so wie alle darinliegenden guten oder schlechten Neigungen. Hier aber hört das Verhängnis auf, denn von seinem Willen hängt es ab, diesen Neigungen nachzugeben oder zu widerstehen. Die einzelnen Ereignisse richten sich nach den Umständen, die er selbst durch seine Handlungen veranlasst hat und auf welche die Geister durch die Gedanken, die sie ihm eingeben, Einfluss üben können. (459.)
Das Verhängnis liegt also in den sich einstellenden Ereignissen, da sie die Folge der vom Geist gewählten Daseinsform sind. Es kann nicht in dem Ergebnis jener Ereignisse liegen, da es in der Macht des Menschen liegt, durch seine Klugheit ihren Lauf zu verändern: Es liegt nie in den Handlungen des sittlichen Lebens.
Beim Tod ist der Mensch dem unerbittlichen Gesetz des Verhängnisses unbedingt unterworfen; denn er kann weder dem Beschluss, der seinem Dasein ein Ziel setzt, noch der Todesart, die seinen Lebensfaden abschneiden soll, entfliehen. Nach der gewöhnlichen Annahme würde der Mensch alle seine Triebe aus sich selbst schöpfen, dieselben gingen teils aus seiner physischen Veranlagung, für die er nicht verantwortlich sein kann, teils aus seiner eigenen Natur hervor, in der er eine Entschuldigung in seinen eigenen Augen suchen könnte, da er ja nichts dafür könne, dass er so geschaffen worden war. Die spiritistische Lehre ist augenscheinlich viel moralischer: Sie räumt dem Menschen den freien Willen im vollen Maße ein und wenn sie ihm sagt, dass er, wenn er Böses tue, einer fremden bösen Eingebung folge, so belässt sie ihm die ganze Verantwortlichkeit dafür, indem sie ihm die Macht zu widerstehen zuerkennt, was offenbar viel leichter ist, als wenn er gegen seine eigene Natur zu kämpfen hätte. Nach der spiritistischen Lehre wird also der Mensch nicht in unwiderstehlicher Weise hingerissen: Er kann immer der geheimen Stimme, die ihn in seinem Innersten anreizt, sein Ohr verschließen, so gut als er es gegenüber einem laut zu ihm Sprechenden tun kann. Er kann dies dank seines freien Willens, indem er Gott um die nötige Kraft bittet und zu diesem Zweck den Beistand der guten Geister anruft. Das lehrt uns Jesus in dem erhabenen Gebet des Vater Unser, wenn er uns bitten lässt: ,,Überlasse uns nicht der Versuchung, sondern erlöse uns von dem Übel " *
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* Im französischen Original steht: „Ne nous laissez pas succomber à la tentation, mais délivrez – nous du mal.“ (Anmerkung der Übersetzer)
Diese Lehre von der veranlassenden Ursache unserer Handlungen geht augenscheinlich aus allen Belehrungen durch die Geister hervor. Sie ist nicht nur erhaben in ihrer Moral sondern wir fügen hinzu, dass sie den Menschen in seinen eigenen Augen erhöht: Sie zeigt ihm in seiner Freiheit nur ein ihn niederdrückendes Joch abzuschütteln, so wie er frei ist, sein Haus ungebetenen Gästen zu verschließen. Er ist nicht mehr eine, auf fremden Antrieb sich bewegende willenlose Maschine, sondern ein vernünftiges Wesen, das frei anhört, urteilt und zwischen zwei Ratschlägen sich entscheidet. Fügen wir dann noch hinzu, dass der Mensch nicht seiner Initiative eines unmittelbar aus ihm selbst geschöpften Entschlusses beraubt ist. Er handelt deswegen nicht minder aus eigenem Antrieb, wenn er schließlich doch nur ein inkarnierter Geist ist, der unter seiner leiblichen Hülle die guten und schlimmen Eigenschaften beibehält, die er als Geist besessen hat. Unsere Fehler haben also ihre erste Quelle in der Unvollkommenheit unseres eigenen Geistes, der die sittliche Höhe die er einst sich erringen wird, noch nicht erreicht hat, der aber deswegen doch seine Willenskraft besitzt. Das leibliche Leben wird ihm gegeben, um sich durch dessen Prüfungen von seinen Unvollkommenheiten zu reinigen, und gerade jene Unvollkommenheiten schwächen ihn und machen ihn den Einflüsterungen der anderen unvollkommenen Geister zugänglicher, indem diese dieselben dazu benutzen, ihn in dem unternommenen Kampf unterliegen zu lassen. Geht er als Sieger aus letzterem hervor, so erhöht er sich: unterliegt er, so bleibt er, was er war, weder schlechter noch besser: die Prüfung beginnt von neuem und das kann lange so fortgehen. Je mehr er sich reinigt, desto mehr vermindern sich seine schwachen Seiten und desto weniger Blößen gibt er sich gegenüber denen, die ihn zum Bösen reizen. Seine sittliche Kraft wächst im Verhältnis seiner Selbsterhöhung und die bösen Geister entfernen sich.
Alle mehr oder weniger guten Geister bilden, wenn sie inkarniert sind, das Menschengeschlecht und da unsere Erde eine der am wenigsten fortgeschrittenen Welten ist, so gibt es hier mehr böse als gute Geister: Darum sehen wir hier so viel Verdorbenheit. Raffen wir daher all unsere Kraft zusammen, dass wir nicht auf diese Station zurückkehren müssen und dass wir es verdienen, uns auf einer besseren Welt ausruhen zu dürfen, auf einer jener bevorzugten Welten, wo ungeteilt das Gute herrscht und wo wir uns unserer Pilgerfahrt hier auf Erden nur noch als einer Zeit der Verbannung erinnern werden.
KAPITEL XI – X. Das Gesetz der Gerechtigkeit, der Liebe und der Nächstenliebe
Natürliche Gerechtigkeit und natürliche Rechte
„Es liegt so sehr in eurer Natur, dass ihr euch beim Gedanken einer Ungerechtigkeit empört. Der sittliche Fortschritt entwickelt ohne Zweifel dieses Gefühl, aber er verleiht es nicht. Gott legte es in des Menschen Herz: Darum findet ihr oft bei einfachen und ursprünglichen Menschen reinere Anschauungen von der Gerechtigkeit als bei denen, die viel Wissen besitzen.“
„Weil sich oft Leidenschaften hinein mischen, die dieses Gefühl wie die meisten anderen natürlichen Gefühle verunreinigen und entstellen und die Dinge unter einem falschen Gesichtspunkt erscheinen lassen.“
„Die Gerechtigkeit ist die Achtung vor den Rechten eines jeden Menschen.“
875a. Wodurch werden diese Rechte begründet?
„Durch zwei Dinge: durch das menschliche Gesetz und durch das natürliche Gesetz. Indem die Menschen Gesetze erließen, die ihren Sitten und ihrem Charakter entsprachen, so begründeten dieselben Rechte, die mit dem Fortschritt der Bildung sich ändern konnten. Seht, ob eure heutigen Gesetze, ohne deswegen vollkommen zu sein, die gleichen Rechte begründen, wie im Mittelalter. Jene veralteten Rechte, die euch jetzt ungeheuerlich vorkommen, erschienen zu jener Zeit als gerecht und natürlich. Das von den Menschen eingeführte Recht entspricht also der Gerechtigkeit nicht immer. Übrigens ordnet und bestimmt es nur gewisse gesellschaftliche Verhältnisse, während es im Privatleben eine Menge von Handlungen gibt, die nur vor den Richterstuhl des Gewissens gehören.“
„Christus sagte es euch: Für die anderen das zu wollen, was ihr für euch selbst wollen würdet. Gott legte in des Menschen Herz die Regel für jede wahre Gerechtigkeit, mit dem in einem jeden lebenden Wunsch, seine Rechte geachtet zu sehen. Der Mensch braucht sich, wenn er ungewiss ist, was er unter gegebenen Umständen einem anderen gegenüber zu tun habe, nur zu fragen, wie er möchte, dass man ihm gegenüber unter ähnlichen Umständen handelte: Gott konnte ihm keinen sichereren Führer geben, als sein eigenes Gewissen.“
Das Kennzeichen einer wahren Gerechtigkeit liegt wirklich darin, für die anderen das zu wollen, was man für sich selbst wollen würde, nicht aber das für sich selbst zu wollen, was man für die anderen wollte, – was keineswegs das Gleiche bedeutet. Da es nicht natürlich ist, für sich selbst Übles zu wollen, wenn man den eigenen persönlichen Wunsch zum Vorbild oder Ausgangspunkt nimmt, so ist man sicher für seinen Nächsten niemals etwas anderes als etwas Gutes zu wünschen. Zu jeder Zeit und bei jedem Glauben suchte der Mensch stets sein persönliches Recht zur Geltung zu bringen: Das Erhabene der christlichen Religion besteht darin, dass sie das persönliche Recht zur Grundlage des Rechts des Nächsten macht.
„Ja, und die erste von allen ist: Die Rechte von seinesgleichen zu achten. Wer dies tut, wird stets gerecht sein. Auf eurer Welt, wo so viele Menschen das Gesetz der Gerechtigkeit nicht erfüllen, übt jeder Wiedervergeltung und daher kommt denn Verwirrung in eure Gesellschaft. Das Leben in Gesellschaft begründet gegenseitige Rechte und Pflichten.“
„Die Grenze des Rechts, die er seinem Nächsten gegenüber unter den gleichen Umständen zu erkennt, und umgekehrt.“
878a. Wenn sich aber ein jeder die Rechte seines Nächsten zuschreibt, was wird dann aus der Unterordnung gegenüber dem Vorgesetzten? Ist dies dann nicht die unbeschränkte Gesetzlosigkeit?
„Die natürlichen Rechte sind für alle dieselben vom Kleinsten bis zum Größten. Gott schuf nicht die einen aus einem reineren Stoff als die anderen und alle sind vor ihm gleich. Diese Rechte sind ewig; die, welche der Mensch aufstellte, gehen mit seinen Einrichtungen zugrunde. Übrigens kennt ein jeder gar wohl seine Stärke oder seine Schwäche und wird stets eine gewisse Willfährigkeit gegen den zeigen, der dies durch seine Tugend und Weisheit verdient. Es ist von Wichtigkeit, dies festzustellen, damit die, welche sich für höher halten, ihre Pflichten wahrnehmen, um jene Willfährigkeit zu verdienen. Die Unterordnung wird nicht gefährdet werden, wenn der Weisheit die Autorität zu erkannt wird.“
„Der echte Gerechte lebt nach dem Beispiel Jesu; denn er würde auch die Liebe gegen Gott und den Nächsten üben, ohne die es keine wahre Gerechtigkeit gibt.“
Eigentumsrecht. Diebstahl.
„Das Recht zu Leben; darum hat keiner das Recht, das Leben von seinesgleichen anzugreifen, noch etwas zu tun, das seine leibliche Existenz gefährden könnte.“
„Ja, aber er soll es tun mit seiner Familie, wie die Biene, mit ehrbarer Arbeit und soll nicht gleich einem Egoisten alles zusammenraffen wollen. Selbst gewisse Tiere geben ihm das Beispiel der Voraussicht.“
„Hat Gott nicht gesagt: Du sollst nicht stehlen, und Jesus: Man soll dem Kaiser geben, was des Kaisers ist?“
Was der Mensch sich in ehrlicher Arbeit sammelt, ist sein gesetzmäßiges Eigentum, das er zu verteidigen berechtigt ist; denn das Eigentum ist, als Frucht der Arbeit, ein ebenso geheiligtes, natürliches Recht wie dasjenige, zu arbeiten und zu leben.
„Ja, aber wenn du nur um deiner selbst und zu deiner persönlichen Befriedigung besitzen willst, so ist dies Egoismus.“
883a. Ist aber der Wunsch nach Besitz nicht auch ein berechtigter, da ja der, welcher zu leben hat, niemandem zur Last fällt?
„Es gibt unersättliche Menschen, die ohne zu irgendjemands Nutzen oder zur Befriedigung ihrer Leidenschaften alles zusammenraffen. Meinst du, das werde von Gott, gutgeheissen? Derjenige hingegen, der sich mit seiner Arbeit Schätze sammelt, um einst Seinesgleichen zu helfen, übt das Gesetz der Liebe zu Gott und seinem Nächsten und Gott segnet seine Arbeit.“
„Es gibt kein rechtmäßiges Eigentum, als das, welches ohne Nachteil für andere erworben wird.“ (808.)
Das Gesetz der Liebe und der Gerechtigkeit verbietet einem anderen das zu tun, was wir uns von anderen nicht getan zu sehen wünschten, und verdammt eben damit jedes Erwerbsmittel, das diesem Gesetz widerspräche.
„Ohne Zweifel ist alles rechtmäßig Erworbene ein Eigentum. Da jedoch, wie gesagt, die menschliche Gesetzgebung eine unvollkommene ist, so schafft sie oft Rechte des Herkommens, die von der natürlichen Gerechtigkeit verurteilt werden. Darum verbessern die Menschen ihre Gesetze in dem Maße, als der Fortschritt sich erfüllt und sie die Gerechtigkeit besser verstehen. Was in einem Jahrhundert als vollkommen erscheint, erscheint im Folgenden als barbarisch.“ (795.)
Nächstenliebe
„Wohlwollen gegen jedermann, Nachsicht gegen die Unvollkommenheiten anderer, Verzeihung der Beleidigungen.“
Nächstenliebe ist die Ergänzung des Gesetzes der Gerechtigkeit; denn seinen Nächsten lieben heißt, ihm alles Gute erweisen, das in unserer Macht liegt und das wir uns selbst getan wünschten. Das ist der Sinn der Worte Jesus: Liebet einander wie Brüder.
Die Ausübung der Nächstenliebe bleibt nach Jesus nicht auf die Almosen beschränkt: Sie umfasst alle unsere Beziehungen zu unse – resgleichen, mögen sie unter uns, neben uns oder über uns stehen. Sie gebietet uns Nachsicht, weil wir derselben selbst bedürfen; sie verbietet uns, die Unglücklichen zu demütigen was im Gegensatz zu dem steht, was nur zu oft geschieht. Kommt ein Reicher daher, so hat man gegen ihn tausend Rücksichten, tausend Zuvorkommenheiten; kommt dagegen ein Armer, so meint man, sich mit ihm nicht zu genieren zu brauchen. Aber gerade je mehr seine Lage zu beklagen ist, desto mehr soll man im Gegenteil sich hüten, sein Unglück durch Demütigungen zu vermehren. Der wahrhaft und wirklich gute Mensch sucht den tiefer als er Stehenden in dessen eigenen Augen aufzurichten und zu erhöhen, indem er die Kluft zwischen ihnen beiden verkleinert.
„Ohne Zweifel kann man zu einem Feinde keine zärtliche und leidenschaftliche Liebe hegen. Das wollte er auch nicht sagen. Seine Feinde lieben, heißt ihnen verzeihen und Böses mit Gutem vergelten. Dadurch stellt man sich über sie, durch Rache aber stellt man sich unter sie.“
„Der Mensch, der sich darauf angewiesen sieht, um Almosen zu bitten, erniedrigt sich physisch und moralisch. Er verroht. In einer, auf das Gesetz Gottes und der Gerechtigkeit gegründeten Gesellschaft soll für das Leben des Schwachen ohne Erniedrigung und Demütigung für ihn gesorgt sein. Sie soll das Dasein derer, die nicht arbeiten können, sichern, ohne deren Leben dem Zufall und dem guten Willen Preis zu geben.“
888a. Tadelt ihr das Almosen geben?
„Nein, nicht das ist tadelnswert, sondern oft die Art, wie es gegeben wird. Der brave Mann, der die Nächstenliebe in Jesu Sinn versteht, kommt dem Unglück zuvor und wartet nicht, bis es ihm die Hand entgegenstreckt.
Die wahre Nächstenliebe ist immer gut und wohlwollend, sie liegt ebenso in der Art und Weise der Tat, wie in der Tat selbst. Mit Zartgefühl geleisteter Dienst ist doppelter Dienst; geschieht er aber von oben herab, so mag ihn die Not wohl annehmen, aber das Herz wird wenig gerührt werden.
Erinnert euch auch, dass der, wer sich mit seinem Wohltun brüstet, vor Gottes Augen kein Verdienst mehr hat. Jesus sagte: „Eure Linke wisse nicht, was eure Rechte gibt“, und lehrte euch damit, dass ihr eure Nächstenliebe nicht durch euren Hochmut trüben sollt.
Das eigentliche Almosen geben muss man von der Wohltätigkeit überhaupt wohl unterscheiden. Nicht wer bettelt ist oft der Bedürftigste, die Furcht vor Demütigung hält den wirklich Armen zurück und oft leidet er ohne Klagen. Diesen versteht der wahrhaft Menschliche ohne Prahlerei aufzufinden.
Liebet einander, das ist das ganze Gesetz, das göttliche Gesetz, mit dem Gott die Welten regiert. Die Liebe ist die Anziehungskraft für die lebenden und organischen Wesen; und die Anziehungskraft ist das Gesetz der Liebe für den anorganischen Stoff.
Vergesst nicht, dass der Geist, wie hoch oder wie niedrig auch die Stufe seiner Vervollkommnung und ob er reinkarniert oder im Wanderzustand sei, immer zwischen einem höheren, der ihn leitet und einen niedrigeren, dem er als Führer zu dienen hat, gestellt ist: Übt also Barmherzigkeit, nicht nur mit jenen, die euch aus eure Börse dem einen Pfennig ziehen lässt, um mit Gleichgültigkeit dem zu geben, der euch darum zu bitten wagt, sondern sucht das verborgene Elend auf. Seid nachsichtig gegen die Verkehrtheiten von euresgleichen und statt Unwissenheit und Laster zu verachten, belehrt und bessert sie. Seid milde und wohlwollend gegen alles was tiefer steht, als ihr selbst, seid es sogar gegen die niedrigsten Wesen der Schöpfung und ihr werdet dem Gesetz Gottes damit gehorcht haben.“ (hl. Vincente de Paulo)
„Gewiss, aber wenn eine gute sittliche Erziehung sie das Gesetz Gottes hätte tun gelehrt, würden sie nicht in Ausschweifungen verfallen, die ihren Untergang herbeiführen. Das ist der Punkt, von dem die Besserung eurer Erde hauptsächlich abhängt.“ (707.)
Mutterliebe und Kindesliebe
„Sie ist das eine wie das andere. Die Natur schenkte der Mutter die Liebe zu ihren Kindern mit dem Ziel ihrer Erhaltung, aber bei den Tieren bleibt diese Liebe auf die stofflichen Bedürfnisse beschränkt: Sie hört auf, wenn die Pflege unnötig wird. Beim Menschen dauert diese Liebe das ganze Leben hindurch und beinhaltet eine Hingabe und Selbstlosigkeit, die Tugenden zu nennen sind. Sie überlebt selbst den Tod und folgt dem Kind über das Grab hinaus; ihr seht wohl, das in ihr noch etwas anderes liegt als beim Tier.“ (205. bis 385.)
„Das ist zuweilen eine vom Geist des Kindes gewählte Prüfung oder auch eine Sühne, wenn es selbst einst ein schlechter Vater oder eine schlechte Mutter oder ein schlechtes Kind in einem anderen Dasein gewesen war. (392.) Jedenfalls kann die schlechte Mutter nur von einem bösen Geist beseelt sein, der das Kind zu belästigen strebt, damit es in der von ihm gewollten Prüfung unterliegt. Aber diese Verletzung der Naturgesetze wird nicht ungestraft bleiben und des Kindes Geist wird für die von ihm überwundenen Hindernisse belohnt werden.“
„Nein, denn es ist dies eine ihnen anvertraute Aufgabe und es ist ihre Mission, alles zu tun, um sie zum Guten zu führen. (582. – 583.) Dieser Kummer ist aber auch oft die Folge einer bösen Richtung, die sie ihnen schon in der Wiege zu nehmen gestatteten: Sie ernten dann, was sie gesät haben.“
KAPITEL XII – Moralische Vervollkommnung
Tugenden und Laster
„Alle Tugenden sind verdienstlich, weil sie alle Zeichen des Fortschritts auf dem Weg des Guten sind.
Tugend findet jedes Mal statt, wenn freiwilliger Widerstand gegen schlechten Neigungen stattfindet. Das Erhabene der Tugend aber besteht in dem Opfer des persönlichen Interessen für das Wohl des Nächsten, und zwar ohne Hintergedanken. Die verdienstlichste Tugend ist die, welche auf selbstloseste Nächstenliebe gegründet ist.“
„Bei denen, welche nicht zu kämpfen haben, hat sich der Fortschritt schon früher erfüllt. Sie haben früher schon gekämpft und überwunden; darum kosten ihnen die guten Gefühle keine Anstrengung und ihre Handlungen erscheinen ihnen ganz einfach und selbstverständlich; das Gute ist für sie eine Gewohnheit geworden. Man soll sie darum ehren wie alte Krieger, die ihre Grade sich erkämpften.
Da ihr noch weit von der Vollkommenheit entfernt seid, so wundern euch diese Beispiele durch ihren Kontrast und ihr bewundert sie umso mehr, je seltener sie vorkommen. Wisset jedoch, dass auf den fortgeschritteneren Welten als die eurige das, was bei euch eine Ausnahme ist, die Regel bildet. Das Gefühl und Begehren des Guten ist dort überall ein freiwilliges, weil da nur gute Geister wohnen und eine einzige schlechte Absicht wäre eine ungeheuerliche Ausnahme. Darum sind die Menschen dort glücklich. So wird es auch auf Erden sein, wenn das Menschengeschlecht sich umgewandelt hat, und die Nächstenliebe in ihrem wahren Sinne verstanden und geübt wird.“
„Es ist das persönliche Interesse. Die moralische Eigenschaften gleichen oft der auf einem kupfernen Gegenstand angebrachten Vergoldung, die dem Probierstein nicht widersteht. Ein Mensch kann tatsächlich Eigenschaften haben, die ihn für die Welt zum rechtschaffenen Menschen stempeln; sind dieselben aber auch ein Fortschritt, so vertragen sie nicht immer gewisse Prüfungen und zuweilen genügt es, an die Saite des persönlichen Interesses zu rühren, um den Hintergrund abzudecken. Die wahre Selbstlosigkeit ist auf der Erde eine so seltene Sache, dass man sie, wenn sie sich wirklich zeigt, wie ein Phänomen bewundert.
Die Anhänglichkeit an die materiellen Dinge ist ein sicheres Zeichen der Niedrigkeit, da der Mensch, je mehr er an den Dingen dieser Welt hängt, desto weniger seine Bestimmung erkennt. Durch Selbstlosigkeit dagegen beweist er, dass er von einem erhabeneren Standpunkt aus in die Zukunft schaut.“
„Sie haben das Verdienst der Uneigennützigkeit, aber kein Verdienst um das Gute, das sie tun könnten. Ist die Uneigennützigkeit eine Tugend, so ist die unüberlegte Verschwendung stets wenigstens ein Mangel an Urteilungskraft. Vermögen wird dem einen ebenso wenig dazu verliehen, um es in alle Winde zu zerstreuen, als dem andern um es in einer Geldkiste zu vergraben: Es ist ein anvertrautes Gut, worüber sie Rechenschaft werden zu geben haben, denn sie werden sich über jegliches Gute zu verantworten haben, das sie hätten tun können, aber nicht getan haben, – über alle Tränen, die sie hätten trocknen können mit dem Geld, das sie denen gaben, die dessen nicht bedurften.“
„Man muss das Gute aus Nächstenliebe tun, d.h. mit Uneigen – nützigkeit.
897a. Dennoch hat jeder den Wunsch, vorwärts zu schreiten, um aus diesem mühevollen Leben herauszukommen: Die Geister selbst lehren uns das Gute zu diesem Zweck zu üben. Ist es nun deswegen vom Übel, wenn man denkt, dass man, wenn man das Gute tut, Besseres als auf Erden erhoffen dürfe?
,,Gewiss nicht, wer aber das Gute ohne Hintergedanken tut und aus reiner Lust, Gott und seinem leidenden Nächsten angenehm zu sein, befindet sich schon auf einer Stufe des Fortschritts, die ihn viel schnell das Glück erreichen lassen wird, als seinen Bruder, der praktischer die Dinge anfassend, das Gute aus Berechnung tut und nicht von der natürlichen Wärme seines Herzens dazu sich angetrieben fühlt.“ (894.)
897b. Muss man da nicht unterscheiden zwischen dem Guten, das man seinem Nächsten erweisen kann und der Mühe, die man sich gibt, sich von seinen Fehlern zu bessern? Wir begreifen, dass Gutes zu tun mit dem Gedanken, es werde uns dafür im anderen eben Rechnung getragen werden, wenig Verdienstliches hat; aber sich selbst bessern, seine Leidenschaften bezwingen, seinen Charakter veredeln in der Aussicht, sich so den guten Geistern zu nähern und sich zu erhöhen, ist das auch ein Zeichen von Niedrigkeit?
„Nein, nein, mit Gutes tun, meinen wir Nächstenliebe üben. Wer da berechnet, was jede gute Handlung ihm im künftigen oder auch im jetzigen Leben eintragen kann, handelt als ein Egoist: es ist aber keinerlei Egoismus sich zu bessern, in der Aussicht, sich Gott zu nähern, weil dies das einem jeden vorgesteckte Ziel ist.“
„Ohne Zweifel. Zunächst setzt euch dies in den Stand, eure Brüder zu unterstützen, sodann wird euer Geist sich schneller erheben, wenn er schon in der Intelligenz fortgeschritten ist. In dem Zwischenraum zwischen den verschiedenen Inkarnationen werdet ihr in einer Stunde so viel lernen, als in Jahren auf der Erde. Keine Kenntnis ist unnütz. Alle tragen mehr oder weniger zum Fortschritt bei, weil der vollkommene Geist alles wissen muss und weil, da der Fortschritt sich nach allen Richtungen erfüllen soll, alle erworbenen Ideen zur Entwicklung des Geistes beitragen.“
„Der, welcher genießt: Er ist mehr selbstsüchtig als geizig. Der andere hat bereits einen Teil seiner Strafe gefunden.“
„Das Gefühl ist ohne Zweifel löblich, wenn es rein ist. Ist es aber auch immer ganz selbstlos und verbirgt es keinen persönlichen Hintergedanken? Ist nicht oft die erste Person, der man Gutes zu erweisen wünscht, das liebe Ich?“
„Geschieht es um dieselben zu verurteilen und bekannt zu machen, so ist man sehr strafbar, denn das ist Mangel an Nächstenliebe. Geschieht es, um selbst daran zu lernen und sie selbst zu vermeiden, so mag dies zuweilen von Nutzen sein. Man darf aber nicht vergessen, dass Nachsicht gegen die Fehler der anderen eine der Tugenden ist, die zur Nächstenliebe gehören. Bevor ihr anderen ihre Unvollkommenheiten vorwerft, seht, ob man nicht euch dasselbe sagen könnte. Trachtet also nach Eigenschaften, die den Fehlern, die ihr an anderen verurteilt, entgegengesetzt sind, das ist das richtige Mittel, euch höher zu stellen. Dem Geizigen stellt eure Freigebigkeit, dem Hartherzigen eure Güte gegenüber und gegen den Kleinlichen zeigt euch groß, kurz tut so, dass man auf euch nicht Jesu Worte anwenden kann: Ihr seht den Splitter in des Nächsten Auge und den Balken im eigenen seht ihr nicht.“
„Das hängt vom Gefühl ab, das dazu antreibt. Hat der Verfasser nur die Absicht, Ärgernis zu erregen, so ist das ein persönliches Vergnügen, das er sich mit Schilderungen bereitet, die oft eher ein schlechtes als ein gutes Beispiel abgeben. Der Geist mag zwar richtig urteilen, aber er kann für diese Art von Freude an der Enthüllung des Schlechten gestraft werden.“
904a. Wie kann man in einem solchen Fall sich über die Reinheit der Absichten und die Lauterkeit des Schriftstellers ein Urteil bilden?
„Das ist oft nicht einmal nützlich: Schreibt er gute Sachen, so zieht daraus euren Nutzen; macht er es schlecht, so ist das eine ihn allein angehende Gewissensfrage. Ist ihm übrigens daran gelegen, seine Aufrichtigkeit zu beweisen, so ist es an ihm, seine guten Lehren durch sein eigenes Beispiel zu unterstützen.“
„Moral ohne Taten heißt Samen ohne Arbeit. Was nützt euch der Samen, wenn ihr ihn nicht Früchte bringen lässt, um euch zu nähren? Diese Menschen sind noch strafbarer, denn sie hatten die Intelligenz, um zu erkennen: Indem sie die von ihnen für die anderen aufgestellten Grundsätze nicht selbst ausübten, verzichteten sie darauf, deren Früchte zu ernten.“
„Da er das Bewusstsein des Bösen, das er tut, haben kann, so muss er auch das des Guten haben, damit er weiß, ob er gut oder böse handelt. Wenn er alle seine Handlungen in der Waage des Gesetzes Gottes und namentlich in der des Gesetzes der Gerechtigkeit, der Menschen und Nächstenliebe wägt, so wird er sich sagen können, ob sie gut oder böse seien, und wird sie billigen oder missbilligen. Er ist also nicht zu tadeln, wenn er anerkennt, dass er über schlechte Neigungen gesiegt und wenn er sich davon befriedigt fühlt, vorausgesetzt, dass er darauf nicht eitel wird, denn dann würde er in einen anderen Fehler verfallen.“ (919.)
Von den Leidenschaften
„Nein, die Leidenschaft liegt in dem, mit dem Willen verbundenen Übermaß; denn ihr Prinzip war dem Menschen zum Guten verliehen und sie können ihn zu großen Dingen führen. Der Missbrauch erst erzeugt das Übel.“
„Die Leidenschaften gleichen einem Pferd, das nützlich ist, wenn es bemeistert wird, und gefährlich, wenn es selbst den Meister spielt. Merkt euch somit, dass eine Leidenschaft von dem Augenblick an gefährlich wird, wo ihr sie nicht mehr beherrschen könnt, und dass dieselbe dann jedenfalls, sei es für euch oder andere, einen Nachteil mit sich führt.“
Die Leidenschaften sind Hebel, die die Kräfte des Menschen verzehnfachen und ihn bei der Erfüllung der Absichten der Vorsehung unterstützen. Lässt sich aber der Mensch statt sie zu lenken, selbst von ihnen lenken, so verfällt er ins Übermaß und in Ausschreitungen und dieselbe Kraft, die in seiner Hand Gutes stiften konnte, wendet sich gegen ihn und vernichtet ihn. Alle Leidenschaften haben ihr Prinzip in einem natürlichen Gefühl oder Bedürfnis. Ihr Prinzip ist also nicht ein Übel, da es auf einer der von der Vorsehung geschaffenen Bedingungen unseres Daseins beruht. Die Leidenschaft im eigentlichen Wortsinn ist die Übertreibung eines Bedürfnisses oder eines Gefühls. Sie liegt im Übermaß und nicht in der Ursache, und dieses Übermaß wird zum Übel, wenn es irgendein Übel zur Folge hat. Jede Leidenschaft, die den Menschen der tierischen Natur nähert, entfernt ihn von der geistigen. Jedes Gefühl, das den Menschen über die tierische Natur erhebt, verkündigt die Oberherrlichkeit des Geistes über den Stoff und nähert ihn der Vollendung.
„Ja, und zuweilen mit nur geringer Anstrengung. Es fehlt ihm nur der Wille. Ach, wie wenige von euch strengen sich an!“
„Wenn er Gott und seinen Schutzgeist aufrichtig bittet, so werden die guten Geister ihm gewiss zu Hilfe kommen, denn das ist ihre Sendung.“ (459.)
„Es gibt viele Leute, die da sprechen ,,Ich will“, aber der Wille ist nur auf ihren Lippen: Sie wollen etwas und sind innerlich froh, wenn es nicht geschieht. Wenn man seine Leidenschaften nicht glaubt überwinden zu können, so geschieht dies nur, weil der Geist infolge seiner tiefen Stufe sich darin gefällt. Wer sie zurückzudrängen sucht, erkennt seine geistige Natur; bei einem solchen Menschen ist ihre Überwindung ein Sieg des Geistes über den Stoff.“
912. Was ist das wirksamste Mittel, die Vorherrschaft der leiblichen Natur zu bekämpfen?
„Entsagung zu üben.“
Vom Egoismus
„Wir sagten es schon oft: der Egoismus. Aus ihm stammt alles Böse. Durchsucht alle Erscheinungen des Bösen und ihr werdet entdecken, dass ihnen allen der Egoismus zugrunde liegt. Ihr könnt die Fehler, die Laster lange bekämpfen, es wird euch nicht gelingen, sie auszurotten, solange ihr das Übel nicht an seiner Wurzel angreift, solange ihr nicht seine Ursache zerstört. Mögen daher alle eure Bemühungen auf dieses Ziel gerichtet sein, denn hier findet sich die wunde Stelle der Gesellschaft. Wer immer schon in diesem Leben sich der moralischen Vollendung nähern will, der muss aller Egoismus aus dem Herzen reißen, denn Egoismus verträgt sich nicht mit Gerechtigkeit und Menschenliebe, er hebt alle guten Eigenschaften auf.“
„Je mehr sich die Menschen über die geistigen Dinge aufklären, desto weniger Wert werden sie auf die materiellen Dinge legen. Sodann müssen die menschlichen Einrichtungen, welche den Egoismus reizen und unterhalten, verbessert werden. Dies ist Sache der Erziehung.“
„Es ist wahr, dass der Egoismus euer größtes Übel ist, aber er liegt in der Niedrigkeit der auf der Erde inkarnierten Geister und nicht in der Menschheit als solche. Wenn sich nun die Geister durch eine Reihe von Inkarnationen reinigen, so verlieren sie den Egoismus, so wie sie ihre anderen Unreinheiten verlieren. Habt ihr denn auf Erden gar keinen Menschen ohne Egoismus, der Nächstenliebe übt? Es gibt deren mehr, als ihr glaubt.
„Je größer das Übel, desto hässlicher wird es. Der Egoismus muss viel Übel und Unglück anrichten, um die Notwendigkeit ihrer Ausrottung darzutun. Werden die Menschen einst den Egoismus abgelegt haben, so werden sie leben wie Brüder, sich nichts Böses zufügen und sich einander im Gefühl wechselseitiger Verpflichtung beistehen. Dann wird der Starke die Stütze und nicht der Unterdrücker des Schwachen sein und man wird keine Menschen mehr am Notwendigen Mangel leiden sehen, weil sie alle das Gesetz der Gerechtigkeit üben werden. Das ist die Herrschaft des Guten, welche die Geister vorzubereiten haben.“ (784.)
„Von allen menschlichen Unvollkommenheiten ist der Egoismus am schwersten auszurotten, weil er auf dem Einfluss des Stoffes beruht, von welchem letzterem, der seinem Ursprung noch zu nahestehende Mensch sich nicht hat befreien können, und dieser Einfluss und alles wirkt zusammen ihn zu unterhalten: Seine Gesetze, seine gesellschaftliche Organisation, seine Erziehung. Der Egoismus wird abnehmen, je mehr die Vorherrschaft des über das stoffliche Leben zunimmt und besonders je weiter sich die Erkenntnis eures künftigen wirklichen nicht durch bloße Bilder entstellten Zustandes, durch den Spiritismus verbreiten wird. Der richtig verstandene Spiritismus wird, wenn er sich einmal mit Sitten und Glauben vereinigt hat, die gesellschaftlichen Gewohnheiten, Gebräuche und Beziehungen umwandeln. Der Egoismus gründet sich auf die Wichtigkeit, die wir unserer Person beilegen; nun lässt aber der Spiritismus – d.h. der richtig verstandene, ich wiederhole es – die Dinge von so hohem Standpunkt aus erblicken, dass das Gefühl der Persönlichkeit gewissermaßen vor der Unendlichkeit verschwindet. Indem der Spiritismus jene Wichtigkeit vernichtet oder sie wenigstens als das erscheinen lässt, was sie ist, bekämpft er notwendig den Egoismus.
„Was den Menschen oft selbst zum Egoisten macht, das ist, dass er sich vom Egoismus der anderen verletzt fühlt, denn dann fühlt er das Bedürfnis, auf seinen Schutz zu sinnen. Wenn er sieht, dass die andern nur an sich und nicht an ihn denken, so führt ihn dies dazu, sich mehr mit sich als mit den anderen zu beschäftigen. Man mache das Prinzip der Menschen – und Bruderliebe zur Grundlage der gesellschaftlichen Einrichtungen, der gesetzlichen Beziehungen von Volk zu Volk und von Mensch zu Mensch und der Mensch wird weniger an seine eigene Person denken, wenn er sieht, dass andere an sie gedacht haben: Er wird den moralischen Einfluss des Beispiels und des Umgangs fühlen. Gegenüber dieser Überflutung des Egoismus bedarf es einer wahrhaftigen Tugend, um seine eigene Person zu Gunsten der andern zurück zu nehmen, die oft genug es einem nicht einmal danken. Denen hauptsächlich, die diese Tugend besitzen, öffnet sich das Himmelreich. Ihnen vor allen ist die Seligkeit der Auserwählten vorbehalten; denn wahrlich ich sage euch, am Tag des Gerichts wird jeder, der nur an sich selbst gedacht hat, hinausgeworfen und Pein leiden in seiner Verlassenheit.“ (785.)
(Fénelon)
Es werden ohne Zweifel rühmliche Anstrengungen gemacht, die Menschheit vorwärts zu bringen: Mehr als zu jeder anderen Zeit werden gute Gefühle und Neigungen ermutigt, angereizt, geehrt, und doch bleibt der nagende Wurm des Egoismus stets die offene Wunde der Gesellschaft. Er ist ein tatsächliches Übel, das auf jedermann lastet und dessen Opfer mehr oder weniger ein jeder wird. Man muss ihn daher bekämpfen wie eine ansteckende Krankheit. Dann muss man nach Art der Ärzte vorgehen: Zur Quelle muss man sich wenden. Man suche also in allen Teilen des sozialen Organismus, in der Familie bis zu den Völkern und von der Hütte bis zum Palast nach allen Ursachen, offenen und geheimen Einflüssen, welche den Egoismus erregen, unterhalten und entwickeln. Kennt man einmal die Ursachen, so wird sich das Heilmittel von selbst finden. Es wird sich dann nur noch darum handeln, jene zu bekämpfen, wenn nicht alle auf einmal, doch wenigstens teilweise und nach und nach wird das Gift ausgeschieden werden können. Die Heilung mag lange dauern, denn der Ursachen sind viele, aber sie ist nicht unmöglich. Zum Ziel gelangen wird man übrigens nur, wenn man das Übel an der Wurzel angreift, d.h. mit der Erziehung, – nicht mit der, welche unterrichtete Menschen, sondern welche gute Menschen zu schaffen strebt.
Die Erziehung, richtig aufgefasst, ist der Schlüssel zum moralischen Fortschritt. Kennt man einmal die Kunst, die Charaktere zu handhaben, wie man die Kunst der Ausbildung der Intelligenz kennt, so wird man jene wieder aufrichten und gerade machen können, wie man junge Pflanzen aufrichtet. Diese Kunst erheischt jedoch großen Takt, viel Erfahrung und tiefe Beobachtung. Es ist ein schwerer Irrtum, wenn man meint, es genüge wissenschaftliche Bildung, um jene mit Erfolg auszuüben. Ein jeder, der die Ent – wicklung des Kindes des Reichen wie des Armen von seiner Geburt an verfolgt und alle schädlichen Einflüsse beobachtet, die durch die Schwäche, die Sorglosigkeit und Unwissenheit derjenigen auf dasselbe wirken, welche es leiten, wird sich, wenn er sieht, wie oft die angewandten Mittel, es zu moralisieren fehlschlagen, nicht mehr wundern, in der Welt so viel Verkehrtheiten zu erblicken. Man tue für das Moralische so viel, wie man für die Intelligenz tut, und man wird sehen, dass, wenn es auch widersetzliche Naturen gibt, es doch mehr als man denkt solche gibt, die nur eine gute Pflege verlangen, um gute Früchte zu tragen. (872.)
Der Mensch will glücklich sein, dieses Gefühl liegt in der Natur. Darum arbeitet er unaufhörlich, seine Lage auf der Erde zu ver – bessern. Er forscht nach den Ursachen seiner Übel, um Abhilfe zu schaffen. Wenn er einmal gründlich erkannt haben wird, dass der Egoismus einer jener Ursachen ist, nämlich die, welche Hochmut, Ehrgeiz, Begehrlichkeit, Neid, Hass, Eifersucht gebiert, von denen er jeden Augenblick verletzt wird, welche Verwirrung in alle gesellschaftlichen Verhältnisse bringt, Zwietracht sät, das Vertrauen untergräbt, die uns nötigt, uns beständig im Verteidigungszustand gegenüber unseren Nachbarn zu halten, die letztendlich den Freund uns zum Feind macht, dann wird er auch erkennen, dass dieses Laster mit seinem eigenen Glück sich nicht verträgt, ja, fügen wir hinzu, nicht einmal mit seiner Sicherheit. Je mehr er darunter leidet, desto mehr wird er die Notwendigkeit einsehen, es zu bekämpfen, so gut als er die Pest, die schädlichen Tiere und alle anderen Landplagen bekämpft. Durch sein eigenes Interesse wird er dazu aufgefordert. (784.)
Der Egoismus ist die Quelle allen Übels und aller Fehler und Laster, so wie die Menschenliebe die Quelle aller Tugenden. Die eine ausrotten, die andere entwickeln, das muss das Ziel aller Anstrengungen des Menschen sein, wenn er sich sein Glück sowohl hier auf Erden, als in der Zukunft sichern will.
Merkmale des rechtschaffenen Menschen
„Der Geist beweist seine Erhöhung, wenn all sein Tun im leiblichen Leben eine Erfüllung des Gesetzes Gottes ist und wenn er das geistige Leben schon jetzt im Voraus erkennt.“
Ein wahrhaft, rechtschaffener Mensch ist der, welcher das Gesetz der Gerechtigkeit, der Liebe und Nächstenliebe in größter Reinheit erfüllt. Fragt er sein Gewissen über das, was er getan hat, so wird er sich prüfen, ob er nicht jenes Gesetz übertreten, ob er nicht Böses getan, ob er alles Gute getan, das er gekonnt, ob niemand sich über ihn zu beklagen hatte, letztendlich, ob er den andern so getan hat, wie er wollte, dass man ihm tue.
Der von Liebe – und Nächstenliebe durchdrungene Mensch tut das Gute um des Guten willen, ohne auf Wiedervergeltung zu hoffen und opfert sein eigenes Interesse der Gerechtigkeit.
Er ist gut, menschlich und wohlwollend gegen jedermann, weil er in allen Menschen seine Brüder sieht ohne Rücksicht auf Stamm oder Glauben.
Wenn ihm Gott Macht und Reichtum gab, so betrachtet er diese als ein anvertrautes Gut, das er zum Guten verwenden soll. Er ist nicht eitel darauf, denn er weiß, dass Gott, der es ihm gegeben hat, es ihm wieder nehmen kann.
Hat die gesellschaftliche Ordnung Menschen in Abhängigkeit von ihm gesetzt, so behandelt er sie mit Güte und Wohlwollen, weil sie seinesgleichen sind vor Gott. Er macht von seinem Ansehen Gebrauch, um sie moralisch zu fördern, nicht um sie mit seinem Hochmut niederzutreten.
„Er ist nachsichtig gegen die Schwächen anderer, weil er weiss, dass er selbst der Nachsicht bedarf und weil er sich Christi Wort erinnert: ,,Wer unter euch ohne Sünde ist, der werfe den ersten Stein auf sie.“
„Er ist nicht rachsüchtig; nach Jesu Beispiel vergibt er Beleidigungen und erinnert sich nur des Guten, denn er weiß, dass ,,ihm vergeben wird, wie er selbst vergibt.“
„Er achtet endlich bei seinesgleichen alle Rechte, welche ihnen die Gesetze der Natur verleihen, wie er wünscht, dass man sie auch ihm gegenüber achte.“
Selbsterkenntnis
919. Was ist das wirksamste praktische Mittel, um sich in diesem Leben zu vervollkommnen und den Lockun gen des Bösen zu widerstehen?
„Ein Weiser des Altertums hat euch gesagt: ,,Erkenne dich selbst.“
919a. Wir erkennen die ganze Weisheit dieses Grundsatzes, aber die Schwierigkeit liegt gerade darin, sich selbst zu erkennen. Wie gelangt man hierzu?
„Tut, was ich selbst tat, als ich auf Erden lebte: Am Schluss des Tages befragte ich mein Gewissen, was ich getan, ließ es an mir vorüberziehen und fragte mich, ob ich mich nicht gegen irgendeine Pflicht verfehlt habe, ob niemand sich über mich zu beklagen gehabt hat. So gelangte ich dazu, mich selbst zu kennen und zu wissen, was an mir gebessert werden muss. Wer jeden Abend alles, was er den Tag über getan, sich zurückrufen und sich fragen würde, was er Gutes oder Böses getan hat, und dabei Gott und seinen Schutzengel um Erleuchtung bäte, der würde sich eine große Kraft zu seiner Vervollkommnung erwerben, denn, glaubt es mir, Gott wird ihm beistehen. Stellt euch daher bestimmte Fragen über das, was ihr getan und zu welchem Zweck ihr bei der und der Gelegenheit so und so gehandelt habt, ob ihr etwas getan habt, das ihr, wenn ein anderer es täte, tadeln würdet, ob ihr etwas getan habt, das ihr nicht eingestehen dürftet. Fragt euch auch noch das: Wenn es Gott gefiele, euch in diesem Augenblick abzurufen, hätte ich dann bei meiner Rückkehr in die Welt der Geister, wo nichts verborgen bleibt, jemandes Anblick zu scheuen? Prüft, was ihr gegenüber Gott, dann gegenüber eueren Nächsten, endlich gegenüber euch selbst möget getan haben. Die Antworten werden ein Ruhepunkt für euer Gewissen sein oder eine Hinweisung auf ein Übel, das ihr zu heilen habt.
Die Selbsterkenntnis ist also der Schlüssel zur Selbsterhöhung und Selbstbesserung. Aber, werdet ihr fragen, wie sich selbst richten? Täuscht einen nicht die Eigenliebe, welche unsere Fehler verkleinert und sie vor uns entschuldigt? Der Geizige hält sich einfach nur für haushälterisch und vorsichtig, der Hochmütige meint nur, Würde zu besitzen. Das ist alles nur zu wahr, aber ihr habt ein Mittel zur Gegenprobe, das nicht trügt. Wenn ihr über den Wert einer eurer Handlungen unentschieden seid, so fragt euch, wie ihr sie beurteilen würdet, wenn ein anderer sie täte. Tadelt ihr sie an einem anderen, so kann sie als die eurige nicht besser sein, denn Gott hat nur ein Maß für die Gerechtigkeit. Sucht auch zu vernehmen, was andere davon denken, und vernachlässigt nicht die Meinung eurer Feinde, denn diese haben keinerlei Grund, die Wahrheit schön zu färben und oft stellt Gott sie an eure Seite euch zum Spiegel, um euch mit mehr Freimut zu warnen, als ein Freund es täte. Möge also der, dem es ernst ist mit dem Willen sich zu bessern, sein eigenes Selbst erforschen, um daraus die bösen Neigungen auszurotten, wie er das Unkraut aus seinem Garten ausrottet. Er ziehe die Bilanz seines moralischen Tagewerkes, wie der Kaufmann die seines Verlustes und Gewinnes und ich sage euch, die eine wird ihm mehr eintragen, als die andere. Kann er sich sagen, dass sein Tagewerk gut war, so kann er in Frieden schlafen und furchtlos sein Erwachen in einem andern Leben erwarten.
Stellt euch also deutliche und bestimmte Fragen und fürchtet euch nicht, sie zu vermehren: Man darf schon einige Minuten daran wenden, ein ewiges Glück sich zu erwerben. Arbeitet ihr nicht alle Tage, um euch so viel zu sammeln, dass ihr eure alten Tage in Ruhe hinbringen könnt? Ist jene Ruhe nicht das Ziel aller eurer Wünsche, das euch zeitweilige Mühe und Entbehrung ertragen lässt? Nun denn, was ist jene Ruhe von einigen Tagen, noch dazu getrübt von der Gebrechlichkeit des Leibes, gegenüber derjenigen, die den guten Menschen erwartet? Lohnt es sich etwa nicht dafür einige Anstrengungen zu machen? Ich weiß, dass viele sagen, die Gegenwart sei sicher und die Zukunft unsicher. Das ist nun aber gerade der Gedanke, den wir in euch auszurotten beauftragt sind; denn wir wollen euch jene Zukunft in einer Weise erkennen lassen, dass sie keinen Zweifel mehr in eurer Seele aufkommen lässt. Darum erregten wir zuerst eure Aufmerksamkeit durch Erscheinungen, die eure Sinne befremden mussten und nun geben wir euch Belehrungen, die jeder von euch zu verbreiten verpflichtet ist. Zu diesem Zweck diktierten wir das Buch der Geister.“
hl. Augustinus
Viele von uns begangene Fehler werden von uns nicht bemerkt. Wenn wir wirklich öfter unser Gewissen befragten, so würden wir sehen, wie oft wir fehlten, ohne nur daran zu denken, weil wir es versäumten, Natur und Beweggrund unseres Tuns zu erforschen. Die Frageform hat etwas viel Bestimmteres als ein allgemeiner Grundsatz, den man oft nicht auf sich anwendet. Sie verlangt bestimmte Antworten, mit Ja oder Nein, die kein entweder oder übrig lassen: Es sind ebenso viele von uns selbst hergenommene Beweise, und nach der Summe der Antworten kann man die Summe des Guten und Bösen schätzen, die in uns ist.
Viertes Buch – Hoffnungen und Tröstungen
KAPITEL I – Irdische Leiden und Freuden
Relatives Glück und Unglück
„Nein, denn das Leben wurde ihm gegeben als Prüfung oder zur Sühne. Es hängt aber von ihm ab, seine Leiden zu mildern und so glücklich zu werden wie man überhaupt auf der Erde sein kann.“
„Der Mensch ist meistens der Schmied seines eigenen Unglücks. Tut er Gottes Willen, so erspart er sich sehr viele Übel und schafft sich eine so große Glückseligkeit, als sein grobes Dasein verträgt.“
Der von seiner künftigen Bestimmung ganz durchdrungene Mensch sieht in seinem leiblichen Leben nur einen kurzen Aufenthalt, einen zeitweilige Halt in einem schlechten Gasthof. Er tröstet sich leicht über einige vorübergehende Unannehmlichkeiten auf einer Reise, die ihn in eine umso bessere Lage bringen soll, je besser er sich vorher darauf vorbereitete.
Wir sind von Anbeginn dieses Lebens für unsere Übertretung der Gesetze des leiblichen Daseins durch die Übel gestraft, welche die Folge jener Übertretung und unserer eigenen Ausschreitungen sind. Steigen wir Schritt für Schritt zum Ursprung dessen, was wir unser irdisches Unglück nennen hinauf, so werden wir es meistens als die Folge eines ersten Abweichens vom rechten Weg erkennen. Durch diese Abweichung gelangten wir in eine falsche Bahn, die uns folgerichtig von einem Missgeschick ins andere führt.
„Für das materielle Leben ist es der Besitz des Notwendigen, für das moralische Leben ein gutes Gewissen und Glauben an die Zukunft.“
„Ja, nach euren stofflichen Ansichten, euren Vorurteilen, eurem Ehrgeiz und allen euren lächerlichen Verschrobenheiten, mit denen die Zukunft aufräumen wird, wenn ihr die Wahrheit erkennen werdet. Gewiss hält sich der, welcher fünfzigtausend Pfund Rente hatte und sich jetzt mit zehntausend begnügen muss, für sehr unglücklich, weil er nicht mehr eine so große Rolle spielen kann, seinen sogenannten Rang in der Gesellschaften behaupten, sich Pferde, Diener halten und alle seine Leidenschaften befriedigen kann usw. Er glaubt am Notwendigen Mangel zu leiden; aber hältst du ihn offengestanden wirklich für so beklagenswert, wenn neben ihm Menschen vor Kälte und Hunger sterben und nichts haben, wo sie ihr Haupt hinlegen können? Der Weise blickt, um glücklich zu sein unter sich, niemals über sich, es sei denn, um seine Seele zum Unendlichen zu erheben. (715.)
„Er muss in einem solchem Fall entsagen und seine Leiden tragen ohne Murren, wenn er fortschreiten will. Er schöpft aber immer einen Trost in seinem Gewissen, das ihm Hoffnung auf eine bessere Zukunft gibt, wenn er so lebt, wie es zu deren Erlangung nötig ist.“
„Das ist eine Gunst in den Augen derer, die nur die Gegenwart sehen. Aber wisse, das Glück ist oft eine gefährlichere Prüfung als das Elend.“ (814 ff.)
„Die Übel dieser Welt stehen im Verhältnis zu den künstlichen Bedürfnissen, die ihr euch selbst schafft. Wer seine Wünsche zu beschränken weiß und neidlos sieht, was über ihm steht, erspart sich manche Verrechnung in diesem Leben. Der Reichste ist der, welcher am wenigsten Bedürfnisse hat. Ihr beneidet die Genüsse derer, die euch als die Glücklichsten dieser Welt erscheinen. Wisst ihr aber auch, was ihnen noch vorbehalten ist? Genießen sie nur für sich selbst, so sind sie Egoisten und dann kommt die Kehrseite. Beklagt sie lieber. Gott lässt es zuweilen zu, dass der Böse gedeiht, aber sein Glück ist nicht zu beneiden, denn er wird es mit bitteren Tränen bezahlen. Wenn der Gerechte unglücklich ist, so ist dies eine Prüfung, die ihm, wenn er sie mutig erträgt, gutgeschrieben wird. Denkt an Jesu Worte: Selig die da wehklagen, denn sie werden getröstet werden.“
„Der Mensch ist nur dann wahrhaft unglücklich, wenn er an dem, was zum Leben oder zur Gesundheit des Leibes notwendig ist, Mangel leidet. Diese Entbehrung ist vielleicht sein eigener Fehler, dann hat er es sich selbst zu zuschreiben. Ist sie hingegen der Fehler anderer, so fällt die Verantwortlichkeit dafür auf ihren Urheber.“
„Allerdings, und oft sind es die Eltern, die aus Hochmut oder aus Geiz ihre Kinder die ihnen von der Natur gewiesene Bahn zu verlassen nötigen und dadurch deren Glück schädigen. Sie werden sich dafür zu verantworten haben.“
928a. Ihr würdet es also passend finden, wenn der Sohn eines hochgestellten Mannes z.B. Holzschuhe anfertigte, wenn er Anlagen zu diesem Handwerk zeigte?
„Verfallt nicht in Abgeschmacktheiten und Übertreibungen. Warum sollte der Sohn eines hochgestellten Mannes Holzschuhe anfertigen, wenn er etwas anderes tun kann? Er wird sich immer nach Maßgabe seiner Fähigkeiten nützlich machen können, wenn sie nicht widersinnig angewendet werden. So könnte er z.B. gar wohl statt eines schlechten Advokaten ein guter Mechaniker werden usw.“
Die Versetzung von Menschen in eine Richtung, die nicht ihren intellektuellen Fähigkeiten entspricht, ist gewiss eine der gewöhnlichsten Ursachen von Enttäuschung. Die Untauglichkeit zur einmal gewählten Laufbahn bildet eine unversiegliche Quelle von Niederlagen.
Dann kommt noch die Eigenliebe und verhindert den Gefallenen in einem bescheideneren Beruf ein besseres Auskommen zu suchen und zeigt ihm den Selbstmord als das letzte Heilmittel, um dem zu entgehen, was er eine Demütigung nennt. Hätte ihn eine moralische Erziehung über die dummen Vorurteile des Hochmuts erhoben, so wäre er vorbereitet gewesen.
„Man soll nie mit dem Gedanken umgehen, sich selbst verhungern zu lassen. Man würde immer imstande sein, sich zu ernähren, wenn der Hochmut sich nicht zwischen das Bedürfnis und die Arbeit stellte. Man hört oft sagen: Kein Handwerk bringt Unehre; man sagt es aber wohl anderen gegenüber, nicht zu sich selbst.“
„In einer nach Christi Gesetz organisierten Gesellschaft darf niemand Hungers sterben.“
Bei einer weisen und auf alles Rücksicht nehmenden gesellschaftlichen Organisation kann der Mensch nur durch eigenen Fehler am Notwendigen Mangel leiden. Aber selbst seine Fehler sind oft das Ergebnis seiner Umgebung. Wenn einmal der Mensch das Gesetz Gottes erfüllt, wird er auch eine, auf Gerechtigkeit und wechselseitige Verpflichtung gegründete soziale Ordnung haben und er selbst wird besser geworden sein. (793.)
„Keine ist ganz glücklich und was man für Glück hält, birgt oft die bittersten Schmerzen in sich: Leiden findet sich überall. Um jedoch deinen Gedanken zu beantworten, will ich dir sagen, dass die Klassen, die du die Leidenden nennst, deswegen die Zahlreicheren sind, weil die Erde ein Ort der Sühne ist. Wenn der Mensch aus ihr eine Wohnung des Guten und der guten Geister gemacht haben wird, dann wird er hier nicht mehr unglücklich und die Erde wird für ihn das irdische Paradies sein.“
„Wegen der Schwäche der Guten: Die Bösen sind ränkevoll und kühn, die Guten schüchtern. Wenn diese es wollten, würden sie die Oberhand gewinnen.“
„Nur noch mehr, denn die materiellen Leiden sind zuweilen vom Willen unabhängig. Aber verletzter Stolz, enttäuschter Ehrgeiz, die Angst des Geizhalses, Neid, Eifersucht, kurz alle Leidenschaften sind Qualen der Seele selbst.
Neid und Eifersucht! Glücklich derjenige, welcher diese beiden nagenden Würmer nicht kennt! Für den Neidischen und Eifersüchtigen gibt es keinen Frieden, keine denkbare Ruhe. Die Gegenstände seiner Begehrlichkeit, seines Hasses, seines Ärgers, erheben sich vor ihm gleich Gespenster, die ihn ohne Rast und Ruhe bis in seine Träume verfolgen. Er befindet sich in einem beständigen Fieber. Ist das nun etwa ein wünschenswerter Zustand und seht ihr nicht ein, dass sich der Mensch mit seinen Leidenschaften freiwillig die größten Strafen auferlegt und die Erde eine wahre Hölle für ihn wird?“
Mehrere Ausdrücke bezeichnen die Wirkungen gewisser Leiden – schaften mit lebhaften Farben. Man sagt: Vor Hochmut aufgeblasen sein, vor Neid bersten, vor Eifersucht oder Ärger platzen, Hunger und Durst darüber verlieren usw. Die Bilder sind nur zu wahr. Zuweilen hat die Eifersucht nicht einmal einen bestimmten Gegenstand. Es gibt Leute, die von Natur auf alles eifersüchtig sind, was sich über das Gemeine emporhebt, selbst wenn sie daran gar kein unmittelbares Interesse haben, sondern einzig und allein weil sie sich nicht selbst so hoch erheben können. Alles was sich über ihren Horizont erhebt, verdrießt sie, und hätten sie in der Gesellschaft die Mehrheit, würden sie alles versuchen zu sich herunterzuziehen. Das ist die, mit der Mittelmäßigkeit verbundene Eifersucht. Der Mensch ist oft nur wegen der Wichtigkeit unglücklich, die er den Dingen dieser Welt beilegt. Getäuschte Eitelkeit, Ehrgeiz, Begehrlichkeit machen sein Unglück. Erhebt er sich dagegen über den engen Kreis des stofflichen Lebens, richtet er seine Gedanken auf das Unendliche, das seine Bestimmung ist, dann erscheinen ihm die Widrigkeiten des Leben als kleinlich und kindisch, wie die Kümmernisse des Kindes, welches sich über den Verlust eines Spielzeuges nicht trösten kann, das sein höchstes Glück für dasselbe gewesen ist.
Wer das Glück nur in der Befriedigung seines Hochmuts und seiner groben Begierden erblickt, ist unglücklich, wenn er zu jener nicht gelangt, während dagegen der, welcher vom Überfluss nichts verlangt, mit dem glücklich und zufrieden ist, was andere als Entbehrungen betrachten.
Wir sprechen vom zivilisierten Menschen; denn der Wilde hat beschränktere Bedürfnisse und kennt nicht dieselben Gegenstände der Begehrlichkeit und der Ängste. Seine Anschauungsweise ist eine ganz andere. Im zivilisierten Zustand denkt der Mensch über sein Unglück nach und zergliedert es; darum wirkt es stärker auf ihn ein; er kann aber auch über die Trostmittel nachdenken und sie sich einzeln zu Gemüte führen. Diesen Trost zieht er aus dem christlichen Gefühl, das ihm Hoffnung auf eine bessere Zukunft und aus dem Spiritismus, der ihm die Gewissheit dieser Zukunft verbürgt.
Verlust geliebter Personen
„Diese Ursache des Schmerzes trifft den Reichen wie den Armen: Es ist eine Prüfung oder eine Sühne und unser gemeinsames Los. Es gewährt euch aber Trost mit euren Freunden durch die Mittel, die ihr besitzt, in Verbindung treten zu können, bis ihr andere unmittelbarere und euren Sinnen zugänglichere empfangen werdet.“
„Es kann hier keine Entheiligung stattfinden, wenn die gehörige Sammlung und Andacht vorhanden ist und wenn die Anrufung in achtungsvoller und schicklicher Weise geschieht; Beweis davon ist, dass die euch liebenden Geister mit Freuden kommen: Sie fühlen sich glücklich durch euer Andenken und in der Unterhaltung mit euch. Eine Entheiligung wäre es, hier leichtsinnig zu verfahren.“
Die Möglichkeit mit den Geistern in Verbindung zu treten ist ein herrlicher Trost, indem sie uns das Mittel verschafft, uns mit unseren Verwandten und Freunden zu unterhalten, die vor uns die Erde verließen. Durch die Anrufung ziehen wir sie näher zu uns, sie befinden sich an unserer Seite, hören uns und antworten uns: Es ist sozusagen keine Scheidewand mehr zwischen ihnen und uns. Sie unterstützen uns mit ihrem Rat, sie bezeugen uns ihre Liebe und ihre Freude, dass wir uns ihrer erinnern. Und für uns ist es eine Befriedigung, sie glücklich zu wissen, von ihnen selbst die Einzelheiten ihrer neuen Existenz zu erfahren und uns die Gewissheit zu verschaffen, uns einst, wenn die Reihe an uns kommt, wieder mit ihnen zu vereinigen.
„Der Geist ist dankbar für das Andenken und die Klagen derer, die er liebte, aber ein nicht enden wollender und vernunftwidriger Schmerz berührt ihn peinlich, weil er in diesem übermäßigen Schmerz einen Mangel an Glauben an die Zukunft und an Gottvertrauen, folglich auch ein Hindernis des Fortschreitens und vielleicht der Wiedervereinigung erblickt.“
Da der Mensch als Geist glücklicher ist, denn auf Erden, so ist unser Bedauern, dass er nicht mehr am Leben ist, eigentlich ein Bedauern, dass er glücklich ist. Zwei Freunde sitzten in demselben Gemach gefangen, beide sollen eines Tages ihre Freiheit wieder erlangen, aber der eine erhält sie früher als der andere. Wäre es liebevoll von dem, der noch bleiben muss, darüber verdrießlich zu sein, dass sein Freund vor ihm in Freiheit gesetzt wurde? Wäre es nicht eher Egoismus, als Liebe von seiner Seite, wenn er wünschte, dass jener Gefangenschaft und Leiden ebenso lange aushalte wie er? Ebenso ist es mit zwei Wesen, die sich auf der Erde lieben: Wer zuerst geht, ist der zuerst in Freiheit gesetzte und wir sollen ihn dazu beglückwünschen, indem wir geduldig des Augenblicks harren, bis auch wir an die Reihe kommen. Wir machen noch einen anderenVergleich. Ihr habt einen Freund, der bei euch sich in einer sehr peinlichen Lage befindet. Seine Gesundheit oder seine Verhältnisse erheischen, dass er in ein anderes Land zieht, wo er sich in jeder Beziehung besser befinden wird. Er wird nun für den Augenblick nicht mehr in eurer Nähe sein, aber ihr werdet stets mit ihm in Korrespondenz bleiben. Die Trennung wird nur eine stoffliche sein. Wird euch nun seine Entfernung verdrießen, da sie ja zu seinem Wohle dient?
Die spiritistische Lehre gibt uns einen hohen Trost in unserem berechtigten Schmerz, indem sie uns augenscheinliche Beweise vom zukünftigen Leben, von der Gegenwart der einst von uns Geliebten um uns her, von ihrer fortdauernden Liebe und Sorge für uns gibt und uns in den Zustand setzt, mit ihnen Beziehungen zu unterhalten. Beim Spiritismus gibt es keine Einsamkeit, keine Verlassenheit mehr. Auch der einsamste Mensch hat stets Freunde um sich, mit denen er verkehren kann.
Wir ertragen ungeduldig die Trübsale des Lebens, sie scheinen uns so unerträglich, dass wir nicht begreifen, wie wir sie aushalten können. Und dennoch werden wir, wenn wir sie mutig ertragen, wenn wir unser Murren zum Schweigen zu bringen wissen, uns, einmal aus diesem irdischen Gefängnis befreit, dazu Glück wün – schen, wie der Kranke sich bei seiner Heilung beglückwünscht, wenn er sich in eine schmerzhafte Kur begeben hatte.
Enttäuschungen. Undank.
„Ja, aber wir lehren euch die undankbaren und die untreuen Freunde beklagen: Sie werden unglücklicher sein als ihr. Die Undankbarkeit ist die Tochter des Egoismus und der Egoist wird später ebenso harte Herzen finden, wie er selbst eins war. Denkt an alle die, welche mehr Gutes taten als ihr, die mehr wert waren als ihr und denen mit Undank gelohnt wurde. Bedenkt, dass Jesus selbst zu seinen Lebzeiten geschmäht und verachtet, als Betrüger und Schurke behandelt worden war und wundert euch nicht, wenn es euch auch so ergeht. Das Gute, das ihr getan habt, sei euer Lohn in dieser Welt und achtet nicht auf das, was die, welche es empfingen, dazu sagen. Der Undank ist eine Prüfung für eure Beständigkeit im Gutes tun, er wird euch in Rechnung gebracht werden und die, welche euch verkannten, werden um so stärker bestraft werden, je größer ihr Undank gewesen war.“
„Das wäre Unrecht; denn der Mensch, der ein Herz hat, wie du sagst, wird immer vom Guten, das er stiftet, beglückt. Er weiß, dass, wenn man sich in diesem Leben nicht daran erinnert, man sich in einem anderen daran erinnern wird und dass der Undankbare Scham und Reue darüber empfinden wird.“
938a. Dieser Gedanke hindert nicht, dass er in seinem tiefsten Herzen sich gekränkt fühlt und muss dies nicht endlich in ihm den Gedanken erwecken, er wäre glücklicher, wenn er weniger gefühlvoll wäre?
„Ja, wenn er das Glück des Egoisten vorzieht, ein trauriges Glück ist das! So wisse er denn, dass die undankbaren Freunde, die ihn verlassen haben, seiner Freundschaft nicht würdig sind, dass er sich in ihnen täuschte. Von nun an soll er sie nicht mehr vermissen. Später wird er welche finden, die ihn besser verstehen werden. Beklagt die, welche sich so gegen euch benehmen, wie ihr es nicht verdient habt, denn es wird für sie eine traurige Vergeltung kommen; aber betrübt euch darüber nicht, das ist das Mittel, euch über sie zu erheben.“
Die Natur gab dem Menschen das Bedürfnis zu lieben und geliebt zu werden. Eine der größten ihm auf Erden gestatteten Freuden ist für ihn gleichgestimmte Herzen zu finden. Diese schenkt ihm so die ersten Eindrücke der Seligkeit, die seiner in der Welt der vollendeten Geister wartet, wo alles Liebe und Wohlwollen ist: Es ist dies eine Freude, die dem Egoisten versagt bleibt.
Antipathische Verbindungen
„Du siehst also nicht, dass dies eine Strafe ist, die aber vorübergeht. Sodann, wieviele gibt es, die sterblich verliebt zu sein meinen, weil sie nur nach dem Schein urteilen, und wenn sie dann mit den Personen zusammenleben müssen, bald genug einsehen, dass es nur ein Sinnenrausch gewesen war. Es genügt nicht, in eine Person, die euch gefällt und der ihr schöne Eigenschaften andichtet, verliebt zu sein. Erst wenn ihr wirklich mit ihr lebt, werdet ihr sie richtig beurteilen. Wieviele solcher Verbindungen gibt es nicht auch, die im Anfang nie sympathisch zu sein scheinen können und dann, wenn man sich gegenseitig gut kennen und verstehen gelernt hat, mit einer zärtlichen und dauernden Liebe schließen, die auf gegenseitiger Achtung beruht! Man darf nicht vergessen, dass der Geist und nicht der Leib liebt und dass, wenn die sinnliche Illusion vergeht, der Geist die Wirklichkeit erkennt.
Es gibt zwei Arten von Zuneigungen, die der Seele und die des Leibes und oft nimmt man die eine für die andere. Die Zuneigung der Seele, wenn sie rein und sympathisch ist, ist dauerhaft. Die des Leibes ist vergänglich. Daher kommt es, dass oft die, welche sich mit einer ewigen Liebe zu lieben wähnten, sich hassen, wenn der Wahn schwindet.“
„Sehr bitter in der Tat; aber es ist ein Unglück, wovon ihr selbst oft die erste Ursache seid. Zunächst haben hier eure Gesetze Unrecht, denn meinst du, Gott verpflichte dich bei solchen zu bleiben, die dir missfallen? Und dann sucht ihr bei diesen Verbindungen oft mehr die Befriedigung eures Hochmuts und Ehrgeizes, als das Glück einer gegenseitigen Zuneigung; ihr erleidet dann die Folgen eurer Vorurteile.“
940a. Gibt es aber in diesem Fall nicht fast immer ein unschuldiges Opfer?
„Ja, und dann ist es für dasselbe eine strenge Sühne; aber die Verantwortlichkeit für sein Unglück wird auf die zurückfallen, die es verursachten. Wenn das Licht der Wahrheit seine Seele durchdringt, wird es im Glauben an die Zukunft seinen Trost finden. Übrigens werden die Ursachen solchen Unglücks in dem Maße verschwinden, als die Vorurteile verschwinden.“
Todesfurcht
„Mit Unrecht fürchten sie sich? Aber was willst du? In ihrer Jugend sucht man sie glauben zu machen, dass es eine Hölle und ein Paradies gibt, dass es aber wahrscheinlicher sei, dass sie in die Hölle kommen, weil man ihnen sagt, dass das, was in der Natur liegt, für die Seele eine Todsünde sei: Wenn sie dann erwachsen sind, können sie, wenn sie ein wenig Urteilskraft haben, dies nicht akzeptieren und sie werden Atheisten oder Materialisten. So macht man sie schließlich glauben, dass es außer diesem gegenwärtigen Leben nichts mehr gibt. Diejenigen hingegen, welche in dem Glauben ihrer Kindheit beharren, fürchten sich vor dem ewigen Feuer, welches sie verbrennen soll, ohne sie zu vernichten.
Der Tod flößt dem Gerechten gar keine Furcht ein, weil er in seinem Glauben die Gewissheit der Zukunft besitzt, weil die Hoffnung ihn ein besseres Leben erwarten lässt und die Liebe, deren Gebote er erfüllte, ihm die Versicherung gibt, dass er in der Welt, in die er eingehen soll, keinem Wesen begegnen werde, dessen Blick er zu fürchten hätte.“ (730.)
Der fleischliche Mensch, der sich mehr dem leiblichen als dem geistigen Leben hingibt, hat auf Erden leibliche Freuden und Leiden und sein Glück besteht in der flüchtigen Befriedigung aller seiner Wünsche. Seine beständig von den Wechselfällen des Lebens voreingenommene und bewegte Seele ist in einer fortwährenden Beängstigung und Pein. Der Tod schreckt ihn, weil er an seiner Zukunft zweifelt und alle seine Zuneigungen und Hoffnungen auf der Erde zurücklässt.
Der moralische Mensch, der sich über die künstlichen, durch Leidenschaften erzeugten Bedürfnisse erhebt, hat schon hier auf Erden Freuden, die der materiell gesinnte Mensch nicht kennt. Die Zügelung seiner Begierden gibt seinem Geist Ruhe und Heiterkeit. Glücklich durch das Gute, das er tut, unterliegt er keinen Täuschungen und die Widerwärtigkeiten gleiten an seiner Seele ab, ohne schmerzhafte Eindrücke zu hinterlassen.
Werden sie nicht sagen, dass das ganze Geheimnis glücklich zu sein schließlich darin besteht, sein Unglück zu ertragen zu wissen?
Es gibt solche, die so sprechen und zwar viele. Aber es ist mit ihnen wie mit gewissen Kranken, denen der Arzt eine Diät verschreibt: Sie möchten aber lieber ohne Arznei geheilt werden und fortfahren dürfen, Unverdaulichkeiten einzunehmen“
Lebensüberdruß. Selbstmord.
,,Eine Folge des Müßiggangs, des Mangels an Glauben und oft der Sättigung. Für den, der seine Fähigkeiten zu einem nützlichen Zweck und seinen natürlichen Anlagen gemäß ausübt, hat die Arbeit nichts Herbes und sein Leben verläuft rascher: Er erträgt dessen Wechselfälle mit um so größerer Geduld und Ergebung, als er im Hinblick auf ein ihn erwartendes sichereres und dauerhafteres Glück handelt.“
„Nein, Gott allein hat dieses Recht. Der freiwillige Selbstmord ist eine Übertretung desselben.“
944a. Ist der Selbstmord nicht immer freiwillig?
„Der sich tötende Wahnsinnige weiß nicht, was er tut.“
945. Was ist vom Selbstmord zu halten, welcher Lebensüberdruss zur Ursache hat?
„Die Unsinnigen! Warum arbeiten sie nicht? Das Dasein wäre ihnen dann nicht lästig gefallen!“
„Arme Geister, die nicht den Mut haben, das Elend des Daseins zu ertragen! Gott hilft denen, die da leiden und nicht denen, welche weder Kraft noch Mut besitzen. Die Trübsale des Lebens sind Prüfungen oder eine Sühne. Glückselig die, welche sie ohne Murren ertragen. Sie werden dafür belohnt werden. Wehe dagegen denjenigen, die ihr Heil von dem erwarten, was sie in ihrer Gottlosigkeit Zufall oder Glück nennen. Zufall oder Glück, um mich ihrer Redeweise zu bedienen, können sie in der Tat einen Augenblick begünstigen, jedoch nur, um sie später die Nichtigkeit dieser Worte umso härter empfinden zu lassen.“
946a. Werden diejenigen, die den Unglücklichen zu dieser Unglückstat veranlassten, die Folgen davon zu tragen haben?
„Oh, wehe ihnen! Denn sie werden sich dafür, wie für einen Mord zu verantworten haben.“
„Auch das ist ein Selbstmord, aber die, welche die Ursache davon sind oder die ihn hätten verhindern können, sind strafbarer als er selbst, und seiner harret die Verzeihung. Glaubt jedoch nicht, dass er ganz freigesprochen werde, wenn er es an Festigkeit und Beharrlichkeit hatte fehlen lassen und wenn er nicht seinen ganzen Verstand zusammennahm, sich aus seiner schlimmen Lage zu retten. Wehe ihm, namentlich wenn seine Verzweiflung aus Hochmut entspringt. Ich rede hier von jenen Menschen, in denen der Hochmut die Hilfsmittel der Intelligenz abschwächt, welche erröten würden ihr Leben durch ihrer Hände Arbeit zu fristen und welche lieber Hungers sterben, als das, was sie soziale Stellung nennen, aufgeben. Liegt nicht eine viel größere Würde und Größe darin, mit den Widerwärtigkeiten zu ringen, das Urteil einer nichtswürdigen und egoistischen Welt herauszufordern, die nur gegen die, denen es an nichts mangelt, guten Willen zeigt und die euch den Rücken kehrt, sobald ihr ihrer bedürft? Sein Leben der Achtung dieser Welt zu opfern ist eine Dummheit, denn sie kümmert sich nicht darum.“
„Der Selbstmord macht den Fehler nicht wieder gut, im Gegenteil, es sind dann ihrer zwei, statt einem. Hatte man den Mut das Böse zu tun, so soll man ihn auch haben, die Folgen zu tragen. Gott richtet und kann je nach der Lage zuweilen seine Strenge mildern.“
„Wer so handelt, tut nicht wohl, aber er meint es und Gott trägt ihm dafür Rechnung, denn es ist eine sich selbst auferlegte Sühne. Er mildert seinen Fehler durch seine Absicht, aber er begeht nichtsdestoweniger einen Fehler. Schafft übrigens nur die Missbräuche eurer Gesellschaft und eure Vorurteile aus der Welt und ihr werdet keine Selbstmörder mehr haben.“
Wer sich das Leben nimmt, um der Schande einer Missetat zu entgehen, beweist, dass ihm mehr an der Achtung der Menschen, als an Gott gelegen ist; denn er steht im Begriff, in das Geisterleben zurückzukehren, beladen mit seiner Schuld und hat sich der Mittel beraubt, sie bei Lebzeiten wieder gut zu machen. Gott ist oft weniger unerbittlich als die Menschen. Er verzeiht der aufrichtigen Reue und trägt der Genugtuung Rechnung: Der Selbstmord aber macht nichts wieder gut.
„Wieder eine andere Torheit! Er tue Gutes und er wird sicherer sein dahin zu gelangen. Denn er verzögert damit seine Rückkehr in eine bessere Welt und er selbst wird dann verlangen, dieses Leben, das er wegen einer falschen Vorstellung zerschnitten hat, zu Ende zu führen. Ein Fehler, welcher auch immer, öffnet nie das Heiligtum der Auserwählten.“
„Das ist erhaben, je nach der Absicht, und das Opfer des Lebens ist dann kein Selbstmord. Gott aber widerstrebt ein unnötiges Opfer und er sieht es nicht mit Wohlgefallen an, wenn es vom Hochmut getrübt wird. Ein Opfer ist durch seine Selbstlosigkeit verdienstlich und der es vollbringt, hat zuweilen einen Hintergedanken, der dessen Wert in den Augen Gottes vermindert.“
Jedes, auf Kosten des eigenen Glücks gebrachte Opfer ist eine höchst verdienstliche Tat in den Augen Gottes, denn es ist eine Erfüllung des Gesetzes der Liebe. Da nun das Leben dasjenige irdische Gut ist, das für den Menschen den höchsten Wert hat, so begeht der, welcher auf dasselbe zum Wohl seiner Mitmenschen verzichtet, keinen Frevel, sondern er bringt ein Opfer dar. Bevor er es aber bringt, soll er sich besinnen, ob sein Leben nicht mehr nützen könnte, als sein Tod.
„Das ist moralischer Selbstmord. Seht ihr nicht ein, dass der Mensch hier doppelt strafbar ist? Hier findet sich Gottvergessenheit, Verrohrung, Mangel an Mut.“
952a. Ist er weniger oder mehr strafbar, als der, welcher, sich aus Verzweiflung umbringt?
„Er ist strafbarer, weil er Zeit hat, seinen Selbstmord zu überlegen. Bei dem, der ihn augenblicklich vollbringt, ist es zuweilen eine Art von an Wahnsinn grenzender Verwirrung. Der andere wird viel strenger bestraft werden, denn die Strafen stehen stets im Verhältnis zum Bewusstsein, das man von den begangenen Fehlern hat.“
„Man ist immer strafbar, das von Gott gesetzte Ende nicht abzuwarten. Ist man übrigens ganz sicher, dass dieses Ende dem Anschein zu Trotz gekommen sei und kann man nicht im letzten Augenblick eine unverhoffte Hilfe erhalten?“
953a. Man begreift, dass unter gewöhnlichen Umständen der Selbstmord zu tadeln ist, aber gesetzt nun dem Fall, der Tod sei unvermeidlich und das Leben würde nur um wenige Augenblicke abgekürzt?
„Es ist immer ein Mangel an Ergebung und Unterwerfung unter den Willen des Schöpfers.“
953b. Was sind dann in diesem Fall die Folgen dieser Handlung?
„Eine zur Schwere des Fehlers im Verhältnis stehende Sühne, wie stets je nach den Umständen.“
„Schuld ist nicht vorhanden, wo keine Absicht oder kein bestimmtes Bewusstsein etwas Unheilvolles zu tun stattfindet.“
„Sie gehorchen einem Vorurteil und oft mehr der Gewalt, als ihrem Willen. Sie meinen eine Pflicht zu erfüllen und das hat nicht den Charakter eines Selbstmordes. Ihre Entschuldigung liegt in der moralischen Nichtigkeit der meisten von ihnen und in ihrer Unwissenheit. Diese barbarischen und törichten Gebräuche verschwinden mit der Zivilisation.“
„Der Erfolg ist für sie ein ganz anderer, als sie erwarten und statt mit dem Gegenstand ihrer Liebe vereint zu werden, entfernen sie sich auf längere Zeit von dem selben. Denn Gott kann keine Tat der Feigheit belohnen, ebenso wenig als die ihm, durch den Zweifel an seiner Vorsehung angetane Beleidigung. Sie werden diesen Augenblick der Torheit mit größerem Kummer bezahlen, als den sie abzukürzen meinen und werden die Befriedigung, die sie erhofften, nicht als Ersatz erhalten.“ (934 ff.)
„Die Folgen des Selbstmordes sind sehr verschieden: Es gibt keine festgesetzten Strafen dafür und jedenfalls richten sie sich stets nach den Gründen, die ihn herbeiführten. Eine unvermeidliche Folge ist aber die Enttäuschung. Übrigens ist das Schicksal nicht für alle dasselbe: Es hängt von den Umständen ab, einige sühnen ihre Fehler unmittelbar, andere in einem neuen Dasein, das schlimmer sein wird, als das, dessen Lauf sie unterbrochen haben.“
Die Beobachtung zeigt in der Tat, dass die Folgen des Selbstmordes nicht immer die gleichen sind. Aber es gibt welche, die allen Fällen gewaltsamen Todes gemeinsam und die Folge der plötzlichen Unterbrechung des Lebens sind. So zunächst der längere und zähere Fortbestand des den Geist mit dem Leib einigenden Bandes, da dieses fast immer im Augenblick, wo es gesprengt wird, noch in seiner ganzen Kraft besteht, während es beim natürlichen Tod allmählich schwächer wird, und oft schon, bevor das Leben ganz erlischt, gelöst ist. Die Folgen dieses Zustandes sind die Verlängerung der geistigen Verwirrung, sodann auch der Täuschung, welche den Geist kürzere oder längere Zeit glauben lässt, dass er sich noch unter der Zahl der Lebenden befindet. (155., 165.)
Die fortbestehende Verwandtschaft zwischen Geist und Leib erzeugt bei einigen Selbstmördern eine Art von Rückschlag des Zustandes des Leibes auf den Geist, indem dieser so die Wirkungen der Zersetzung wider Willen empfindet und daher von Angst und Schauder erfüllt ist, ein Zustand, der so lange dauern kann, als das Leben des Selbstmörders ursprünglich hätte dauern sollen. Diese Wirkung ist zwar keine allgemeine, aber in keinem Fall entrinnt der Selbstmörder den Folgen seines Mangels an Mut und früher oder später sühnt er seinen Fehltritt auf die eine oder andere Weise. So sagten gewisse Geister, die auf Erden sehr unglücklich gewesen waren aus, sie hätten sich in ihrer früheren Existenz selbst getötet und sich nun freiwillig neuen Prüfungen unterzogen, um zu versuchen, sie mit mehr Ergebung zu ertragen. Bei einigen ist es eine Art von Haften am Stoff, dessen sie sich vergeblich zu entledigen suchen, um sich auf bessere Welten zu schwingen, deren Eingang ihnen aber versperrt bleibt. Bei der Mehrzahl ist es Reue über eine unnütze Tat, da sie von derselben nur Enttäuschung ernteten.
Religion, Moral, jede Philosophie verdammen den Selbstmord als dem Naturgesetz zuwider. Alle sagen uns, dass man nicht berechtigt sei, sein Leben freiwillig abzukürzen. Aber warum hat man dieses Recht nicht? Warum ist man nicht frei, seinem Leiden ein Ziel zu setzen? Es war dem Spiritismus vorbehalten, an dem Beispiel der Unterlegenen nachzuweisen, dass der Selbstmord nicht nur eine Verletzung eines moralischen Gesetzes ist, – was für gewisse Individuen von wenig Belang wäre – , sondern eine Dummheit, weil man damit nichts gewinnt, weit entfernt davon! Er gibt uns keine bloße Theorie, sondern legt uns die Tatsachen selbst vor Augen.
KAPITEL II – Zukünftige Leiden und Freuden
Das Nichts. Zukünftige Leben.
958. Warum hat der Mensch instinktmäßig einen Schauder vor dem Nichts?„Weil das Nichts nicht existiert.“
„Wir sagten es schon: Vor seiner Inkarnation kannte der Geist alle diese Dinge und die Seele bewahrt eine unbestimmte Erinnerung an das, was sie in ihrem Zustand als Geist gesehen hat.“ (393.)
Zu allen Zeiten kümmerte sich der Mensch um seine Zukunft jenseits des Grabes und das ist ganz natürlich. Welche Wichtigkeit er auch dem gegenwärtigen Leben beilegen mag, so kann er doch nicht umhin, dessen Kürze und besonders dessen Ungewissheit in Betracht zu ziehen, da es ja jeden Augenblick ihm genommen werden kann und er nie des nächsten Tages gewiss ist. Was wird nach dem verhängnisvollen Augenblick aus ihm? Die Frage ist hochwichtig, denn es handelt sich nicht um einige Jahre, sondern um die Ewigkeit. Wer lange Jahre in einem fremden Land zubringen soll, beunruhigt sich über seine dortige Lage: Wie sollten wir uns daher nicht um die bekümmern, in welche wir beim Verlassen dieser Welt kommen werden, da es für immer geschieht?
Die Idee des Nichts hat etwas die Vernunft abstoßendes. Auch der bei Lebzeiten sorgloseste Mensch fragt sich, wenn er bei seiner letzten Stunde angelangt ist, was aus ihm werden wird und unwillkürlich hofft er.
An Gott glauben, ohne ein zukünftiges Leben anzunehmen, wäre Unsinn. Das Gefühl von einem besseren Dasein lebt im Innersten aller Menschen: Gott konnte es nicht für nichts in sie legen.
Vages Bewusstsein von den zukünftigen Leiden und Freuden
„Es ist immer dasselbe: das Vorgefühl der Wirklichkeit, das dem Menschen von dem in ihn inkarnierten Geist verliehen wird; denn wisst, nicht ohne Grund und Zweck redet eine innere Stimme zu euch. Unrecht tut ihr, dass ihr nicht genug auf sie achtet. Dächtet ihr öfter und mehr daran, so würdet ihr besser werden.“
„Zweifel bei den verhärteten Zweiflern, Furcht bei den Schuldigen, Hoffnung bei den Guten.“
„Es gibt deren weniger als man denkt. Viele spielen bei Lebzeiten aus Hochmut die Freigeister, aber beim Sterben sind sie nicht mehr so prahlerisch.“
Die Folge des zukünftigen Lebens ist die Verantwortlichkeit für unsere Handlungen. Vernunft und Gerechtigkeitsgefühl sagen uns, dass bei der Verteilung des Glücks, auf das jeder Mensch Anspruch macht, die Guten und die Bösen nicht verwechselt werden können. Gott kann nicht wollen, dass die einen ohne Mühe Freuden genießen, zu welchen andere nur mit Anstrengung und Beharrlichkeit gelangen.
Die Idee, die uns Gott von seiner Gerechtigkeit und Güte durch die Weisheit seiner Gesetze gibt, gestattet uns nicht zu glauben, dass der Gerechte und der Ungerechte vor ihm auf derselben Stufe stehen, noch zu zweifeln, dass sie einst der eine seinen Lohn, der andere seine Strafe für das Gute oder Böse, das sie getan haben, empfangen werden. Darum verleiht uns unser angeborenes Gerechtigkeitsgefühl das vage Bewusstsein von den zukünftigen Strafen und Belohnungen.
Eingreifen Gottes bei den Strafen und Belohnungen
„Gott beschäftigt sich mit allen Wesen, die er geschaffen hat, so klein sie auch seien: Nichts ist seiner Güte zu gering.“
„Gott hat seine Gesetze, die alle eure Handlungen ordnen: Wenn ihr sie verletzt, so ist das euer Fehler. Gewiss, wenn ein Mensch eine Ausschreitung begeht, so erlässt Gott nicht einen Urteilsspruch gegen ihn, um z. B. zu sagen: Du warst ein Freund der guten Tafel, ich werde dich strafen; sondern er zog eine Grenze. Krankheiten und oft der Tod sind die Folgen der Ausschreitungen. Das ist die Strafe, sie ist die Folge der Gesetzesübertretung. Und so ist es mit allem.“
Alle unsere Handlungen sind Gottes Gesetzen unterstellt. Es gibt keine, so unbedeutend sie uns auch erscheinen mag, welche dieselben nicht verletzen könnte. Wenn wir nun Folgen dieser Übertretung zu tragen haben, so haben wir es nur uns selbst zuzuschreiben, die wir uns so selbst zum Schmied unseres Glücks oder Unglücks machen.
Diese Wahrheit wird durch folgende Fabel sehr anschaulich gemacht. „Ein Vater gab seinem Sohn Erziehung und Unterricht, d.h. die Mittel zu wissen, wie es sich zu verhalten habe. Er überlässt ihm nun ein Feld zur Bebauung und sagt zu ihm: Da hast du die Vorschriften, die du zu befolgen hast und da hast du auch alle nötigen Werkzeuge, um das Feld fruchtbar zu machen und dir eine Existenz zu gründen. Ich gab dir den nötigen Unterricht, so dass du diese Regel verstehen kannst. Befolgst du sie, so wird dein Feld reichlich Frucht tragen und dir Ruhe bereiten für deine alten Tage. Befolgst du sie nicht, so wird es keine Frucht bringen und du wirst Hungers sterben. Sprach’s und ließ den Sohn tun wie er es wollte.“
Wird dieses Feld nun nicht Frucht bringen nach Verhältnis der auf selbiges verwandten Mühe, und wird nicht jede Vernachlässigung die Ernte vermindern? Der Sohn wird also auf seine alten Tage entweder glücklich oder unglücklich sein, je nachdem er die vom Vater gegebenen Vorschriften befolgte oder ver – nachlässigte. Gott ist noch voraussehender: Er lässt es uns jeden Augenblick wissen, ob wir gut oder böse handeln, er sendet uns die Geister, um uns Eingebungen zu machen, aber wir hören nicht auf sie. Es besteht auch noch der Unterschied, dass Gott dem Menschen in seinen neuen Daseinsformen stets ein Hilfsmittel gibt, seine früheren Fehler wieder gut zu machen, während jener Sohn kein solches mehr besitzt, wenn er seine Zeit schlecht angewandt hatte.
Wesen der zukünftigen Strafen und Freuden
„Sie können nicht stofflich sein, weil die Seele nicht Stoff ist: Das sagt uns die gesunde Vernunft. Diese Strafen und Freuden haben nichts Fleischliches und doch sind sie tausendmal lebhafter als die irdischen, weil der Geist, wenn er einmal befreit ist, eindrucksfähiger ist: Der Stoff stumpft dessen Gefühle nicht mehr ab.“ (237. bis 257.)
,,Eine noch nicht genügend entwickelte Intelligenz. Versteht das Kind den Erwachsenen? Übrigens hängt dies auch von seinem Unterricht ab: Hier wäre eine Reform nötig. Eure Sprache ist zu unvollständig, um das, was außer euch ist, auszudrücken. Da bedurfte es dann freilich der Vergleichungen und diese Bilder und Figuren nehmt ihr dann für Wirklichkeiten. Je weiter der Mensch aber in der Erkenntnis fortschreitet, desto besser begreift sein Denken die Dinge, die seine Sprache nicht auszudrücken vermag.“
,,Alle Dinge zu erkennen, keinen Hass, noch Eifersucht, noch Neid oder Ehrgeiz, noch irgendeine der Leidenschaften zu haben, die das Unglück der Menschen bilden. Die sie einigende Liebe ist für sie die Quelle der höchsten Glückseligkeit. Sie empfinden weder die Bedürfnisse noch die Leiden und Ängste des stofflichen Lebens. Sie sind glücklich in dem Tun des Guten; übrigens steht das Glück der Geister immer im Verhältnis zu ihrer Erhöhung. Die reinen Geister genießen allerdings allein die höchste Seligkeit, aber auch alle anderen sind nicht unselig. Zwischen bösen und vollkommenen gibt es eine unendliche Zahl von Stufen, auf denen die Freuden im Verhältnis zu ihrem moralischen Zustand stehen. Die, welche genügend fortgeschritten sind, verstehen das Glück der vor ihnen am Ziel angelangten: Auch sie streben demselben zu. Dies ist für sie aber ein Gegenstand der Nacheiferung, nicht des Neides: Sie wissen, dass es an ihnen liegt, dahin zu gelangen und arbeiten auf dieses Ziel los, jedoch mit der Ruhe eines guten Gewissens und sie sind glücklich nicht das leiden zu müssen, was die bösen Geister erdulden.“
„ Ja, der Freuden des Tieres, und wenn du diese Bedürfnisse nicht befriedigen kannst, so ist dir das eine Qual. “
„Das ist eine sinnbildliche Darstellung, welche ihre Erkenntnis von der Vollkommenheit Gottes ausmalen soll, die man aber so wenig als manche andere buchstäblich zu nehmen hat. Alles in der Natur, vom Sandkorn an, besingt, d.h. verkündet Gottes Macht, Weisheit und Güte. Glaube jedoch nicht, dass die seligen Geister die ganze Ewigkeit hindurch in Beschaulichkeit aufgehen; das wäre eine einförmige und dumme Seligkeit; es wäre das Glück des Egoisten, indem ihr Dasein ein ewig nutzloses sein würde. Sie haben nicht mehr die Trübsale der leiblichen Existenz: Schon das ist ein Glück; ferner erkennen und wissen sie, wie gesagt, alle Dinge; sie gebrauchen ihre erworbene Intelligenz zur Förderung des Fortschritts der anderen Geister: Das ist ihre Beschäftigung und zugleich ihr Genuss.“
„Sie sind so mannigfach wie deren Ursachen und der Stufe ihrer Niedrigkeit gerade so angemessen, wie die Freuden dem Grad der Erhöhung. Sie lassen sich in folgendes zusammenfassen: Neid gegen alles, was ihnen zu ihrem Glück mangelt sowie Ohnmacht es nicht zu erlangen, Anschauung des Glücks, das sie nicht erreichen können, Enttäuschung, Eifersucht, Wut, Verzweiflung über das, was sie an ihrem Glück hindert, Reue, unbeschreibliche moralische Angst. Sie sehnen sich nach allen Genüssen und können keinen befriedigen: Das ist es, was sie quält.“
,,Immer gut von Seiten der guten Geister, das versteht sich von selbst; die verdorbenen Geister hingegen suchen die, welche sie dafür empfänglich halten und die so oft während des Lebens zum Bösen verleitet hatten, vom Weg des Guten und der Reue abzubringen.“
971a. Also befreit uns der Tod nicht von der Versuchung?
„Nein, aber die Einwirkung der bösen Geister ist gegenüber den anderen Geistern eine viel geringere, als gegenüber den Menschen, weil sie die stofflichen Leidenschaften dort nicht auf ihrer Seite haben.“ (996.)
„Wenn die Leidenschaften auch nicht mehr stofflich existieren, so stecken sie doch noch in den Gedanken der zurückgebliebenen Geister. Die bösen unterhalten nun diese Gedanken, indem sie ihre Opfer zu den Orten zu locken wissen, wo ihnen der Anblick dieser Leidenschaften selbst alles dessen wird, was sie erregen kann.“
972a. Aber wozu diese Leidenschaften, wo sie ja keinen wirklichen Gegenstand mehr haben?
„Eben das ist ihre Strafe und ihre Qual: Der Geizige sieht Gold, das er nicht besitzen kann, der Wüstling Ausschweifungen, an denen er nicht teilnehmen kann, der Hochmütige Ehren, die er beneidet und die er nicht genießen kann.“
„Es ist unmöglich, die moralischen Qualen zu beschreiben, welche die Strafe gewisser Verbrechen sind. Selbst der, welcher sie erleidet, hätte Mühe euch davon eine Vorstellung zu geben, jedoch die schrecklichste von allen ist gewiss der Gedanke, unwiederbringlich verdammt zu sein.“
Der Mensch bildet sich eine Vorstellung von den Leiden und Freuden nach dem Tod, welche je nach dem Standpunkt seiner Intelligenz eine mehr oder weniger erhabene ist. Je höher er sich entwickelt, desto mehr reinigt und befreit sich ihm diese Vorstellung vom Stoff, er erkennt die Dinge unter einem vernünftigeren Gesichtspunkt, er nimmt die Ausmalungen einer bildlichen Sprache nicht mehr buchstäblich. Die fortgeschrittenere Vernunft lehrt uns, dass die Seele ein durchaus geistiges Wesen ist und dass sie eben deshalb keine solche Eindrücke, die nur auf den Stoff wirken, aufnimmt. Daraus folgt aber keineswegs, dass sie frei sei von Schmerzen und dass sie für ihre Fehler nicht Strafe empfängt. (237.)
Die spiritistischen Mitteilungen führen zu dem Ergebnis, dass sie uns den zukünftigen Zustand der Seele nicht bloß theoretisch, sondern als eine Wirklichkeit zeigen. Sie stellen uns alle Höhen und Tiefen des jenseitigen Lebens vor Augen, zeigen uns aber dieselben zugleich als die durchaus vernunftgemäßen Folgen des irdischen Lebens. Jene Wechselfälle, obgleich hier von den phantastischen Umhüllungen der menschlichen Einbildungskraft befreit, sind deswegen nicht weniger qualvoll für die, welche von ihren Fähigkeiten einen schlechten Gebrauch machten. Die Verschiedenheit dieser Folgen ist eine unendliche, aber als allgemeine Regel kann man den Satz aufstellen: Jeder wird mit dem bestraft, was er gesündigt hat: So die einen mit dem unaufhörlichen Anblick des Unglücks, das sie angerichtet haben, die anderen mit Gewissensbissen, Furcht, Schande, Zweifel, Vereinsamung, Finsternis, Trennung von geliebten, teuren Wesen usw.
,,Ein Bild wie so manches andere, das für Wirklichkeit genommen wird.“
974a. Kann aber die Furcht davor nicht gute Folgen haben?
„So siehe doch wie viele sie zurückhält, selbst diejenigen, die sie lehren. Wenn ihr Dinge lehrt, welche die Vernunft später verwerfen muss, so werdet ihr weder einen dauerhaften, noch heilsamen Eindruck hinterlassen.“
Der Mensch, unfähig mit seiner Sprache das Wesen jener Leiden auszudrücken, fand keine treffenderen Vergleich als die mit dem Feuer, als dem Abbild der grausamsten Strafe und dem Sinnbild der gewaltigsten Wirkung. Darum verliert sich der Glaube an das ewige Feuer bis ins höchste Altertum und von den alten Völkern erbten ihn dann die neueren. Darum sagt der Mensch auch in seiner sinnbildlichen Sprache: Das Feuer der Leidenschaften, vor Liebe, aus Eifersucht brennen usw.
„Ja, und das ist ihre Strafe und ihre Qual; denn sie wissen, dass sie sich durch ihre eigenen Fehler desselben beraubten. Darum strebt der vom Stoff befreite Geist nach einer neuen Existenz, weil jede solche die Dauer dieser Strafe abkürzen kann, wenn sie gut angewandt wird. Dann trifft er seine Wahl unter den Prüfungen, durch die er seine Fehler sühnen kann; denn wisst: Der Geist leidet unter allem Übel, das er getan hat, oder dessen Ursache er freiwillig geworden ist, unter allem Guten, das er hätte tun können und nicht tat und unter allem Übel, das aus dem, von ihm unterlassenen Guten hervorging.
Der wandernde Geist hat keinen Schleier mehr, er ist wie aus dem Übel herausgetreten und sieht nun, was ihn vom Glück scheidet. Dann leidet er noch mehr, denn er erkennt, wie strafbar er gewesen ist. Für ihn gibt es keine Täuschung mehr: Er sieht die Dinge wie sie wirklich sind.“
Der Geist im herumwandernden Zustand überblickt einerseits alle seine früheren Existenzen, andererseits sieht er die ihm versprochene Zukunft und erkennt, was ihm noch fehlt, sie zu erreichen. So sieht der auf der Höhe eines Berges angelangte Reisende seinen zurückgelegten Weg, sowie den vor sich, den er noch zu durchlaufen hat.
„Es ist dies kein Schmerz, weil sie wissen, dass das Übel ein Ende nehmen wird. Sie helfen den anderen bei ihrer Besserung und reichen ihnen die Hand: Das ist ihre Beschäftigung und, wenn es ihnen gelingt, ihre Freude.“
976a. Das versteht sich bei den fremden oder unbeteiligten Geistern; trübt aber nicht der Anblick des Kummers und der Leiden ihrer Lieben auf der Erde ihr Glück?
„Wenn sie diese Leiden nicht sähen, so wären sie euch fremd nach dem Tod. Nun sagt euch aber die Religion, dass die Seelen euch sehen. Sie sehen aber euer Trübsal von einem anderen Gesichtspunkt aus, sie wissen, dass dieselben von Nutzen sind für euren Fortschritt, wenn ihr sie mit Ergebung tragt. Sie betrüben sich also mehr über euren Mangel an Mut, der euch aufhält, als über eure Leiden selbst, die nur vorübergehend sind.“
„Das kann auch nicht anders sein, die gesunde Vernunft sagt es uns.“
977a. Ist dieses Bekanntsein all unseres tadelnswerten Tuns und Lassens und die beständige Gegenwart derjenigen, welche die Opfer davon geworden sind, eine Züchtigung für den Schuldigen?
„Eine größere als man glaubt, aber nur für so lange, bis er seine Fehltritte gesühnt hat, sei es als Geist oder als Mensch in neuen leiblichen Existenzen.“
Wenn wir einst selbst in der Welt der Geister sein werden, so wird, da unsere ganze Vergangenheit aufgedeckt vor uns liegt, auch das Gute und das Böse, das wir getan haben, ebenso bekannt sein. Vergeblich wird der Böse dem Anblick seiner Opfer zu entrinnen suchen. Ihre unvermeidliche Gegenwart wird ihm zur Züchtigung und unaufhörlichen Reue dienen, bis er sein Unrecht gesühnt hat, während der Gute im Gegenteil nur freundlichen und wohlwollenden Blicken überall begegnen wird.
Für den Bösen gibt es auf Erden keine größere Qual, als die Gegen – wart seiner Opfer: Darum vermeidet er sie fortwährend. Wie wird ihm nur zumute sein, wenn die Täuschungen der Leidenschaften aufgehoben sind und er das Böse, das er getan hat erkennt, sein geheimstes Treiben enthüllt, seine Heuchelei entlarvt sieht und sich diesem Anblick nicht entziehen können wird? Während die Seele des Lasterhaften die Beute der Schande, der Reue und der Gewissensbisse ist, genießt die des Gerechten eine vollkommene Heiterkeit.
„Nein, denn sie hat ihre Fehler wieder gutgemacht und ist siegreich aus den Prüfungen hervorgegangen, die sie sich zu diesem Zweck auferlegte.“
„Für die noch befleckte Seele, ja: darum vermag sie kein vollkommenes Glück zu genießen, bis sie ganz rein ist: Aber für die, welche sich schon erhöht hat, hat der Gedanke an ihre noch durchzumachenden Prüfungen nichts Schmerzliches mehr.“
Die zu einem gewissen Grad von Reinheit gelangte Seele kostet schon von der Seligkeit. Das Gefühl einer sanften Befriedigung durchdringt sie, sie ist beglückt von allem, was sie sieht, von allem, was sie umgibt. Der Schleier, der sich über die Geheimnisse und Wunder der Schöpfung breitete, lüftet sich vor ihr und die göttliche Vollkommenheit erscheint ihr in all ihrer Herrlichkeit.
„Die Einigung der dem Guten verpflichtenden Geister ist für sie einer der höchsten Freuden, denn sie haben nicht zu fürchten, dass diese Einigung durch Egoismus könnte getrübt werden. Sie bilden in der geistigen Welt Familien von gleichen Gefühlen und darin eben besteht die geistige Glückseligkeit, wie ihr in deiner Welt euch nach Klassen zusammentut und eine gewisse Freude genießt, wenn ihr vereinigt seid. Die reine und aufrichtige Liebe, die sie füreinander hegen, ist für sie eine Quelle des Glücks, denn es gibt da keine falschen Freunde und keine Heuchler.“
Der Mensch kostet schon auf Erden die Vorfreude dieses Glückes, wenn er Seelen findet, mit denen er in einer reinen und heiligen Vereinigung aufgehen kann. In einem reineren und höheren Leben wird dieser Genuss ein unaussprechlicher und grenzenloser sein, weil er nur sympathischen Seelen begegnen wird, welche der Egoismus nicht erschüttern kann. Denn in der Natur ist alles Liebe: Der Egoismus aber tötet diese.
„Der Unterschied kann sehr groß sein, indessen verschwin – det er oft vor den Ursachen, welche diese Furcht oder diesen Wunsch einflößen. Möge man den Tod fürchten oder herbeiwünschen, die Beweggründe können sehr verschieden sein und diese sind es, welche auf den Zustand des Geistes Einfluss üben. So ist es z.B. klar, dass bei dem, der den Tod nur deswegen herbeiwünscht, weil er darin das Ende seiner Trübsale erblickt, es eine Art von Murren gegen die Vorsehung und gegen die durchmachenden Prüfungen ist.“
„Wenn dem so wäre, so müsste daraus folgen, dass alle die, welche nicht glauben oder welche nicht in der Lage waren sich zu unterrichten, enterbt würden und das wäre gegen alle Vernunft. Das Gute sichert das künftige Geschick und das Gute ist aber immer das Gute, welches auch der Weg sei, der zu demselben führt.“ (165. bis 799.)
Der Glaube an den Spiritismus fördert die Besserung, indem er unsere Gedanken auf gewisse Punkte der Zukunft richtet. Er beschleunigt den Fortschritt der Einzelnen und der Massen, indem er uns gestattet, uns Rechenschaft über das zu geben, was wir einst sein werden. Er ist für uns eine Stütze, ein Licht, das uns leitet. Der Spiritismus lehrt uns die Prüfungen mit Geduld und Ergebung zu ertragen. Er hält uns von Dingen ab, die unser zukünftiges Glück verzögern könnten. So trägt er zu diesem Glück bei, womit aber nicht gesagt ist, dass man es nicht auch auf anderem Weg erlangen kann.
Zeitliche Strafen
„Es ist ganz richtig, dass wenn die Seele wieder inkarniert ist, die Trübsale des Lebens für sie ein Leiden sind; aber nur der Leib leidet hier in stofflicher Weise.
Ihr sagt oft von dem Verstorbenen, jetzt habe er ausgelitten. Das ist nicht immer wahr. Als Geist hat er keine leiblichen Schmerzen mehr; aber je nach den Fehlern, die er begangen hat, kann er empfindlichere moralische Schmerzen leiden und in einer neuen Existenz kann er noch unglücklicher werden. Der schlechte Reiche wird dann um Almosen betteln und alle Entbehrungen des Elends erleben, so wie der Hochmütige eine Beute aller Demütigungen sein wird. Wer sein Ansehen missbraucht und seine Untergebenen mit Härte und Verachtung behandelt, wird dann einem noch härteren Herrn als er selbst gewesen ist, zu dienen haben. Alle Leiden und Trübsale des Lebens sind die Sühne für die Verfehlungen eines früheren Daseins, wenn sie nicht die Folgen der Fehler des gegenwärtigen Lebens sind. Wenn ihr von hier weggegangen seid, so werdet ihr das erkennen. (273., 393., 399.)
Der Mensch, der sich auf Erden glücklich fühlt, weil er seine Leidenschaften befriedigen kann, bemüht sich am wenigsten sich zu bessern. Er sühnt dieses Eintagsglück oft schon in diesem Leben, jedenfalls aber wird er es in einem anderen, ebenso stofflichen Dasein sühnen.“
„Nein, wie schon gesagt: Sie sind von Gott euch auferlegte oder von euch selbst im Geisteszustand und vor eurer Reinkarnation gewählte Prüfungen, um die in einem früheren Dasein begangenen Fehler zu sühnen. Denn nie bleibt die Übertretung der Gesetze Gottes und namentlich desjenigen der Gerechtigkeit ungestraft: Geschieht es nicht in diesem Leben, so geschieht es notwendig in einem anderen Leben. So wird der in euren Augen als gerecht Erscheinende oft für sein früheres Dasein gestraft.“ (393.)
„Sie ist die Folge ihrer Reinigung. Denn je mehr sich die Geister reinigen, auf um so vollkommeneren Welten inkarnieren sie sich, bis sie jeglichen Stoff abgelegt und sich von allen ihren Unreinheiten reingewaschen haben, um dann in Ewigkeit die Glückseligkeit der reinen Geister in der Geborgenheit Gottes zu genießen.“
Auf den Welten, wo das Dasein weniger stofflich ist, als hier auf Erden, sind auch die Bedürfnisse weniger grob und die leiblichen Leiden weniger lebhaft. Die Menschen kennen dann nicht mehr die schlechten Leidenschaften, die sie auf den niedrigeren Welten einander zu Feinden machen. Da sie keinen Grund zu Hass oder Eifersucht haben, so leben sie miteinander in Frieden, da sie das Gesetz der Gerechtigkeit, der Liebe und der Nächstenliebe erfüllen. Sie kennen nicht den Verdruss und den Kummer, der aus Neid, Hochmut und Egoismus entspringt und der die Qual unseres irdischen Daseins bildet. (172. bis 182.)
„Ja, wenn er seine Aufgabe nicht erfüllen konnte und er selbst dieselbe in einem neuen Dasein zu vervollständigen bittet. Das ist dann aber für ihn nicht mehr eine Sühne.“ (173.)
„Da er keinen Fortschritt zur Vollkommenheit macht, so muss er wieder ein Dasein von vorn anfangen, das von derselben Art ist wie das, welches er verlässt. Er steht still und so kann er seine Leiden der Sühne verlängern.“
„Kennst du deren viele? Wenn du das meinst, so irrst du. Die Ruhe ist oft nur scheinbar. Sie können dieses Dasein gewählt haben, aber wenn sie es wieder verlassen, so entdecken sie, dass es ihnen nicht zum Fortschritt gedient hat, und dann bereuen sie, gleich den Trägen, die verlorene Zeit. Wisset, dass der Geist nur durch Tätigkeit sich Kenntnisse sammeln und sich selbst erhöhen kann; wenn er sich in Untätigkeit einschläfern lässt, so schreitet er nicht fort. Er gleicht dem, der (nach eurem Brauch) es nötig hat zu arbeiten, aber spazieren geht oder sich schlafen legt, und zwar in der Absicht, nichts zu tun. Wisset auch, dass jeder Rechenschaft zu geben haben wird von der selbst gewählten Nutzlosigkeit seines Daseins: Diese Nutzlosigkeit ist stets verhängnisvoll für das künftige Glück. Die Summe des zukünftigen Glücks steht im Verhältnis zur Summe des Guten, das man getan hat, und die des Unglücks steht im Verhältnis zum Übel, das man tat, und zu den Unglücklichen die man gemacht hat.“
„Diese Leute sind sicherlich nicht gut und sie werden das sühnen müssen mit dem Anblick derer, die sie unglücklich gemacht haben und dies wird für sie ein Vorwurf sein. Dann in einem anderen Dasein werden sie das Gleiche zu leiden haben, was sie anderen angetan hatten.“
Sühne und Reue
990. Findet die Reue im leiblichen oder im geistigen Zustand statt?„Im geistigen, aber sie kann auch im leiblichen eintreten, wenn ihr Gutes und Böses wohl zu unterscheiden wisst.“
,,Der Wunsch nach einer neuen Inkarnation, um sich zu reinigen. Der Geist erkennt die Unvollkommenheiten, die ihn daran hinderten glücklich zu sein; darum strebt er nach einem neuen Dasein, in welchem er seine Fehler sühnen kann.“(332. bis 975.)
„Schon in diesem Leben fortzuschreiten, wenn man Zeit hat seine Fehler wieder gutzumachen. Wenn das Gewissen einen Tadel ausspricht und auf eine Unvollkommenheit hinweist, kann man sich immer bessern.“
„Ich sagte dir, dass man ohne Unterlass fortschreiten müsse. Wer hier in diesem Leben nur zum Bösen einen Trieb hat, wird in einem anderen Leben einen Trieb zum Guten haben und eben deswegen wird er mehrere Male wieder zur Welt kommen. Denn alle müssen fortschreiten und das Ziel erreichen, nur die einen je nach ihrem Streben in einer kürzeren, die anderen in einer längeren Zeit. Wer nur den Trieb zum Guten hat, ist schon gereinigt, denn er konnte den zum Bösen in einer früheren Existenz gehabt haben.“ (894.)
„Ja, er erkennt sie immer und dann leidet er noch mehr, denn er erkennt dann alles Übel, das er getan hat oder von dem er die freiwillige Ursache gewesen war. Jedoch tritt die Reue nicht immer sofort ein. Es gibt Geister, die trotz ihrer Leiden eigensinnig auf dem Weg des Bösen beharren. Aber früher oder später werden sie ihren falschen Weg einsehen und die Reue wird kommen. Diese zur Erkenntnis zu bringen, daran arbeiten die guten Geister und daran könnt auch ihr mitarbeiten.“
„Es gibt Geister, die sich mit nichts Nützlichem beschäftigen: Sie befinden sich im Zustand der Erwartung; aber in diesem Fall leiden sie auch nach Verhältnis. Und da in allem immer Fortschritt stattfinden muss, so zeigt er sich hier im Schmerz.“
995a. Wünschen sie denn nicht ihre Leiden abzukürzen?
„Sie wünschen es ohne Zweifel, aber sie besitzen die Energie nicht, das zu wollen, was ihnen Erleichterung bringen könnte. Wie viele Leute habt ihr unter euch, die lieber Hungers sterben als arbeiten würden?“
„Diejenigen, deren Reue nur eine zögernde ist, tun so. Der bereuende Geist kann sich von anderen noch weiter zurückgebliebenen Geistern von neuem wieder auf den Weg des Bösen locken lassen.“ (971.)
„Das Gebet hat nur für den Geist, der Reue empfindet, Wirksamkeit. Wer vom Hochmut getrieben sich gegen Gott auflehnt und in seinen Verirrungen beharrt, ja sie noch häuft, wie es unglückliche Geister tun, – für diesen vermag das Gebet nichts und wird nichts vermögen bis zu dem Tag, wo sich bei ihm ein Schimmer von Reue zeigen wird.“ (664.)
Man darf nicht aus den Augen verlieren, dass der Geist nach des Leibes Tod nicht plötzlich umgewandelt ist. War sein Leben ein tadelnswertes, so war er eben noch unvollkommen. Nun macht der Tod einen nicht unmittelbar vollkommen: Der Geist kann in seinen Irrtümern, falschen Ansichten und Vorurteilen beharren, bis er sich durch Lernen, Nachdenken und Leiden eine höhere Erkenntnis wird erworben haben.
„Sie vollzieht sich im leiblichen Dasein durch die Prüfungen, denen der Geist unterworfen wird, und im geistigen Leben durch die moralischen Leiden, die mit dem niedrigen Stand des Geistes verknüpft sind.“
„Die Reue fördert die Besserung des Geistes, aber das Vergangene muss gesühnt werden.“
999a. Wenn also demnach ein Verbrecher sagte, dass er, da er unter allen Umständen seine Vergangenheit sühnen müsse, keiner Reue bedürfe, was für Folgen hätte das für ihn?
„Wenn er sich in seinen bösen Gedanken verhärtet, so wird seine Sühne umso qualvoller sein und um so länger dauern.“
,,Ja, wenn ihr sie wieder gutmacht. Hofft aber auf keine Verzeihung durch einige kindische Entbehrungen oder davon, dass ihr nach eurem Tod Geschenke stiftet, wenn ihr selbst nichts mehr bedürft. Gott trägt einer unfruchtbaren Reue gar keine Rechnung, einer Reue, die stets leicht ist und nichts kostet als sich an die Brust zu schlagen. Der Verlust des kleinen Fingers bei der Erweisung eines Dienstes tilgt mehr Verfehlungen als die selbst gewählte jahrelange Pein des Büßergewandes, ohne anderen Zweck als Eigennutz. (726.)
Das Böse wird nur durch das Gute wieder gutgemacht und auch dies hat gar kein Verdienst, wenn es den Menschen weder in seinem Hochmut, noch in seinen materiellen Interessen berührt.
Was soll es ihm zu seiner Rechtfertigung nützen, nach seinem Tod das unrecht erworbene Gut zu ersetzen, nachdem es für ihn seinen Wert verloren und er es genossen hatte?
Was soll ihm die Entbehrung einiger nichtiger Genüsse und Überflüssigem nützen, wenn das Unrecht, das er anderen zugefügt hat, dasselbe bleibt?
Was soll es ihm endlich nützen, sich vor Gott zu demütigen, wenn er fortfährt in seinem Hochmut gegenüber den Menschen?“
„Gar kein Verdienst gerade nicht; es ist immer besser als nichts. Unglücklicherweise ist jedoch der, welcher erst nach dem Tod gibt, oft mehr egoistisch als grosszügig: Er will die Ehre einer guten Tat besitzen, aber ohne deren Mühen. Wer sich aber bei seinen Lebzeiten Entbehrungen auferlegt, hat doppelten Gewinn: das Verdienst des Opfers und die Freude, die Glücklichen zu sehen, die er gemacht hat. Allein der Egoismus steht neben ihm und sagt: So viel du gibst, so viel brichst du dir an deinen Genüssen ab. Und da der Egoismus lauter ruft als die Selbstlosigkeit und die Nächstenliebe, so behält er es für sich unter dem Vorwand seiner Bedürfnisse und der Erfordernisse seiner Stellung. Oh, beklagt den, der die Freude des Gebens nicht kennt! Der ist wirklich und wahrhaftig einer der reinsten und süßesten Freuden beraubt. Als ihm Gott der Prüfung des Reichtums unterwarf, die für seine Zukunft so gefährlich und schlüpfrig sein kann, wollte er ihm als Ersatz die Freude der Freigiebigkeit hier auf Erden gewähren, die er schon geniessen kann.“ (814.)
„Reue beschleunigt seine Besserung, spricht ihn aber nicht frei. Hat er nicht die Zukunft vor sich, die ihm nie verschlossen bleibt?“
Dauer der zukünftigen Strafen
„Gott tut nichts aus Laune und alles in der ganzen Welt wird von Gesetzen regiert, welche seine Weisheit und Güte offenbaren.“
,,Auf die zu seiner Besserung nötigen Zeit. Da der Zustand des Leidens und des Glücks im Verhältnis steht zum Grad der Reinheit des Geistes, so hängt Dauer und Wesen seiner Leiden von der Zeit ab, die er braucht, um sich zu bessern. Je mehr er fortschreitet und seine Gefühle sich reinigen, desto mehr vermindern sich seine Leiden und ändern ihre Natur.“
hl. Ludwig
„Sie erscheint ihm eher länger: Der Schlaf existiert nicht für ihn. Erst für die zu einem gewissen Grad von Reinheit gelangten Geister verschwindet die Zeit sozusagen vor der Ewigkeit.“ (240.)
,,Ohne Zweifel litte er ewig, wenn er ewig böse bliebe, d.h. wenn er nie bereuen noch sich bessern würde; aber Gott schuf nicht Wesen, damit sie auf ewig dem Bösen geweiht seien: Er schuf sie nur einfach und unwissend und alle sollen fortschreiten während einer kürzeren oder längeren Zeit, je nach ihrem Wollen. Der Wille kann mehr oder weniger verspätet eintreten, so wie es mehr oder weniger frühreife Kinder gibt; aber er kommt früher oder später kraft des unwiderstehlichen Dranges des Geistes aus seiner Niedrigkeit herauszutreten und glücklich zu werden. Das die Dauer der Leiden ordnende Gesetz ist somit in hervorragender Weise wohlwollend und weise, indem es jene Dauer den Anstrengungen des Geistes unterordnet. Es raubt ihm nie den freien Willen; macht er von diesem einen schlechten Gebrauch, so trägt er selbst die Folgen.“
hl. Ludwig
,,Es gibt welche, deren Reue sehr spät eintritt; aber behaupten, dass sie sich nie bessern, hieße das Gesetz des Fortschritts leugnen und sagen, das Kind könne nie zum Erwachsenen werden.“
hl. Ludwig
„Ja, Strafen und Leiden können ihm für eine zeitlang auferlegt werden, aber Gott, der nur das Beste seiner Geschöpfe will, nimmt stets die Reue an, und die Sehnsucht, besser zu werden, ist niemals unfruchtbar.“
hl. Ludwig
„Fragt eure Vernunft, euren gesunden Menschenverstand und bedenkt, ob eine ewige Verdammnis für einige Augenblicke der Verfehlung nicht ein Leugnen der Güte Gottes wäre? Was bedeutet in der Tat die Dauer des Lebens und betrüge sie auch hundert Jahre, gegenüber der Ewigkeit? Endlose Leiden und Qualen ohne Hoffnung, für einige Verfehlungen! Weist euer Urteil einen solchen Gedanken nicht zurück? Dass die Alten im Herrn der Welt einen schrecklichen, eifersüchtigen und rachsüchtigen Gott erblickten, das lässt sich begreifen: In ihrer Unwissenheit legten sie der Gottheit menschliche Leidenschaften bei; das ist aber dann nicht der Gott der Christen, welcher Liebe, Erbarmen, Vergessen der Beleidigungen zu den ersten Tugenden rechnet: Sollte er selbst der Eigenschaften entbehren, die er als Tugenden bezeichnet? Ist es nicht ein Widerspruch, ihm unendliche Güte und unendliche Rache zuzuschreiben? Ihr sagt, vor allem sei er gerecht, und der Mensch begreife seine Gerechtigkeit nicht. Aber Gerechtigkeit schließt Güte nicht aus, und er wäre nicht gut, wenn er die Mehrzahl seiner Geschöpfe ewigen schrecklichen Strafen und Leiden weihen würde. Könnte er seine Kinder zur Gerechtigkeit verpflichten, wenn er ihnen nicht auch die Mittel, sie zu erkennen, verliehen hätte? Kann es übrigens eine erhabenere Vereinigung von Gerechtigkeit und Güte geben, als die Länge der Leiden von den Bemühungen des Schuldigen, sich zu bessern, abhängig zu machen? Hier erfüllt sich die Wahrheit des Wortes: „Einem jeden nach seinen Werken.“
hl. Augustin
Bemüht euch mit allen Mitteln, die in eurer Macht liegen, den Gedanken an die Ewigkeit der Höllenstrafen zu bekämpfen, diesen Lästergedanken gegen Gottes Gerechtigkeit und Güte, diese fruchtbarste Quelle des Unglaubens, des Materialismus und der Gleichgültigkeit, welche die Massen, seit sie sich geistig zu entwickeln begannen, mit sich fortreißen. Sobald der Geist bereit ist, die Erkenntnis zu erlangen, erfasst er die ungeheuerliche Ungerechtigkeit dieses Gedankens der ewigen Strafe; seine Vernunft weist diesen Gedanken zurück und dann verfällt er selten in denselben Irrtum, die ihn empörende Strafe, Gott zu zuschreiben. Daher die zahllosen Übel, die über euch kommen und deren Heilung wir euch bringen wollen.
Die Lösung der Aufgabe, die wir euch bezeichnen, wird euch um so leichter fallen, als die Autoritäten, auf die sich die Verteidiger dieses Glaubens stützen, alle es vermieden haben, sich festzulegen: Weder die Konzilien, noch die Kirchenväter haben diese wichtige Frage entschieden. Wenn Christus nach den Evangelisten selbst und wenn man seine sinnbildlichen Worte buchstäblich nähme, die Schuldigen mit dem nicht verlöschenden Feuer, mit dem ewigen Feuer bedrohte, so liegt doch absolut nichts in seinen Worten, das bewiese, er habe sie auf ewig verdammt.
Ihr armen verirrten Schafe, lasset den guten Hirten zu euch kommen, welcher weit entfernt, euch für ewig aus seiner Gegenwart zu verstoßen, vielmehr euch entgegeneilt, um euch in eure Herde zurückzuführen. Verlorene Söhne, verlasst eure freiwillige Verbannung, wendet eure Schritte zum Vaterhaus: der Vater streckt euch seine Arme entgegen und ist stets bereit, eure Rückkehr festlich zu begehen.“
Lamennais
„Streit um Worte! Streit um Worte! Habt ihr noch nicht genug Blut vergossen? Sollen die Scheiterhaufen wieder auflodern? Man streitet sich über die Worte „Ewigkeit der Leiden, Ewigkeit der Strafen.“ Wisst ihr denn nicht, dass unter dem, was ihr heute „Ewigkeit“ nennt, die Alten etwas anderes verstanden? Der Theologe möge in den Quellen forschen und wie ihr alle, so wird auch er in denselben finden, dass der hebräische Text dem Wort „Ewigkeit“, das die Griechen, Lateiner und die Neueren mit „endlosen, nimmer zu erlassenden“ Strafen oder Leiden übersetzten, nicht dieselbe Bedeutung beilegte. Ewigkeit der Strafe entspricht der Ewigkeit des Bösen. Ja, so lange das Böse unter den Menschen dauern wird, ebenso lange werden auch die Strafen dauern. Die heiligen Schriften müssen nach ihrem Zusammenhang ausgelegt werden. Die Ewigkeit der Strafen ist also eine relative, keine absolute .
Möge der Tag kommen, wo alle Menschen, kraft ihrer Reue, sich mit dem Gewand der Unschuld bekleiden und von dem Tag an wird es kein Heulen und Zähneklappern mehr geben. Eure menschliche Vernunft ist allerdings beschränkt, aber so wie sie einmal ist, ist sie doch ein Geschenk Gottes, und mit dieser Vernunft vermag kein einziger aufrichtiger Mensch die Ewigkeit der Strafen anders zu verstehen: Ewigkeit der Strafen! Wie? Da müsste man ja annehmen, dass das Böse ewig sei. Gott allein ist ewig und konnte nicht das Böse als ein ewiges schaffen, sonst müsste man ihm die herrlichste seiner Eigenschaften, seine Allmacht absprechen; denn der ist nicht allmächtig, der eine seiner Werke zerstörendes Element schaffen kann. O Menschheit, Menschheit! Versenke nicht mehr deinen traurigen Blick in die Tiefe der Erde, um dort unten Strafen zu entdecken: Weine, hoffe, übe Sühne und suche Zuflucht in der Vorstellung eines allgütigen, allmächtigen und allgerechten Gottes.“
Platon
„Nach der göttlichen Einheit hinstreben, das ist das Ziel der Menschheit. Dazu gehören drei Dinge: Gerechtigkeit, Liebe und Wissen. Drei Dinge widerstreiten diesem: Unwissenheit, Hass und Ungerechtigkeit. Nun denn! Wahrlich ich sage euch, ihr würdet diese Grundwahrheiten Lügen strafen, wenn ihr die Ideen Gottes durch Übertreibung seiner Strenge verzerrt. Ihr verzerrt sie zweifach, wenn ihr in dem Geist des Geschöpfes den Gedanken aufkommen lasst, dass es selbst mehr Gnade, Milde, Liebe und wahre Gerechtigkeit besitze, als ihr dem unendlichen Wesen zuschreibt. Ihr vernichtet selbst die Vorstellung der Hölle, indem ihr sie lächerlich und eurem Glauben unzugänglich macht, wie auch dies mit den widrigen Schauspielen der Henker, der Scheiterhaufen und der Folter des Mittelalters geschieht! Wie? Hofft ihr jetzt, nachdem die blinde Wiedervergeltung für immer aus den menschlichen Gesetzen verbannt ist, sie im Ideal aufrecht zu erhalten? Oh!; glaubt mir, Brüder in Gott und Christo, glaubt mir, ihr lasst alle eure Glaubenssätze lieber unter euren Händen zugrunde gehen, statt sie zu ändern, flößt ihnen neues Leben ein, indem ihr sie dem wohltuenden eben jetzt auf euch einströmenden Einfluss der Guten in dieser Zeit sich öffnen lasst. Die Vorstellung der Hölle mit ihren brennenden Öfen, ihren siedenden Kesseln, mag in einem eisernen Zeitalter verständlich, d.h. verzeihlich sein; im neunzehnten Jahrhundert aber ist sie nichts mehr als ein eitles Gespenst, gerade noch gut genug, etwa kleine Kinder zu schrecken, – ein Gespenst aber, an das die Kinder nicht mehr glauben, sobald sie erwachsen sind. Verharrt ihr in dieser Schrecken erregenden Sagenkunde oder Mythologie, so erzeugt ihr damit den Unglauben, den Vater jeder gesellschaftlichen Zerrüttung. Denn ich zittere vor dem Gedanken, eine ganze soziale Ordnung wegen jeden Mangels an letzter Strafbestimmung erschüttert und in sich zusammenstürzen zu sehen. Ans Werk denn, Männer des lebendigen und glühenden Glaubens, ihr Vorläufer des Tages des Lichts! Nicht um veraltete Fabeln, die keinen Glauben mehr verdienen, aufrecht zu halten, sondern um die wahrhaftige letzte Strafbestimmung wieder ins Leben zu rufen in einer Gestalt, die eurer Moral, euren Gefühlen und der Bildung eurer Zeit entspricht.
Wer ist in Wahrheit der Strafbare? Der ist es, der durch eine Verirrung, durch eine falsche Richtung seiner Seele sich vom Endziel der Schöpfung entfernt, das in dem harmonischen Kult des Schönen, Guten besteht; idealisiert in dem Vorbild des Menschen, Jesus Christus.
Oh!; wahrlich, wahrlich, ich sage euch, stellt von nun an nicht mehr als ewig nebeneinander das Gute, das Wesen des Schöpfers, und das Böse, das Wesen des Geschöpfes: Das hieße eine nimmer zu rechtfertigende Strafgerechtigkeit schaffen. Behauptet vielmehr die stufenweise Tilgung der Züchtigungen und Leiden durch die Reinkarnation, dann bestätigt und heiligt ihr, indem ihr Vernunft und Gefühl vereinigt, die göttliche Einheit.“
Apostel Paulus
Durch den Reiz von Belohnungen will man den Menschen zum Guten ermuntern, durch Furcht vor Strafe ihn vom Bösen abhalten. Wenn aber die Strafen in einer Weise dargestellt werden, dass die Vernunft nicht an sie glauben kann, so haben sie keine Wirkung auf ihn. Im Gegenteil, er wird beides verwerfen: Form und Inhalt. Führt man ihm dagegen die Zukunft in einer vernünftigen Weise vor Augen, dann wird er nichts zu verwerfen haben. Diese Erklärung gibt ihm der Spiritismus.
Die Lehre von der Ewigkeit der Strafen im unbedingten Sinn des Wortes macht einen unversöhnlichen Gott zum höchsten Wesen. Vertrüge es sich mit der Vernunft, von einem Fürsten zu sagen, er sei sehr gut, sehr wohlwollend und nachsichtig, er wolle nur das Wohl seiner Untergebenen, sei aber gleichzeitig eifersüchtig, rachsüchtig, unerbittlich streng und strafe mit den äußersten Leiden dreiviertel seiner Untertanen wegen einer Beleidigung oder einer Übertretung seiner Gesetze, selbst diejenigen, welche nur fehlten, weil sie diese nicht kannten? Wäre das nicht ein Widerspruch? Oder sollte Gott weniger gut sein als ein Mensch?
Das Wort „ewig“ wird in der gewöhnlichen Redeweise oft bildlich gebraucht als Bezeichnung für etwas, das sehr lange dauert und dessen Ende man nicht vorhersieht, obschon man weiß, dass dieses Ende kommt. So reden wir z.B. von dem ewigen Schnee der Hochgebirge, der Pole, obwohl wir wissen, dass einerseits die physische Welt ein Ende nehmen und dass andererseits der Zustand jener Gegenden durch die regelmäßige Veränderung der Erdachse oder durch eine Erdrevolution verändert werden kann. Das Wort „ewig“ bezeichnet hier also nicht eine Dauer ohne Ende. Leiden wir an einer langen Krankheit, so sagen wir unser Leiden sei ein ewiges. Wer wird sich somit wundern, wenn Geister, die seit Jahren, seit Jahrhunderten, ja seit Jahrtausenden leiden, ebenso sprechen? Vergessen wir dabei namentlich nicht, dass ihre Niedrigkeit ihnen nicht gestattet, das Ende des Weges zu sehen und sie daher immer leiden zu müssen meinen, was für sie eine besondere Strafe ist.
Übrigens hat die hohe Gottesgelehrtheit die Lehre von dem stofflichen Feuer, vom Braten in der Hölle, von den der heidnischen Unterwelt entlehnten Qualen und Foltern heutzutage längst aufgegeben und nur noch in den Schulen werden von einigen mehr sich ereifernden als unterrichteten Männern diese schrecklichen Bilder als tatsächliche Wahrheiten vorgeführt, und zwar sehr mit Unrecht, denn diese jungen Köpfe voll Einbildungskraft dürften, wenn sie später von ihrem Schrecken zurückkommen, leicht die Zahl der Ungläubigen vermehren. Die Gottesgelehrtheit anerkennt jetzt, dass das Wort „Feuer“ bildlich gemeint und als moralisches Feuer zu verstehen ist. (974.) Wer so wie wir die Höhen und Tiefen dieses hiesigen und die Leiden des jenseitigen Lebens nach den Geistermitteilungen verfolgte, konnte sich überzeugen, dass letztere, wenn sie auch nicht stofflicher Art sind, nicht weniger schmerzen. Selbst in Bezug auf ihre Dauer beginnen gewisse Theologen dieselben in dem oben angegebenen beschränkteren Sinn zu zulassen und meinen, dass man das Wort „ewig“ von den Leiden an und für sich als den Folgen eines unabänderlichen Gesetzes und nicht von ihrer Anwendung auf jedes Individuum zu verstehen brauche. An dem Tag, wo die Religion diese Auslegung sowie einige andere nicht minder aus der fortschreitenden Erkenntnis hervorgehende Deutungen zulässt, wird sie viele verirrte Schafe wieder um sich sammeln.
Auferstehung des Fleisches
1010
„Offenbar; diese Lehre ist übrigens die Folgerung aus manchen Dingen, die man unbemerkt hingehen ließ und die jetzt erst in diesem Sinn aufgefasst werden. Die Zeit ist nicht fern, wo man anerkennen wird, dass der Spiritismus auf Schritt und Tritt aus dem Wortlaut der heiligen Schriften selbst hervorgeht. Die Geister kommen also nicht, die Religion umzustürzen, wie einige behaupten, sie kommen vielmehr sie zu bestätigen und durch unverwerfliche Beweise wieder aufzurichten. Da aber die Zeit gekommen ist, wo man nicht mehr in Bildern spricht, so drücken sie sich ohne Bilder aus und geben den Dingen einen klaren und deutlichen Sinn, der keiner falschen Auslegung zugänglich ist. Darum eben werdet ihr nach einiger Zeit mehr aufrichtig religiöse und gläubige Leute haben, als jetzt.“
hl. Ludwig
Die Wissenschaft beweist in der Tat die Unmöglichkeit der Auferstehung nach der gewöhnlichen Vorstellung. Blieben die Überbleibsel des menschlichen Leibes gleichartig, so könnte man, selbst wenn sie zerstreut und in Staub verwandelt würden, ihre Wiedervereinigung in einer gegebenen Zeit noch begreifen: Die Sache verhält sich jedoch nicht so. Unser Leib besteht aus verschiedenen Grundbestandteilen: aus Sauer – , Wasser – , Stick – , Kohlenstoff usw. Durch die Zersetzung zerstreuen sich diese Grundstoffe, aber um zur Bildung anderer Körper zu dienen, so dass dieselben Moleküle von Kohlenstoff z.B. in die Mischung von mehreren Tausenden verschiedener Leiber eingegangen sein wird, – wobei wir nur von menschlichen Körpern reden, ohne alle die Leiber der Tiere mitzurechnen, so dass ferner dieses bestimmte Individuum in seinem Leib vielleicht Moleküle besitzt, die Menschen der ältesten Zeiten angehörten, dass diese gleichen organischen Molekülen, die ihr mit eurer Nahrung in euch aufnehmt, vielleicht vom Leib eines bestimmten anderen Individuums stammen, das ein Bekannter von euch gewesen ist usw. Da die Quantität des Stoffes eine bestimmte, seine Wandlungen aber von unbestimmter Zahl sind, wie sollte da jeder dieser Leiber sich aus den gleichen Grundstoffen wieder ausbilden können? Hier liegt eine tatsächliche Unmöglichkeit vor. Vernünftigerweise kann man also die Auferstehung des Fleisches nur als Sinnbild der Reinkarnation auffassen und dann ist sie nichts die Vernunft beleidigendes, nichts den Resultaten der Wissenschaft widersprechendes.
Jene Auferstehung soll nach der Glaubenslehre allerdings erst am Ende der Zeiten stattfinden, während sie nach der spiritistischen Lehre jeden Tag vor sich geht. Liegt aber nicht auch in jener Vorstellung vom jüngsten Gericht wieder ein großartig schönes Bild, das unter dem Schleier der Allegorie eine jener unabänderlichen Wahrheiten birgt, welche auf keine Zweifler mehr stoßen wird, wenn sie einmal auf ihre wahre Bedeutung zurückgeführt ist? Man denke über die spiritistische Lehre von der Zukunft der Seelen und über ihr aus den verschiedenen von ihnen durchmachenden Prüfungen hervorgehendes Schicksal gründlich nach und man wird erkennen, dass, mit Ausnahme der Gleichzeitigkeit, dasselbe verdammende oder freisprechende Gericht keine Erdichtung ist, wie die Ungläubigen wähnen. Wir fügen schließlich noch hinzu, dass sie eine natürliche Folgerung aus der Vielheit der Welten ist, welche heute vollständig anerkannt wird, während nach der Lehre vom jüngsten Gericht die Erde als die einzige bewohnte Welt vorausgesetzt wird.
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* Als die 2.Auflage des Buches der Geister in französischer Sprache (1860) zum zweiten Mal gedruckt wurde, folgte nach der Anwort auf die Frage 1010 die Frage 1012. Dies hatte zur Folge, dass die 2. Auflage 1019 Fragen hatte und nicht 1018, wie bei der ersten Ausgabe. Es ist anzunehmen, dass es sich hier um einen Fehler der Revision handelt, der während Allan Kardecs Lebzeiten unbemerkt geblieben ist. Es ist sicher im Sinne Allan Kardecs, dass dieser Fehler behoben wird. Da die gegenwärtige Übersetzung sich auf den zweiten Druck der 2. Auflage stützt und weil es uns wichtig ist, dass Fragen und Antworten einem logischen und sinnvollen Ablauf folgen, wurde die Frage 1010, die eine zweite Frage beinhaltet, aufgeteilt und neu die Frage Nummer 1011 eingefügt. Somit beinhaltet das Buch der Geister 1019 Fragen. (Anmerkung der Übersetzer)
Paradies. Hölle. Fegefeuer. Verlorenes Paradies. Sündenfall.
„Wir beantworteten schon einmal diese Frage. Leiden und Freuden liegen unmittelbar im Grad der Vollkommenheit der Geister: Jeder schöpft aus sich selbst das Wesentliche seines Glücks oder Unglücks und da die Geister überall sind, so ist weder dem einen noch dem anderen von ihnen irgendein bestimmt umgrenzter Ort angewiesen. Was die inkarnierten Geister betrifft, so sind sie mehr oder weniger glücklich, je nachdem wie die von ihnen bewohnte Welt mehr oder weniger fortgeschritten ist.“
1012a. Demnach würden also Hölle und Paradies nicht so, wie der Mensch sie sich vorstellt, existieren?
„Das sind nur Bilder: Glückliche und unglückliche Geister gibt es überall. Indessen vereinigen sich, wie wir ebenfalls schon gesagt haben, die Geister desselben Ranges aus Sympathie, sie können sich aber, wenn sie vollkommen sind, vereinigen, wo sie wollen.“
Die unbedingte Beschränkung der Strafen und Belohnungen auf einem bestimmten Ort besteht nur in der menschlichen Einbildung; sie stammt aus seinem Bestreben, Dinge, deren unendliches Wesen er nicht zu begreifen vermag, zu verbildlichen und zu begrenzen.
,,Leibliche und moralische Schmerzen. Es ist die Zeit der Sühne. Fast immer macht ihr euer Fegefeuer auf Erden durch, wo Gott euch eure Fehltritte sühnen lässt.“
Was der Mensch „Fegefeuer“ nennt, ist ebenfalls ein Bild, unter dem man nicht irgendeinen bestimmten Ort zu verstehen hat, sondern den Zustand der unvollkommenen Geister, welche in der Sühne begriffen sind bis zu ihrer völligen Reinigung, die sie zum Rang der seligen Geister erheben soll. Da sich diese Reinigung in den verschiedenen Inkarnationen vollzieht, so besteht das Fege – feuer in den Prüfungen des leiblichen Lebens.
„Sie reden die Sprache der Personen, von denen sie befragt werden. Sind diese Leute zu sehr von gewissen Vorstellungen eingenommen, so wollen sie bei denselben nicht Anstoß erregen, um sie nicht in ihren Überzeugungen zu verletzen. Würde ein Geist, ohne Vorsicht in seinen Ausdrücken zu gebrauchen, einem Moslem sagen, Mohamed sei kein Prophet, er dürfte es sehr übel aufnehmen.“
1014a. Dass es sich mit Geistern, die uns belehren wollen, so verhält, lässt sich begreifen; aber wie kommt es, dass über ihre eigene Lage befragte Geister antworteten sie litten die Qualen der Hölle oder des Fegefeuers?
„Stehen dieselben noch auf einer niederen Stufe und sind sie noch nicht ganz entstofflicht, so behalten sie einen Teil ihrer irdischen Vorstellungen und geben ihre Eindrücke in Ausdrücken wieder, die ihnen geläufig sind. Sie sind in einer Umgebung, die ihnen nur halb die Zukunft zu ergründen gestattet, und dies ist der Grund, dass wandernde oder erst vor kurzem befreite Geister oft so reden, wie sie es bei Lebzeiten getan hätten. „Hölle“ lässt sich wiedergeben mit einem äußerst mühseligen Prüfungsleben, verbunden mit der Ungewissheit eines besseren Zustandes, ,,Fegefeuer“ ebenfalls mit Prüfungsleben, aber mit dem Bewusstsein einer besseren Zukunft. Wenn du einen großen Schmerz leidest, sagst du dann nicht selbst, du leidest wie ein Verdammter? Das sind alles nur Worte und zwar stets bildlich gemeinte.“
,,Eine wandernde und leidende Seele, die ungewiss ist über ihr Schicksal, der ihr Erleichterung verschaffen könnt, worum sie euch oft anfleht, wenn sie zu euch kommt, um sich euch mitzuteilen.“ (664.)
,,Meinst du, er sei ein Ort, wie die elysischen Felder der Alten, wo alle guten Geister sich wirr zusammengedrängt finden, ohne sich um etwas anderes zu kümmern, als die Ewigkeit hindurch eine passive Glückseligkeit zu genießen? Nein, er ist der universelle Raum: auf den Planeten, den Sternen und allen höheren Welten ist es, wo die Geister sich all ihrer Fähigkeiten erfreuen, fern von den Trübsalen des stofflichen Lebens und den niedrigen Stufen anhaftenden Ängsten.“
„Ihr fragt sie, welchen Himmel sie bewohnen, weil ihr euch mehrere Himmel vorstellt, die gleich Stockwerken übereinander sich aufbauen. Dann antworten sie euch in eurer Sprache. Ihnen selbst aber bedeuten die Worte vierter, fünfter Himmel verschiedene Grade der Reinigung und folglich des Glücks. Das ist gerade so, wie wenn man einen Geist fragt, ob er in der Hölle sei. Ist er unglücklich, so wird er sagen: Ja, weil ihm ,,Hölle“ gleichbedeutend ist mit Qual; aber er weiß gar wohl, dass sie kein Glutofen ist. Ein Heide würde gesagt haben, er befinde sich in der ,,Unterwelt“.
So verhält es sich auch mit anderen ähnlichen Ausdrücken, wie z. B. Stadt der Blumen, der Auserwählten, erste, zweite oder dritte Sphäre usw., die sämtlich nur sinnbildliche Ausdrücke sind, mit denen gewisse Geister, sei es aus Unkenntnis der Wirklichkeit oder selbst der einfachsten Begriffe der Wissenschaft, ihre Gedanken auszudrücken suchen. Nach der beschränkten Vorstellung früherer Zeiten von den Strafen und Belohnungen und besonders aufgrund der Meinung, dass die Erde der Mittelpunkt des Universums sei, dass der Himmel sich über sie wölbe, und dass es dort eine Region der Sterne gebe, dachte man sich den Himmel oben und die Hölle unten. Daher die Ausdrücke: zum Himmel fahren, im höchsten Himmel sein, in die Hölle geworfen werden. Heute aber hat die Wissenschaft gezeigt, dass die Erde nur eine der kleinsten Welten unter so viel Millionen anderer und ohne besondere Wichtigkeit ist; sie hat die Geschichte ihrer Bildung aufgezeichnet und ihren Bau beschrieben; sie hat die Unendlichkeit des Raumes erwiesen und dass es im Universum weder ein Oben, noch ein Unten gibt. Da musste man nun wohl darauf verzichten, den Himmel über die Wolken und die Hölle unter die Erde zu versetzen. Was das Fegefeuer betrifft, so wird ihm nie ein bestimmter Ort angewiesen. Dem Spiritismus war es vorbehalten, über alles dies die vernünf – tigste, großartigste und zugleich für die Menschheit trostreichste Aufklärung zu geben. So kann man nur sagen, wir tragen unsere Hölle und unser Paradies in uns selbst, unser Fegefeuer finden wir in unserer Inkarnation, in unseren leiblichen oder physischen Existenzen.
„Als Christus so antwortete, redete er in bildlichem Sinn. Er wollte damit sagen, dass er nur über reine und selbstlose Herzen herrscht. Er ist überall da, wo Liebe zum Guten wohnt; die Menschen aber, die da gierig sind nach den Dingen dieser Welt und an den Gütern der Erde haften, sind nicht mit ihm.“
„Das Gute wird auf Erden herrschen, wenn unter den Geistern, die sie bewohnen werden, die guten über die bösen die Oberhand gewinnen. Dann werden sie hier Liebe und Gerechtigkeit herrschen lassen, die die Quelle des Guten und der Seligkeit sind. Durch moralischen Fortschritt und durch die Ausübung der Gesetze Gottes wird der Mensch die guten Geister auf die Erde anziehen und die bösen von ihr entfernen. Die Bösen aber werden sie erst verlassen, wenn der Mensch den Hochmut und den Egoismus von der Erde verbannt haben wird.
Die Umwandlung der Menschheit ist vorausgesagt worden und ihr steht unmittelbar vor diesem Zeitpunkt, dessen Eintritt alle Menschen beschleunigen, die den Fortschritt fördern helfen. Die Umwandlung wird sich mit der Inkarnation besserer Geister vollziehen, die auf Erden eine neue Generation bilden werden. Dann werden die Geister der Bösen, die der Tod jeden Tag dahinrafft, und alle, die den Fortschritt aufzuhalten streben, ausgeschlossen sein: Denn inmitten der guten Menschen, deren Glück sie nur trüben würden, wären sie nicht an ihrem Platz. Sie werden in neue, weniger fortgeschrittene Welten ziehen, mühsame Missionen zu übernehmen haben, wo sie an ihrer eigenen Besserung arbeiten können, während sie gleichzeitig für den Fortschritt ihrer noch weiter zurückgebliebenen Brüder arbeiten. Erblickt ihr nicht in dieser Ausschließung von der umgewandelten Erde das erhabene Bild des „verlorenen Paradieses“ und in dem unter ähnlichen Bedingungen zur Erde gekommenen Menschen, der den Keim seiner Leidenschaften in sich und die Spuren seiner ursprünglichen Niedrigkeit an sich trägt, das nicht minder erhabene Bild der „Erbsünde“? So betrachtet hängt die Erbsünde mit der unvollkommenen Natur des Menschen zusammen. Der Mensch ist für sich selbst verantwortlich, für seine Fehler und nicht für die seiner Eltern.
,,Ihr alle also, die ihr lauter und guten Willens seid, arbeitet mit Eifer und mit Mut an dem großen Werk der Wiedergeburt, denn tausendfältige Frucht wird euch das Samenkorn tragen, das ihr sät. Wehe aber denjenigen, die ihre Augen dem Licht verschließen, denn sie bereiten sich lange Jahrhunderte der Finsternis und der Enttäuschungen. Wehe denen, die all ihre Freuden nur in den Gütern dieser Welt suchen, denn sie werden mehr Entbehrungen erdulden, als sie Genüsse gehabt haben. Wehe besonders den Egoisten, denn niemanden werden sie finden, ihnen die Last ihres Elends tragen zu helfen.“
hl. Ludwig
SCHLUSS
Sollten die Hindernisse, die man seinen Manifestationen bereiten wollte, dieselben zu unterdrücken imstande sein? Nein, denn sie würden dasselbe bewirken, wie alle Verfolgungen: Sie würden die Neugierde und den Wunsch erregen, das Verbotene kennen zu lernen. Wären andererseits die spiritistischen Manifestationen das Vorrecht eines einzigen Menschen, so würde man ohne Zweifel mit der Beseitigung dieses letzteren auch den Manifestationen ein Ende machen. Allein zum Unglück für die Gegner stehen jedermann Manifestationen zur Verfügung, und Groß und Klein, Palast wie Strohhütte machen davon Gebrauch. Man kann ihr öffentliches Auftreten verbieten, aber man weiß ja, dass sie gerade nicht in der Öffentlichkeit am besten gelingen, sondern in engen Zirkeln. Da nun jeder ein Medium sein kann, wer will da die Familie in ihrem eigenen Schoß, den einzelnen in der Stille seiner Kammer, den Gefangenen hinter Schloss und Riegel hindern, Unterhaltungen mit den Geistern zu pflegen, ohne Vorwissen, ja selbst angesichts der Häscher? Untersagt man sie in einem Land, wird man sie dann auch in den Nachbarländern, in der ganzen Welt verhindern, da es ja nicht eine einzige Gegend auf den beiden Halbkugeln gibt, wo keine Medien wären? Wollte man sämtliche Medien einsperren, so müsste man die Hälfte des Menschengeschlechts einsperren. Gelänge es selbst, was kaum weniger schwierig wäre, alle spiritistischen Bücher zu verbrennen, sie wären sofort wieder gedruckt; denn ihrer Quelle ist nicht beizukommen und die Geister, die deren wirkliche Urheber sind, kann man weder einsperren noch verbrennen.
Auch die Gegner kann man in drei Klassen teilen:
Hören wir hierüber und zum Schluss das Geistwesens hl. Augustin.
hl. Augustin
ERRATA *
Seite 80, Frage, am Schluss der Anmerkung ist beizufügen:
„Nach dem natürlichen Tod beginnt die Verwirrtheit noch vor dem körperlichen Tod und der Geist verliert jedes Bewusstsein von sich, selbst im Augenblick des Todes. Demnach ist es ihm nicht möglich seinen letzten Atemzug zu erleben. Der Todeskampf ist eine Auswirkung des Nervensystems, wo von der Sterbende selten betroffen ist. Wir sagen fast nie, weil in einigen Fällen können diese leidvollen Augenblicke als Sühne auferlegt worden sein.“
Seite 204, Frage Nr. 226, am Schluss der Antwort beizufügen:
„Unter den nicht inkarnierten Geistern gibt es solche, die eine Mission zu erfüllen haben, die sich aktiv beschäftigen und eine relative Glückseligkeit genießen. Andere irren in der Ungewissheit herum. Sie sind wortwörtlich Herumirrende, und sie werden auch als „leidende Seelen“ bezeichnet. Die Ersteren betrachten sich nicht als Herumirrende, weil sie, im Gegensatz zu den anderen, ihre Lage besser verstehen.“ (1015)
Seite 234, Frage Nr. 285, gilt beizufügen:
„Falls es notwendig sein sollte, können sie sich durch ihr Aussehen auf Erden, wiedererkennen. Die Geister, die den neuangekommenen Geist empfangen, dem sein neuer Zustand noch nicht so vertraut ist, nehmen eine Gestalt an, die es möglich macht, vom Neuangekommenen erkannt zu werden.“ **)
Seite 295, Frage Nr. 437, gilt beizufügen:
„Siehe Frage Nr. 257, Theoretische Abhandlung über die Empfindung bei den Geistern.“
Seite 317, Frage Nr. 479, gilt beizufügen:
„Siehe ,Das Buch der Medien’, Kapitel ,Von den Besessenen’.“
Seite 365, Frage Nr. 586, gilt beizufügen:
In der Antwort zur Frage 586 streichen: „und intuitiv“.
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* Diese Errata wird zum ersten Mal in der 5. Auflage (1861) in das Buch der Geister aufgenommen. In den späteren Auflagen wird von der Errata nur noch die Anmerkung Allan Kardec’s, betreffend der Antwort auf die Frage 586, enthalten sein. So steht es in der 10. Auflage (1863) und den darauffolgenden Auflagen. Die hier erwähnten Seiten 73, 109, 137, 191, 210 und 252 beziehen sich auf die gleichnummerierten Seiten der 2. französischen Originalausgabe (1860) und entsprechen in dieser neuen Ausgabe des Internationalen Spiritistischen Rates den Seiten 150, 191, 219, 278, 298 und 344. (Anmerkung der Übersetzer)
** Allan Kardec bezieht sich hier auf die Frage 285a