Das Buch der Geister

Allan Kardec

Zurück zum Menü

131. Gibt es Dämonen in dem mit diesem Wort verbundenen Sinne?
„Gäbe es Dämonen, so wären sie das Werk Gottes.Wäre nun Gott gut und gerecht, wenn er für ewig dem Bösen geweihte und unglückselige Wesen geschaffen hätte? Gibt es Dämonen, so wohnen sie in deiner niederen und anderen dergleichen Welten. Heuchlerische Menschen sind es, die aus einem gerechten Gott einen bösen und rachsüchtigen Gott machen und welche ihm zu gefallen meinen, durch die Gräuel, die sie in seinem Namen begehen.“


“Das Wort Dämon schließt die Vorstellung eines bösen Geistes nur im modernen Sprachgebrauch ein, denn das griechische Wort ‚ δаίμωυ‘, aus dem es entstanden ist, bezeichnet Genius, Intelligenz und wurde für gute und böse Wesen ohne Unterschied gebraucht.“


Die Dämonen im allgemeinen Sinn bezeichnen wesentlich bösartige Wesen. Sie waren, wie alles, eine Schöpfung Gottes. Nun kann aber Gott, der allgütige und allgerechte, nicht Wesen geschaffen haben, die durch ihre Natur an die Spitze des Bösen gestellt und für alle Ewigkeit verdammt wären. Wären sie nicht das Werk Gottes, so wären sie, wie er selbst, von Ewigkeit her, oder aber es gäbe mehrere souveräne Mächte.


Die erste Bedingung jeder Lehre ist, dass sie logisch sei; nun aber sündigt die von den Dämonen im absoluten Sinn gegen diese Grundbedingung. Dass in dem Glauben primitiver Völker, welche ohne Kenntnis der Eigenschaften Gottes bösartige Gottheiten annehmen, auch Dämonen angenommen werden, begreift sich. Wem aber die Güte Gottes eine seiner Haupteigenschaften ist, für den ist es unlogisch und widersprechend, dass er Wesen geschaffen haben sollte, die für ewig dem Bösen und seiner Ausübung geweiht wären; denn das hieße seine Güte leugnen. Die Anhänger der Dämonen stützen sich auf die Worte Christi. Wir am allerwenigsten werden die Autorität seiner Lehre bestreiten, die wir übrigens mehr in den Herzen, als im Mund der Menschen zu sehen wünschten. Ist man aber auch des Sinnes, den er mit dem Wort Dämon verband, so ganz sicher? Ist nicht die Allegorie eine der Haupteigenschaft seiner Sprache; sollte das ganze Evangelium buchstäblich zu verstehen sein? Wir führen zum Beweis nur folgende Stelle an:


Alsbald nach jenen Tagen der Trübsal wird sich die Sonne verfinstern und der Mond kein Licht mehr leuchten lassen, die Sterne werden vom Himmel fallen und die Mächte des Himmels werden erschüttert werden. Wahrlich ich sage euch, dieses Geschlecht wird nicht vergehen, bis dies alles erfüllt sein wird.“ Sehen wir nicht die Form des Bibeltextes in den die Schöpfung und die Bewegung der Erde betreffenden Punkten von der Wissenschaft widerlegt? Sollte es nicht derselbe Fall sein mit gewissen Gleichnissen Christi, dessen Sprache sich nach Zeit und Ort richten musste? Christus konnte wissentlich keine Unwahrheit reden; gibt es also in seinen Worten Dinge, die unserem Denken Anstoß erregen, so begreifen wir sie entweder nicht oder wir legen sie falsch aus.


Die Menschen taten mit den Dämonen dasselbe wie mit den Engeln: wie sie hier von Ewigkeit her an vollkommene Wesen glaubten, so nahmen sie dort niedere Geister für ewig verworfene Wesen. Der Sinn des Wortes Dämon erstreckt sich also in Wahrheit über die unreinen Geister überhaupt, die allerdings oft nicht besser sind als was ihr Name bedeutet, jedoch mit dem Unterschied, dass ihr Zustand nur ein vorübergehender ist. Es sind unvollkommene Geister, die gegen ihre Prüfungen murren, und sie dadurch verlängern, die aber einst ans Ziel gelangen, wenn sie dazu den Willen haben werden.


Man könnte also den Ausdruck Dämon mit dieser Einschränkung gelten lassen: da er aber jetzt in einem ausschließlichen Sinn gebraucht wird, so könnte er zu Missverständnissen führen, indem er zum Glauben an das Dasein von Wesen verleitete, die speziell zum Bösen geschaffen wären.


Was Satan betrifft, so ist er offenbar eine allegorische Personifikation des Bösen: denn es lässt sich unmöglich ein böses Wesen annehmen, das ebenbürtig mit der Gottheit ringt und das nichts anderes zu tun hätte, als ihren Plänen entgegenzuwirken. Wie der Mensch Figuren und Bilder braucht, um seine Einbildungskraft zu beschäftigen, so stellte er die unkörperlichen Wesen in einer stofflichen Gestalt und mit Eigenschaften dar, die ihre Vorzüge oder Fehler bedeuten sollen. So malten die Alten, da sie die Zeit personifizieren wollten, dieselbe in der Gestalt eines Greises mit Sense und Sanduhr. Eine Jünglingsgestalt wäre widersprechend gewesen. Ebenso verhält es sich mit den Allegorien des Glücks, der Wahrheit u.a.m.. Die Neueren stellten Engel oder reine Geister mit strahlendem Antlitz, weißen Flügeln als Symbol der Reinheit dar, den Satan mit Hörnern, Krallen und den Attributen der Bestialität, den Symbolen der niedrigen Leidenschaften. Das gemeine Volk, das die Dinge buchstäblich nimmt, erblickte in all dem eine wirkliche Person, sowie es einst den Saturn in der Allegorie der Zeit zu sehen glaubte.