Das Buch der Geister

Allan Kardec

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Leben in der Isolation. Schweigegelübde.

769. Man begreift, dass das gesellige Leben, allgemein gesprochen, in der Natur des Menschen liegt, da aber auch jede Neigung in der Natur liegt, warum sollte denn der Neigung an unbedingter Isolation zu verurteilen sein, wenn der Mensch in derselben seine Befriedigung findet?
„Die Befriedigung des Egoisten. Es gibt auch Leute, die im Rausch ihre Befriedigung finden. Billigst du sie etwa? Ein Leben kann Gott nicht wohlgefällig sein, durch das man sich dazu verurteilt, niemandem nützlich zu sein.“



770. Was ist von den Menschen zu halten, die, um die verderbliche Berührung mit der Welt zu meiden, in unbedingter Abgeschlossenheit leben?
Zweifacher Egoismus.“


770a. Wenn aber diese Zurückgezogenheit eine Sühne zum Zweck hat, indem man sich eine mühsame Entbehrung auferlegt, ist sie dann nicht verdienstlich?
„Mehr Gutes tun, als man Böses getan hat, das ist die beste Sühne. Indem er ein Übel vermeidet, verfällt er in ein anderes, weil er das Gesetz der Liebe und Barmherzigkeit vergisst.“



771. Was ist von denen zu halten, welche der Welt entfliehen, um sich der Pflege der Unglücklichen zu widmen?
„Diese erhöhen sich, indem sie sich erniedrigen. Sie haben das doppelte Verdienst, sich über die sinnlichen Genüsse zu erheben und Gutes zu tun, indem sie das Gesetz der Arbeit erfüllen.“


771a. Und die, welche in der Abgeschiedenheit die Ruhe suchen, die ihnen gewisse Arbeiten zum Bedürfnis machen?
„Das ist nicht die unbedingte Zurückgezogenheit des Egoisten: sie schließen sich nicht von der Gesellschaft aus, da sie für dieselbe arbeiten.“



772. Was ist von dem Gelübde des Stillschweigens zu halten, das sich seit dem höchsten Altertum gewisse Sekten auferlegen?
„Fragt euch lieber selbst, ob die Sprache in der Natur liege und warum sie Gott verliehen hat. Gott verdammt den Missbrauch und nicht den Gebrauch der von ihm verliehenen Fähigkeiten. Demnach ist das Stillschweigen von Nutzen; denn in demselben sammelst du dich, dein Geist wird freier und vermag dann mit uns in Verbindung zu treten. Ein Gelübde des Schweigens aber ist eine Albernheit. Ohne Zweifel haben die, welche diese freiwilligen Entbehrungen als tugendhafte Handlungen ansehen, einen guten Zweck dabei; aber sie sind im Irrtum, weil sie die wahren Gesetze Gottes nicht hinreichend kennen.“


Das Gelübde unbedingten Stillschweigens sowie das der Einsamkeit beraubt den Menschen der gesellschaftlichen Beziehungen, welche ihm Gelegenheit bieten können Gutes zu tun und das Gesetz des Fortschrittes zu erfüllen.