Das Buch der Geister

Allan Kardec

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Zweites Buch – Welt der Geister



KAPITEL I – Von den Geistern



Ursprung und Wesen der Geister

76. Wie sind die Geister zu definieren?
„Man kann sagen, dass die Geister die intelligenten Wesen der Schöpfung sind. Sie bevölkern das Universum ausserhalb der stofflichen Welt.“


- Das Wort ,,Geist” bezeichnet hier die Individualitäten außerkörperlicher Wesen und nicht das universelle intelligente Element. (Anmerkung von Allan Kardec)



77. Sind die Geister von der Gottheit unterschiedene Wesen, oder sollen sie nur Ausströmungen oder Bestandteile der Gottheit sein und deswegen Kinder Gottes zu nennen sein?
„Mein Gott, sie sind sein Werk, genauso wie ein Mensch eine Maschine baut. Diese Maschine ist des Menschen Werk und nicht er selbst. Du weißt, dass wenn ein Mensch eine schöne, nützliche Sache macht, er sie sein Kind, seine Schöpfung nennt. Gerade so ist es mit Gott: Wir sind seine Kinder, weil wir sein Werk sind.“

78. Haben die Geister einen Anfang oder sind sie von Ewigkeit her?
„Hätten sie keinen Anfang gehabt, so wären sie gleich Gott, während sie doch seiner Schöpfung und seinem Willen unterworfen sind. Gott ist von Ewigkeit her, das ist unwider – sprechlich; aber wann und wie er uns geschaffen hat, davon wissen wir nichts. Du kannst sagen, wir seien ohne Anfang, wenn du darunter verstehst, dass, da Gott ewig sei, er ohne Unterbrechung habe schaffen müssen; aber wann und wie jeder von uns erschaffen worden ist, das, sage ich dir noch einmal, weiß keiner: hier liegt das Geheimnis.“



79. Da es zwei universelle Elemente im Universum gibt, das intelligente und das stoffliche, könnte man da etwa sagen, die Geister seien aus dem Intelligenten gebildet, wie die trägen Körper aus den Stofflichen?
„Offenbar. Die Geister sind Individualisationen des intelligenten Prinzips, wie die Körper die des stofflichen. Zeitpunkt und Art und Weise dieser Bildung bleiben unbekannt.“


80. Ist die Schöpfung der Geister eine fortwährende, oder fand sie nur am Anfang der Zeiten statt?
„Sie ist fortwährend, d. h Gott hat nie aufgehört zu schaffen.“


81. Bilden sich die Geister von selbst, oder geht einer aus dem anderen hervor?
„Gott schafft sie wie alle anderen Geschöpfe Kraft seines Willens; aber noch einmal: Ihr Ursprung bleibt ein Geheimnis.“


82. Ist es richtig, dass die Geister immateriell sind?
„Wie kann man etwas definieren, wenn man keine Vergleichgs – punkte und keine ausreichende Sprache hat? Kann ein Blindgeborener das Licht definieren? Immateriell ist nicht das rechte Wort; unkörperlich wäre genauer; denn du siehst doch ein, da der Geist eine Schöpfung ist, er etwas sein muss; er ist ein aufs äußerste verfeinerter Stoff, aber ohne Analogie für euch, und so ätherisch, dass er euren Sinnen entgeht.“


Wir sagen, die Geister seien immateriell, weil ihr Wesen von allem, was wir unter dem Namen Materie kennen, verschieden ist. Ein Volk von Blinden hätte keine Bezeichnungen für das Licht und seine Wirkungen. Der Blindgeborene glaubt im Besitz aller Wahr – nehmungen zu sein durch das Gehör, den Geruch, den Geschmack und den Tastsinn. Er begreift nicht die Vorstellungen, die ihm der ihm fehlende Sinn zuführen würde. Ebenso sind wir bezüglich der Natur der übermenschlichen Wesen wahre Blinde. Wir können sie nur durch stets unzulänglich bleibende Vergleiche oder durch die Anstrengungen der Einbildungskraft definieren.



83. Haben die Geister ein Ende? Das Prinzip, aus dem sie stammen, ist zwar ewig, aber wir fragen: ob ihre Individualität ein Ziel gesteckt ist und ob in einer gegebenen, kürzeren oder längeren Frist das Element, aus dem sie bestehen, sich nicht zerstreut und zur Masse zurückkehrt, wie dies bei den stofflichen Körpern geschieht. Es ist schwer zu begreifen, dass etwas, das einmal anfing, nicht auch einmal enden muss.


„Ihr begreift gar vieles nicht, weil eure Intelligenz beschränkt ist. Das ist aber kein Grund, es zu leugnen. Das Kind begreift auch nicht alles, was sein Vater, noch der Unbelehrte, was der Gelehrte begreift. Kurz, die Existenz der Geister hört nicht auf; das ist alles, was wir jetzt sagen können.“




Ursprüngliche normale Welt

84. Bilden die Geister eine Welt für sich, außerhalb derjenigen, die wir sehen?
„Ja, die Welt der Geister oder der unkörperlichen Intelli – genzen.“

85. Welche von beiden, die geistige oder die körperliche Welt, ist die höhere in der Weltordnung?
„Die geistige; sie existierte früher als die anderen und überlebt alles.“



86. Könnte die Körperwelt aufhören zu sein oder überhaupt nie gewesen sein, ohne dass das Wesen der geistigen Welt sich änderte?
„Ja, sie sind unabhängig voneinander, und doch finden unaufhörlich Beziehungen zwischen beiden statt; denn sie wirken fortwährend aufeinander ein.“



87. Nehmen die Geister einen bestimmten, umschriebenen Ort im Raum ein?
„Die Geister sind überall: die unendlichen Räume sind mit ihnen ins Unendliche bevölkert. Unaufhörlich befinden sich welche an euerer Seite, beobachten euch, wirken auf euch, ohne dass ihr es wisst. Denn die Geister sind eine der Naturmächte und die Werkzeuge, deren Gott sich zur Ausführung seiner vorgesehenen Pläne bedient. Aber nicht alle kommen überall hin, denn es gibt Orte, die den weniger Fortgeschrittenen untersagt sind.“





Gestalt und Allgegenwart der Geister

88. Haben die Geister eine bestimmte, begrenzte und dauernde Gestalt?

Für eure Augen nicht; für die unseren, ja. Sie ist, wenn ihr wollt, eine Flamme, ein Schein oder ein ätherischer Funke.“


88a. Hat diese Flamme oder dieser Funke irgendeine Farbe?
„Für euch wechselt sie vom Dunkeln bis zum Glanze des Rubins, je nachdem der Geist mehr oder weniger rein ist.“ Man stellt gewöhnlich die Genien mit einer Flamme oder einem Stern auf der Stirn dar. Das ist eine Allegorie, um die Natur der Geister auszudrücken. Man setzt es dann auf das Haupt, weil hier der Sitz der Intelligenz ist.


89. Brauchen die Geister irgendwelche Zeit, um den Raum zu durch – messen?
„Ja, aber sie tun es schnell wie der Gedanke.“


89a. Ist der Gedanke nicht die Seele selbst, welche sich fortbewegt?
„Wenn der Gedanke irgendwo ist, so ist die Seele auch dort, weil es die Seele ist, welche denkt. Der Gedanke ist eine Eigenschaft.“


90. Hat der Geist, der sich von einem Ort zum anderen bewegt, ein Bewusstsein von der Entfernung, die er durchmisst, und von den Räumen, die er durchschreitet? Oder befindet er sich plötzlich da, wohin er sich begeben will?
„Beides. Der Geist weiss gar wohl, wenn er will, von dem durchmessenen Raum, aber diese Entfernung kann für ihn auch ganz verschwinden; das hängt von seinem Willen, wie auch von seiner reineren oder unreineren Natur ab.“


91. Bildet der Stoff für die Geister ein Hindernis?
„Nein, sie durchdringen alles: Luft, Erde, Wasser, selbst Feuer sind ihnen gleich zugänglich.“




92. Haben sie die Gabe der Allgegenwärtigkeit, mit anderen Worten: kann derselbe Geist sich teilen oder an mehreren Orten zugleich sein?
„Eine Teilung desselben Geistes kann es nicht geben; aber jeder ist ein Mittelpunkt, der nach verschiedenen Seiten strahlt, und darum scheint er an mehreren Orten zugleich zu sein. Du siehst die Sonne, sie ist nur eine und doch strahlt sie ringsherum und wirft ihre Strahlen in unendliche Fernen; dennoch teilt sie sich nicht.“


92a. Strahlen alle Geister mit derselben Kraft?
„Weit entfernt, das hängt vielmehr von dem Grad ihrer Reinheit ab.“


Jeder Geist ist eine unteilbare Einheit, aber jeder kann seine Gedanken nach verschiedenen Seiten ausbreiten, ohne sich deshalb zu teilen. Nur in diesem Sinn darf man den Geistern die Gabe der Allgegenwärtigkeit zuschreiben. So wirft ein Funke sein Licht in weite Ferne, so dass es von allen Punkten des Horizonts bemerkt wenden kann. So kann ein Mensch, ohne seinen Ort zu ändern und ohne sich zu teilen, Befehle, Signale, Bewegungen nach verschiedenen Punkten übermitteln.




Perispirit

93. Ist der Geist im engeren Sinn ohne Hülle oder ist er, wie einige behaupten, mit irgendeiner Substanz umgeben?
„Der Geist ist von einer für dich dunstigen, für uns aber noch sehr groben Substanz umhüllt, die indessen noch dünn genug ist, um sich in die Atmosphäre erheben und dahin begeben zu können, wohin er will.“


So wie der Keim einer Frucht von der Keimhülle (Perisperma), so ist der Geist im engeren Sinn von einer Hülle umgeben, die man vergleichsweise „Perispirit“ nennen kann.



94. Woher entnimmt der Geist seine halbstoffliche Hülle?
„Aus dem universellen Fluidum jedes Himmelskörpers. Darum ist sie nicht auf allen Himmelskörpern dieselbe: indem der Geist von einer Welt in die andere sich begibt, wechselt er seine Hülle, so wie ihr die Kleider wechselt.“


94a. Wenn also die Geister höherer Welten zu uns kommen, nehmen sie einen gröberen Perispirit an?
„Sie müssen sich mit eurem Stoff bekleiden, wie schon gesagt.“


95. Nimmt die halbstoffliche Hülle des Geistes eine feste Gestalt an und kann sie wahrnehmbar werden?
„Ja, eine Gestalt wie sie ihm beliebt und so erscheint er euch zuweilen teils im Traum, teils im wachen Zustand und kann eine sichtbare, ja greifbare Form annehmen.“ .




Verschiedene Ordnungen der Geister

96. Sind die Geister alle gleich oder gibt es bei ihnen irgend eine Abstufung?
„Sie sind verschiedenen Ranges, je nach dem Grad der Vervoll – kommnung, zu der sie gelangt sind.“



97. Gibt es eine bestimmte Zahl von Ordnungen oder Stufen der Vollkommenheit bei den Geistern?
„Ihre Zahl ist unbegrenzt, weil es zwischen diesen Stufen keine Grenzlinie gleich einer Schranke gibt und man daher die Einteilung nach Belieben vereinfachen oder vervielfältigen kann. In Bezug auf die Hauptunterschiede kann man jedoch drei Hauptstufen annehmen.


„Zur höchsten oder ersten Stufe kann man diejenigen rechnen, welche bei der Vollendung angelangt sind: die reinen Geister. Die der zweiten Stufe stehen auf der Mitte der Stufenleiter: die Sehnsucht gut zu werden beherrscht sie. Die der untersten Stufe stehen noch unten auf der Leiter: es sind die unvollkommenen Geister. Man erkennt sie an ihrer Unwissenheit, an ihrer Sehnsucht nach dem Bösen und allen schlechten Eigenschaften, die ihren Fortschritt hemmen.“


98. Haben die Geister der zweiten Stufe nur die Sehnsucht, nicht auch die Macht Gutes zu tun?
„Sie haben diese Macht je nach dem Grad ihrer Vollkommen – heit: Die einen haben das Wissen, die anderen die Weisheit und Güte, alle aber haben noch Prüfungen zu bestehen.“



99. Sind die Geister dritten Ranges alle wesentlich böse?
„Nein, die einen tun weder Gutes noch Böses, andere dagegen gefallen sich im Bösen und fühlen sich befriedigt, wenn sie Gelegenheit finden Böses zu tun. Dann gibt es noch die leichtfertigen und Poltergeister, die mehr als Störenfriede und in kleinen Bosheiten, als in eigentlicher Schlechtigkeit sich gefallen und die in Mystifikationen und Herbeiführung kleiner Widerwärtigkeiten ihr Vergnügen finden.“




Geistige Stufenleiter

100. VORBEMERKUNGEN: Die Einteilung der Geister beruht auf dem Grad ihres Fortschritts, auf den Eigenschaften, die sie schon errungen haben und auf den Unvollkommenheiten, deren sie sich noch entledigen müssen.


Diese Einteilung ist übrigens keine absolute; jede Kategorie bezeichnet ein nur im Großen und Ganzen dargestelltes Bild; aber der Übergang von einer Stufe zur andern ist ein unmerklicher und auf den Grenzen verschwindet der Unterschied, wie im Reich der Natur, wie bei den Farben des Regenbogens oder auch wie in den verschiedenen Perioden des menschlichen Lebens. Man kann also je nach dem Gesichtspunkt, unter dem man die Sache anschaut, eine größere oder kleinere Zahl von Klassen annehmen. Es ist damit wie mit allen wissenschaftlichen Einteilungen; die Systeme können mehr oder weniger vollständig, rationell oder bequem sein; jedenfalls aber ändern sie nichts an der Grundlage der Wissenschaft. Die hierüber befragten Geister konnten somit verschiedene Zahlen der Kategorien aufstellen, ohne dass das etwas für die Zukunft beweise. Man wollte nun aus diesem scheinbaren Widerspruch Kapital schlagen, ohne zu bedenken, dass die Geister auf rein konventionelles kein Gewicht legen. Für sie ist der Gedanke alles, uns überlassen sie die Form, die Wahl der Ausdrücke, die Einteilung, kurz die Systeme. Fügen wir noch hinzu, was man nie aus den Augen verlieren darf, dass es unter den Geistern wie bei den Menschen sehr unwissende gibt, und dass man sich nicht genug vor der Annahme hüten kann, dass alle alles wissen, weil es eben Geister seien. Jede Einteilung erfordert Methode, Analyse und gründliche Kenntnis des Gegenstandes. Nun sind in der Welt der Geister diejenigen, welche beschränkte Kenntnisse haben, gerade so wie hier auf Erden die Unwissenden, nicht fähig ein Ganzes zu umfassen, ein System aufzustellen und sie kennen und begreifen nur unvollkommen irgendwelche Einteilung. Für sie gehört jeder Geist, der ihnen überlegen ist, zur höchsten Ordnung, ohne dass sie die verschiedenen Schattierungen des Wissens, der Fähigkeit, der Moral zu unterscheiden wüssten, gerade so wie bei uns ein roher Mensch es mit den Gebildeten hält. Selbst die, welche des-sen fähig sind, können im Einzelnen, je nach ihrem Standpunkt, verschiedener Meinung sein, besonders, wenn in der Einteilung nichts Entscheidendes liegt. Linnée, Justieu, Tournefort hatten jeder seine eigene Methode, die Botanik hat sich aber deswegen nicht geändert. Sie haben eben weder die Pflanzen, noch deren Kennzeichen erfunden; sie beobachteten nur die Ähnlichkeiten und bildeten demnach ihre Gruppen und Klassen. So sind auch wir vorgegangen. Wir erfanden weder die Geister, noch deren Kennzeichen. Wir sahen und beobachteten, wir beurteilten sie nach ihren Worten und Taten, und ordneten sie dann nach ihren Ähnlichkeiten, nach den Angaben, die sie uns machten.


Die Geister nehmen im Allgemeinen drei Hauptkategorien oder Hauptabteilungen an. In der letzten, unten an der Stufenleiter sind die unvollkommenen Geister, zu erkennen am Übergewicht des Stoffes über den Geist und den Hang zum Bösen. Die der Zweiten sind zu erkennen an dem Übergewicht des Geistes über den Stoff und an der Sehnsucht nach dem Guten: das sind die guten Geister.


Die Erste umschließt die reinen Geister, die, welche die höchste Stufe der Vollkommenheit erreicht haben. Diese Einteilung scheint uns ebenso vernunftgemäß wie klar. Uns blieb nur noch übrig, die Hauptschattierungen des Ganzen durch eine hinreichende Zahl von Unterabteilungen hervortreten zu lassen. Das taten wir unter Beihilfe der Geister selbst, deren wohlwollende Belehrungen uns nie im Stich ließen. Mit Hilfe dieser Übersicht wird es nicht schwer fallen, Rang und Stufe der Geister, mit denen wir in Beziehung treten können, und somit auch den Grad von Achtung und Vertrauen, den sie verdienen, zu bestimmen. Es ist dies gewissermaßen der Schlüssel zur spiritistischen Wissenschaft, der allein uns Rechenschaft geben kann von der Unzuverlässigkeit der Geistermitteilungen, indem er uns über die intellektuellen und moralischen Ungleichheiten der Geister belehrt. Indessen gehört ein Geist nicht immer ausschließlich nur einer Klasse an; da der Fortschritt sich nur allmählich und bald in dieser, bald in jener Richtung vollzieht, so kann einer die Kennzeichen mehrerer Klassen in sich vereinigen, was sich leicht aus Sprache und Handlungen desselben entnehmen lässt.





Dritte Stufe: Unvollkommene Geister

101. ALLGEMEINE KENNZEICHEN: Herrschaft des Stoffes über den Geist. Neigung zum Bösen. Unwissenheit, Hochmut, Egoismus und alle bösen hieraus entspringenden Leidenschaften.


Sie schauen zwar Gott, aber sie erkennen ihn nicht. Nicht alle sind wesentlich böse; bei einigen findet sich mehr Leichtsinn, Inkonsequenz und Bosheit, als eigentliche Schlechtigkeit. Die einen tun weder Gutes noch Übles; aber schon dadurch, dass sie kein Gutes tun, beweisen sie ihre Niedrigkeit. Andere wiederum gefallen sich im Bösen und freuen sich, wenn sie dazu Gelegenheit finden.


Sie können ihre Intelligenz mit Schlechtigkeit oder Bosheit verbinden, aber trotz ihrer intellektuellen Entwicklung sind ihre Ideen wenig erhabener und ihre Gefühle mehr oder weniger niedriger Natur. Ihre Erkenntnisse von der geistigen Welt sind beschränkt und das Wenige, das sie von ihr wissen, vermischt sich mit den Vorstellungen und Vorurteilen ihres Lebens im Leib. Sie vermögen uns von jener nur einen falschen und unvollständigen Begriff zu geben; aber der aufmerksame Beobachter findet doch oft selbst in ihren unvollkommenen Mitteilungen die Bestätigung der großen, von den höheren Geistern gelehrten Wahrheiten.


Ihr Charakter zeigt sich in ihrer Sprache. Jeder Geist, der in seinen Mitteilungen einen bösen Gedanken verrät, dürfen wir zur dritten Stufe zählen und folglich stammt auch jeder uns eingegebene böse Gedanke von einem Geist dieser Stufe.


Sie schauen das Glück der Guten und dieser Anblick ist für sie eine unaufhörliche Qual; denn sie empfinden alle vom Neid und der Eifersucht erregten Gefühle. Sie bewahren die Erinnerung und Kenntnis der Leiden im Leben und dies ist oft schmerzlicher, als die Wirklichkeit selbst. Sie leiden somit in Wahrheit so wohl von dem Übel, das sie selbst einst erlitten, als von dem, das sie andere haben erleiden lassen. Und da sie lange leiden, so meinen sie stets zu leiden; Gott will es so, auf das sie gestraft werden.
Man kann diese Stufe in 5 Hauptklassen teilen.


102. Zehnte Klasse: DIE UNREINEN GEISTER


Sie sind zum Bösen geneigt und machen es zum Gegenstand ihrer Vorliebe. Als Geister geben sie trügerische Ratschläge, flößen Zwietracht und Misstrauen ein und nehmen jede Maske hervor, um besser zu betrügen. Sie heften sich, um sie ins Verderben zu treiben, an Charaktere, die schwach genug sind, ihren Einflüsterungen nachzugeben und sind zufrieden, wenn sie deren Fortschritt durch ihr Unterliegen in den Prüfungen aufhalten können.


Bei den Manifestationen erkennt man sie an der Sprache. Gemeinheit und Grobheit des Ausdruckes ist, bei den Geistern wie bei den Menschen, stets ein Zeichen geringer moralischer, wenn nicht auch intellektueller Werte. Ihre Mitteilungen verraten die Niedrigkeit ihrer Neigungen und wenn sie durch ein vernünftiges Gebaren zu täuschen suchen, vermögen sie nicht lange ihr Spiel durchzuführen, sondern verraten schließlich stets ihren Ursprung.


Einige Völker machten aus ihnen böse Gottheiten, andere bezeichnen sie mit dem Namen Dämonen, böse Geister. Die noch im Körper lebenden Wesen, welche sie beeinflussen, sind zu allen Lastern geneigt, welche schlechte und erniedrigende Leidenschaften erzeugen: Zu Sinnlichkeit, Grausamkeit, Betrug, Heuchelei, Begehrlichkeit, niederträchtigem Geiz. Sie tun das Böse aus Freude daran, gewöhnlich ohne Motive, und aus Hass gegen das Gute wählen sie ihre Opfer fast immer unter den rechtschaffenen Leuten. Sie sind wahre Plagen für die Menschheit, ungeachtet welchem Range der Gesellschaft sie angehören; der Deckmantel der Zivilisation bewahrt sie nicht vor Schimpf und Schande.


103. Neunte Klasse: DIE LEICHTFERTIGEN GEISTER


Sie sind unwissend, boshaft, inkonsequent und zum Spott neigend. Sie mischen sich in alles, antworten auf alles, ohne sich um die Wahrheit zu bekümmern. Sie gefallen sich darin, kleine Nöte und kleine Freuden zu bereiten, zu necken und in boshafter Weise durch Mystifikationen und Schelmereien zum Irrtum zu verleiten. Hierher gehören die gemeiniglich mit dem Namen Poltergeister, Kobolde, Gnomen bezeichneten Geister. Sie stehen in Abhängigkeit von den höheren Geistern, die sich ihrer oft wie wir uns der Diener bedienen.


In ihren Mitteilungen an die Menschen ist ihre Sprache oft geist – reich und drollig, aber fast stets ohne Tiefe. Schnell fassen sie unsere Verkehrtheiten und Lächerlichkeiten auf und geißeln sie mit beißender Satire. Entlehnen sie angenommene Namen, so tun sie es öfters aus Bosheit, als aus eigentlicher Schlechtigkeit.


104. Achte Klasse: DIE PSEUDO – GELEHRTEN GEISTER


Ihre Kenntnisse sind ziemlich groß, aber sie meinen mehr zu wissen, als sie wirklich wissen. Da sie in mancher Beziehung einige Fortschritte gemacht hatten, zeigt ihre Sprache einen ernsten Charakter, der leicht über ihre wirklichen Fähigkeiten und Einsichten täuschen kann. Meistens ist dies, aber nur ein Wiederschein der Vorurteile und gelehrten Kenntnisse des irdischen Lebens: eine Mischung von einigen Wahrheiten mit den einfältigsten Irrtümern, aus denen die Anmaßung, der Hochmut, die Eifersucht und Starrköpfigkeit ihres früheren Lebens hervorschauen.



105. Siebte Klasse: DIE NEUTRALEN GEISTER


Sie sind weder hinlänglich gut, um Gutes, noch hinlänglich schlecht, um Böses zu tun. Sie neigen sich gleich sehr nach beiden Seiten hin und erheben sich weder moralisch noch intellektuell über den Durchschnitt der Menschheit. Sie hängen an den Dingen dieser Welt, deren grobe Freuden sie schmerzlich vermissen.


106. Sechste Klasse: DIE KLOPF – UND STÖRGEISTER


Diese Geister bilden in Beziehung auf ihre persönlichen Eigenschaften eigentlich keine besondere Klasse; sie können zu jeder Klasse der dritten Stufe gehören. Sie verraten ihre Gegenwart oft durch augenscheinliche und physische Wirkungen, wie durch Klopfen, anormales Bewegen und Versetzen fester Gegenstände, Bewegung der Luft u.s.w.. Sie scheinen mehr als andere an den Stoff gebunden und die hauptsächlichsten wirkenden Kräfte bei den Wechsel-fällen der Elemente der Erde zu sein, mögen sie nun auf Luft, Wasser, Feuer, harte Körper oder in den Eingeweiden der Erde wirken. Man erkennt jetzt an, dass diese Erscheinungen nicht einer zufälligen und physischen Ursache entstammen, wenn sie einen absichtlichen und intelligenten Charakter an sich tragen. Alle Geister können diese Erscheinungen hervorbringen, aber die höheren Geister überlassen sie gewöhnlich den niedereren, da diese sich zu stofflichen Wirkungen besser eignen, als zu intelligenten. Halten jene Manifestationen dieser Art für nützlich, so bedienen sie sich dieser Geister als Helfer.





Zweite Stufe: Gute Geister

107. ALLGEMEINE KENNZEICHEN: Vorwiegen des Geistes über den Stoff, Sehnsucht nach dem Guten. Ihre Eigenschaften und ihre Macht Gutes zu tun stehen im Verhältnis zur Stufe, zu der sie gelangt sind. Die einen haben Wissen, die anderen Weisheit und Güte, die fortgeschrittensten vereinigen das Wissen mit moralischen Eigenschaften. Da sie noch nicht ganz entstofflicht sind, tragen sie, je nach ihrem Rang, noch mehr oder weniger die Spuren ihres Leibeslebens an sich, sei es in der Form der Sprache, sei es in ihren Gewohnheiten, unter denen man selbst einige ihrer Manien findet. Sonst wären sie vollendete Geister.


Sie begreifen Gott und das Unendliche und genießen schon die Seligkeit der Guten. Sie freuen sich des Guten, das sie tun und des Bösen, das sie verhindern. Die sie verbindende Liebe wird ihnen zur Quelle eines unaussprechlichen Glücks, das weder von Neid, noch von Gewissensbissen, noch von den schlechten Leidenschaften getrübt wird, welche die Qual der unvollkommenen Geister bilden. Alle haben jedoch noch Prüfungen zu bestehen, bis sie die ganze Vollkommenheit erreicht haben.


Als Geister erregen sie gute Gedanken, bewahren die Menschen vor den Wegen des Bösen, beschützen im Leben die, welche sich dessen würdig zeigen und schwächen den Einfluss der unvollkommenen Geister bei den Menschen ab, welche sich demselben nicht gerne hingeben. Diejenigen, welche inkarniert sind, sind gut und wohlwollend gegen ihre Nächsten. Sie lassen sich weder durch Hochmut, noch durch Eigennutz, noch Ehrgeiz bestimmen. Sie empfinden weder Hass noch Groll, Neid oder Eifersucht und tun das Gute um des Guten willen.


Zu dieser Stufe gehören die im Volksglauben mit dem Namen „gute Geister“ oder „Schutzgeister“ bezeichneten Geister. In den Zeiten des Aberglaubens und der Unwissenheit machte man aus ihnen gute Gottheiten. Man kann sie in 4 Hauptgruppen teilen.



108. Fünfte Klasse: WOHLWOLLENDE GEISTER


Ihre Haupteigenschaft ist die Güte. Sie freuen sich, den Menschen zu dienen und sie zu beschützen; aber ihr Wissen ist beschränkt: Ihr Fortschritt geschah mehr im moralischen, als im intellektuellen Sinn.



109. Vierte Klasse: GELEHRTE GEISTER


Sie zeichnen sich besonders durch den Umfang ihres Wissens aus. Sie sind weniger zu moralischen, als zu wissenschaftlichen Fragen geneigt, für die sie auch mehr Geschick haben. Aber sie betrachten die Wissenschaft nur vom Gesichtspunkt des Nutzens und mischen nichts von den Leidenschaften hinein, die den unvollkommenen Geistern eigen sind.


110. Dritte Klasse: WEISE GEISTER


Die moralischen Eigenschaften der höchsten Stufe bilden ihr unterscheidendes Merkmal. Ohne unbegrenzte Kenntnisse zu besitzen, sind sie doch mit einer Intelligenz begabt, die ihnen ein gesundes Urteil über Menschen und Dinge ermöglicht.


111. Zweite Klasse: HÖHERE GEISTER


Sie vereinigen in sich Wissen, Weisheit und Güte. Ihre Sprache atmet nur Wohlwollen, ist immer würdig, ernst, oft erhaben. Ihre Überlegenheit befähigt sie mehr als die anderen, uns die treffenderen Begriffe über die Dinge der anderen Welt, soweit es dem Menschen erlaubt ist sie zu erkennen, mitzuteilen. Sie eröffnen sich gerne denjenigen, welchen es um die Wahrheit ehrlich zu tun ist und deren Seele hinlänglich frei ist von den irdischen Banden; aber sie halten sich fern von denen, welche nur die Neugierde treibt oder welche das Gewicht der Materie vom Tun des Guten abzieht.


Wenn sie ausnahmsweise sich auf der Erde inkarnieren, so geschieht es, um hier eine Mission des Fortschritts zu übernehmen, und sie zeigen uns dann ein Vorbild der Vollkommenheit, zu der die Menschheit hier auf Erden gelangen kann.




Erste Stufe: Reine Geister

112. ALLGEMEINE KENNZEICHEN: Keine Beeinflussung durch die Materie. Unbedingte intellektuelle und moralische Überlegenheit gegenüber den Geistern der anderen Stufen.


113. ERSTE UND EINZIGE KLASSE


Sie haben die ganze Stufenleiter durchlaufen und alle Verunrei – nigungen des Stoffes abgelegt. Da sie den höchsten Grad der Vervollkommnung, deren die Geschöpfe fähig sind, erreicht haben, stehen ihnen keine Prüfungen und Sühnungen mehr bevor. Da sie der Reinkarnation in vergängliche Körper nicht mehr unterworfen sind, führen sie in Gottes Schoß ein ewiges Leben.


Sie genießen eine unwandelbare Seligkeit, da sie weder den Bedürfnissen noch den Wechselfällen des stofflichen Lebens unterworfen sind. Aber diese Seligkeit ist keineswegs die einförmige Untätigkeit in einer immerwährenden Beschaulichkeit. Sie sind die Boten und Diener Gottes, dessen Befehle zur Aufrechthaltung der universellen Harmonie sie ausführen. Sie gebieten über alle ihnen untergeordneten Geister, unterstützen sie in ihrer Selbstvervollkommnung und weisen ihnen ihre Berufung an. Den Menschen im Unglück beizustehen, sie zum Guten und zur Sühnung der Fehler, die sie von der höchsten Seligkeit zurückhalten, anzureizen, das ist für sie eine süße Beschäftigung. Man bezeichnet sie zuweilen mit dem Namen Engel, Erzengel oder Seraphen.


Die Menschen können mit ihnen in Verbindung treten, aber höchst vermessen wäre derjenige, der da meinte sie stets zu seinen Diensten zu haben.






Fortschritt der Geister

114. Sind die Geister von Natur gut oder böse, oder sind es dieselben Geister, die sich allmählich bessern?
„Das Letztere: indem sie sich bessern, steigen sie aufwärts von einer Stufe zur anderen.“


115. Sind die einen Geister gut, die anderen böse geschaffen worden?
„Gott schuf alle Geister einfach und unwissend, d.h. ohne Wissen. Er gab einem jeden eine Berufung, um ihn heranzubilden und ihn durch Erkenntnis der Wahrheit Schritt für Schritt zur Vollendung zu führen und ihn sich näher zu bringen. Die ewige und ungemischte Glückseligkeit liegt für sie in dieser Vollendung. Die Geister eignen sich diese Erkenntnisse an; indem sie die ihnen von Gott auferlegten Prüfungen durchmachen. Die einen nehmen dieselben mit Ergebung an und gelangen schneller ans Ziel ihrer Bestimmung; andere unterziehen sich denselben nur mit Murren und bleiben so durch ihren eigenen Fehler fern von der Vollendung und dem verheißenen Glück.“


115a. Demnach scheinen die Geister bei ihrer Entstehung gleich den Kindern unwissend und unerfahren zu sein, würden aber allmählich die ihnen mangelnden Kenntnisse beim Durchschreiten der verschiedenen Phasen des Lebens sich erwerben?
„Ja, der Vergleich trifft zu: Das widerspenstige Kind bleibt unwissend und unvollkommen; es gedeiht mehr oder weniger, je nach seiner Gelehrigkeit. Aber des Menschen Leben nimmt ein Ende und das der Geister dehnt sich aus in die Unendlichkeit.“



116. Gibt es Geister die ewig auf der unteren Stufe bleiben werden?
„Nein, alle werden einst vollkommen sein. Sie ändern sich, aber das dauert lange. Denn, wie wir schon einmal sagten, ein gerechter und barmherziger Vater kann seine Kinder nicht ewig von sich stoßen. Möchtest du denn, dass der so große, so gute und gerechte Gott weniger gut sei, als eure Väter es sind?“



117. Liegt es in der Macht der Geister, ihren Fortschritt zu beschleunigen?
„Gewiss. Sie gelangen mehr oder weniger schnell zum Ziel je nach ihrer Sehnsucht und ihrer Unterwerfung unter den Willen Gottes. Schreitet ein gelehriges Kind nicht schneller fort, als ein widerspenstiges?“



118. Können die Geister degenerieren?
„Nein, je weiter sie fortschreiten, desto mehr sehen sie ein, was sie von der Vollendung entfernte. Hat der Geist eine Prüfung bestanden, so hat er die Erkenntnis davon und er vergisst sie nicht mehr. Er kann stehen bleiben, aber nicht rückwärts schreiten.“



119. Konnte Gott die Geister nicht von den Prüfungen entbinden, die sie bestehen müssen, um zur ersten Stufe zu gelangen?
„Wären sie vollkommen geschaffen worden, so hätten sie kein Verdienst, die Wohltaten der Vollendung zu genießen. Gäbe es denn ein Verdienst ohne Mühen? Übrigens bedingt ihre Ungleichheit auch ihre Persönlichkeit und endlich liegt die Sendung, die sie auf den verschiedenen Stufen zu erfüllen haben, in den Plänen der Vorsehung zum Zweck der Harmonie des Universums.“


Da im gesellschaftlichen Leben alle Menschen zu den obersten Ämtern gelangen können, so könnte man ebenso gut fragen, warum der Souverän eines Landes nicht aus allen seinen Soldaten Generäle macht, warum nicht alle Angestellte Vorgesetzte werden, warum nicht alle Schüler Professoren sind. Nun besteht aber der Unterschied zwischen dem Leben der Gesellschaft und dem der Geister, dass das erstere beschränkt ist und nicht immer gestattet, alle Stufen zu ersteigen, während das letztere kein Ende nimmt und jedem die Möglichkeit darbietet, sich zur höchsten Stufe zu erheben.




120. Gehen alle Geister durch die Schule des Bösen, um zum Guten zu gelangen?
,,Nicht durch die Schule des Bösen, sondern durch die der Un – wissenheit.“



121. Warum gingen einige Geister den Weg des Guten, andere den des Bösen?
„Haben sie nicht ihren freien Willen? Gott schuf keine bösen Geister. Er schuf sie einfach und unwissend, d. h. mit ebenso viel Fähigkeit zum Guten, wie zum Bösen. Die Bösen sind es durch ihren Willen geworden.“



122. Wie können die Geister bei ihrer Entstehung, wo sie noch kein Selbstbewusstsein haben, eine Wahlfreiheit zwischen Gut und Böse besitzen? Liegt in ihnen ein Prinzip, irgendeine Neigung, die sie eher auf den einen als auf den anderen Weg führt?
„Der freie Wille entwickelt sich in dem Maße, wie der Geist sich ein Selbstbewusstsein erwirbt. Es gäbe keine Freiheit mehr, wenn die Wahl durch eine vom Willen des Geistes unabhängige Ursache herbeigeführt würde. Die Ursache liegt nicht in ihm, sondern außerhalb von ihm, in Einwirkungen, denen er Kraft seines freien Willens nachgibt. Das ist das große Bild vom Sündenfall und der Erbsünde: Die einen unterlagen der Versuchung, die anderen widerstanden.“


122a. Woher kommen die Einwirkungen von außen?
,,Von den unvollkommenen Geistern, die sich seiner zu bemächtigen, ihn zu beherrschen suchen und die sich freuen, wenn sie ihn zu Fall bringen können. Das wollte man mit der Gestalt des Satans ausdrücken.“


122b. Findet diese Einwirkung auf den Geist nur bei seiner Entstehung statt?

„Sie folgt ihm in seinem Geisterleben, bis er soviel Herrschaft über sich selbst errungen hat, dass die Bösen darauf verzichten, ihn zu quälen.“



123. Warum hat Gott zugelassen, dass die Geister den Weg des Bösen gehen können?
„Wie wagst du es, von Gott Rechenschaft über seine Taten zu fordern? Meinst du in seine Pläne eindringen zu können? Dennoch kannst du dir das sagen: die Weisheit Gottes besteht in der Wahlfreiheit, die er einem jeden lässt, denn jedem geschieht nach seinen Werken.“



124. Da es Geister gibt, die von Anbeginn den Weg des rein Bösen, andere die den des rein Guten gehen, so gibt es ohne Zweifel zwischen diesen beiden Extremen Zwischenstufen?
„Ja gewiss, und hierher gehört die große Mehrzahl.“



125. Können die Geister, die den Weg des Bösen einschlugen, einst zum selben Grad von Vollkommenheit gelangen, wie die anderen?
„Ja, die, `Ewigkeiten´ werden jedoch für sie länger dauern.“


Unter dem Wort `Ewigkeiten´ ist die Vorstellung der niederen Geister von der ewigen Dauer ihrer Qualen zu verstehen, weil ihnen nicht gegeben ist, deren Ende zu schauen und weil diese Vorstellung sich bei jeder neuen Prüfung ihnen wieder aufdrängt.



126. Haben die auf die höchste Stufe gelangten Geister, welche das Böse durchgemacht hatten, in den Augen Gottes weniger Verdienst, als die anderen?
„Gott sieht die Verirrten mit demselben Auge an und liebt sie mit demselben Herzen. Sie heißen böse, weil sie unterlegen waren: vorher waren sie nur einfache Geister.“




127. Sind die Geister in ihren intellektuellen Fähigkeiten gleich?

„Sie sind gleich geschaffen; aber da sie nicht wissen, woher sie kommen, so muss die freie Wahl ihren Lauf haben. Sie schreiten mehr oder weniger schnell fort, so wohl intellektuell als moralisch.“


Die von Anbeginn den Weg des Guten einschlagenden Geister sind deswegen keine vollkommenen. Haben sie auch nicht eine schlechte Richtung, so müssen sie sich doch die Erfahrung und die nötigen Kenntnisse sammeln, um zur Vollendung zu gelangen. Wir können sie mit Kindern vergleichen, welche, wie gut auch ihre Natur angelegt ist, sich doch entwickeln und in der Erkenntnis fortschreiten müssen und nicht ohne Übergang von der Kindheit zum reiferen Alter gelangen; nur gibt es, wie wir Menschen haben, die von Kindheit an gut und andere, die böse sind, auch Geister die von Anfang an gut oder böse sind, jedoch mit dem wichtigen Unterschied, dass das Kind ausgeprägte Instinkte hat, während die Geister bei ihrer Entstehung weder böse noch gut sind: sie haben alle Neigungen und nehmen die eine oder die andere Richtung Kraft ihres freien Willens.




Engel und Dämonen

128. Bilden die Wesen, welche wir Engel, Erzengel, Seraphins nennen, eine besondere Gattung von einer von den andern Geistern verschiedenen Natur?
„Nein, sie sind die reinen Geister: die, welche zuoberst auf der Stufenleiter stehen und alle Vollkommenheiten in sich vereinigen.“
Das Wort Engel erweckt gewöhnlich die Vorstellung moralischer Vollkommenheit; jedoch gebraucht man es oft auch für alle guten und bösen Wesen außerhalb der Menschheit. Man sagt: der gute und der böse Engel, der Engel des Lichtes und der Engel der Finsternis. In diesem Sinn ist es gleichbedeutend mit Geist oder Genius. Wir nehmen es hier im guten Sinn.



129. Haben die Engel alle Stufen durchlaufen?
,,Das haben sie, aber, wie gesagt, die einen nahmen ihre Sendung ohne Murren an und gelangten schneller zum Ziel, die anderen brauchten längere oder kürzere Zeit, um zur Vollendung zu gelangen.“



130. Wenn die Meinung, dass es vollkommene erschaffene Wesen und über allen anderen Geschöpfen stehende gebe irrig ist, warum findet sie sich denn in den Überlieferungen fast aller Völker?
„Wisse, dass deine Welt nicht von Ewigkeit her ist und dass lange, bevor sie existierte, Geister die höchste Stufe erreicht hatten. Damals konnten freilich die Menschen glauben, dass dieselben stets so gewesen seien.“



131. Gibt es Dämonen in dem mit diesem Wort verbundenen Sinne?
„Gäbe es Dämonen, so wären sie das Werk Gottes.Wäre nun Gott gut und gerecht, wenn er für ewig dem Bösen geweihte und unglückselige Wesen geschaffen hätte? Gibt es Dämonen, so wohnen sie in deiner niederen und anderen dergleichen Welten. Heuchlerische Menschen sind es, die aus einem gerechten Gott einen bösen und rachsüchtigen Gott machen und welche ihm zu gefallen meinen, durch die Gräuel, die sie in seinem Namen begehen.“


“Das Wort Dämon schließt die Vorstellung eines bösen Geistes nur im modernen Sprachgebrauch ein, denn das griechische Wort ‚ δаίμωυ‘, aus dem es entstanden ist, bezeichnet Genius, Intelligenz und wurde für gute und böse Wesen ohne Unterschied gebraucht.“


Die Dämonen im allgemeinen Sinn bezeichnen wesentlich bösartige Wesen. Sie waren, wie alles, eine Schöpfung Gottes. Nun kann aber Gott, der allgütige und allgerechte, nicht Wesen geschaffen haben, die durch ihre Natur an die Spitze des Bösen gestellt und für alle Ewigkeit verdammt wären. Wären sie nicht das Werk Gottes, so wären sie, wie er selbst, von Ewigkeit her, oder aber es gäbe mehrere souveräne Mächte.


Die erste Bedingung jeder Lehre ist, dass sie logisch sei; nun aber sündigt die von den Dämonen im absoluten Sinn gegen diese Grundbedingung. Dass in dem Glauben primitiver Völker, welche ohne Kenntnis der Eigenschaften Gottes bösartige Gottheiten annehmen, auch Dämonen angenommen werden, begreift sich. Wem aber die Güte Gottes eine seiner Haupteigenschaften ist, für den ist es unlogisch und widersprechend, dass er Wesen geschaffen haben sollte, die für ewig dem Bösen und seiner Ausübung geweiht wären; denn das hieße seine Güte leugnen. Die Anhänger der Dämonen stützen sich auf die Worte Christi. Wir am allerwenigsten werden die Autorität seiner Lehre bestreiten, die wir übrigens mehr in den Herzen, als im Mund der Menschen zu sehen wünschten. Ist man aber auch des Sinnes, den er mit dem Wort Dämon verband, so ganz sicher? Ist nicht die Allegorie eine der Haupteigenschaft seiner Sprache; sollte das ganze Evangelium buchstäblich zu verstehen sein? Wir führen zum Beweis nur folgende Stelle an:


Alsbald nach jenen Tagen der Trübsal wird sich die Sonne verfinstern und der Mond kein Licht mehr leuchten lassen, die Sterne werden vom Himmel fallen und die Mächte des Himmels werden erschüttert werden. Wahrlich ich sage euch, dieses Geschlecht wird nicht vergehen, bis dies alles erfüllt sein wird.“ Sehen wir nicht die Form des Bibeltextes in den die Schöpfung und die Bewegung der Erde betreffenden Punkten von der Wissenschaft widerlegt? Sollte es nicht derselbe Fall sein mit gewissen Gleichnissen Christi, dessen Sprache sich nach Zeit und Ort richten musste? Christus konnte wissentlich keine Unwahrheit reden; gibt es also in seinen Worten Dinge, die unserem Denken Anstoß erregen, so begreifen wir sie entweder nicht oder wir legen sie falsch aus.


Die Menschen taten mit den Dämonen dasselbe wie mit den Engeln: wie sie hier von Ewigkeit her an vollkommene Wesen glaubten, so nahmen sie dort niedere Geister für ewig verworfene Wesen. Der Sinn des Wortes Dämon erstreckt sich also in Wahrheit über die unreinen Geister überhaupt, die allerdings oft nicht besser sind als was ihr Name bedeutet, jedoch mit dem Unterschied, dass ihr Zustand nur ein vorübergehender ist. Es sind unvollkommene Geister, die gegen ihre Prüfungen murren, und sie dadurch verlängern, die aber einst ans Ziel gelangen, wenn sie dazu den Willen haben werden.


Man könnte also den Ausdruck Dämon mit dieser Einschränkung gelten lassen: da er aber jetzt in einem ausschließlichen Sinn gebraucht wird, so könnte er zu Missverständnissen führen, indem er zum Glauben an das Dasein von Wesen verleitete, die speziell zum Bösen geschaffen wären.


Was Satan betrifft, so ist er offenbar eine allegorische Personifikation des Bösen: denn es lässt sich unmöglich ein böses Wesen annehmen, das ebenbürtig mit der Gottheit ringt und das nichts anderes zu tun hätte, als ihren Plänen entgegenzuwirken. Wie der Mensch Figuren und Bilder braucht, um seine Einbildungskraft zu beschäftigen, so stellte er die unkörperlichen Wesen in einer stofflichen Gestalt und mit Eigenschaften dar, die ihre Vorzüge oder Fehler bedeuten sollen. So malten die Alten, da sie die Zeit personifizieren wollten, dieselbe in der Gestalt eines Greises mit Sense und Sanduhr. Eine Jünglingsgestalt wäre widersprechend gewesen. Ebenso verhält es sich mit den Allegorien des Glücks, der Wahrheit u.a.m.. Die Neueren stellten Engel oder reine Geister mit strahlendem Antlitz, weißen Flügeln als Symbol der Reinheit dar, den Satan mit Hörnern, Krallen und den Attributen der Bestialität, den Symbolen der niedrigen Leidenschaften. Das gemeine Volk, das die Dinge buchstäblich nimmt, erblickte in all dem eine wirkliche Person, sowie es einst den Saturn in der Allegorie der Zeit zu sehen glaubte.





KAPITEL II – Inkarnation der Geister



Zweck der Inkarnation

132. Was ist der Zweck der Inkarnation der Geister?
„Gott erlegt sie ihnen auf, um sie zur Vollendung zu führen: für die einen ist sie eine Sühne, für andere eine Mission. Um aber zu dieser Vollendung zu gelangen, müssen sie alle Schicksalsschläge der leiblichen Existenz durchmachen: Hierin liegt die Sühne. Die Inkarnation hat noch einen anderen Zweck, nämlich den Geist zu befähigen, für seinen Teil zum Schöpfungswerk beizutragen. Zu diesem Zweck nimmt er auf jeder Welt eine, zu dem Stoff derselben stimmendes Aussehen an, um dort die Befehle Gottes auszuführen. Auf diese Weise schreitet er selbst fort, während er gleichzeitig zum allgemeinen Fortschritt beiträgt.“

Die Betätigung der leiblichen Wesen ist notwendig zum Fortschreiten des Universums. Aber Gott wollte in seiner Weisheit, dass dieselben eben in dieser Mitwirkung ein Mittel des eigenen Fortschrittes und ihrer Annäherung zu ihm fänden. So verknüpft sich durch ein bewunderungswürdiges Gesetz der Vorsehung alles und alles ist solidarisch in der Natur.


133. Bedürfen die Geister, die von Anbeginn den Weg des Guten beschritten haben, der Inkarnation?
„Alle werden einfach und unwissend geschaffen; sie bilden sich heran in den Kämpfen und Trübsalen des leiblichen Lebens. Der gerechte Gott konnte nicht die einen glücklich, ohne Mühe und Arbeit, und also ohne Verdienst werden lassen.“


133a. Was nützt es denn aber den Geistern, den Weg des Guten eingeschlagen zu haben, wenn sie dies nicht von den Leiden des körperlichen Lebens freispricht?
„Sie gelangen schneller zum Ziel. Dann sind auch oft die Leiden des Lebens die Folge der Unvollkommenheit des Geistes: je weniger er deren hat, desto weniger Qualen hat er. Wer weder neidisch, noch eifersüchtig, noch geizig oder ehrgeizig ist, wird auch nicht die Qualen erleiden, die aus diesen Fehlern entstehen.“




Von der Seele

134. Was ist die Seele?
,,Ein inkarnierter Geist.“


134a. Was war sie, bevor sie sich mit dem Leib vereinigte?
,, Geist.“


134b. Die Seele und die Geister sind also identisch, d.h., ein und dasselbe?
„Ja, die Seelen sind nur Geister. Die Seele ist, bevor sie sich mit dem Leib vereinigt, eines der intelligenten Wesen, die die unsichtbare Welt bevölkern und zeitweise eine fleischliche Hülle annehmen, um sich zu reinigen und zu erleuchten.“


135. Gibt es im Menschen noch etwas anderes, als Seele und Leib?
„Das Band, das Seele und Leib verbindet.“


135a. Was ist die Natur dieses Bandes?
„Es ist halbstofflich, d.h. ein Mittelding zwischen Geist und Körper. Und so ist es notwendig, damit die beiden miteinander verkehren können. Durch dieses Band wirkt der Geist auf den Stoff und umgekehrt.“
So besteht der Mensch aus 3 wesentlichen Teilen: 1. dem Leib, einem den Tieren analogen stofflichen und von demselben Lebensprinzip beseelten Wesen, 2. der Seele, dem inkarnierten Geist, dessen Wohnung nun der Leib ist, und. 3. dem vermittelnden Prinzip oder Perispirit, einer halbstofflichen Substanz, die dem Geist als nächste Hülle dient und Seele und Leib verbindet. So besteht eine Frucht aus Keim, Samenhülle und Schale.



136. Ist die Seele unabhängig vom Lebensprinzip?
„Der Leib ist nur die Hülle, wir wiederholen es nochmal.“


136a. Kann der Leib ohne die Seele existieren?
„Ja, und dennoch verlässt ihn die Seele, sobald er zu leben aufhört. Vor der Geburt ist noch keine endgültige Vereinigung zwischen Seele und Leib vorhanden, während nachdem diese Einigung stattgefunden hat, der Tod des Leibes die Bande, welche diesen mit der Seele verbinden, zerreißt und die Seele ihn verlässt. Das organische Leben kann einen Körper ohne Seele beleben, aber die Seele kann nicht einen Körper ohne organisches Leben bewohnen.“


136b. Was wäre unser Leib, wenn er keine Seele hätte?
,,Eine Fleischmasse ohne Intelligenz, alles mögliche, nur kein Mensch.“




137. Kann sich derselbe Geist in zwei verschiedene Leiber zugleich inkarnieren?

Nein, der Geist ist unteilbar und kann nicht gleichzeitig zwei verschiedene Wesen beseelen.“ (Vergl. ,,Buch der Medien“, Kapitel ,,Doppelleiblichkeit und Verklärung.“*


138. Was ist von der Ansicht zu halten, dass die Seele das Prinzip des stofflichen Lebens sei?
„Das ist dein Wortstreit. Wir kümmern uns darum nicht: sucht erst euch selbst zu verstehen.“



139. Gewisse Geister und vor ihnen gewisse Philosophen definieren die Seele: ,,ein seelischer Funke, dem großen Universum entflossen.“ Woher dieser Widerspruch?
„Das ist kein Widerspruch, es ist durch die Bedeutung der Worte bedingt. Warum habt ihr nicht für jedes Ding auch ein Wort?
Das Wort Seele bedeutet sehr verschiedene Dinge. Die einen bezeichnen damit das Lebensprinzip und in diesem Sinn darf man bildlich sagen: die Seele ist ein dem großen Universum entflossener seelischer Funke. Diese Worte bezeichnen die allgemeine Quelle des Lebensprinzips, aus der jedes Wesen seinen Anteil schöpft, der nach dem Tod zur Masse zurückkehrt. Diese Vorstellung schließt keineswegs ein moralisches, besonderes, vom Stoff unabhängiges Wesen aus, das seine Individualität behält. Auch dieses Wesen nennt man Seele und in diesem Sinn kann man sagen, die Seele sei ein inkarnierter Geist. Indem die Geister verschiedene Definitionen von der Seele gaben, redeten sie je nach dem Sinn, den sie dem Wort unterlegten und nach den irdischen Vorstellungen, mit denen sie noch mehr oder weniger behaftet waren. Das bringt die Unzulänglichkeit der menschlichen Sprache mit sich, die nicht für jede Vorstellung ein Wort hat, und daher stammen auch eine Menge von Missverständnissen und Streitereien. Darum raten uns die höheren Geister, uns zunächst über die Wörter zu verständigen.**


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* Allan Kardec hat den Hinweis auf das Buch der Medien erst ab der 6. Auflage (1862) in das Buch der Geister aufgenommen. (Anmerkung der Übersetzer)
** Siehe Einleitung II „Erklärung des Wortes Seele“. (Anmerkung von Allan Kardec)







140. Was soll man von der Theorie denken, welche die Seele in ebenso viele Teile als es Muskeln gibt, einteilt, so dass jeder einer besonderen Funktion des Leibes vorsteht?
„Das hängt wieder davon ab, in welchem Sinn man das Wort Seele versteht. Meint man das Lebensfluidum, so hat man Recht; meint man den inkarnierten Geist, so hat man Unrecht. Wir sagten ja: der Geist ist unteilbar: er überträgt durch das vermittelnde Fluidum die Bewegung auf die Organe, ohne sich deswegen zu teilen.“


140a. Dennoch haben gewisse Geister diese Definition gegeben.
Die unwissenden Geister können die Wirkung für die Ursache nehmen.
Die Seele wirkt durch Vermittlung der Organe und die Organe sind vom Lebensfluidum beseelt, das sich unter sie verteilt, und zwar reichlicher in die, welche Mittelpunkt oder Herde der Bewegung sind. Diese Erklärung gilt nicht für die Seele, da sie der Geist ist, der während seinem irdischen Leben einen physischen Leib bewohnt und ihn nach dem Tod verlässt.



141. Liegt etwas Wahres in der Ansicht, dass die Seele äußerlich sei und den Leib umgibt?
Die Seele ist nicht im Leib eingeschlossen, wie der Vogel im Käfig. Sie strahlt und zeigt sich nach außen, wie das Licht durch eine Glaskugel, oder wie der Schall um einen tönenden Mittelpunkt herum. In diesem Sinn kann man sagen, sie sei äußerlich; aber sie ist deswegen nicht die Hülle des Leibes. Die Seele hat zwei Hüllen: die eine ist fein und leicht, das ist die nächste, der Perispirit, die andere grob, stofflich und schwer, das ist der Leib. Die Seele ist der Mittelpunkt aller dieser Hüllen gleich dem Keim in einem Kern. Wir sagten das schon einmal.“




142. Was soll man von jener anderen Theorie sagen, nach der die Seele sich beim Kind in jedem Lebensabschnitt vervollständigt?
„Der Geist ist nur einer, er ist ganz – beim Kind wie beim Erwachsenen. Die Organe oder Werkzeuge der Manifestationen der Seele sind es, welche sich entwickeln und vervollständigen. Das war wiederum Verwechslung von Ursache und Wirkung.“


143. Warum definieren nicht alle Geister die Seele auf dieselbe Weise?
„Die Geister sind nicht alle gleich unterrichtet über diese Dinge. Es gibt beschränkte Geister, die noch keine abstrakten Dinge verstehen. Das ist wie bei euren Kindern. Auch gibt es pseudogelehrte Geister, die mit Worten prahlen, um zu imponieren: ebenfalls wie bei euch. Endlich können sich auch selbst die unterrichteten Geister in verschiedenen Worten ausdrücken, die im Grund denselben Wert haben, besonders wenn es sich um Dinge handelt, die eure Sprache nicht deutlich auszudrücken fähig ist. Dann bedarf es der Bilder, der Vergleichungen, die ihr für Wirklichkeiten nehmt.“



144. Was ist unter der Weltseele zu verstehen?
„Sie ist das universelle Prinzip des Lebens und der Intelligenz, aus dem die Individualitäten entstehen. Aber die welche sich dieser Worte bedienen, verstehen sie oft selbst nicht. Das Wort Seele ist so dehnbar, dass jeder es nach dem Belieben seiner Träumereien auslegt. Man schrieb zuweilen auch der Erde eine Seele zu. Man muss darunter die Gesamtheit der Geister verstehen, welche eure Handlungen auf den Weg des Guten leiten, wenn ihr auf sie hört, und die gewissermaßen die Stellvertreter Gottes auf eurem Planeten sind.“




145. Wie konnten so viele alte und neuere Philosophen so lange über die Wissenschaft der Psychologie streiten, ohne zur Wahrheit zu gelangen?
„Diese Männer waren die Vorläufer der ewigen spiritistischen Lehre. Sie ebneten die Wege. Sie waren Menschen und konnten sich irren, weil sie ihre eigenen Gedanken für das Licht selbst hielten. Aber sogar ihre Irrtümer bringen die Wahrheit an den Tag, da sie das Für und Wider zeigen. Übrigens finden sich unter jenen Irrtümern große Wahrheiten, die ein vergleichendes Studium auch wird erkennen lassen.“




146. Hat die Seele einen bestimmten, umschriebenen Sitz im Leib?
„Nein, aber sie ist vorzugsweise im Kopf bei den großen Genies, bei allen denen, die viel denken, und vorzugsweise im Herzen bei denen, die stark fühlen und deren sämtliche Handlungen sich auf die Menschheit beziehen.“


146a. Was ist von der Meinung zu halten, welche die Seele in ein Lebenszentrum verlegt?
„Das heißt, dass der Geist eher diesen Teil eures Organismus bewohnt, weil hierher alle Empfindungen einmünden. Wer sie in das angebliche Zentrum der Lebenstätigkeit verlegt, verwechselt sie mit dem Lebensfluidum oder Prinzip. Immerhin kann man sagen, der Sitz der Seele liege vorzugsweise in den Organen, die den intellektuellen und moralischen Ausdrucksweisen dienen.“




Materialismus

147. Warum neigen Anatomiker, Physiologen und überhaupt die, welche die Naturwissenschaften betreiben, so oft zum Materialismus?

„Der Physiologe bezieht alles auf das, was er sieht. Es ist der Hochmut der Menschen, die alles zu wissen glauben und nicht zugeben wollen, dass etwas über ihr Verständnis hinausgehen könnte. Eben ihre Wissenschaft gibt ihnen diesen Eigendünkel: sie meinen, die Natur könne nichts Verborgenes für sie haben.“




148. Ist es nicht zu beklagen, dass der Materialismus eine Folge von Studien ist, die im Gegenteil, dem Menschen die Überlegenheit der Intelligenz zeigen sollten, welche die Welt regiert? Sind dieselben deswegen gefährlich?
„Es ist nicht wahr, dass der Materialismus eine Folge jener Studien sei. Der Mensch ist es, der aus denselben falsche Folgerungen zieht, denn missbrauchen kann er alles, selbst die besten Dinge. Das Nichts erschreckt sie übrigens mehr, als sie es gerne durchblicken lassen und die starken Geister sind oft mehr Prahler als tapfer. Die Mehrzahl sind Materialisten, nur weil sie nichts haben, womit sie die Leere in dem Abgrund, der sich vor ihnen auftut, ausfüllen könnten. Zeigt ihnen einen Rettungsanker und sie werden sich eiligst an ihn anklammern.“

Durch eine Verirrung der Intelligenz kommen viele dahin, in den organischen Wesen nur die Wirkung der Materie zu erblicken und daraus alle unsere Handlungen abzuleiten. Sie sahen im menschlichen Leib nur eine elektrische Maschine. Sie studierten den Mechanismus des Lebens nur im Spiel der Organe: sie sahen ihn oft stillstehen wegen des Bruches einer Faser und sahen eben nichts, als diese Faser. Sie suchten, ob sonst noch etwas zu finden sei und da sie nichts fanden, als die jetzt träge gewordene Materie, da sie die Seele nicht sich entfernen sahen und sie nicht greifen konnten, so schlossen sie daraus, dass alles in den Eigenschaften des Stoffes liegt, und dass somit nach dem Tod nur das Nichts des Gedankens übrig bleibe. Traurige Folgerung, wenn es sich damit so verhielte; denn dann wäre das Gute und das Böse zwecklos, der Mensch wäre darauf angewiesen, nur an sich zu denken und die Befriedigung seiner materiellen Genüsse über alles zu setzen; die Bande der Gesellschaft würden zerrissen und die heiligsten Gefühle auf immer vernichtet. Glücklicherweise sind diese Ideen weit entfernt allgemein verbreitet zu sein; man kann selbst sagen, dass sie sehr eingeschränkt und nur individuelle Meinungen sind, denn nirgends sind sie als eigentliche Lehren aufgestellt worden. Eine auf solche Grundlage gestellte Gesellschaft würde den Keim der Auflösung in sich tragen und deren Mitglieder würden sich gleich wilden Tieren einander zerreißen.

Der Mensch hat instinktiv den Gedanken, dass mit dem Leben nicht alles für ihn endet. Er scheut vor dem Nichts zurück: er mag sich lange gegen den Gedanken an die Zukunft verhärten. Wenn das letzte Stündlein schlägt, gibt es wenige, die sich nicht fragen, was aus ihnen werden wird; denn der Gedanke, das Leben für immer zu verlassen, hat etwas Herzzerreißendes. Wer könnte auch eine absolute, ewige Trennung von allem was man geliebt hat, mit Gleichmut betrachten? Wer könnte ohne Entsetzen sich den ungeheuren Abgrund des Nichts vor sich öffnen sehen, von welchem alle unsere Fähigkeiten, alle unsere Hoffnungen für immer verschlungen würden und dann sich sagen: wie? nach mir nichts, nichts mehr, als die Leere; alles ist aus für immer; noch einige Tage, und die Erinnerung an mich wird aus dem Andenken der Überlebenden verschwunden sein. Bald wird keine Spur mehr von meinem Erdendasein vorhanden sein. Selbst das Gute, das ich getan habe, wird vergessen werden von den Undankbaren, die ich mir einst verpflichtet hatte. Und keine Entschädigung für das alles und keine andere Aussicht als die, dass mein Leib von den Würmern zerfressen wird! Hat diese Vorstellung nicht etwas Schauderhaftes, Eisiges? Die Religion lehrt uns, dass es so nicht sein kann und die Vernunft bestätigt es. Aber dieses künftige vage unbestimmte Dasein befriedigt unsere Liebe zum Positiven nicht. Das erzeugt bei vielen den Zweifel. Wir besitzen eine Seele gut; aber was ist unsere Seele?

Hat sie eine Gestalt, irgendeine Sichtbarkeit? Ist sie ein begrenztes oder unbegrenztes Wesen? Die einen sagen, sie sei ein Hauch Gottes, andere ein Funke, andere ein Teil des großen Ganzen, das Prinzip des Lebens und der Intelligenz. Aber was haben wir damit gewonnen? Was nützt es uns, eine Seele zu haben, wenn sie sich nach uns in die Unermesslichkeit verliert, wie die Wassertropfen in das Weltmeer? Ist der Verlust der Individualität für uns nicht gleichbedeutend mit dem Nichts? Man sagt auch, sie sei immateriell. Aber etwas Immaterielles kann keine bestimmten Verhältnisse besitzen. Für uns ist es das Nichts. Die Religion sagt uns auch, dass wir nach dem Guten oder Bösen das wir getan haben, glücklich oder unglücklich sein werden. Aber worin besteht jenes Glück, dass im Schoße Gottes uns erwartet? Ist es eine Seeligkeit, eine ewige Beschaulichkeit, ohne andere Beschäftigung, als das Lob des Schöpfers zu singen? Sind die Flammen der Hölle eine Wirklichkeit oder ein Bild? Die Kirche selbst nimmt sie in letzterem Sinn; aber worin bestehen diese Qualen? Wo ist der Ort der Qual? Kurz, was tut, was sieht man in jener Welt die uns alle erwartet? Niemand, heißt es, ist wiedergekommen, uns darüber zu berichten. Das aber ist ein Irrtum und die Mission des Spiritismus besteht gerade darin, uns über jene Zukunft aufzuklären, und sie bis zu einem gewissen Grad mit Händen greifen und mit den Augen schauen zu lassen, nicht mehr durch bloße Schlüsse, sondern durch Tatsachen. Dank den spiritistischen Mitteilungen ist es keine Ungewissheit mehr, keine bloße Wahrscheinlichkeit, welche jeder nach Belieben weiterspinnt, welche die Dichter mit ihren Bildern schmücken oder mit trügerischen Allegorien ausstatten, die Wirklichkeit ist es, die uns erscheint. Denn es sind die Wesen des Jenseits selbst, welche uns ihre Lage zu schildern und zu sagen kommen, was sie tun, welche uns sozusagen allen Wechselfällen ihres neuen Lebens beizuwohnen gestatten und auf diese Weise uns das unvermeidliche Schicksal zeigen, das uns je nach unseren Verdiensten oder Missetaten vorbehalten ist. Liegt hierin etwas Antireligiöses? Im Gegenteil: denn die Ungläubigen finden hier den Glauben und die Unschlüssigen die Erneuerung ihrer Inbrunst und ihres Vertrauens. Der Spiritismus ist somit der wirkungsvollste Verbündete der Religion. Da dem also ist, so lässt Gott es zu, und er lässt es zu, um unsere wankenden Hoffnungen neu zu beleben und uns durch die Aussicht auf die Zukunft auf den Weg des Guten zurückzuführen.





KAPITEL III – Rückkehr des leiblichen Lebens ins Geisterleben



Die Seele nach dem Tod. Ihre Individualität.Ewiges Leben.

149. Was wird aus der Seele im Augenblick des Todes?
„Sie wird wieder Geist, d.h. sie kehrt in die Welt der Geister zurück, die sie auf einen Augenblick verlassen hatte.“


150. Bewahrt die Seele nach dem Tod ihre Individualität?
„Ja, sie verliert dieselbe nie. Was wäre sie, wenn sie dieselbe nicht bewahrte?“


150a. Wie konstatiert die Seele ihre Individualität, da sie ihren stofflichen Leib nicht mehr hat?
„Sie hat noch ein Fluid, das ihr zu eigen ist, das sie aus dem Dunstkreis ihres Planeten schöpft und welches die Spuren ihrer letzten Inkarnation enthält; ihren Perispirit.“


150b. Nimmt die Seele nichts von hier auf Erden mit sich fort?
,,Nichts, als die Erinnerung und die Sehnsucht nach einer besseren Welt. Erstere ist voll Süßigkeit oder Bitterkeit, je nach dem Gebrauch, den sie vom Leben gemacht hat. Je reiner sie ist, desto besser begreift sie die Nichtigkeit dessen, was sie auf Erden zurücklässt.“


151. Was soll man von jener Ansicht denken, nach der die Seele nach dem Tod in das universelle Ganze zurückkehren soll?
„Bildet die Gesamtheit der Geister nicht ein Ganzes? Ist sie nicht eine ganze Welt? Wenn du dich in einer Versammlung befindest, so bist du ein integrierender Teil derselben, und doch behältst du deine Individualität.“


152. Welchen Beweis haben wir von der Individualität der Seele nach dem Tod?
„Habt ihr diesen Beweis nicht in den Mitteilungen, die ihr empfangt? Wenn ihr nicht blind seid, so werdet ihr sehen, und wenn ihr nicht taub seid, so werdet ihr hören; denn sehr oft spricht eine Stimme zu euch, die euch das Dasein eines Wesens außerhalb von euch offenbart.“


Die da meinen, nach dem Tod kehre die Seele in das allgemeine Ganze zurück, irren, wenn sie glauben, dass die Seele, gleich einem ins Weltmeer fallenden Wassertropfen, ihre Individualität verliert; sie treffen das Richtige, wenn sie unter dem „allgemeinen Ganzen“ die Gesamtheit der unkörperlichen Wesen verstehen, von welcher jede Seele oder jeder Geist einen Bestandteil bildet.
Würden die Seelen in der Masse aufgehen, so hätten sie nur die Eigenschaften der Gesamtheit und nichts würde eine von der anderen unterscheiden. Sie hätten weder Intelligenz, noch eigene Eigenschaften, während sie doch in allen ihren Mitteilungen das Bewusstsein des Ichs und einen bestimmten Willen erkennen lassen. Die unendliche Verschiedenheit, die sie in allen Beziehungen zeigen, ist die direkte Folge der Individualitäten. Gäbe es nach dem Tod nur das sogenannte große Ganze, das alle Individualitäten verschlingt, so wäre jenes einförmig und dann würden alle Mitteilungen aus der unsichtbaren Welt identisch sein. Da man aber in denselben guten und bösen, gelehrten und unwissenden, glücklichen und unglücklichen Wesen begegnet, da darin alle Charaktere vertreten sind: fröhliche und traurige, leichtsinnige und tiefsinnige u. s. w., so sind dies alles offenbar auch unter sich verschiedene Wesen. Die Individualität wird noch deutlicher, wenn diese Wesen ihre Identität durch unbestreitbare Zeichen, durch persönliche Details über ihr Erdenleben, die man konstatieren kann, beweisen. Ebenso wenig können sie in Zweifel gezogen werden, wenn sie sich bei den Erscheinungen dem Auge manifestieren. Die Individualität der Seele wurde uns theoretisch gelehrt wie ein Glaubenssatz: der Spiritismus macht sie offenkundig und gewissermaßen handgreiflich oder materiell.


153. In welchem Sinn soll man das ewige Leben verstehen?
„Das Leben des Geistes ist ewig, das des Leibes aber ist vergänglich. Stirbt der Leib, so tritt die Seele in das ewige Leben ein.“


153a. Wäre es nicht genauer, ewiges Leben nur das der reinen Geister zu nennen, d.h. derjenigen, welche, nachdem sie die Stufe der Vollendung erreicht, keine Prüfungen mehr zu bestehen haben?
„Das wäre vielmehr die ewige Seligkeit; aber dies ist nur ein Wortstreit: nennt die Dinge wie ihr wollt, nur macht, dass ihr sie auch versteht.“




Trennung der Seele und des Leibes

154. Ist die Trennung der Seele und des Leibes schmerzhaft?

Nein, der Leib leidet oft mehr bei Lebzeiten, als im Augenblick des Todes: die Seele kommt dabei nicht in Betracht. Die Leiden, die man zuweilen im Augenblick des Todes erduldet, sind für den Geist, der das Ende seiner Verbannung herankommen sieht, eine Freude.“ Beim natürlichen Tod, der aus Erschöpfung der Organe infolge des Alters eintritt, verlässt der Mensch das Leben ohne es nur zu merken; es ist eine Lampe die aus Mangel an Nahrung auslöscht.


155. Wie vollzieht sich die Trennung der Seele und des Leibes?
„Da die Bande, welche sie zurückhielten, zerrissen sind, so macht sich die Seele los.“


155a. Vollzieht sich die Trennung plötzlich und in hastigem Übergang? Gibt es eine scharfe Grenzlinie zwischen Leben und Tod?
„Nein, die Seele macht sich allmählich los und entfliegt nicht wie ein gefangener Vogel, dem man plötzlich die Freiheit wiedergibt. Die beiden Zustände berühren und vermischen sich: der Geist befreit sich allmählich von seinen Banden, diese lösen sich und brechen nicht.“

Während des Lebens hängt der Geist durch seine halbstoffliche Hülle (Perispirit) mit dem Leib zusammen. Der Tod ist die Zerstörung des Leibes allein und nicht jener zweiten Hülle, welche sich vielmehr vom Leib trennt, wenn in diesem das organische Leben erlischt. Die Beobachtung beweist, dass im Augenblick des Todes die Ablösung des Perispirit nicht sofort eine vollständige ist. Sie vollzieht sich nur allmählich und mit einer je nach den Individuen sehr verschiedenen Geschwindigkeit. Bei den einen geschieht sie ziemlich schnell, so dass man sagen kann, dass der Augenblick des Todes zugleich der der Befreiung sei. Bei anderen hingegen, besonders bei denen, deren Leben ganz materiell und sinnlich gewesen ist, ist die Trennung viel weniger schnell und dauert zuweilen Tage, Wochen, ja Monate, was übrigens kein bisschen Leben im Leib, noch die Möglichkeit einer Rückkehr ins Leben in sich schließt, sondern nur eine einfache Verwandtschaft zwischen Geist und Leib, welche stets im Verhältnis steht zu dem Übergewicht des Geistes über den Stoff während des Lebens. Es ist in der Tat selbstverständlich, dass, je mehr der Geist sich mit dem Stoff identifiziert hatte, er auch desto mehr Mühe hat, sich von ihm zu trennen. Umgekehrt bewirken intellektuelle und moralische Tätigkeit, Erhebung des Denkens selbst schon während des Lebens einen Anfang des Loslassens und wenn der Tod eintritt, so geschieht dies augenblicklich. Dies ist das Resultat aller Beobachtungen, die man an Individuen im Moment ihres Todes angestellt hat. Diese Betrachtungen beweisen ferner, dass die Verwandtschaft, die bei gewissen Individuen zwischen Seele und Leib fortbesteht, zuweilen sehr qualvoll ist, denn der Geist kann dann das Grauen des körperlichen Zerfalls erfahren. Dieser Fall bildet übrigens eine Ausnahme und zeichnet gewisse Lebens – und Todesarten; er zeigt sich bei gewissen Selbstmördern.







156. Kann die endgültige Trennung der Seele und des Leibes vor dem vollständigen Aufhören des organischen Lebens stattfinden?
„Im Todeskampf hat die Seele zuweilen den Leib schon verlassen: es ist nur noch das organische Leben übrig. Der Mensch hat kein Bewusstsein mehr von sich selbst und doch bleibt ihm noch ein Hauch des Lebens. Der Leib ist eine vom Herzen in Bewegung gesetzte Maschine: er existiert, solange das Herz das Blut in den Adern kreisen lässt und bedarf hierzu der Seele nicht.“



157. Hat die Seele im Augenblick des Todes zuweilen eine innere Erhebung oder Ekstase, welche sie die Welt, in die sie geht, vorausahnen lässt?
„Oft fühlt sie die Bande sich lösen, welche sie an den Leib fesseln. Dann macht sie alle Anstrengungen, sie ganz zu brechen. Vom Stoff schon halb gelöst, sieht sie die Zukunft sich vor ihr entrollen und genießt zum Voraus den Zustand eines Geistes.“



158. Vermag uns das Bild der Raupe, die zuerst auf der Erde kriecht, dann in der Puppe sich scheinbar tot einschließt, um zu einem herrlichen Dasein wieder aufzuerstehen, eine Vorstellung vom Erdenleben, dann vom Grab und endlich von unserem neuen Dasein zu gewähren?
,,Eine Vorstellung im Kleinen. Das Bild ist gut, jedoch darf man es nicht buchstäblich nehmen, wie euch das oft geschieht.“



159. Was für ein Gefühl hat die Seele im Augenblick, wo sie sich in der Geisterwelt wieder erkennt?
,,Je nach dem. Hast du Böses in der Absicht Böses zu tun getan, so fühlst du dich im ersten Moment ganz beschämt. Beim Gerechten ist es anders: die Seele ist wie von einer großen Last erleichtert, denn sie fürchtet keinen forschenden Blick.“



160. Findet der Geist die, welche er auf Erden gekannt hatte und die vor ihm starben, unmittelbar wieder?
„Ja, je nach der Liebe, die er zu ihnen und sie zu ihm hatten. Oft kommen sie zu seinem Empfang beim Eintritt in die Geisterwelt und helfen ihn aus den Wickelbändern des Stoffes lösen. Auch gibt es viele, die er während seines Lebenes auf Erden aus den Augen verloren hat; er sieht die Irrenden, er sieht die Inkarnierten und geht sie besuchen.“



161. Finden beim plötzlichen und gewalttätigen Tod, wenn die Organe noch nicht vom Alter oder von Krankheiten geschwächt sind, die Trennung der Seele und das Aufhören des Lebens gleichzeitig statt?
„Im Allgemeinen ist es so, aber in allen Fällen ist der Augenblick, der beide trennt, sehr kurz.“



162. Bei der Enthauptung z.B. bewahrt da der Mensch noch einige Augenblicke das Bewusstsein?
„Oft bewahrt er es noch einige Minuten, bis das organische Leben vollständig erloschen ist. Oft aber auch ließ ihn es die Furcht vor dem Tod schon vor dem Moment des Todesstreiches verlieren.“

Es ist hier nur von dem Bewusstsein die Rede, das der Hingerichtete von sich haben kann als Mensch und durch Vermittlung der Organe, nicht als Geist. Hat er also das Bewusstsein nicht schon vor der Hinrichtung verloren, so kann er es noch einige Augenblicke behalten, die aber von sehr kurzer Dauer sind und dasselbe hört notwendig mit dem organischen Leben des Gehirns auf. Jedoch nicht erforderlich ist, dass der Perispirit sich ganz vom Leib gelöst hat, im Gegenteil. In allen Fällen gewaltsamen Todes, wenn der Tod also nicht durch allmähliches Erlöschen der Lebenskräfte herbeigeführt wird, sind die den Leib mit dem Perispirit einigenden Bande zäher und die vollständige Lösung ist langsamer.




Geistige Verwirrung

163. Hat die Seele, wenn sie den Leib verlässt, sofort ein Bewusstsein von sich selbst?
„Sofortiges Bewusstsein ist nicht der richtige Ausdruck. Sie befindet sich eine Zeitlang in Verwirrung.“



164. Erfahren alle Geister die Verwirrung, welche die Trennung von Seele und Leib folgt, im selben Grad während derselben Zeitdauer?
,,Nein, das hängt von ihrer Erhebung ab: der schon Gereinigte erkennt sich fast sofort wieder, weil er sich bei Leibesleben vom Stoff befreite, während der fleischliche Mensch, dessen Gewissen also nicht rein ist, viel länger den Eindruck des Stoffes behält.“



165. Übt die Kenntnis des Spiritismus einen Einfluss auf die kürzere oder längere Dauer jener Verwirrung?

„Einen ganz bedeutenden, weil der Geist dann seine Lage zum Voraus kennt. Gutes tun und ein reines Gewissen, haben aber doch den größten Einfluss.“


Im Augenblick des Todes ist zunächst alles verworren. Die Seele braucht einige Zeit, um sich wiederzuerkennen, sie ist wie betäubt und etwa in dem Zustand eines, aus tiefem Schlaf Erwachenden, der sich über seine Lage zu orientieren versucht. Die Klarheit der Gedanken und die Erinnerung an das Vergangene kehren in dem Maß wieder, als der Einfluss des Stoffes, von dem sie sich eben erst befreite, abnimmt und den Nebel zerstreut, der seine Gedanken noch verdunkelte.


Die Dauer der Verwirrung ist sehr verschieden. Sie kann einige Stunden so gut wie mehrere Monate, selbst Jahre andauern. Sie ist bei denen am wenigsten lang, die sich schon während des irdischen Lebens mit ihrem künftigen Zustand identifiziert haben, weil dieselben dann sofort ihre Lage erkennen.


Diese Verwirrung bietet eigentümliche Umstände dar, je nach dem Charakter der Individuen und besonders je nach der Todesart. Bei den gewaltsamen Todesarten wie Selbstmord, Hinrichtung, Unfall, Schlaganfall, Totschlag u.s.w. ist der Geist überrascht, verwundert und glaubt nicht, dass er tot sei. Er behauptet dies mit Hartnäckigkeit. Dennoch sieht er seinen Leib, er weiß, dass es der seinige ist und kann es nicht fassen, dass er davon getrennt sein soll. Er geht zu den Personen, die er liebt, spricht zu ihnen und begreift nicht, warum sie ihn nicht hören. Diese Illusion dauert bis zur völligen Befreiung des Perispirits: dann erst erkennt der Geist sich wieder und begreift, dass er nicht mehr zu den Lebendigen gehört. Diese Erscheinung erklärt sich leicht. Unerwartet vom Tod überfallen, wird der Geist von der plötzlichen mit ihm vorgehenden Veränderung betäubt. Ihm ist der Tod noch gleich Zerstörung,Vernichtung. Da er nun aber denkt, sieht, hört, so ist er seiner Meinung nach nicht tot. Was seine Illusion vermehrt, ist dass er sich in einem, seinem früheren ähnlichen Körper erblickt, dessen ätherische Natur er aber noch nicht verstehen gelernt hat. Er hält denselben für fest und dicht, wie den ersten, und wenn man ihn auf diesen Punkt aufmerksam macht, so verwundert er sich, dass er sich nicht betasten kann. Dieses Phänomen ist analog demjenigen der Somnambulen, welche nicht zu schlafen meinen. Bei ihnen ist der Schlaf gleichbedeutend mit Aufhebung der Geistestätigkeiten, und da sie frei denken und sehen können, so glauben sie nicht zu schlafen. Einige Geister bieten diese Eigentümlichkeit dar, obschon sie keines unerwarteten Todes starben; sie ist aber stets allgemeiner bei denjenigen, welche, obwohl krank, nicht zu sterben glaubten. Dann sieht man das eigentümliche Schauspiel eines Geistes, der seinem eigenen Begräbnis, wie demjenigen eines Fremden beiwohnt und davon spricht, als ginge er ihn nichts an, bis er endlich die Wahrheit begreift.


Die auf den Tod folgende Verwirrung hat für den guten Menschen nichts Qualvolles. Sie ist eine ruhige, stille, wie die beim Erwachen aus sanftem Schlaf. Für den aber, dessen Gewissen nicht rein, ist sie voll Angst, die mit dem sich Wiedererkennen zunimmt.


Bei Fällen, wo viele Menschen gleichzeitig umkommen, machte man die Beobachtung, dass sich nicht alle sofort wiedersehen. In der Verwirrung, die dem Tod folgt, geht jeder seines eigenen Weges und kümmert sich nur um die, welche ihn interessieren.





KAPITEL IV – Mehrheit der Existenzen



Von der Reinkarnation

166. Wie kann die Seele, welche während ihres Leibeslebens die Vollkommenheit noch nicht erreichte, ihre Reinigung vollenden?
„Dadurch, dass sie sich der Prüfung einer neuen Existenz unterzieht.“


166a. Wie vollzieht die Seele dieses neue Dasein? Etwa dadurch, dass sie als Geist sich verwandelt?
„Indem sie sich reinigt, erleidet sie ohne Zweifel eine Umwandlung, dazu bedarf sie jedoch der Prüfung im leiblichen Leben.“


166b. Also hat die Seele mehrere leibliche Existenzen?
„Ja, wir alle haben mehrere Existenzen. Wer euch das Gegenteil sagt, will euch in seiner eigenen Unwissenheit lassen oder möchte es wenigstens.“


166c. Hieraus scheint zu folgen, dass die Seele, nachdem sie einen Leib verlassen hat, einen anderen annimmt, mit anderen Worten, dass sie sich einem neuen Körper einverleibt. Ist es so zu verstehen?
„Offenbar.“


167. Was ist der Zweck der Reinkarnation?
„Die Sühne, die fortschreitende Besserung der Menschheit. Wo wäre sonst die Gerechtigkeit?“


168. Ist die Zahl der leiblichen Existenzen eine begrenzte, oder reinkarniert sich der Geist in alle Ewigkeit?
„In jeder neuen Daseinsform tut der Geist einen Schritt auf dem Weg zum Ziel. Hat er sich einmal aller seiner Unreinheiten entledigt, so bedarf er keiner Prüfungen des Leibeslebens mehr.“


169. Ist die Zahl der Inkarnationen für alle Geister dieselbe ?
,,Nein. Wer schnell fortschreitet, erspart sich die Prüfungen. Immerhin sind aber die sich folgenden Inkarnationen sehr zahlreich, denn der Fortschritt ist fast ein unendlicher.“


170. Was wird aus dem Geist nach seiner letzten Inkarnation?
„Ein seliger Geist: Er ist dann ein reiner Geist.“




Gerechtigkeit der Reinkarnation

171. Worauf gründet sich der Glaubenssatz der Reinkarnation?
,,Auf Gottes Gerechtigkeit und die Offenbarung. Denn wir wiederholen euch ohne Unterlass: ein guter Vater lässt seinen Kindern stets zur Reue eine Türe offen. Sagt dir denn die Vernunft nicht, es wäre ungerecht, alle die, von denen es nicht selbst abhing, sich zu bessern, für immer der Seligkeit zu berauben? Sind nicht alle Menschen Gottes Kinder? Nur unter den egoistischen Menschen findet man Ungerechtigkeit, unversöhnlichen Hass und schonungslose Züchtigungen.“


Alle Geister streben nach Vollendung und Gott gibt ihnen dazu die Mittel in den Prüfungen ihres Leibeslebens. Aber er behält ihnen in seiner Gerechtigkeit die Vollendung dessen vor, was sie in einer früheren Prüfung nicht Zustande bringen konnten.


Es wäre weder Gottes Gerechtigkeit noch Güte angemessen, diejenigen für ewig mit Strafe zu treffen, welchen Hindernisse ihrer Besserung entgegenstanden, die aus den Verhältnissen ihrer Umgebung entsprangen. Trotz ihres guten Willens. Wäre des Menschen Schicksal nach seinem Tod unwiderruflich besiegelt, so hätte Gott nicht die Handlungen aller in der gleichen Schale gewogen und hätte sie mit Parteilichkeit behandelt. Die Reinkarnationslehre, d.h. die Lehre, welche dem Menschen mehrere sich folgende Existenzen zuschreibt, ist die einzige, welche der Gerechtigkeit Gottes, bezüglich der auf eine niedrige moralische Stufe gestellten Menschen entspricht, welche uns die Zukunft erklärt und unsere Hoffnungen festigt, weil sie uns das Mittel gibt, unsere Irrtümer wieder gut zu machen, durch neue Prüfungen. Die Vernunft weist auf sie hin und die Geister lehren sie uns. Der sich seiner Niedrigkeit bewusste Mensch schöpft aus dieser Lehre eine tröstliche Hoffnung. Glaubt er an Gottes Gerechtigkeit, so darf er nicht hoffen in der Ewigkeit einst denjenigen ebenbürtig zu sein, die besser als er gehandelt hatten. Der Gedanke, dass sein geringerer Wert ihn nicht auf ewig eines höchsten Gutes beraubt und enterbt, dass er es durch neue Anstrengungen erringen kann, hält ihn aufrecht und belebt seinen Mut aufs Neue. Wo ist derjenige, der nicht am Ziel seiner Laufbahn es bedauerte, zu spät erst eine Erfahrung erworben zu haben, von der er jetzt keinen Gebrauch mehr machen kann? Diese verspätete Erfahrung ist nun aber nicht verloren: er wird sie benutzen in einem neuen Leben.






Inkarnation in verschiedenen Welten

172. Erfüllen sich unsere verschiedenen leiblichen Existenzen alle auf der Erde?
„Nein, nicht alle, sondern sie erfüllen sich in den verschie – denen Welten. Die hiesige ist weder die erste noch die letzte, ja sie ist eine der am meisten stofflichen und am weitesten von der Vollendung entfernten.“


173. Geht die Seele bei jeder leiblichen Existenz von einer Welt in die andere, oder kann sie deren mehrere auf der gleichen Welt durchlaufen?
„Sie kann mehrere Male auf derselben Welt zu einem neuen Leben erwachen, wenn sie nicht fortgeschritten genug ist, um in eine höhere Welt zu gehen.“


173a. So können wir also mehrere Male auf Erden wieder erscheinen?
,,Gewiss.“


173b. Können wir auch nach einem Leben auf anderen Weltkörpern wieder hierher zurückkehren?
,,Gewiss. Ihr habt auch schon anderswo und auf der Erde leben können.“



174. Ist es notwendig, dass wir auf der Erde ein neues Leben wieder anfangen?
„Nein; aber wenn ihr nicht fortschreitet, so müsst ihr vielleicht auf eine andere Welt ziehen, die nicht besser, ja die vielleicht noch schlimmer ist.“



175. Liegt ein Nutzen darin, auf die Erde zurückzukehren?
„Kein besonderer Nutzen, es sei denn, dass man eine Mission hat; dann schreitet man vorwärts, hier wie anderswo.“


175a. Wäre es nicht herrlicher, immer Geist zu bleiben?
„Nein, nein: man käme nicht von der Stelle und man will ja Gott sich nähern.“



176. Können die Geister, nachdem sie auf anderen Welten inkarniert waren, auch auf dieser inkarniert werden, ohne vorher hier erschienen zu sein?
„Ja, sowie ihr auf den andern. Die Welten stehen eine für alle und alle für eine; was in der einen sich nicht erfüllt, erfüllt sich in einer anderen.“


176a. So gibt es also Menschen, die zum ersten Mal auf Erden sind?
„Deren gibt es viele und auf verschiedenen Stufen.“


176b. Kann man irgendwie erkennen, wenn ein Geist zum ersten Mal auf Erden erscheint?
„Das würde zu gar nichts nützen.“



177. Muss der Geist, um zur Vollendung und höchsten Glückseligkeit zu gelangen, die doch das letzte Ziel aller Menschen ist, die Reihe sämtlicher Welten des Universums durchmachen?
„Nein, denn es gibt viele Welten auf gleicher Stufe, wo der Geist nichts Neues zu lernen hätte.“


177a. Wie soll man sich aber dann eine Mehrheit seiner Existenzen auf der gleichen Welt erklären?
„Er kann sich jedes Mal in sehr verschiedenen Lagen befinden, die für ihn ebenso viele Gelegenheiten zur Bereicherung seiner Erfahrung bieten.“



178. Können die Geister in einer verhältnismäßig niederen Welt, als ihre bisherige, leiblich wieder zu leben beginnen?
„Ja, wenn sie eine Mission zur Förderung des Fortschrittes zu erfüllen haben und dann nehmen sie freudig die Trübsale dieser Existenz auf sich, weil sie ihnen ein Mittel selbst vorwärts zu kommen darbieten.“


178a. Kann jenes nicht auch zur Sühne geschehen und kann Gott nicht widerspenstige Geister auf niedrigere Welten senden?
„Die Geister können stehen bleiben, aber sie gehen nicht rückwärts und es besteht ihre Strafe darin, nicht fortzuschreiten und schlecht genutze Existenzen, da neu zu beginnen, wo sie hingehören.“


178b. Welches sind diejenigen, welche dieselbe Existenz wieder von vorn beginnen müssen?
Die, welche ihre Mission verfehlen oder ihre Prüfung nicht bestehen.“



179. Stehen die, je eine Welt bewohnenden Wesen alle auf der gleichen Stufe der Vollendung?
„Nein, so wie auf der Erde gibt es auch dort überall mehr oder weniger Fortgeschrittene.“



180. Bewahrt der Geist, wenn er von dieser in eine andere Welt geht, die Intelligenz, die er hier hatte?
„Ohne Zweifel, die Intelligenz verliert er nicht, aber er hat möglicherweise nicht dieselben Mittel sie zu zeigen. Das hängt von deren Mächtigkeit ab und von dem Zustand des Körpers, den er annehmen wird.*


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* Siehe: „Einfluss des Organismus, Buch der Geister“, Fragen 367 bis 370. (Anmerkung der Übersetzer)





181. Haben die Bewohner der verschiedenen Welten den unsrigen ähnliche Leiber?
„Ohne Zweifel haben sie Leiber, da der Geist mit Stoff um – kleidet sein muss, um auf den Stoff zu wirken; aber diese Hülle ist mehr oder weniger stofflich je nach dem Grad von Reinheit, zu der die Geister gelangen und das eben macht den Unterschied der Welten aus, die wir zu durchlaufen haben; denn es gibt viele Wohnungen im Haus unseres Vaters und auch verschiedene Grade oder Stufen. Die einen wissen es und haben hier ein Bewusstsein davon, bei anderen aber ist es keineswegs so.“



182. Können wir den physischen und moralischen Zustand der verschiedenen Welten genau kennen?
„Wir, die Geister, können auch hierauf nur gemäß der Stufe, auf der ihr steht, Antwort geben, d.h. wir dürfen diese Dinge nicht einem jeden offenbaren, weil nicht jeder imstande ist, sie zu begreifen und weil dies manchen verwirren würde.“


Je mehr der Geist sich reinigt, nähert sich sein Leib ebenfalls geistiger Natur. Sein Stoff ist dann weniger dicht und er kriecht nicht mehr mühsam auf dem Boden, die physischen Bedürfnisse sind weniger grob, die lebendigen Wesen brauchen sich nicht mehr gegenseitig zu zerstören, um sich zu ernähren. Der Geist ist freier und hat für entfernte Dinge uns unbekannte Wahrnehmungen, er sieht mit den Augen seines Leibes, was wir nur vermögen des Denkens sehen.


Die Reinigung der Geister führt bei den Wesen, in die sie inkarniert sind, moralische Vervollkommnung herbei. Die tierischen Leidenschaften werden schwächer, der Egoismus weicht der Bruderliebe. So sind denn die Kriege, auf den höheren Welten als unserer Erde, unbekannt. Hass und Zwietracht sind dort gegenstandslos, weil keiner daran denkt, seinem Nächsten ein Leid anzutun. Die Ahnung die sie von ihrer Zukunft haben, die innere Sicherheit, welche ihnen ein reines Gewissen gibt, bewirken, dass der Tod ihnen keinerlei Furcht erregt. Furchtlos sehen sie ihn herankommen als eine einfache Verwandlung. Die Lebensdauer auf den verschiedenen Welten scheint dem Grad der physischen und moralischen Vorzüge dieser Welten zu entsprechen und das ist auch ganz vernunftgemäß. Je weniger stofflich der Leib, desto weniger ist er den ihn bedrohenden Einflüssen ausgesetzt. Je reiner der Geist, desto weniger Leidenschaften hat er, die ihn untergraben. Auch hierin liegt eine Wohltat der Vorsehung, die so die Leiden abzukürzen sucht.



183. Macht der Geist, wenn er von einer Welt in die andere geht, eine neue Kindheit durch?
„Die Kindheit ist überall ein notwendiger Übergang, aber sie ist nicht überall so stumpf wie bei euch.“



184. Hat der Geist die Wahl zwischen den Welten, wenn er eine neue beziehen soll?
„Nicht immer, aber er darf es sich erbitten und es kann ihm gewährt werden, wenn er es verdient; denn die Welten sind den Geistern nur nach dem Maß ihrer Erhöhung zugänglich.“


184a. Wenn der Geist sich nichts erbittet, wodurch wird dann die Welt bestimmt, in die er reinkarniert werden soll?
,,Durch den Grad seiner Erhöhung.“



185. Ist der physische und moralische Zustand der lebenden Wesen stets derselbe auf jeder Welt?
„Nein, auch die Welten sind den Gesetzen des Fortschrittes unterworfen. Alle begannen, wie die eurige, mit einem niedrigeren Zustand, und die Erde selbst wird eine ähnliche Verwandlung erleben: sie wird ein irdisches Paradies werden, sobald die Menschen gut geworden sind.“


So werden die gegenwärtigen Völker der Erde einst verschwinden und immer vollkommenere Wesen werden an ihre Stelle treten. Diese umgewandelten Völker werden auf die jetzigen folgen, wie diese auf andere noch primitivere gefolgt sind.



186. Gibt es Welten, wo der Geist keinen stofflichen Leib mehr bewohnt, sondern nur noch den Perispirit zur Hülle hat?
„Ja, und diese Hülle selbst wird dann so ätherisiert, dass es für euch ist, als ob sie gar nicht da wäre: das ist der Zustand der reinen Geister.“


186a. Daraus scheint hervorzugehen, dass es keine feste Grenzlinie zwischen dem Zustand der letzten Inkarnationen und der reinen Geister gibt!
„Diese Grenzlinie ist nicht vorhanden; der Unterschied verwischt sich nach und nach und verschwindet zuletzt ganz, wie die Nacht, die vor den ersten Strahlen des Tages vergeht.“




187. Ist die Substanz des Perispirit auf allen Weltkörpern dieselbe?
„Nein, sie ist mehr oder weniger ätherisch. Indem der Geist von einer Welt auf die andere wandert, umkleidet er sich mit dem für jene passenden Stoff. Das dauert nicht länger als ein Blitzstrahl.“



188. Bewohnen die reinen Geister besondere Welten oder sind sie in dem universellen Raum, ohne an einem Weltkörper mehr als an anderen gebunden zu sein?
„Die reinen Geister bewohnen gewisse Welten, aber sie sind an dieselben, nicht wie die Menschen an die Erde gebannt, sie können leichter als die anderen überall sein.“ *


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* Anmerkung von Allan Kardec: Nach der Aussage der Geister ist die Erde von allen Welten unseres Sonnensystems eine derjenigen, deren Bewohner sowohl physisch als moralisch am wenigsten fortgeschritten sind. Mars würde ihr nachstehen und Jupiter in jeder Beziehung weit über ihr stehen. Die Sonne wäre keine von verkörperten Wesen bewohnte Welt, sondern ein Stelldichein der höheren Geister, die von dort ihre Gedanken nach anderen Welten hin strahlen, um dieselben durch Vermittlung weniger erhabenen Geister, die sie sich durch das Universalfluidum verständigen, zu leiten. Nach ihrer physischen Beschaffenheit wäre die Sonne, wie wahrscheinlich alle Sonnen, ein Herd von Elektrizität. Umfang und Entfernung von der Sonne stehen in keiner notwendigen Beziehung zur Rangstufe der Welten, da Venus weiter fortgeschritten erschiene als die Erde, Saturn dagegen weniger als Jupiter. Mehrere Geister, die auf der Erde bekannte Personen beseelten, sagten aus, sie seien auf dem Jupiter reinkarniert, einer der Welten, die der Vollendung am nächsten stehen und man durfte sich wundern, Menschen auf jener so fortgeschrittenen Welt zu sehen, welche die Meinung hier auf Erden nicht auf eine hohe Stufe setzte. Dies hat nichts Überraschendes, wenn man bedenkt, dass gewisse unsere Erde bewohnende Geister hierher in einem Auftrag gesandt worden waren, der sie in unseren Augen nicht auf die höchste Stufe stellte; dass sie zweitens zwischen ihrem Erdendasein und demjenigen auf dem Jupiter Mittelexistenzen konnten durchgemacht haben, in denen sie sich selbst erhöhten; drittens endlich, dass es auf jener, wie auf unserer Welt verschiedene Entwicklungsstufen gibt und dass es unter diesen Zwischenräume geben kann, so groß wie der, zwischen einem Wilden und einem zivilisierten Menschen. So folgt daraus, dass man den Jupiter bewohnt, nicht, dass man auf der höchsten Stufe stehe, ebensowenig als man, weil man Paris bewohnt, deswegen auf der Stufe eines Gelehrten des Institutes stehen muss. Auch die Bedingungen der Lebensdauer sind nicht überall dieselben, wie hier auf Erden und das Alter lässt sich gar nicht vergleichen. Eine seit einigen Jahren gestorbene und nun angerufene Person sagte, sie sei seit einem halben Jahr auf einer Welt inkarniert, deren Name uns unbekannt ist. Über ihr Alter in jener Welt befragt, antwortete sie: „Ich kann es nicht bestimmen, da wir anders zählen als ihr. Auch ist unsere Existenzweise eine andere: man entwickelt sich dort viel schneller; dennoch darf ich, obschon 6 eurer Monate dort wohnend, behaupten, bezüglich der Intelligenz, 30 Jahre meines Erdenlebens alt zu sein.“ Viele ähnliche Antworten wurden von anderen Geistern gegeben und das hat nichts Unwahrscheinliches. Sehen wir hier nicht eine Menge Tiere in wenig Monaten ihre vollständige Entwicklung erreichen? Warum sollte es mit dem Menschen auf anderen Welten nicht ebenso sein? Fügen wir noch hinzu, dass ein Alter von 30 Jahren auf der Erde vielleicht nur eine Art von Kindheit darstellt im Vergleich mit demjenigen, das er eigentlich erreichen sollte. Es zeugt von großer Kurzsichtigkeit, den Menschen überall für das Musterbild der Schöpfung zu nehmen und es heißt die Gottheit erniedrigen, wenn man meint, außerhalb unseres Kreises gebe es nichts, das ihr möglich wäre.




Fortschreitende Wanderung

189. Genießt der Geist von Anbeginn seines Daseins schon die ganze Fülle seiner Fähigkeiten?
„Nein, denn auch der Geist hat seine Kindheit, wie der Mensch. Bei ihrem Ursprung haben die Geister nur ein instinktmäßiges Dasein und kaum ein Bewusstsein ihrer selbst und ihrer Handlungen. Erst allmählich entwickelt sich ihre Intelligenz.“


190. Welches ist der Zustand der Seele bei ihrer ersten Inkarnation?
„ Der Zustand der Kindheit im körperlichen Leben. Seine Intelligenz erschließt sich noch kaum: sie versucht sich erst im Leben.“



191. Sind die Seelen unserer „Naturvölker“ solche Kindheitsseelen?

„Eine nur verhältnismäßige Kindheit; aber diese Seelen sind schon entwickelt, denn sie haben Leidenschaften.“


191a. So sind also die Leidenschaften ein Zeichen von Entwicklung?
,,Von Entwicklung, ja, aber nicht von Vervollkommnung. Sie sind ein Zeichen von Tätigkeit und von Bewusstsein des Ichs, während in der noch jungen Seele Intelligenz und Leben erst noch in keimendem Zustand sind.“


Das Leben des Geistes durchläuft im Ganzen dieselben Stufen, wie das des Leibes. Es gelangt vom Embryo – Zustand zu dem der Kindheit, um allmählich den Zustand des Erwachsenen zu erreichen, welcher derjenige der Vollkommenheit ist, nur mit dem Unterschied, dass bei ihm kein Verfall und keine Abnutzung, wie beim Leibesleben, vorkommt; dass sein Leben, das einst einen Anfang genommen hat, kein Ende mehr nimmt; dass er eine nach unseren Begriffen unendliche Zeit braucht, um von geistiger Kindheit zu vollständiger Entwicklung zu gelangen, und dass sein Fortschritt sich nicht nur auf einer Welt, sondern auf vielen vollzieht. So besteht das Leben des Geistes in einer Anzahl leiblicher Existenzen, von denen jede ihm eine Gelegenheit zum Fortschreiten bietet, gerade so wie jede leibliche Existenz sich aus einer Reihe von Tagen zusammensetzt, an deren jedem der Mensch einen Zuwachs an Erfahrung und Bildung sich erwirbt. Aber so wie es im Menschenleben Tage gibt, die keinerlei Frucht tragen, so gibt es im Leben des Geistes leibliche Daseinsformen, die ohne Resultat bleiben, weil er sie sich nicht zunutze zu machen wusste.



192. Kann man von diesem Erdenleben an durch einen vollkommenen Lebenswandel alle Stufen überspringen und direkt ohne Zwischenstufen reiner Geist werden?
„Nein, denn was der Mensch für vollkommen hält, ist weit davon entfernt. Es gibt ihm unbekannte und unbegreifliche Eigenschaften. Er kann so vollkommen werden, als seine irdische Natur es zulässt, allein, das ist noch keine absolute Vollkommenheit. So muss ein Kind, und wäre es auch noch so frühreif, seine Jugend durchlaufen, bevor es zum Alter der Erwachsenen gelangt. Ebenso macht der Kranke den Genesungsprozess durch, bevor er wieder ganz gesund ist. Dann muss der Geist an Erkenntnis und Moral zunehmen: war er bisher nur in einer Richtung fortgeschritten, so muss er es nun auch in einer anderen, um die höchste Stufe zu erklimmen. Je weiter aber der Mensch in seinem gegenwärtigen Leben vorwärts kommt, desto weniger lang und beschwerlich sind für ihn die folgenden Prüfungen.“


192a. Kann der Mensch schon in diesem Leben sich wenigstens einer künftigen Existenz von weniger Leid versichern?
„Gewiss, er kann die Länge und die Beschwerden seines Weges abkürzen. Der Sorglose allein bleibt stets auf demselben Punkt stehen.“



193. Kann ein Mensch in seinen neuen Daseinsformen tiefer fallen?
„In seiner sozialen Stellung, ja; als Geist nicht.“



194. Kann die Seele eines rechtschaffenen Menschen in einer neuen Inkarnation den Leib eines Bösewichts beseelen?
„Nein, denn sie kann sich nicht zurückentwickeln.“


194a. Kann die Seele eines schlechten diejenige eines guten Menschen werden?
„Ja, wenn er bereut hat und dann ist dies eine Belohnung.“

Das Leben der Geister ist ein fortschreitendes, nie ein rück – schreitendes. Sie erheben sich stufenweise in der Rangordnung und sinken nie unter den einmal eingenommenen Standpunkt hinunter. In Ihren verschiedenen leiblichen Existenzen können sie als Menschen sinken, nicht aber als Geister. So kann z.B. die Seele eines Mächtigen der Erde, später den einfachsten Handwerker beseelen und umgekehrt. Denn die Rangstufen unter den Menschen stehen oft in umgekehrtem Verhältnis zur Höhe ihrer moralischen Gefühle. Herodes war König, Jesus Zimmermann.




195. Kann die Möglichkeit einer Besserung in einem anderen Dasein nicht gewisse Personen verleiten, auf einem schlechten Weg zu beharren, indem sie denken, dass sie sich später immer noch bessern können?
„Wer so denkt, der glaubt an nichts, und die Vorstellung einer ewigen Strafe hält ihn ebensowenig zurück, weil seine Vernunft sie verwirft und diese Vorstellung führt zum Unglauben in allen Dingen. Hätte man stets nur vernunftgemäße Mittel angewendet, um die Menschen zu leiten, so gäbe es nicht so viele Zweifler. Ein unvollkommener Geist kann wirklich während seines Leibeslebens so denken, wie du gesagt hast. Allein einmal vom Stoff befreit, denkt er anders, denn er sieht bald, dass er falsch gerechnet hat und dann bringt er ein entgegengesetztes Gefühl in ein neues Dasein mit. So erfüllt sich der Fortschritt und deshalb habt ihr auf Erden Menschen, von denen die einen weiter fortgeschritten sind als die anderen. Die einen haben schon Erfahrungen gemacht, welche die anderen noch nicht haben, die sie aber allmählich erwerben werden. Von ihnen hängt es ab, ihren Fortschritt ins Unendliche zu beschleunigen oder zu verzögern.“


Der Mensch in einer schlimmen Lage sucht sie sobald als möglich zu verändern. Wer da überzeugt ist, dass die Trübsale dieses Lebens die Folge seiner Unvollkommenheiten sind, wird sich ein neues weniger trübes Dasein zu sichern bestrebt sein, und dieser Gedanke wird ihn eher vom Weg des Bösen abbringen, als der an das ewige Feuer, an das er doch nicht glaubt.



196. Da sich die Geister nur dadurch bessern können, dass sie die Trübsale des Leibeslebens durchmachen, so würde sich daraus ergeben, dass das stoffliche Leben eine Art Leidens – und Reinigungsschule wäre, durch welche alle Wesen der geistigen Welt gehen müssen, um zur Vollendung zu gelangen?

„Ja, so ist es. Sie bessern sich in diesen Prüfungen, in dem sie das Böse meiden und das Gute tun. Aber erst nach mehreren, fortlaufenden Inkarnationen oder Reinigungen erreichen sie schneller oder langsamer, je nach ihrem Bemühen, das ersehnte Ziel.“


196a. Wirkt der Leib auf den Geist, um ihn zu bessern, oder der Geist auf den Leib?
„Alles ist dein Geist, dein Leib ist ein Kleid, das verwest; das ist alles.“


Wir finden ein zutreffendes Bild der verschiedenen Reinheitsgrade der Seele im Saft der Rebe. Er enthält eine Flüssigkeit, die Geist oder Alkohol heißt, die aber durch eine Menge von fremden Substanzen, die ihr Wesen verändern, geschwächt wird. Erst nach mehreren Destillationen erreicht sie ihre völlige Reinheit, bei deren jede ihre Unreinheit ablegt wird. In den Destillierkolben muss sie erst gehen, um sich zu reinigen: die fremden Stoffe sind dem Perispirit zu vergleichen, der sich in dem Maße wie der Geist seiner Vollendung naht, selbst reinigt.




Los der Kinder nach dem Tod

197. Ist der Geist eines, in früher Jugend gestorbenen Kindes ebenso weit fortgeschritten, als der eines Erwachsenen?
„Zuweilen noch viel weiter, denn er kann viel länger gelebt und viel mehr Erfahrung haben, wenn er überhaupt fortgeschritten ist.“


197a. Kann somit der Geist eines Kindes mehr fortgeschritten sein als der seines Vaters?
„Das kommt häufig vor, seht ihr dies nicht oft selbst auf Erden?“



198. Da das früh verstorbene Kind im jugendlichen Alter kein Böses tun konnte, gehört sein Geist deswegen den höheren Stufen an?
„Hat es kein Böses getan, so hat es auch kein Gutes tun können und Gott befreit es nicht von den Prüfungen, denen es sich unterziehen muss. Ist es rein, so ist es dies nicht, weil es ein Kind, sondern weil der Geist weiter fortgeschritten war.“



199. Warum wird das Leben schon in der Kindheit oft unterbrochen?
„Die Lebensdauer des Kindes kann für den in dasselbe inkar – nierten Geist die Ergänzung einer vor dem beabsichtigten Ziel unterbrochenen Existenz sein, und sein Tod ist oft eine Prüfung oder eine Sühne für die Eltern.“


199a. Was wird aus dem Geist eines in zartem Alter sterbenden Kindes?
„Er beginnt eine neue Existenz.“


Wenn der Mensch nur eine einzige Existenz hätte und nach dieser sein künftiges Los auf ewig entschieden wäre, worin bestände das Verdienst der Hälfte des Menschengeschlechts, die in frühester Kindheit stirbt, dass sie dann die ewige Seligkeit ohne Mühe geniessen könnte, und mit welchem Recht wäre sie von den oft so harten Bedingungen befreit, die der anderen Hälfte auferlegt werden. Eine solche Weltordnung könnte nicht der Gerechtigkeit Gottes entsprechen. Durch die Reinkarnation hingegen sind alle gleich. Die Zukunft gehört allen ohne Ausnahme und ohne die Bevorzugung irgendjemandes. Wer zuletzt ans Ziel gelangt, hat es nur sich selbst zu zuschreiben. Dem Menschen muss nach seinen Werken geschehen, ist er doch für sie verantwortlich.


Übrigens ist es nicht vernunftgemäß, die Kindheit als einen normalen Zustand der Unschuld zu betrachten. Sieht man nicht Kinder, die in einem Alter, wo die Erziehung noch keinen Einfluss auf sie ausüben konnte, die schlimmsten Triebe verraten? Welche Hinterlist, Falschheit, Heimtücke, ja den Trieb nach Diebstahl und Mord gleichsam mit auf die Welt bringen und zwar ungeachtet der guten Beispiele ihrer Umgebung? Das bürgerliche Gesetz spricht sie von ihren Missetaten frei, weil sie nach ihm nicht zurechnungsfähig sind. Es hat Recht, weil sie wirklich mehr instinktmäßig, als mit freier Überlegung so handeln. Woher sollen aber diese so verschiedenen Triebe bei Kindern desselben Alters kommen, die in denselben Verhältnissen erzogen, denselben Einflüssen ausgesetzt sind? Woher stammt diese frühreife Bosheit, wenn nicht aus der Niedrigkeit des Geistes, da ja die Erziehung hier nichts zu bedeuten hat? Der Geist derer, die lasterhaft sind, muss weniger fortgeschritten sein und dann erleidet er auch die Folgen davon, nicht in Betreff der Taten, die er als Kind verübt, sondern derer seiner früheren Daseinsformen. So gilt dasselbe Gesetz für alle und Gottes Gerechtigkeit erreicht und trifft einen jeden.





Geschlechter bei den Geistern

200. Haben die Geister auch verschiedene Geschlechter?
„Keineswegs so wie ihr das versteht, denn das Geschlecht hängt von der physischen Veranlagung ab. Es findet zwischen ihnen Liebe und Sympathie statt, die jedoch nur auf die Ähnlichkeit der Gefühle sich gründet.“



201. Kann der Geist, der den Leib eines Mannes beseelte, in einer neuen Existenz den einer Frau beseelen und umgekehrt?
„Ja, es sind dieselben Geister, welche Männer und Frauen beseelen.“


202. Zieht man es, wenn man Geist ist, vor, in den Leib eines Mannes oder einer Frau inkarniert zu werden?
„Darauf kommt es dem Geist wenig an; es hängt von den ihn erwartenden Prüfungen ab.“


Die Geister inkarnieren sich als Männer oder Frauen, weil sie kein Geschlecht haben. Da sie in allem fortschreiten sollen, so bietet ihnen jedes Geschlecht, wie jede gesellschaftliche Stellung besondere Prüfungen und Pflichten und die Gelegenheit, Erfahrungen zu sammeln. Wer stets ein Mann wäre, wüsste nur was die Männer wissen.





Verwandtschaft und Abstammung

203. Überliefern die Eltern ihren Kindern einen Teil ihrer Seele oder geben sie ihnen nur das körperliche Leben, welchem dann später eine neue Seele, das moralische Leben hinzufügt?
„Nur das körperliche Leben, denn die Seele ist unteilbar. Ein stumpfsinniger Vater kann geistvolle Kinder haben, und umgekehrt.“


204. Da wir mehrere Existenzen hatten, leitet sich da die Verwandtschaft weiter als nur auf unser jetziges Dasein zurück?
„Das kann nicht anders sein. Die Reihenfolge der leiblichen Existenzen knüpft zwischen den Geistern Bande, die zu einem früheren Dasein zurückleiten. Daher gibt es oft Gründe zu Sympathien zwischen euch und gewissen Geistern, die euch fremd scheinen.“



205. In den Augen gewisser Leute scheint die Lehre der Reinkarnation die Familienbande zu zerstören, indem sie diese über jenseits der gegenwärtigen Existenz zurückleitet.
„Sie dehnt sie aus, aber sie zerreißt sie nicht. Da die Verwandtschaft auf frühere Zuneigungen gegründet ist, so sind die, die Glieder einer Familie einigenden Bande, weniger lose. Die Reinkarnation erhöht die Pflichten der Brüderlichkeit, da in euren Nachbarn oder Angestellten möglicherweise ein Geist leben kann, der euch einst durch Bande des Blutes nahe gestanden war.“


205a. Sie vermindert aber doch das Gewicht, das einige auf ihre Abstammung legen, da man ja einen Geist zum Vater gehabt haben kann, der einem ganz anderen Volk angehörte oder in ganz anderen Verhältnissen lebte.

„Schon wahr, allein jenes Gewicht gründet sich nur auf Hochmut. Was die Mehrzahl an ihren Vorfahren ehrt, sind Titel, Rang, Reichtümer. Solche Leute würden erröten, einen braven Schuster zum Vorfahren gehabt zu haben, während sie sich rühmen von einem ausschweifenden Edelmann abzustammen. Was sie aber sagen oder tun mögen, sie werden es nicht hindern, dass die Dinge so sind, wie sie sind; denn Gott hat die Naturgesetze nicht auf ihre Eitelkeit gegründet.“




206. Folgt daraus, dass keine Abstammung zwischen den Geistern der Abkömmlinge derselben Familie stattfindet, dass der Kultus der Vorfahren etwas Lächerliches ist?
„Gewiss nicht, denn man soll sich glücklich schätzen, einer Familie anzugehören, in der hohe Geister sich inkarnierten. Obschon ein Geist nicht einer aus dem andern hervorgeht und von ihm abstammt, so lieben sie deswegen doch nicht minder die, welche durch Familienbande ihnen angehören; denn diese Geister wurden oft zu der und der Familie hingezogen durch Sympathie oder frühere Bande. Glaubt aber nur nicht, dass die Geister eurer Vorfahren sich von einem Kultus, den ihr ihnen aus Hochmut widmet, geehrt fühlen. Ihr Verdienst kommt euch nur soweit zugute, als ihr euch bestrebt ihr gutes Beispiel zu befolgen und nur dann kann euer Andenken an sie ihnen nicht nur angenehm, sondern auch von Nutzen sein.“




Physische und moralische Ähnlichkeiten

207. Die Eltern übertragen auf ihre Kinder oft eine physische Ähnlichkeit. Übertragen sie auf dieselben auch eine moralische?

„Nein, denn sie haben verschiedene Seelen oder Geister. Der Leib stammt vom Leib, nicht aber der Geist vom Geist. Es besteht nur eine Blutsverwandtschaft.“


207a. Woher stammen die moralischen Ähnlichkeiten, die zuweilen zwischen Eltern und Kindern vorkommen?
„Das sind sympathische Geister, die durch die Ähnlichkeit der Neigungen angezogen werden.“


208. Ist der Geist der Eltern ohne Einfluss auf den des Kindes nach dessen Geburt?
„Es gibt einen sehr großen sogar; denn, wie gesagt, die Geister sollen gegenseitig zu ihrem Fortschritt beitragen. Nun denn! Die Geister der Eltern haben den Auftrg die Geister der Kinder durch die Erziehung zu entwickeln, es ist dies ihre Aufgabe: erfüllen sie sie nicht, so machen sie sich schuldig.“



209. Warum gaben gute und tugendhafte Eltern Kindern von einer verdorbenen Natur das Leben? Mit anderen Worten: Warum ziehen die guten Eigenschaften der Eltern nicht immer einen guten Geist durch Sympathie herbei, ihr Kind zu beleben?
„Ein böser Geist kann gute Eltern verlangen, in der Hoffnung, dass deren gute Ratschläge ihn auf einen bessern Weg führen würden, und oft kommt Gott seiner Bitte nach.“



210. Vermögen die Eltern durch Gedanken und Gebet einen guten Geist eher als einen niedrigeren in den Leib ihres Kindes heranzuziehen?
„Nein, aber sie können den Geist ihres Kindes, das ihnen nun anvertraut ist, bessern. Es ist ihre Pflicht. Böse Kinder sind eben eine Prüfung für die Eltern.“




211. Woher die Charakterähnlichkeit, die sich oft zwischen Geschwistern, besonders bei Zwillingen, findet?

„Es sind sympathische Geister, die sich wegen der Ähnlichkeit ihrer Gefühle nähern und beglückt sind, beisammen zu sein.“



212. Leben in den Kindern, deren Leiber zusammengewachsen sind und die gewisse Organe gemeinsam besitzen, zwei Geister d.h. zwei Seelen?
„Ja, aber ihre Ähnlichkeit lässt sie auch oft als nur einen erscheinen.“



213. Da sich die Geister aus Sympathie in die Zwillinge inkarnieren, woher kommt denn die gegenseitige Abneigung, die man oft bei ihnen sieht?
„Es ist nicht die Regel, dass Zwillinge nur sympathische Geister haben, böse Geister können miteinander auf dem Schauplatz des Lebens ringen wollen.“



214. Was soll man von den Geschichten denken, von Kindern, die sich schon im Mutterschoße raufen?
„Das ist nur bildlich zu verstehen. Man lässt ihren Hass, um ihn als recht eingewurzelt darzustellen, schon vor ihrer Geburt da sein. Überhaupt nehmt ihr die dichterische Darstellung zu wichtig. “



215. Woher kommt der unterscheidende Charakter, den man bei jedem Volk bemerkt?
„Auch die Geister haben Familien, die durch die Ähnlichkeit ihrer, mehr oder weniger gereinigten Neigungen, je nach ihrer Erhöhung gebildet werden. Nun denn, ein Volk ist eine große Familie, in der sympathische Geister sich zusammentun. Das Einigungsstreben der Glieder dieser Familie ist nun die Quelle der Ähnlichkeit, in welcher der unterscheidende Charakter jedes Volkes liegt. Meinst du etwa, gute und humane Geister würden ein rohes und hartherziges Volk aufsuchen? Nein, die Geister sympathisieren mit den Massen so gut, wie mit den Einzelnen: dort sind sie inmitten der ihrigen.“



216. Bewahrt der Mensch in seinen neuen Daseinsformen die Spuren des moralischen Charakters seiner vorhergegangenen Daseinsformen?
„Ja, das ist möglich; indessen während er sich bessert, ändert er sich auch. Auch ist möglicherweise seine soziale Stellung nicht mehr dieselbe. Wird er vom Meister zum Sklaven, so werden seine Neigungen ganz andere sein und ihr werdet ihn nur mit Mühe wiedererkennen. Da der Geist in seinen verschiedenen Inkarnationen derselbe bleibt, so können seine Äußerungen von der einen zur anderen gewisse Ähnlichkeiten bewahren, die jedoch immerhin durch die Gewohnheiten seiner neuen Lage etwas umgewandelt sein werden, bis endlich eine bedeutendere Vervollkommnung seinen Charakter vollständig ändert. Denn aus einem Hochmütigen und Bösartigen kann er demütig und menschlich werden, wenn er bereut hat.“



217. Bewahrt der Mensch in seinen verschiedenen Inkarnationen die Spuren des physischen Charakters seiner früheren Existenzen?
„Der Leib ist vernichtet und der neue hat keine Beziehungen mehr zum früheren. Dennoch wirft der Geist sein Licht auf den Leib zurück. Gewiss ist dieser nur Stoff, aber dennoch wird er nach den Fähigkeiten des Geistes geformt, besonders im Antlitz, und mit Recht hat man die Augen als den Spiegel der Seele bezeichnet. Das heißt genauer gesprochen: das Antlitz spricht das Wesen der Seele aus. Wie manche äußerst hässliche Person hat dennoch Etwas, das gefällt, wenn sie die Hülle eines guten, weisen, menschlichfühlenden Geistes ist, während es sehr schöne Gesichter gibt, die dich kalt lassen, ja abstoßen. Du könntest glauben, dass nur wohlgestaltete Leiber die Hüllen der vollendetsten Geister sein können, während du doch täglich auf brave Leute mit missgestaltetem Äußern stößt? Es kann daher die Verwandtschaft des Geschmackes und der Neigungen auch ohne ausgesprochene Ähnlichkeit einen sogenannten Familientypus begründen.“


Da der die Seele umhüllende Leib in einer neuen Inkarnation keine notwendigen Beziehungen zu dem hat, den er verlassen hat, da sie ihn ja von einem ganz anderen Stammvater haben kann, so wäre die Annahme einer Reihenfolge von Existenzen, die nur eine zufällige Ähnlichkeit haben, ungereimt. Dennoch verändern die Eigenschaften des Geistes oft die ihnen dienenden Organe und drücken dem Antlitz, ja der Gesamtheit des Benehmens einen bestimmten Stempel auf. So findet man zuweilen unter der niedrigsten Hülle einen Ausdruck von Hoheit und Würde, während unter dem Kleid eines großen Herrn zuweilen Gemeinheit und Schmach hervorlugen. Es gibt Personen, die, obschon aus einem ganz niedrigen Stand hervorgegangen, doch mühelos die Gewohnheiten und das Benehmen der großen Welt annehmen. Es ist, als ob sie hier ihr Element wiederfinden, während andere trotz ihrer Geburt und Erziehung, hier nie an ihrem Platz sind. Wie soll man dies anders erklären, denn als einen Widerschein dessen, was der Geist früher gewesen ist?




Angeborene Ideen

218. Bewahrt der inkarnierte Geist keinerlei Spuren der Wahrnehmungen und gesammelten Kenntnisse seiner früheren Existenzen?
„Es bleibt ihm eine vage Erinnerung, welche ihm die sogenannten angeborenen Ideen verleiht.“


218a. Also wäre die Theorie der angeborenen Ideen kein Wahngebilde?
„Nein, die in jeder Daseinsform erworbenen Kenntnisse gehen nicht verloren und der vom Stoff befreite Geist erinnert sich stets derselben. Während der Inkarnation kann er sie momentan teilweise vergessen, aber das vage Gefühl, das ihm davon bleibt, hilft ihm zu seinem Fortschreiten. Sonst müsste er immer von vorn anfangen. In jeder neuen Existenz nimmt der Geist seinen Ausgangspunkt da, wo er in der früheren geblieben war.“


218b. Muss da somit eine enge Verbindung zwischen zwei aufeinanderfolgenden Existenzen bestehen?
„Nicht immer eine so starke, wie du glauben möchtest; denn die Lagen sind bisweilen sehr verschieden und in der Zwischenzeit konnte der Geist Fortschritte machen.“ (216.)



219. Woher stammen die außerordentlichen Fähigkeiten von Individuen, die, ohne vorhergehende Studien die unmittelbare Anschauung gewisser Kenntnisse wie für Sprachen, Rechnen und dergleichen haben?
,,Erinnerung der Vergangenheit, früherer Fortschritt der Seele, worin sie selbst aber kein Bewusstsein hat. Woher sollten sie sonst kommen? Der Leib ändert sich, aber der Geist ändert sich nicht, wenn er auch sein Kleid ändert.“



220. Kann man, wenn man den Leib wechselt, gewisse Geistesfähigkeiten verlieren, z.B. keinen Gefallen mehr an den Künsten haben?
,,Ja, wenn man solch eine Fähigkeit befleckt oder sie schlecht angewendet hat. Ferner kann eine solche Fähigkeit während einer Existenz schlummern, weil der Geist eine andere üben will, die zu jener keine Beziehung hat. Dann bleibt sie in latentem Zustand, um später wieder aufzutreten.“




221. Verdankt der Mensch, selbst im primitiven Zustand, das instinktartige Gefühl vom Dasein Gottes und die Ahnung eines künftigen Lebens einer solchen Rückerinnerung?
,,Es ist dies eine Erinnerung an das, was er als Geist wusste, bevor er inkarniert war. Aber der Hochmut erstickt oft dieses Gefühl.“


221a. Verdanken auch gewisse die spiritistische Lehre betreffende Annahmen, die man bei allen Völkern findet, dieser Erinnerung ihren Ursprung?
„Diese Lehre ist so alt, wie die Welt. Darum findet man sie überall und das ist ein Beweis ihrer Wahrheit. Der inkarnierte Geist hat, indem er das vage Gefühl seines Zustandes als Geist bewahrt, ein instinktartiges Bewusstsein von der unsichtbaren Welt, oft ist er aber von Vorurteilen verfälscht und die Unwissenheit mischt den Aberglauben hinein.“





KAPITEL V – Betrachtungen über die Mehrheit der Existenzen


222. Der Glaubenssatz von der Reinkarnation, sagen einige Leute, ist nicht neu, er ist von Pythagoras her aufgefrischt. Wir haben auch nie gesagt, dass die spiritistische Lehre eine moderne Erfindung sei. Da der Spiritismus ein Naturgesetz ist, so musste er schon am Anfang der Zeiten existieren, und wir bemühten uns stets seine Spuren schon im höchsten Altertum nachzuweisen. Bekanntlich ist Pythagoras nicht der Erfinder des Systems der Seelenwanderung: er schöpfte von den indischen Philosophen und von den Ägyptern, wo dasselbe seit unvordenklichen Zeiten existierte. Die Idee der Seelenwanderung war somit ein Volksglaube, der von den hervorragendsten Männern geteilt wurde. Woher kam ihnen dieser Glaube? Durch Offenbarung oder durch unmittelbare Anschauung? Wir wissen es nicht, aber wie dem auch sei, eine Idee wandelt nicht durch alle Zeitalter und wird nicht von den auserlesensten Geistern angenommen, wenn sie nicht eine ernste Seite hat. Das Alter dieser Lehre wäre somit eher ein Beweis für, als ein Einwand gegen dieselbe. Jedoch besteht, wie man ebenfalls weiß, zwischen der Seelenwanderung der Alten und der modernen Lehre von der Reinkarnation der große Unterschied, dass die Geister das Wandern der Menschenseele in die Tiere auf das Allerbestimmteste verwerfen. Indem also die Geister den Glaubenssatz von der Mehrheit der leiblichen Existenzen lehren, erneuern sie eine Annahme, die in den frühesten Zeiten sich bildete und sich bis auf unsere Tage erhalten hat. Nur stellen sie diese Lehre unter einem vernunftsgemäßeren und den Naturgesetzen des Fortschrittes entsprechenderen sowie mit der Weisheit des Schöpfers mehr in Einklang stehenden Gesichtspunkt dar, indem sie sie aller Beiwerke des Aberglaubens entkleiden. Es ist auch ein bemerkenswerter Umstand, dass sie dieselbe in neuester Zeit nicht in diesem Buch allein lehrten. Schon vor dessen Veröffentlichung wurden in verschiedenen Gegenden zahlreiche Mitteilungen derselben Art empfangen und haben sich seither beträchtlich vermehrt. Vielleicht wäre es nun hier am Platz zu fragen, warum die Geister nicht alle über diesen Punkt übereinstimmen? Wir kommen später hierauf zurück.

Untersuchen wir die Sache unter einem anderen Gesichtspunkt und abgesehen von allen Einflüssen der Geister. Nehmen wir an, dass diese Theorie nicht die ihrige sei, ja dass überhaupt nie von Geistern die Rede gewesen ist. Stellen wir uns somit auf einen neutralen Boden, indem wir beiden Annahmen denselben Grad von Wahrscheinlichkeit zugestehen, der Einzahl und der Mehrzahl der leiblichen Existenzen, und sehen wir dann, nach welcher Seite Vernunft und eigenes Interesse uns führt. Gewisse Leute verwerfen die Idee der Reinkarnation nur darum, weil sie ihnen nicht behagt, indem sie sagen, sie hätten genug an einer einzigen Existenz und möchten nicht noch eine neue anfangen. Wir kennen Menschen, die der bloße Gedanke, wieder auf der Erde zu erscheinen, in Wut versetzt. Wir fragen sie nur eines: Ob sie glauben, dass Gott ihre Meinung und ihren Geschmack befragte, um das Universum zu regieren. Von zwei Dingen also eines: Die Reinkarnation existiert oder existiert nicht. Existiert sie, so mag sie ihnen lange widerstreben, sie werden sie sich doch gefallen lassen müssen; Gott wird sie darum nicht um Erlaubnis bitten. Es kommt uns vor, als hörten wir einen Kranken sagen: Ich habe heute genug gelitten, morgen will ich nicht mehr leiden. Wie groß auch seine üble Laune sei, er wird deswegen morgen und die folgenden Tage nicht minder leiden müssen, bis er genesen ist. Sollen jene also leiblich wiederleben, so werden sie es, sie werden sich neu inkarnieren. Sie mögen lange sich auflehnen, wie ein Kind das nicht zur Schule gehen will, oder wie ein Verurteilter in seinem Gefängnis: sie müssen eben hier durch. Solche Einwände sind eigentlich zu kindisch, um sich lange bei ihnen aufzuhalten. Zu ihrer Beruhigung indessen sagen wir jenen Gegnern: die Reinkarnationslehre ist nicht so schrecklich, wie sie meinen und hätten sie sie gründlich studiert, so wären sie vor ihr nicht so entsetzt: sie wüßten dann, dass der Zustand dieser neuen Existenz von ihnen abhängt: sie wird eine glückliche oder eine unglückliche sein, je nach dem, was sie hier auf Erden tun und sie können sich schon in diesem Leben so hoch erheben, dass sie keinen Rückfall in den Schlamm mehr zu fürchten haben.

Wir setzen voraus, dass wir zu Leuten sprechen, die an irgendeine Zukunft nach dem Tod glauben und nicht zu solchen, die sich das Nichts zur Aussicht wählen oder die ihre Seele ohne Individualität in ein allgemeines Ganzes wie die Regentropfen in das Weltmeer stürzen wollen, was ungefähr aufs Gleiche hinauskommt. Glaubt ihr also an irgendein künftiges Dasein, so werdet ihr gewiss nicht zugeben, dass es für alle das gleiche sei: denn wo wäre sonst der Nutzen des Guten? Warum dann sich Gewalt antun? Warum nicht alle Leidenschaften, alle Wünsche befriedigen, wäre es auch auf Kosten anderer, da nachher doch alles vorbei ist? Aber ihr glaubt also, jene Zukunft werde mehr oder weniger glücklich oder unglücklich sein, je nach dem, was ihr im Leben tatet; ihr wünscht dann dort so glücklich als möglich zu werden für alle Ewigkeit? Solltet ihr etwa den Anspruch stellen, die vollkommensten Menschen auf Erden zu sein, die je existierten und darum das vollste Recht zu haben auf die höchste Seligkeit der Auserwählten? Nein. Ihr gebt damit zu, dass es bessere Menschen gibt als ihr, und die Anspruch auf einen besseren Platz haben als ihr, ohne dass ihr deswegen zu den Verdammten gehört. Nun denn! Versetzt euch einen Augenblick in Gedanken in diese Mittelstellung, die ihr euch selbst angewiesen habt, und nun denkt, es komme einer und sage zu euch: ihr leidet, ihr seit nicht so glücklich, als ihr sein könntet, während ihr vor euch Wesen habt, die ein ungetrübtes Glück genießen, wollt ihr nicht mit ihnen tauschen? – Gewiss, werdet ihr antworten, was müssen wir tun? – Weniger als nichts: wieder anfangen, was ihr schlecht gemacht habt und versuchen, es besser zu machen. – Würdet ihr euch besinnen den Vorschlag anzunehmen, wäre es auch um den Preis mehrerer prüfungsvoller Existenzen? Machen wir eine mehr prosaische Vergleichung. Nehmen wir einen Menschen, der, ohne gerade im äußersten Elend zu sein, doch bei allzu geringen Einnahmen Mangel leidet, und es käme einer und sagte zu ihm: Ich weiß einen ungeheueren Schatz, der kann dein werden, aber dafür musst du eine Minute lang angestrengt arbeiten. Wäre es auch der Trägste von der Welt, ohne sich zu besinnen würde er antworten: „Ich will arbeiten eine, zwei Minuten, eine Stunde, ja wenn es sein muss, einen ganzen Tag; was heißt das, wenn ich dafür dann mein Leben in Überfluss beschließen kann? Was ist nun aber die Dauer unseres Leibeslebens im Vergleich mit der Ewigkeit? Weniger als eine Minute, als eine Sekunde.

Wir hörten den Gedanken aussprechen, der allgütige Gott könne dem Menschen unmöglich die Wiederholung einer Reihe von Plagen und Trübsalen auferlegen. Sollte man aber eine größere Güte darin entdecken, den Menschen wegen einiger Augenblicke des Irrtums zu ewigen Qualen zu verdammen, statt ihm die Mittel zu geben, seine Fehler wieder gut zu machen? „Zwei Fabrikanten hatten jeder einen Arbeiter, der sich darum bewerben durfte, Geschäftsteilhaber seines Meisters zu werden. Nun geschah es, dass einmal die beiden Arbeiter ihre Zeit sehr schlecht anwendeten und entlassen zu werden verdienten. Der eine Fabrikant jagte seinen Arbeiter fort trotz dessen Bitten und Flehen und dieser starb schließlich im Elend, da er keine Arbeit finden konnte. Der andere sagte zu seinem Gesellen: du hast einen Tag verloren, du schuldest mir also einen anderen dafür; du hast deine Arbeit schlecht gemacht, du musst mir sie besser machen. Du darfst sie wieder von vorn anfangen; tue wieder recht, so will ich dich behalten und du darfst immer noch auf die höhere Stellung hoffen, die ich dir versprochen habe.“ Braucht man noch zu fragen, welcher der beiden Fabrikanten der menschlichere war? Sollte Gott, der die Gnade selbst ist, unerbittlicher sein, als ein Mensch? Der Gedanke, dass unser Los für ewig entschieden sein soll durch einige Jahre der Prüfung, auch dann, wenn es nicht immer von uns abhing auf Erden die Vollendung zu erreichen, hat etwas Herzzerreißendes, während die entgegengesetzte Vorstellung ganz besonders trostreich ist: Sie lässt uns die Hoffnung. So sagen wir denn, ohne uns weder für noch gegen die Mehrzahl der Existenzen auszusprechen, ohne der einen Vermutung vor der anderen den Vorzug zu geben: Wenn wir die Wahl hätten, so zöge kein Mensch ein Urteil ohne Appellation vor. Ein Philosoph sagte, wenn es keinen Gott gäbe, so müsste man ihn erfinden, zum Nutzen des Menschengeschlechts. Man könnte dasselbe von der Mehrzahl der Existenzen sagen. Aber, wie gesagt, Gott bittet uns nicht um Erlaubnis und fragt nicht nach unserem Geschmack. So ist es oder so ist es nicht: Sehen wir, nach welcher Seite die Wahrscheinlichkeit sich neigt und betrachten wir die Sache noch von einem anderen Gesichtspunkt aus, immer abgesehen von der Belehrung der Geister und einzig und allein als philosophische Studie.

Gibt es keine Reinkarnation, so gibt es nur eine einzige leibliche Existenz. Das ist klar. Ist unser gegenwärtiges leibliches Dasein das einzige, so wird die Seele jedes Menschen bei seiner Geburt geschaffen, wenn man nicht eine frühere Existenz der Seele annehmen will, wobei man dann freilich wieder fragen müsste, was sie vor der Geburt gewesen und ob dieser Zustand nicht eine Existenz, eine Daseinsform irgendeiner Art voraussetzte? Ein Drittes gibt es hier nicht: entweder existierte die Seele oder sie existierte nicht, vor dem Leib. Wenn sie existierte, welches war denn ihr Zustand? Hatte sie ein Selbstbewusstsein, oder nicht? Hatte sie keines, so ist dies nicht viel anders, als wenn sie gar nicht existierte. Besaß sie ihre Individualität, schritt sie entweder vorwärts oder sie blieb stehen? Im einen wie im anderen Fall fragt es sich: Wie weit war sie, als sie in den Leib eintrat? Nimmt man mit dem Volkesglauben an, die Seele werde mit dem Leib geboren, oder, was auf dasselbe herauskommt, sie habe vor ihrer Einverleibung nur negative Eigenschaften, so fragt es sich:

1. Warum zeigt die Seele so verschiedene und von der Erziehung oft so unabhängige Eigenschaften?


2. Woher stammt die außergewöhnliche Befähigung gewisser ganz junger Kinder für gewisse Künste oder Wissenschaften, während andere ihr Leben lang auf unteren oder mittleren Stufen stehenbleiben?


3. Woher stammen bei den einen die angeborenen Ideen oder Anschauungen, die bei anderen nicht vorkommen?


4. Woher stammen bei gewissen Kindern jene frühreifen Triebe zum Laster oder zur Tugend, jener angeborene Sinn für Würde oder Gemeinheit, der in keinem Verhältnis steht zu der Umgebung, in der sie aufwachsen?


5. Warum sind gewisse Menschen, abgesehen von ihrer Erziehung weiter fortgeschritten, als andere?


6. Warum gibt es wilde und zivilisierte Menschen? Nähmet ihr ein Hottentottenkind an eure Brust und erzöget ihr es auf unsern berühmtesten Gymnasien, würdet ihr jemals aus ihm einen Laplace oder Newton machen?
Wir fragen, welche Philosophie oder Theosophie vermag diese Rätsel zu lösen? Die Seelen sind bei ihrer Geburt entweder gleich oder ungleich; daran ist kein Zweifel. Sind sie gleich, woher denn jene so verschiedenen Fähigkeiten? Sollte das vom Organismus abhängen? Dies wäre aber die ungeheuerlichste unmoralischste Lehre. Dann wäre der Mensch nichts, als eine Maschine, der Spielball des Stoffes. Er wäre für seine Handlungen nicht verantwortlich und könnte alles auf seine physischen Unvollkommenheiten schieben. Sind aber die Seelen ungleich, hat sie Gott so geschaffen. Warum dann aber dieser angeborene Vorrang der einen vor den anderen? Ist eine solche Parteilichkeit mit seiner Gerechtigkeit und mit seiner gleichen Liebe zu allen seinen Geschöpfen vereinbar?



Nehmen wir nun dem gegenüber eine Reihenfolge von früheren fortschreitenden Existenzen an und es ist alles erklärt. Die Menschen bringen bei ihrer Geburt die vage Anschauung dessen, was sie sich erworben haben, mit. Sie sind mehr oder weniger fortgeschritten, je nach der Zahl der Existenzen, die sie schon durchlaufen haben, je nachdem sie mehr oder weniger von ihrem Ausgangspunkt entfernt sind: genau so, wie in einer Versammlung von Individuen jedes Alters. Auch hier wird jeder soweit entwickelt sein, als die Zahl seiner Jahre es mit sich bringt. Die aufeinanderfolgenden Existenzen werden so für das Leben der Seele dasselbe sein, was die Jahre für das des Körpers sind. Versammelt einmal 1000 Individuen von 1 bis zu 80 Jahren, denkt euch, ein Schleier sei über alle vorangegangenen Tage geworfen und ihr hieltet sie so in eurer Unwissenheit alle für an demselben Tage geboren: natürlich würdet ihr euch fragen, wie es kommt, dass die einen groß, die anderen klein, die einen alt, die anderen jung, die einen kenntnisreich, die anderen unwissend sind. Sowie aber die Wolke, die euch die Vergangenheit verbirgt, sich hebt, sowie ihr vernehmt, dass alle mehr oder weniger lang gelebt haben, wird sich euch alles erklären. Gott konnte nicht in seiner Gerechtigkeit mehr oder weniger vollkommene Seelen schaffen; bei einer Vielheit von Existenzen hingegen hat die Ungleichheit, die wir vor uns sehen, nichts mehr, das auch dem strengsten Gerechtigkeitsgefühl widerspräche. Wir sehen eben nur das Gegenwärtige, nicht das Vergangene. Beruht diese Betrachtungsweise auf einem System oder einer banalen Voraussetzung? Nein, wir fußen auf einer offenkundigen, unbestreitbaren Tatsache: auf der Ungleichheit der Fähigkeiten und der intellektuellen wie moralischen Entwicklung und wir finden diese Tatsache unerklärlich bei allen landläufigen Theorien, während ihre Erklärung durch eine andere Theorie doch so einfach, natürlich und logisch ist. Was ist vernünftiger, diejenige vorzuziehen, welche nichts erklärt, oder die, welche etwas erklärt?

Bei der sechsten Frage wird man ohne Zweifel antworten, die Hottentotten seien ein tieferstehendes Volk. Dann fragen wir aber, ob der Hottentotte ein Mensch sei oder nicht? Ist er ein Mensch, warum hat dann Gott ihn und sein Volk der Vorrechte des kaukasischen Volkes enterbt? Ist er aber kein Mensch, warum ihn dann zum Christen machen wollen? Die spiritistische Lehre ist weitherziger als das alles: für sie gibt es nicht mehrere Menschengattungen, sondern nur Menschen, deren Geist mehr oder weniger zurück, aber empfänglich für den Fortschritt ist. Ist dies nicht Gottes Gerechtigkeit entsprechender? Wir sahen soeben die Seele in ihrer Vergangenheit und ihrer Gegenwart. Bei der Betrachtung ihrer Zukunft stoßen wir auf dieselben Schwierigkeiten.


1. Wenn unser jetziges Leben allein über unsere Zukunft entscheiden soll, welches wird dann im künftigen Leben die Stellung des Wilden beziehungsweise des Zivilisierten sein? Stehen sie dort auf der gleichen Stufe oder genießen sie in verschiedenem Grad die Summe ewiger Seligkeit?


2. Steht der Mensch, der sein Leben lang an seiner Besserung arbeitete, auf derselben Stufe wie der, welcher zurückblieb, nicht durch seinen eigenen Fehler, sondern weil er weder Zeit noch Möglichkeit hatte, sich zu bessern?


3. Kann der Mensch, der Böses tat, weil er sich nicht bilden konnte, für einen Zustand verantwortlich sein, der nicht von ihm abhing?



4. Man arbeitet an der Aufklärung, Besserung und Zivilisation der Menschen. Aber gegen einen, den man aufklärt, sterben täglich Millionen, bevor das Licht zu ihnen drang. Welches ist das Los dieser Letzteren? Werden sie als Verdammte behandelt? Und im entgegengesetzten Fall, was taten sie, um dasselbe Los zu verdienen, wie die anderen?


5. Welches ist das Los der im frühesten Alter gestorbenen Kinder, die weder Gutes noch Böses tun konnten? Befinden sie sich unter den Auserwählten, woher denn diese Gunst, ohne sie auch verdient zu haben? Durch welches Vorrecht sind sie von den Trübsalen des Lebens befreit? Gibt es überhaupt eine Lehre, die diese Fragen zu lösen vermag? Nehmt aufeinander folgende Existenzen an und alles erklärt sich Gottes Gerechtigkeit entsprechend. Was man in einer Existenz nicht tun konnte, tut man in einer anderen. So entgeht niemand dem Gesetz des Fortschritts, jeder wird nach seinem wirklichen Verdienst belohnt und keiner ist von der höchsten Seligkeit ausgeschlossen, auf die er Anspruch hat, welches auch die Hindernisse waren, die ihn auf seinem Weg begegneten.

Diese Fragen könnten ins Unendliche vermehrt werden, denn die psychologischen und moralischen Rätsel, die ihre Lösung nur in der Vielheit der Existenzen finden, sind unzählig. Wir beschränkten uns nur auf die allgemeinsten. Wie dem nun auch sein mag, wird man etwa sagen, die Reinkarnationslehre sei von der Kirche nicht zugelassen, sie würde also zum Umsturz der Religion führen. Es ist nicht unsere Absicht, jetzt diese Frage zu behandeln, es genügt uns, gezeigt zu haben, dass die Lehre hervorragend moralisch und vernunftgemäß ist, einer Religion nicht widersprechen kann, welche Gottes Güte und Vernunft vorzugsweise verkündigt. Was wäre aus der Religion geworden, wenn sie gegen die allgemeine Ansicht und das Zeugnis der Wissenschaft sich wider den sonnenklaren Beweis verhärtet und jeden ausgestoßen hätte, der nicht an die Bewegung der Sonne und an die sechs Schöpfungstage glaubte? Was für eine Glaubwürdigkeit hätte eine, auf offenbar irrtümliche Glaubensartikel gegründete Religion, bei aufgeklärten Völkern verdient und welches Ansehen sollte eine solche besessen haben? Als die Wahrheit unwidersprechlich erwiesen war, stellte sich die Kirche wohlweislich auf deren Seite. Wird nun aber bewiesen, dass wirklich existierende Dinge unmöglich sind, ohne die Reinkarnation, bleiben gewisse Punkte des Glaubens ohne sie ungeklärt, so wird man wohl zugeben und anerkennen müssen, dass der Widerstreit dieser Lehre mit jenem Glaubenssatz nur ein scheinbarer ist. Später werden wir zeigen, dass die Religion davon vielleicht weniger weit entfernt ist, als man meint, und dass sie davon nicht mehr berührt wird, als einst von der Entdeckung der Erdbewegung und der geologischen Perioden, die auf den ersten Blick dem Wortlaut der heiligen Schriften zu widersprechen schienen. Übrigens geht das Prinzip der Reinkarnation aus mehreren Schriftstellen hervor und findet sich namentlich ausdrücklich im Evang. Matth. XVII., 9 – 13 formuliert:

„Da sie vom Berge herabgingen (nach der Verklärung), gebot ihnen Jesus und sprach: Ihr sollt dies Gesicht niemand sagen, bis des Menschen Sohn von den Toten auferstanden ist. Und seine Jünger fragten ihn und sprachen: Was sagen denn die Schriftgelehrten, Elias müsse zuvor kommen? Jesus antwortete und sprach zu ihnen: Elias soll ja zuvor kommen und alles zurecht bringen. Doch ich sage euch: Es ist Elias schon gekommen, und sie haben ihn nicht erkannt, sondern haben an ihm getan, was sie wollten. Also wird auch des Menschen Sohn leiden müssen vor ihnen. Da verstanden die Jünger, dass er von Johannes, dem Täufer, zu ihnen geredet hatte.“

Da nun Johannes der Täufer Elias gewesen ist, hat also eine Reinkarnation von Elias Geist oder Seele in den Leib des Johannes stattgefunden.

Welcher Ansicht man übrigens auch über die Reinkarnation sein möge, ob man sie annehme oder verwerfe, gefallen lassen muss man sie sich jedenfalls, wenn sie stattfindet, ungeachtet jedes entgegenstehenden Glaubens. Die Hauptsache ist, dass die Belehrung der Geister vorzugsweise christlich ist. Sie stützt sich auf die Unsterblichkeit der Seele, die künftigen Strafen und Belohnungen, die Gerechtigkeit Gottes, den freien Willen des Menschen, die Moral Christi. Also ist sie nicht anti – religiös.

Wir haben unsere Schlüsse gezogen, abgesehen von aller spiritistischen Belehrung, die für gewisse Leute keine Autorität ist. Haben wir, wie so viele andere, die Ansicht von der Vielheit der Existenzen angenommen, so geschah es nicht nur deswegen, weil sie von den Geistern kommt, sondern weil sie uns die vernünftigste scheint und weil sie allein bisher unlösbare Fragen löst. Wäre sie uns von einem gewöhnlich Sterblichen mitgeteilt worden, wir hätten sie ebenfalls angenommen und ebenso wenig gezögert, auf unsere eigene Ansicht zu verzichten. Ist einmal ein Irrtum erwiesen, so hat die Eigenliebe mehr zu verlieren, als zu gewinnen, wenn sie auf einer falschen Ansicht hartnäckig beharrt. Ebenso hätten wir sie verworfen, wenn sie, obschon von den Geistern kommend, uns vernunftwidrig erschienen wäre, wie wir so manche andere verworfen haben. Denn wir wissen aus Erfahrung, dass man nicht blindlings alles, was von ihnen kommt, annehmen darf, so wenig als alles, was von den Menschen kommt.

Ihr erster Anspruch auf Glaubwürdigkeit ist also in unseren Augen, dass sie logisch ist *, ferner, dass sie durch die Tatsache bestätigt wird, durch Tatsachen, die positiv und sozusagen handgreiflich sind und die ein aufmerksames und vernünftiges Studium jedem offenbart, der sich die Mühe nimmt, geduldig und beharrlich zu beobachten und denen gegenüber ein Zweifel nicht mehr gestattet ist. Sind diese Tatsachen einst allgemein bekannt, wie die von der Gestaltung und der Bewegung der Erde, so wird man sich wohl den zwingenden Gründen unterwerfen und die Gegner werden die Kosten ihres Widerspruchs selbst tragen müssen.

Anerkennen wir somit, alles zusammengefasst, dass die Lehre von der Vielheit der Existenzen allein das erklärt, was ohne sie unerklärlich bleibt, dass sie hervorragend tröstlich ist und der strengsten Gerechtigkeit entspricht und dass sie für den Menschen der Hoffnungsanker ist, den ihm Gott in seiner Barmherzigkeit zugeworfen hat. **

Die Worte Jesu selbst können hier keinen Zweifel aufkommen lassen. Folgendes lesen wir im Evangelium Johannes Kap. 3, 3 – 7, wo Jesus zu Nikodemus spricht: ***


_________________________________
* In der 2. Auflage (1860) hatte Allan Kardec im Satz geschrieben: „Es sind die Tatsachen die sie bestätigen.“ Ab der 4. Auflage (1861) wurde dieser Satz weggelassen. (Anmerkung der Übersetzer)
** In der 2. französischen Auflage (1860) weist Allan Kardec am Ende dieses Absatzes auf das Kapitel „Von den Widersprüchen“ hin. Ab der 4. Auflage (1861) hat er diesen Hinweis weggelassen.
*** Die Bibelzitate wurden in der 2. französichen Auflagen (1860) 9 nicht erwähnt. Allan Kardec hat diese in der 4. Auflage dazugenommen und werden auch in den darauffolgenden Auflagen erwähnt. (Anmerkung der Übersetzer)





3. „Wahrlich, wahrlich ich sage dir: es sei denn, dass jemand von Neuem geboren werde, kann er das Reich Gottes nicht sehen.


4. Nikodemus spricht zu ihm: Wie kann ein Mensch geboren werden, wenn er alt ist, kann er auch wieder in seinen Mutterleib eingehen und geboren werden?


5. Jesus antwortete: „Wahrlich, wahrlich ich sage dir, es sei denn, dass jemand geboren werde aus dem Wasser und Geist, so kann er nicht in das Reich Gottes kommen. Was vom Fleisch geboren wird, ist Fleisch; und was vom Geist geboren wird, das ist Geist. Lass dich’s nicht wundern, dass ich dir gesagt habe: „Ihr müsset von Neuem, geboren werden.“ (Siehe unten den Art. ,,Wiederaufstehung des Fleisches“ Nr. 1010.)






KAPITEL VI – Geistiges Leben



Herumirrende Geister

223. Reinkarniert sich die Seele unmittelbar nach ihrer Trennung vom Leib?
,,Zuweilen ja, gewöhnlich aber erst nach kürzeren oder längeren Zwischenräumen. Auf den höheren Welten geschieht die Reinkarnation fast immer unmittelbar. Da der Stoff des Leibes weniger grob ist, so verfügt der inkarnierte Geist über fast alle seine Geistesfähigkeiten. Sein normaler Zustand ist derjenige eurer hellsehenden Somnambulen.“


224. Was wird in der Zeit zwischen den Inkarnationen aus der Seele?
„Ein herumirrender oder wandernder Geist, der sich nach seiner neuen Bestimmung sehnt: ,,Er wartet.“


224a. Wie lange mag so eine Zwischenzeit dauern?
,,Von einigen Stunden bis zu einigen Jahrtausenden. Übrigens gibt es genau genommen keine äußerste Grenze für diesen Zustand, der sich gar sehr verlängern, aber doch nie ins Ewige ausdehnen kann. Der Geist findet stets früher oder später den Neubeginn einer Existenz, die zur Reinigung seiner früheren dient.“


224b. Ist diese Dauer vom Willen des Geistes abhängig oder kann sie als Sühne auferlegt werden?
„Sie ist eine Folge des freien Willens. Die Geister wissen ganz gut, was sie tun, es gibt aber welche, für die es eine von Gott verhängte Strafe ist. Andere wünschen sie zu verlängern, um Studien zu verfolgen, die sich mit Erfolg nur in dem Zustand eines freien Geistes machen lassen.“



225. Ist das Herumirren an sich ein Zeichen eines geringeren Wertes bei den Geistern?
„Nein, denn es gibt herumirrende Geister von allen Stufen. Die Inkarnation ist ein vorübergehender Zustand, wie schon gesagt. In seinem normalen Zustand ist der Geist vom Stoff befreit.“


226. Kann man sagen, alle nicht inkarnierten Geister seien herumirrend?
„Die, welche sich inkarnieren sollen, ja; die reinen Geister dagegen, die zur Vollendung gelangten, sind keine herum – irrenden: Ihr Zustand ist ein endgültiger.“


In Beziehung auf ihre inneren Eigenschaften gehören die Geister verschiedenen Stufen oder Graden an, die sie allmählich durch – laufen, in dem Maße, wie sie sich reinigen. In Beziehung auf ihren äußerlichen Zustand können sie entweder Inkarnierte, d.h. Geister mit einem Leib vereinigt, Herumirrende, d.h. Geister vom stoff – lichen Leib befreit und zu ihrer Besserung eine neue Inkarnation erwartend, oder endlich reine Geister, d.h. vollendet und keiner Inkarnation mehr bedürftig sein.



227. Auf welche Weise unterrichten sich diese herumirrenden Geister? Sie tun es gewiss nicht so wie wir?
„ Sie studieren ihre Vergangenheit und suchen die Mittel, sich zu erhöhen. Sie schauen und beobachten das, was sich an den Orten, die sie durchziehen, zuträgt. Sie lauschen den Reden erleuchteter Menschen und den Ansprüchen höherer Geister als sie und das gibt ihnen Ideen, die sie noch nie hatten.“



228. Behalten die Geister einige von den menschlichen Leidenschaften?
„Die hohen Geister lassen, wenn sie ihre Hülle verlieren, die schlechten Leidenschaften zurück und behalten nur die Leidenschaft des Guten; die niedrigen aber behalten jene, sonst gehörten sie ja zu den Ersteren.“



229. Warum lassen die Geister, wenn sie die Erde verlassen, nicht alle ihre schlechten Leidenschaften zurück, da sie doch ihre Nachteile sehen?
„Du siehst auf dieser Erde Menschen, die außerordentlich neidisch sind. Glaubst du, dass sie diesen Fehler, sobald sie sie verlassen, sofort verlieren? Es bleibt ihnen, nach ihrem Weggang von hier, besonders denjenigen mit sehr ausgesprochenen Leidenschaften, eine Art Dunstkreis, der sie umhüllt und ihnen all jenes Böse belässt, weil der Geist noch nicht gänzlich von der Materie losgelöst ist. Nur für Augenblicke ahnt er die Wahrheit, damit der rechte Weg sichtbar werde.“



230. Schreitet der Geist in seinem herumirrenden Zustand fort?
„Er kann sich sehr bessern, stets je nach seinem Willen und seiner Sehnsucht. In seiner leiblichen Existenz aber verwertet er dann die gewonnenen neuen Ideen.“



231. Sind die herumirrenden Geister glücklich oder unglücklich?
„Mehr oder weniger, je nach ihrem Verdienst. Sie leiden an den Folgen ihrer Leidenschaften, deren Prinzip sie bewahrt haben, oder sie sind glücklich, je nachdem sie sich mehr oder weniger entstofflicht haben. Im herumirrenden Zustand ahnt der Geist, was ihm fehlt, um glücklich zu sein. Dann sucht er die Mittel, dies zu erreichen, aber es ist nicht immer gestattet, sich nach Belieben zu reinkarnieren und das dient ihm dann zur Strafe.“



232. Können die Geister im herumirrenden Zustand auf alle Welten gehen?
„ Je nach dem. Hat der Geist den Leib verlassen, so ist er des – wegen noch nicht völlig vom Stoff befreit und er gehört noch der Welt an, in der er lebte oder einer Welt auf derselben Stufe, wenn er sich nicht bei Lebzeiten erhöhte; aber eben hiernach soll er streben, sonst würde er sich nie vervollkommnen. Er kann jedoch auf gewisse höhere Welten gehen, aber dann fühlt er sich dort fremd: er sieht sie sozusagen nur halb und das erweckt in ihm dann den Wunsch sich zu bessern, um des Glücks würdig zu werden, das man dort genießt, und sie später selbst zu bewohnen.“



233. Kommen die schon gereinigten Geister auch in die unteren Welten?
„Sie gehen oft dahin, um sie in ihrem Fortschreiten zu fördern; sonst wären diese Welten sich selbst überlassen und ohne Führer.“




Übergangswelten

234. Gibt es, wie behauptet wurde, Welten, welche den herumirrenden Geistern als Stationen und Ruhepunkte dienen?
„Ja, es gibt Welten, die für die herumirrenden Wesen bestimmt sind und in denen sie kürzere oder längere Zeit wohnen können: gewissermaßen Lagerstätten, in denen sie von einem allzu langen Wandern, das immer etwas beschwerlich ist, sich ausruhen können. Zwischenstationen zwischen den anderen Welten, abgestuft je nach der Natur der sie aufsuchenden Geister, die nun hier ein mehr oder weniger großes Glück genießen.“


234a. Können die diese Welten bewohnenden Geister die selben nach Belieben verlassen?
„Ja, sie können sich von denselben trennen, um dahin zu gehen, wohin sie sollen. Denkt euch Zugvögel, die sich auf einer Insel niederlassen, bis sie neue Kräfte gesammelt haben, um ihre Reise fortzusetzen.“



235. Schreiten die Geister während ihrem Aufenthalt in den Übergangswelten auch fort?
„Gewiss. Die, welche sich so zusammentun, haben dabei den Zweck sich zu unterrichten, um leichter die Erlaubnis zu erhalten, sich nach besseren Orten zu begeben und schließlich die Stellung der Auserwählten zu erringen.“



236. Sind die Übergangswelten stets und dank ihrer besonderen Natur andauernd für die wandernden Geister bestimmt?
„Nein, denn ihr Zustand ist nur ein vorübergehender.“


236a. Sind sie gleichzeitig von leiblichen Wesen bewohnt?
„Nein, Ihre Oberfläche ist unfruchtbar. Wer sie bewohnt, hat kein Bedürfnis.“



236b. Ist diese Unfruchtbarkeit eine dauernde und hängt sie von ihrer besonderen Natur ab?
„Nein, sie sind nur vorübergehend in diesem Zustand.“


236c. Diese Welten müssten dann keine Naturschönheiten besitzen?
„Die Natur zeigt sich hier in den Schönheiten der Unendlichkeit, die nicht minder bewunderungswert sind, als das was ihr Naturschönheiten nennt.“


236d. Wird unsere Erde, da der Zustand jener Welten ein vorübergehender ist, einst auch zu ihrer Zahl gehören?
„Sie hat dazu gehört.“


236e. Wann?
„Während ihrer Entstehung.“


Nichts ist unnütz in der Natur. Jedes Ding hat seinen Zweck, seine Bestimmung. Nichts ist leer, alles ist bewohnt, überall ist Leben. So gab es keinen Zustand ohne Leben, während jener langen Reihe von Jahrhunderten, die vor des Menschen Erscheinung auf Erden verflossen, während jener langsamen, von den geologischen Schichten erzeugten Übergangsperioden, selbst vor der Entstehung der ersten organischen Wesen, auf jener gestaltlosen Masse, in jenem unfruchtbaren Chaos, wo die Elemente durcheinander gärten. Wesen, die weder unsere physischen Bedürfnisse, noch unsere Empfindungen hatten, fanden hier ihre Zuflucht. Gott wollte, dass die Erde selbst in diesem unfertigen Zustand zu etwas diente. Wer wagt es zu behaupten, dass unter jenen Milliarden Welten, die in der Unendlichkeit dahinrollen, eine einzige, eine der kleinsten, verloren in der Menge, das ausschließliche Vorrecht hat, bewohnt zu sein? Was wäre da der Nutzen der anderen? Sollte sie Gott nur geschaffen haben, um unsere Augen zu ergötzen? Ungereimter Gedanke, unverträglich mit jener Weisheit, die allen seinen Werken entstrahlt und unannehmbar, wenn man an alle die denkt, die wir nicht wahrnehmen können. Niemand wird es bestreiten, dass in diesem Gedanken von Welten, die sich zum stofflichen Leben noch nicht eignen und doch von lebendigen Wesen bevölkert sind, die für diesen Zustand passen, etwas Großes und Erhabenes liegt, worin vielleicht die Lösung von mehr als einem Rätsel zu suchen ist.





Wahrnehmungen, Empfindungen und Leiden der Geister

237. Wenn die Seele einmal in der Welt der Geister ist, hat sie dann immer noch die gleichen Wahrnehmungen wie während des Lebens?
„Ja, und noch andere dazu, die sie nicht hatte, weil ihr Leib gleichsam ein, dieselben nicht durchlassender Schleier war. Die Intelligenz ist eine Eigenschaft des Geistes, der sich aber freier betätigt, wenn ihm keine Hindernisse entgegenstehen.“


238. Sind die Wahrnehmungen und Kenntnisse der Geister unendlich, mit anderen Worten: Wissen sie alles?
„Je mehr sie der Vollendung sich nähern, desto mehr wissen sie; gehören sie zu den höheren, so wissen sie viel; die niedrigeren sind mehr oder weniger unwissend in allem.“



239. Kennen die Geister das Prinzip der Dinge?
„Je nach ihrer Erhöhung und Reinheit; die niederen wissen davon nicht mehr, als die Menschen.“



240. Verstehen die Geister die Zeitdauer so wie wir?
„Nein, eben darum versteht ihr uns nicht, wenn es sich um Feststellungen von Daten und Epochen handelt.“
Die Geister leben außerhalb der Zeit, wie wir diese verstehen. Die Zeitdauer verschwindet für sie sozusagen in Nichts und die für uns so langen Jahrtausende sind in ihren Augen bloße Augenblicke, die in der Ewigkeit verschwinden, gerade so wie die Unebenheiten des Bodens sich verwischen für den, der sich in die Luft erhebt.




241. Haben die Geister eine bestimmtere und richtigere Vorstellung von der Gegenwart, als wir?
„Etwa so, wie der, welcher gut sieht, eine richtigere Vorstellung hat als der Blinde. Die Geister sehen das, was ihr nicht seht; also urteilen sie auch anders, als ihr. Aber noch einmal, das hängt von ihrer Erhöhung ab.“



242. Wie kommen die Geister zu einer Kenntnis der Vergangenheit und ist diese Kenntnis für sie eine unbegrenzte?
„Die Vergangenheit ist für uns, wenn wir uns damit beschäftigen, eine Gegenwart, genau so, wie wenn du dich einer Sache, die dir in deiner Verbannung aufgefallen ist, erinnerst. Da uns aber der stoffliche Schleier, der deinen Sinn verdunkelt, nicht mehr hindert, so erinnern wir uns an Dinge, die für dich schon ausgelöscht sind. Aber nicht alles ist den Geistern bekannt, vor allem nicht ihre Erschaffung.“



243. Kennen die Geister die Zukunft ?
„Das hängt wieder von ihrer Vollkommenheit ab: Oft sehen sie sie nur vage, aber es ist ihnen nicht immer erlaubt, sie zu schauen. Wenn sie sie sehen, so erscheint sie ihnen als Gegenwart. Je mehr er sich Gott nähert, desto deutlicher sieht der Geist die Zukunft. Nach dem Tod sieht und umfasst die Seele ihre früheren Wanderungen mit einem Blick, was aber Gott ihr bereitet, vermag sie nicht zu sehen; dazu gehört, dass sie ganz in ihm sei nach sehr vielen Existenzen erst.“


243a. Haben die zur völligen Vollkommenheit gelangten Geister eine vollständige Kenntnis der Zukunft?
„Vollständig ist hier nicht der rechte Ausdruck; denn Gott allein ist der unumschränkte Herr und keiner kommt ihm gleich.“




244. Schauen die Geister Gott?
„Nur die höheren Geister schauen und begreifen ihn, die niederen fühlen und ahnen ihn.“


244a. Wenn ein niederer Geist sagt, Gott verbiete oder erlaube ihm etwas, wie weiß er dann, dass dies von Gott kommt?
„Er sieht Gott nicht, aber er fühlt seine Herrschaft und wenn etwas nicht getan oder gesagt werden darf, so fühlt er etwas wie eine vage Anschauung, eine unsichtbare Warnung, die es ihm verbietet. Habt nicht auch ihr selbst Vorahnungen, die euch als geheime Warnungen dies oder jenes zu tun oder zu lassen, dienen? So ist es bei uns, nur auf einer höheren Stufe, denn du begreifst, dass, da das Wesen der Geister feiner ist, als das eurige, sie auch die göttlichen Weisungen besser empfangen können.“


244b. Wird ihm der Befehl unmittelbar von Gott oder durch Vermittlung anderer Geister erteilt?
„Er kommt ihm nicht direkt von Gott. Um mit ihm zu verkehren, muss man dessen auch würdig sein. Gott übermittelt ihm seine Befehle durch Geister, die auf einer höheren Stufe der Vollkommenheit und Erkenntnis stehen.“



245. Ist der Sehsinn bei den Geistern beschränkt, wie bei den leiblichen Wesen?
„Nein, er wohnt in ihnen selbst.“


246. Bedürfen die Geister des Lichtes, um zu sehen?
„Sie sehen durch sich selbst und bedürfen des äusseren Lichtes nicht. Für sie gibt es keine Finsternis, außer derjenigen, in welcher sie sich selbst etwa zur Sühne befinden mögen.“



247. Müssen die Geister sich fortbewegen, um auf zwei verschiedene Punkte blicken zu können? Können sie z. B. gleichzeitig beide Halbkugeln der Erde sehen?

„Da sich der Geist mit der Schnelligkeit des Gedankens fortbewegt, so kann man sagen, er sehe überall zugleich. Sein Gedanke kann sich ausstrahlen und sich gleichzeitig auf verschiedene Punkte richten. Aber die Befähigung hängt von seiner Reinheit ab: je weniger er gereinigt ist, desto beschränkter sein Blick. Nur die höheren Geister können eine Gesamtheit umfassen.“


Die Fähigkeit zu sehen, ist bei den Geistern eine ihrer Natur inne – wohnende Eigenschaft, die in ihrem ganzen Wesen liegt, wie das Licht in allen Teilen eines leuchtenden Körpers. Es ist eine Art von universeller Lichtheit oder Helle, die sich über alles ausbreitet, gleichzeitig Raum, Zeit und Dinge umfasst und für die es weder Finsternis, noch stoffliche Hindernisse gibt. Man sieht ein, dass dies so sein muss: Der Mensch, dessen Sehkraft auf dem Spiel eines vom Licht getroffenen Organs beruht, befindet sich ohne Licht in der Finsternis; beim Geist dagegen, dessen Sehkraft eine Eigenschaft seiner selbst ist und keines äußeren Auges bedarf, hängt sie nicht mehr vom Licht ab (Siehe: Kapitel ,,Allgegenwart“ Frage Nr. 92).




248. Sieht der Geist die Dinge ebenso deutlich wie wir?
„Deutlicher; denn sein Auge durchdringt auch das, was ihr nicht zu durchdringen vermögt, es wird von nichts verdunkelt.“



249. Nimmt der Geist auch Töne wahr?
„Ja und zwar auch solche, die eure stumpfen Sinne nicht wahrnehmen können.“


249a. Liegt die Fähigkeit zu hören, in seinem ganzen Wesen, so wie die Fähigkeits des Sehens?
„Alle Wahrnehmungen sind Eigenschaften des Geistes und machen einen Teil seines Wesens aus. Wenn er mit einem stofflichen Leib bekleidet ist, so gelangen sie zu ihm nur durch die Vermittlung seiner Organe; im Zustand der Freiheit dagegen sind sie nicht mehr auf ein Organ beschränkt.“





250. Ist es dem Geist möglich, sich seinen Wahrnehmungen zu entziehen, da diese doch die Eigenschaften seiner selbst sind?
„Der Geist sieht und hört nur das, was er will. Dies ist aber allgemein gesprochen und bezieht sich hauptsächlich auf die höheren Geister; denn die unvollkommenen hören und sehen oft ohne zu wollen, was ihnen zu ihrer Besserung nützen kann.“



251. Sind die Geister auch empfänglich für Musik?
„Meinst du eure Musik? Was ist die gegen die himmlische? Gegen jene Harmonien, von denen euch nichts auf dieser Erde eine Vorstellung geben kann? Die eine verhält sich zur anderen wie das unharmonische Geräusch zu einer lieblichen Melodie. Indessen können gemeine Geister ein gewisses Vergnügen an eurer Musik empfinden, weil es ihnen noch nicht gegeben ist, eine erhabenere zu verstehen. Die Musik hat für die Geister einen unendlichen Reiz, wegen der sehr hohen Entwicklung ihrer Empfindungsfähigkeit; ich meine damit die himmlische Musik, welche das Schönste und Lieblichste ist, das eine geistige Einbildungskraft sich vorstellen kann.“


252. Sind die Geister auch empfänglich für die Schönheiten der Natur?
„Die Naturschönheiten der Weltkörper sind so verschiedenartig, dass man weit entfernt ist, sie alle zu kennen. Ja, die Geister sind dafür empfänglich, je nach ihrer Entwicklung. Für die höheren Geister gibt es Gesamtschönheiten, vor denen die Einzelheiten sich sozusagen verwischen.“


253. Empfinden die Geister unsere physischen Bedürfnisse und Leiden?

„Sie kennen sie, weil sie sie selbst einst empfanden, sie fühlen sie aber nicht so wie ihr in stofflicher Weise, sie sind eben Geister.“



254. Fühlen die Geister die Ermüdung und das Bedürfnis nach Ruhe?
„Ermüdung, wie ihr sie versteht, können sie nicht empfinden, also haben sie auch kein Bedürfnis nach eurer körperlichen Ruhe, da sie keine Organe besitzen, deren Kräfte erneuert werden müssten. Aber der Geist ruht sich in dem Sinne aus, dass er nicht in einer fortwährenden Tätigkeit ist. Er betätigt sich nicht auf stoffliche Art, sein Tun ist rein intellektuell und moralisch, d. h. es gibt Augenblicke, wo sein Denken nicht mehr so tätig ist und sich auf keinen bestimmten Gegenstand richtet. Es ist dies eine wirkliche Ruhe, die sich aber nicht mit der des Leibes vergleichen lässt. Die Ermüdungsfähigkeit der Geister steht im Verhältnis zu ihrer tieferen Stufe; denn je höher sie stehen, desto weniger bedürfen sie der Ruhe.“


255. Wenn ein Geist sagt, er leide, was für eine Art Leiden empfindet er dann?
„Moralische Angst, die ihn stärker quält, als leibliche Schmerzen.“



256. Wie konnten sich denn Geister über Kälte oder Hitze beklagen?
„Das sind Erinnerungen an das, was sie bei Leibesleben empfanden, welche oft gerade so schmerzlich sind, als die Wirklichkeit. Oft ist es eine Vergleichung, durch die sie, in Ermangelung eines Besseren, ihre Lage ausdrücken. Wenn sie sich ihres Leibes erinnern, haben sie den Eindruck etwa wie wenn man den Mantel ablegt und ihn doch noch eine Zeitlang zu tragen meint.“




Theoretische Abhandlung über die Empfindungen bei den Geistern

257. Der Leib ist das Werkzeug des Schmerzes, er ist, wenn nicht die erste, doch wenigstens die unmittelbare Ursache. Die Seele nimmt diesen Schmerz wahr und diese Wahrnehmung ist dann die Wirkung. Die Erinnerung daran kann sehr qualvoll sein, übt aber keine physische Wirkung aus. In der Tat können weder Kälte noch Hitze die Gewebe der Seele beeinflussen; die Seele kann weder erfrieren noch verbrennen. Sehen wir nicht alle Tage die Erinnerung oder die Befürchtung eines leiblichen Übels den Effekt einer Wirklichkeit hervorbringen? Selbst den Tod veranlassen? Jeder weiß, dass amputierte Personen in dem Glied, das ihnen nicht mehr gehört, noch Schmerz empfinden. Gewiss ist es nicht dieses Glied, das den Sitz oder Ausgangspunkt dieses Schmerzes bildet: das Gehirn hat den Eindruck bewahrt, das ist alles. Man darf daher annehmen, dass es sich mit den Leiden des Geistes nach dem Tod ähnlich verhält. Ein tieferes Studium des Perispirits, der eine so wichtige Rolle bei allen spiritistischen Vorkommnissen spielt, die luftig oder für die Hände fühlbaren Erscheinungen, der Zustand des Geistes im Augenblick des Todes, die so häufig vorkommende Vorstellung desselben, dass er noch lebe, das so erschütternde Bild der Selbstmörder, der Hingerichteten, der Menschen, die einst in sinnlichen Genüssen aufgegangen waren, und so manche andere Tatsachen haben endlich ein Licht auf diese Frage geworfen und Erklärungen herbeigeführt, von denen wir hier einen Überblick geben.


Der Perispirit ist das Band, das den Geist mit dem Stoff des Leibes verbindet, er ist aus dem umgebenden und dem universellen Fluidum geschöpft. Er enthält sowohl Elektrizität, als auch Magnetismus und bis zu einem gewissen Grad auch trägen Stoff. Man könnte sagen, er sei die Quintessenz des Stoffes. Er ist das Prinzip des organischen Lebens, nicht aber des intellektuellen Lebens. Letzteres liegt im Geist selbst. Ferner ist er das Agens bei den äußerlichen Empfindungen. Im Leib sind diese Empfindungen durch die Organe, die ihnen als Vermittler dienen, angesiedelt. Ist der Leib aber zerstört, so sind die Empfindungen nur noch allgemeine. Darum sagt der Geist nicht, dass er eher am Kopf oder an den Füßen Schmerz empfindet. Übrigens darf man die Empfindungen des unabhängig gewordenen Perispirits nicht verwechseln mit denen des Leibes: letztere dienen uns nur als Vergleich, nicht als Analogie. Vom Leib befreit kann der Geist zwar noch leiden, aber das Leiden ist nicht das des Leibes. Dennoch ist es wiederum nicht nur ein moralisches Leiden wie die Reue, wenn er sich über Kälte oder Hitze beklagt. Im Winter leidet er nicht mehr als im Sommer: wir haben welche durch das Feuer gehen sehen, ohne Schmerz zu empfinden. Die Temperatur macht somit keinen Eindruck auf sie. Ihr Schmerz ist also kein eigentlich leiblicher: er ist ein unbestimmtes inneres Gefühl, von dem sich der Geist selbst nicht immer Rechenschaft gibt, weil eben der Schmerz nicht auf einen bestimmten Ort begrenzt und nicht durch äußerlich wirkende Kräfte hervorgebracht wird: Er ist eher eine Erinnerung als eine Wirklichkeit, die deswegen aber nicht minder qualvoll ist. Zuweilen jedoch ist der Schmerz auch mehr als eine bloße Erinnerung, wie wir gleich sehen werden.


Die Erfahrung lehrt, dass im Moment des Todes der Perispirit sich mehr oder weniger langsam vom Leib ablöst, während der ersten Augenblicke, kann sich der Geist sei ne Lage nicht erklären, und er weiß nicht, dass er tot ist, sondern glaubt noch zu leben. Dort sieht er seinen Leib liegen, er weiß, dass er ihm gehört, begreift aber nicht, dass er davon getrennt ist. Dieser Zustand dauert so lange, als noch ein Band zwischen Leib und Perispirit besteht. Ein Selbstmörder sagte zu uns: „Nein, ich bin nicht tot.“ Und fügte dann hinzu: „Und dennoch fühle ich die Würmer, die an mir nagen.“ Nun nagten die Würmer gewiss nicht am Perispirit und noch weniger am Geist, sondern nur am Leib. Da aber die Trennung von Leib und Perispirit keine vollständige war, so folgte daraus eine Art moralischen Rückschlages, der ihm die Empfindung dessen, was sich im Leib zutrug, vermittelte. Rückschlag ist vielleicht nicht das rechte Wort, es könnte an eine zu stoffliche Wirkung erinnern. Es ist vielmehr der Anblick dessen, was sich in seinem, noch an seinem Perispirit geknüpften Leib zutrug, welcher in ihm eine Illusion erzeugte, die er für Wirklichkeit nahm. So war es also keine Erinnerung, da er ja während des Lebens nicht von den Würmern benagt worden war, sondern es war das Gefühl der momentanen Wirklichkeit. Man ersieht hieraus, welche Schlüsse man aus Tatsachen ziehen kann, wenn diese genau beobachtet werden.


Während des Lebens empfängt der Leib die Eindrücke von außen und überträgt sie auf den Geist durch Vermittlung des Perispirits, der wahrscheinlich das sogenannte Nervenfluidum bildet. Ist der Leib tot, so empfindet er nichts mehr, weil weder der Geist noch der Perispirit mehr in ihm ist. Der Perispirit, vom Leib gelöst, hat die Empfindung, aber da sie ihm nicht mehr durch ein bestimmtes Organ zugeleitet wird, so ist sie nur eine allgemeine. Da der Perispirit nun in Wirklichkeit nur ein Instrument der Übermittlung ist, da der Geist es ist, der das Bewusstsein hat, so folgt daraus, dass, wenn ein Perispirit ohne Geist existieren könnte, jener nicht mehr empfinden würde, als der Leib, nachdem er tot ist; ebenso, dass, wenn der Geist keinen Perispirit hätte, er jeder unangenehmen Empfindung unzugänglich wäre, und das findet statt bei den ganz reinen Geistern. Wir wissen, dass das Wesen des Perispirits desto ätherischer wird, je mehr sie sich reinigen, woraus weiter folgt, dass der Einfluss des Stoffes in dem Maße abnimmt, als der Geist fortschreitet, d.h. als der Perispirit selbst weniger grob wird.


Nun wird man aber einwenden, dass die angenehmen Emp – findungen so gut wie die unangenehmen dem Geist durch den Perispirit vermittelt werden, dass der Geist somit, wenn er den einen zugänglich, es auch den anderen sein müsse. Ja, ohne Zweifel denjenigen, welche ausschließlich vom Einfluss des uns bekannten Stoffes herkommen. Der Ton unserer Instrumente, der Duft unserer Blumen macht auf ihn keinen Eindruck und doch gibt es bei ihm innere Gefühle, von einem unbeschreiblichen Reiz, wovon wir uns keine Vorstellung machen können, da wir hier wie Blindgeborene gegenüber dem Licht sind. Wir wissen, dass so etwas existiert, aber auf welche Weise? Hier steht unser Wissen still. Wir wissen, es gibt eine Wahrnehmung, Empfindung, ein Hören, ein Sehen. Wir wissen, dass diese Fähigkeiten Eigenschaften des ganzen Wesens sind, und nicht wie beim Menschen nur ein Teil seines Wesens. Aber, noch einmal, durch welche Vermittlung? Das wissen wir nun einmal nicht. Die Geister selbst können uns darüber nicht belehren, weil unsere Sprache keine Ideen auszudrücken vermag, die wir selbst nicht haben, ebenso wenig, als es in den Sprachen der „Primitiven“ Ausdrücke für unsere Künste, Wissenschaften und philosophischen Lehrgebäude gibt.

Wenn wir von der Unzulänglichkeit der Geister für die Eindrücke unseres Stoffes sprechen, so meinen wir damit die ganz hohen Geister, deren Ätherhülle es hier auf Erden nichts Gleiches gibt. Nicht dasselbe gilt von denen, deren Perispirit dichter ist. Diese nehmen unsere Töne und Gerüche wahr, jedoch nicht vermittelst eines bestimmten Teils ihrer Individualität, wie zu ihren Lebzeiten. Man könnte etwa sagen, dass molekulare Schwingungen sich in ihrem Wesen fühlbar machen und so zu ihrem Gesamtsinn gelangen, das der Geist selbst ist, obgleich auf eine verschiedene Weise und vielleicht auch mit einem verschiedenen Eindruck, was dann eine Änderung in der Wahrnehmung hervorbrächte. Sie hören den Ton unserer Stimme und doch verstehen sie uns ohne Hilfe der Worte, durch die einzige Vermittlung des Gedankens. Und was unsere Behauptung noch unterstützt ist, dass ihr Auffassungsvermögen umso größer ist, je mehr der Geist entstofflicht wurde. Was die Sehkraft betrifft, so ist sie unabhängig von unserem Licht. Die Fähigkeit zu sehen ist eine wesentliche Eigenschaft der Seele: für diese gibt es keine Dunkelheit; aber entwickelter, durchdringender ist sie bei denen, die am meisten gereinigt sind. Die Seele oder der Geist hat also an sich selbst die Fähigkeit zu allen Wahrnehmungen. Im leiblichen Leben sind sie durch die Grobstofflichkeit unserer Organe gehindert; in dem außerleiblichen Leben werden sie es immer weniger, je mehr sich die halbstoffliche Hülle erhellt.


Diese aus den umgebenden Elementen geschöpfte Hülle wechselt je nach der Natur der Welten. Die Geister wechseln sie, wenn sie von einer in eine andere übergehen, wie wir ein Kleid, wenn wir vom Winter in den Sommer oder vom Pol zum Äquator gehen. Auch die erhabensten Geister kleiden sich also, wenn sie uns besuchen, in einem irdischen Perispirit, dann gestalten sich ihre Wahrnehmungen so, wie bei unseren gewöhnlichen Geistern; alle aber, niedere und höhere, hören und fühlen nur das, was sie hören und fühlen wollen. Ohne Sinneswerkzeuge zu haben, können sie ihre Wahrnehmungen nach Belieben in Tätigkeit setzen oder unterdrücken; nur eines sind sie genötigt zu hören: Die Ratschläge der guten Geister. Die Sehkraft ist stets tätig, aber sie können sich einander gegenseitig unsichtbar machen. Je zu welcher Kategorie sie angehören, können sie sich vor den niedrigeren Geistern unsichtbar machen, aber niemals vor den Höheren. In den ersten Augenblicken nach dem Tod ist die Sehkraft des Geistes immer trüb und wirr; sie erhellt sich, je mehr er sich befreit und kann dieselbe Klarheit, wie während des Lebens erlangen, abgesehen von seiner Durchdringung von Körpern, die für uns undurchsichtig sind. Bezüglich seiner Ausdehnung durch den unendlichen Raum, in die Zukunft und in die Vergangenheit, so hängt dieselbe vom Grad der Reinheit und Erhöhung des Geistes ab.


Diese ganze Theorie, wird man sagen, ist nicht sehr tröstlich. Wir glaubten, wir würden, wenn einmal unserer groben Hülle, des Werkzeuges für unsere Schmerzen, entledigt, nicht mehr zu leiden haben und nun kommt ihr und lehrt uns, dass wir abermals leiden müssen. Nenne es nun, wie du willst, Leiden bleibt Leiden.“ Ach ja, wir können weiter leiden, viel und lange, aber wir brauchen auch nicht mehr zu leiden, selbst schon von dem Augenblick an, wo wir dieses Leibesleben verlassen.


Die Schmerzen hier auf Erden sind zuweilen unabhängig von uns, viele jedoch sind nur die Folgen unseres Willens. Man gehe nur zur Quelle zurück und man wird entdecken, dass die Mehrzahl eine Folge von Ursachen ist, die wir hätten vermeiden können. Wie viele Übel, wie viele Krankheiten hat der Mensch nicht seinen Ausschweifungen, seinem Ehrgeiz, kurz seinen Leidenschaften zu zuschreiben! Der Mensch, der stets nüchtern gelebt hat, der nichts missbraucht hat, der stets einfach in seinem Geschmack, bescheiden in seinen Wünschen gewesen war, erspart sich mancher Trübsal. So ist es auch mit dem Geist: Seine Leiden sind stets die Folgen seiner Lebensweise auf Erden. Er wird zwar gewiss keine Gicht und keine Rheumatismen mehr, aber dafür andere Leiden haben, die nicht geringer sind. Wir sehen, dass seine Leiden die Folgen der Fesseln sind, die ihn noch an den Stoff ketten, dass je mehr er sich vom Einfluss desselben befreit, d.h. sich dematerialisiert oder entstofflicht, er auch desto weniger unangenehme Empfindungen hat. Nun hängt es also von ihm ab, sich dieses Einflusses schon in diesem Leben zu entledigen. Er hat seinen freien Willen und also auch die Wahl etwas zu tun oder nicht zu tun. Bändige er seine tierischen Leidenschaften, nähre er keinen Hass, keinen Neid, keine Eifersucht und keinen Hochmut mehr, lasse er sich nicht vom Egoismus beherrschen, reinige er seine Seele durch gute Gefühle, lege er den irdischen Dingen nicht mehr Wichtigkeit bei, als sie verdienen, dann wird er selbst schon in seiner irdischen Hülle gereinigt dastehen und vom Stoff befreit sein und wenn er seine Hülle verlässt, wird er ihren Einfluss nicht verspüren. Die physischen Leiden werden ihm keine qualvolle Erinnerung zurücklassen, nicht einmal einen unangenehmen Eindruck, denn sie hatten nur den Leib, nicht den Geist getroffen. Er ist dann glücklich, von ihnen befreit zu sein und die Ruhe seines Gewissens befreit ihn von jedem moralischen Schmerz.


Tausende Geiser haben wir darüber befragt, welche allen Rangstufen und allen Berufsarten der Gesellschaft angehört hatten. Wir haben sie studiert in allen Perioden ihres geistigen Lebens seit dem Augenblick, wo sie den Leib verließen. Wir sind ihnen gefolgt Schritt für Schritt in jenem jenseitigen Leben, um die Veränderungen, die in ihnen, in ihren Vorstellungen und Gefühlen vorgingen, zu beobachten und hier waren es gerade nicht die niedrigsten Menschen, die uns die am wenigsten kostbaren Gegenstände des Studiums lieferten. Und da fanden wir auch immer, dass die Leiden in Beziehung stehen zu der vorhergegangenen Lebensführung und dass die neue Existenz für die, welche den rechten Weg gegangen sind, zur Quelle eines unaussprechlichen Glücks wird. Eben daraus folgt dann aber auch, dass die, welche leiden, es nicht so wollten und dass sie es sich nur selbst zu zuschreiben haben, in der anderen, so gut wie in dieser Welt.






Wahl der Prüfungen

258. Hat der Geist im Zustand des Herumirrens und bevor er eine neue leibliche Existenz annimmt, ein Bewusstsein und einen Vorausblick auf das, was ihm während des Lebens geschehen wird?
„Er wählt selbst die Art der Prüfungen, die er übernehmen will, und hierin eben besteht sein freier Wille.“


258a. Also nicht Gott legt ihm Trübsale auf als Züchtigung?
„Nichts geschieht ohne Gottes Zulassung, denn er ist es, der alle Gesetze gemacht hat, welche das Universum regieren. Fragt nur nicht immer, warum er dieses und nicht ein anderes Gesetz gegeben hat. Indem er dem Geist die Freiheit schenkte zu wählen, überlässt er ihm die volle Verntwortlichkeit für sein Tun und dessen Folgen, nichts hindert ihn an seiner Zukunft, der Weg des Guten steht ihm offen, wie der des Bösen. Unterliegt er aber, so bleibt ihm der Trost, dass für ihn noch nicht alles abgeschlossen ist und dass Gott ihm in seiner Güte freilässt, was er nicht richtig getan hat, wieder von vorn anzufangen. Man muss auch unterscheiden zwischen dem, was das Werk von Gottes Willen und dem, was der Wille des Menschen war. Bedroht dich eine Gefahr, so hast nicht du, sondern Gott dieselbe geschaffen, aber du hast den Willen, dich ihr auszusetzen, weil du darin ein Mittel zum Fortschreiten erblicktest, und Gott hat es zugelassen.“



259. Wenn der Geist die Wahl hat zwischen den Arten der Prüfungen, folgt dann daraus, dass alle Trübsale des Lebens von uns vorausgesehen und vorausgewählt wurden?
„Alle“, ist nicht der rechte Ausdruck, denn man kann nicht behaupten, dass von euch alles, was in dieser Welt sich ereignet, bis in alle Einzelheiten gewählt und vorausgesehen wurde. Die Art der Prüfung wähltet ihr, die Einzelheiten aber sind die Folgen eurer Lage und oft auch eurer eigenen Handlungen. Wenn der Geist z. B. unter Übeltätern geboren sein wollte, so wusste er, was für Versuchungen er sich aussetzte, aber er kannte nicht jede Handlung, die er begehen würde; letztere sind die Folgen seines Willens oder seiner Wahlfreiheit. Der Geist weiß, dass, wenn er den und den Weg einschlägt, er die und die Art von Kampf zu kämpfen haben werde; er kennt also die Natur der Ereignisse, auf die er stoßen wird, aber er weiß nicht, in was für Ereignissen dieselben bestehen. Die einzelnen Ereignisse entstehen aus den Umständen und aus der Gewalt der Tatsachen. Nur die großen Ereignisse, welche auf sein Schicksal Einfluss üben, werden von ihm vorausgesehen. Wenn du eine ausgefahrene Straße einschlägst, so weißt du, dass dir große Vorsicht geboten ist, weil du leicht fallen könntest, du weißt aber nicht, wo du fallen wirst, und möglicherweise fällst du gar nicht, wenn du dich gehörig in Acht nimmst. Wenn dir auf der Straße ein Ziegel auf den Kopf fällt, so glaube nicht, dass es so geschrieben stand, wie man zu sagen pflegt.“




260. Wie kommt ein Geist dazu, unter schlechten Leuten geboren sein zu wollen?
„Er muss wohl in eine Umgebung gesandt werden, wo er die Prüfung, die er verlangte, bestehen kann. Nun denn, es muss eine Analogie zwischen beiden vorhanden sein. Um gegen den Trieb der Räuberei zu kämpfen, muss er unter Menschen dieser Gattung sich befinden.“


260a. Gäbe es also keine schlechten Menschen auf Erden, so könnte der Geist hier nicht die zu gewissen Prüfüngen notwendige Umgebung finden?
„Sollte er sich darüber beklagen? Eben dies findet auf den höheren Welten statt, wo das Böse keinen Zutritt hat. Darum gibt es dort nur gute Geister. Macht, dass es sich bald auch so verhält auf eurer Erde.“


261. Muss der Geist zur Erlangung der Vollendung in seinen Prüfungen alle Arten von Versuchungen durchmachen? Muss er alle Umstände erleben, die in ihm Hochmut, Neid, Geiz, sinnliche Begierden u.s.w. erwecken können?
„Gewiss nicht, denn ihr wisst ja, dass es solche gibt, die gleich von Anbeginn einen Weg einschlagen, der sie von vielen Prüfungen befreit. Wer sich aber auf den schlechten Weg begibt, der trifft dann auch auf alle Gefahren desselben. Ein Geist z. B. kann Reichtum verlangen und der kann ihm gewährt werden. Dann wird er, je nach seinem Charakter, geizig oder verschwenderisch, eigennützig oder großmütig werden oder er wird sich allen Genüssen der Sinnlichkeit hingeben; aber es ist damit keineswegs gesagt, dass er notwendig die Reihenfolge dieser Neigungen durchmachen muss.“



262. Wie kann ein Geist, der bei seiner Entstehung einfach, unwissend und unerfahren ist, mit Bewusstsein eine Existenz sich wählen und dann für diese Wahl verantwortlich sein?
„Gott hilft seiner Unerfahrenheit aus, indem er ihm den einzuschlagenden Weg weist, wie du dies mit einem Kind tust, das die Wiege verlässt. Je mehr aber sein freier Wille sich entwickelt, desto mehr lässt er ihn frei wählen, und hier ist es dann, wo er zuweilen auf Abwege gerät, wenn er nicht auf den Rat der guten Geister hört. Das kann man dann den Fall des Menschen nennen.“


262a. Hängt die Wahl der leiblichen Existenz des Geistes, wenn er seinen freien Willen hat, immer nur von letzterem ab, oder kann ihm diese Existenz durch Gottes Willen als Sühne auferlegt werden?
„Gott kann abwarten: Er beschleunigt die Sühne nicht. Jedoch kann er einem Geist eine bestimmte Existenz auferlegen, wenn dieser wegen seiner niederen Stufe oder seines bösen Willens nicht zu begreifen fähig ist, was ihm am heilsamsten wäre, und wenn er sieht, dass diese Existenz zu seiner Reinigung und seinem Fortschreiten beiträgt und er darin zugleich eine Sühne findet.“



263. Trifft der Geist seine Wahl unmittelbar nach dem Tod?
„Nein, viele glauben an die Ewigkeit der Leiden. Man hat auch schon gesagt: sie sind eine Züchtigung.“



264. Was leitet den Geist bei der Wahl der Prüfungen, denen er sich unterziehen will?
„Er wählt solche, die ihm nach der Natur seiner Fehler zur Sühne dienen und ihn schneller fortschreiten lassen können. Die einen können sich also ein Leben voll Elend und Entbehrungen auferlegen, um es mutig zu ertragen zu versuchen; andere sich durch die Versuchungen des Reichtums und der Macht prüfen lassen wollen, welche viel gefährlicher durch ihren Missbrauch sind und durch die schlechten Leidenschaften, die sie entwickeln; andere endlich wollen sich prüfen im Kampf mit der Ansteckung des Lasters.“



265. Wenn gewisse Geister die Berührung mit dem Laster als Prüfung erwählen, gibt es darunter auch solche, die dieselbe aus Sympathie und mit dem Wunsch wählen, in einer ihrer Neigung entsprechenden Umgebung zu leben, oder um sich mittels ihrer Sinne sinnlichen Be – gierde hingeben zu können?
„Deren gibt es, das ist gewiss, aber das geschieht stets bei solchen, deren moralischer Sinn noch wenig entwickelt ist. Die Prüfung kommt von selbst und sie dauert dann länger. Früher oder später sehen sie ein, dass die Befriedigung roher Begierden beklagenswerte Folgen hat, die ihnen eine Ewigkeit zu dauern scheinen. Und Gott wird sie in diesem Zustand belassen, bis sie ihren Fehltritt eingesehen haben und ihn nun selbst durch ersprießlichere Prüfungen wieder gut zu machen verlangen.“



266. Scheint es nicht natürlich, die am wenigsten schmerzlichen Prüfungen zu wählen?
„Für euch, ja; für den Geist aber nicht. Ist er vom Stoff befreit, so schwindet die Illusion und er denkt anders.


Auf Erden steht der Mensch unter dem Einfluss fleischlicher Gedanken und erblickt in jenen Prüfungen nur die schmerzliche Seite. Darum scheint es ihm natürlich, solche zu wählen, die von seinem Gesichtspunkt aus sich mit sinnlichen Genüssen vereinen lassen; im Geisterleben aber vergleicht er jene flüchtigen und groben Genüsse mit der unveränderlichen Glückseligkeit, die er ahnt. Was liegt ihm dann noch an einigen vorübergehenden Leiden? Der Geist kann daher die allerschwerste Prüfung und folglich die leidensvollste Existenz sich wählen in der Hoffnung, schneller zu einem besseren Zustand zu gelangen, wie der Kranke oft die bitterste Arznei wählt, um schneller zu genesen. Wer seinen Namen durch die Entdeckung eines neuen Landes unsterblich machen will, wählt nicht einen blumigen Weg: Er kennt die Gefahren, denen er entgegengeht, aber er kennt auch den Ruhm, der seiner wartet, wenn es ihm gelingt.


Die Lehre von der freien Wahl unserer Existenzen und unserer Prüfung erscheint nicht mehr außerordentlich, wenn man erwägt, dass die Geister, wenn einmal vom Stoff befreit, die Dinge anders ansehen, als wir. Sie erkennen den Zweck, der für sie einen viel höheren Ernst hat, als die flüchtigen weltlichen Vergnügungen. Nach jeder Existenz sehen sie den Schritt, den sie vorwärts getan haben und erkennen, was ihnen noch an Reinheit fehlt, um jenen Zweck zu erreichen. Darum unterziehen sie sich freiwillig allen Ereignissen des leiblichen Lebens und verlangen selbst diejenigen, welche sie am schnellsten zum Ziel führen können. Darum wundert man sich mit Unrecht, den Geist nicht der angenehmsten Existenz den Vorzug geben zu sehen. Jenes Leben ohne Leid kann er in seinem noch unvollkommenen Zustand nicht genießen, aber er ahnt es und um zu demselben zu gelangen, strebt er nach Besserung.


Haben wir übrigens nicht täglich Beispiele solchen Wählens vor Augen? Der Mensch, der einen Teil seines Lebens ohne Ruh und ohne Rast sich abarbeitet, um zum Wohlstand zu gelangen, – was ist das anderes als eine Aufgabe, die er sich selbst auferlegt im Hinblick auf eine bessere Zukunft? Der Soldat, der sich zu einem gefährlichen Auftrag meldet, der Reisende, der sich nicht geringeren Gefahren im Interesse der Wissenschaft oder seiner eigenen Bereicherung aussetzt, was sind auch das wieder anderes, als freiwillig übernommene Prüfungen, die später Ehre und Nutzen einbringen sollen? Was unterzieht sich und setzt sich der Mensch nicht allem aus für sein Interesse oder seinen Ruhm? Ist nicht jedes Examen auch eine Prüfung, der man sich freiwillig unterwirft, in der Aussicht, in seiner erwählten Laufbahn vorwärts zu kommen? Zu einer hervorragenden gesellschaftlichen Stellung in den Wissenschaften, Künsten, der Industrie gelangt keiner, der nicht die Reihenfolge der untergeordneten Stellungen durchmacht, welche ebenso viele Prüfungen bedeuten. So ist das Menschenleben gleichsam die Kopie des Lebens der Geister: im Kleinen finden wir darin überall dieselben Wechselfälle. Wenn wir somit im Leben oft die härtesten Prüfungen wählen, um zu einem höheren Ziel zu gelangen, warum sollte der Geist, der weiter blickt als der Leib und für den das Leibesleben nur ein flüchtiger Augenblick ist, nicht eine beschwerliche und mühevolle Existenz wählen, wenn diese zu einer ewigen Seligkeit führen muss? Wer da sagt, dass, wenn der Mensch die Wahl hätte unter seinen Existenzen, er ein Fürst oder Millionär zu werden verlangen würde, der gleicht den Kurzsichtigen, die nur sehen, was sie mit Händen greifen oder Kindern, die, wenn man sie fragt, was sie am liebsten werden wollen, antworten: Pastetenbäcker oder Zuckerbäcker. So sieht der im nebligen Talgrund dahinschreitende Wanderer weder die Länge noch die äußersten Punkte seines Weges, gelangt er aber auf die Höhe des Berges, so überschaut er den durchlaufenen und den ihm noch bevorstehenden Weg. Er sieht das Ziel und die Hindernisse, die noch zu überwinden sind, und kann jetzt mit mehr Sicherheit überlegen, was er zu tun hat. Der inkarnierte Geist gleicht dem Wanderer am Fuß des Berges; ist er aber entledigt von den irdischen Banden, so überblickt er alles, wie jener, der auf dem Gipfel steht. Des Wanderers Zweck ist die Ruhe nach der Ermüdung, des Geistes Zweck die höchste Glückseligkeit nach den Trübsalen und den Prüfungen.


Alle Geister sagen aus, dass sie im herumwandernden Zustand nur suchen, forschen, lernen und beobachten, um ihre Wahl zu treffen. Besitzen wir nicht ein Abbild davon in unserem leiblichen Leben? Suchen wir nicht oft jahrelang die Laufbahn, für die wir uns dann endlich frei entscheiden, weil wir sie für die geeignetste halten, um zu unserem Ziel zu gelangen? Geht es auf der einen nicht, so wählen wir eine andere. Jeder Weg, den wir einschlagen, ist eine Gestaltung, ein Abschnitt unseres Lebens. Denken wir nicht jeden Tag an das, was wir morgen tun werden? Was sind nun die verschiedenen leiblichen Existenzen für den Geist anderes, als die Gestaltungen, Abschnitte, Tage seines spirituellen Lebens, das, wie wir wissen, sein eigentliches und regelmäßiges Leben ist, während sein leibliches nur ein vorübergehendes ist?




267. Könnte der Geist seine Wahl auch während seines physischen Lebens treffen?
„Sein Wunsch kann hier einigen Einfluss haben. Das hängt von seiner Absicht ab. Ist er aber Geist, so sieht er die Dinge ganz anders an. Erst der Geist entscheidet sich, aber, wie gesagt, er kann es schon in diesem stofflichen Leben tun, denn er hat immer solche Augenblicke, wo er unabhängig von seinem Leib ist.“


267a. Viele Leute wünschen sich hohe Stellungen und Reichtümer und das geschieht doch gewiss weder zur Sühne, noch zur Prüfung?
„Natürlich, es ist der Stoff, der diese Dinge begehrt, um sie zu genießen, der Geist aber begehrt sie, um deren Wechselfälle kennenzulernen.“



268. Hat der Geist, bis er zur vollendeten Reinheit gelangt, beständig Prüfungen auszuhalten?
„Ja, aber es sind keine solche wie ihr annehmt. Ihr heißt die stofflichen Trübsale Prüfungen; deren hat aber der, bis zu einer gewissen Stufe gelangte Geist keine mehr zu bestehen. Hingegen hat er immer Pflichten zu erfüllen, die zu seiner Vervollkommnung beitragen und nichts Peinliches für ihn haben. Viele derselben bestehen selbst nur darin, anderen zu ihrer Vervollkommnung behilflich zu sein.“




269. Kann sich der Geist in der Wirksamkeit der von ihm gewählten Prüfung täuschen?
„Er kann eine wählen, die über seine Kräfte geht und dann unterliegt er; oder eine solche, welche ihm gar nichts nützt, wie wenn er eine untätige und unnütze Lebensweise suchen würde. Tritt er danach aber wieder in das Leben der Geister ein, so erkennt er, dass er nichts gewonnen hat und verlangt die verlorene Zeit wieder gut zu machen.“



270. Wovon hängt der Beruf gewisser Leute und ihr Wille eine bestimmte Laufbahn eher, als eine andere zu verfolgen, ab?
„Ich denke, ihr könntet diese Frage euch selbst beantworten. Ist dies nicht die Folge von allem, was wir über die Wahl der Prüfungen und den Fortschritt in einer früheren Existenz gesagt haben?“


271. Wie denkt sich wohl der Geist im herumirrenden Zustand, wenn er die verschiedenen Bedingungen und Verhältnisse, in denen er seinen Fortschritt befördern könnte, überblickt, –wie denkt er sich Letzteres durch seine Geburt unter einem kannibalischen Völkerstamm bewerkstelligen zu können?
„Nicht die schon fortgeschrittenen Geister werden unter den Kannibalen geboren, sondern solche von der Natur der Kannibalen und noch tieferstehende.“


Bekanntlich stehen unsere Kannibalen nicht auf der untersten Sprosse der Leiter und es gibt Welten, wo die Verrohung und Wildheit nichts Ähnliches auf Erden findet. Jene Geister stehen also noch tiefer, als die tiefststehenden unserer Welt. Unter unsere „Primitiven“ zu kommen, ist für sie ein Fortschritt, wie es für unsere Kannibalen einer wäre, unter uns ein Handwerk auszuüben, das sie nötigte, Blut zu vergießen. Richten sie ihren Blick nicht höher so gestattet ihnen eben ihre moralische Niedrigkeit nicht, einen größeren Fortschritt zu begreifen. Nur stufenweise schreitet der Geist fort; er kann nicht mit einem Satz aus der Barbarei in die Zivilisation hineinspringen und hierin erkennen wir eine der Notwendigkeiten der Reinkarnation, welche wirklich und wahrhaftig der Gerechtigkeit Gottes entspricht. Was würde sonst aus jenen Millionen von Wesen werden, die alltäglich im Zustand der tiefsten Verkommenheit dahinsterben, wenn dieselben nicht die Mittel hätten, höher zu steigen? Warum sollte sie Gott der anderen Menschen gewährten Vorteile enterbt haben?


272. Könnten Geister von einer niedrigeren Welt, als die Erde ist, oder von einem sehr zurückgebliebenen Volk, wie die Kannibalen z. B., unter unseren zivilisierten Völkern geboren werden?

„Ja, es gibt welche die sich verirren, weil sie zu hoch hinaus wollten. Dann sind sie aber bei euch fehl am Platz wegen ihrer zu den eurigen nicht passenden Sitten und Instinke.“


Diese Wesen bieten uns das traurige Schauspiel der Wildheit mitten in der Zivilisation. Kehren sie zu den Kannibalen zurück, so ist dies kein Rückschritt, sie nehmen nur ihren Platz wieder ein und gewinnen dabei vielleicht noch.



273. Könnte ein einem zivilisierten Stamm angehöriger Mensch zur Sühne in einem „primitiven“ Stamm reinkarniert werden?
„Ja, aber das hängt von der Art der Sühne ab. Ein Herr, der hart gegen seine Sklaven gewesen ist, kann selbst ein Sklave werden und die schlechte Behandlung, die er anderen angedeihen ließ, nun selbst erfahren. Wer einst herrschte, kann in einem neuen Dasein gerade denen gehorchen müssen, die sich einst seinem Willen beugten. Das ist eine Sühne für ihn, wenn er seine Macht missbrauchte, und Gott kann sie ihm auferlegen. Ein guter Geist kann sich auch eine einflussreiche Existenz unter solchen Stämmen auswählen, um sie zu fördern, und dies ist dann eine Mission.“




Beziehungen im Jenseits

274. Bilden die verschiedenen Klassen der Geister unter sich eine Rangordnung der Gewalten? Gibt es bei Ihnen eine Über und Unterordnung?

„Ja, gar sehr. Die Geister haben unter sich ein ihrem Rang entsprechendes Ansehen und üben dieses mit unwiderstehlicher moralischer Gewalt aus.“


274a. Können die niedrigeren Geister sich der Autorität der über ihnen stehenden entziehen?
„Ich sagte: unwiderstehlich.“

275. Geben Macht und Ansehen, die ein Mensch auf Erden genossen hat, ihm in der Geisterwelt eine Überlegenheit ?
„Nein; denn dort werden die Kleinen erhöht und die Großen erniedrigt werden. Lies die Psalmen.“


275a. Wie sollen wir diese Erhöhung und Erniedrigung verstehen?
„Weißt du nicht, dass die Geister je nach ihrem Verdienst verschiedenen Ranges sind? Nun denn! Der Größte auf Erden kann bei den Geistern zum untersten Rang gehören, während sein Diener zum ersten gehört. Verstehst du? Hat nicht Jesus gesagt: wer sich selbst erniedrigt, wird erhöht werden und wer sich selbst erhöht, wird erniedrigt werden?“


276. Fühlt der, welcher groß gewesen ist auf Erden und sich nun klein sieht unter den Geistern, dadurch eine Demütigung?
„Oft eine sehr große, besonders wenn er hochmütig und neidisch gewesen ist.“


277. Erkennt der Soldat, der nach der Schlacht seinen Feldherrn in der Geisterwelt wiederfindet, ihn wieder als seinen Oberen an?
„Der Titel ist nichts, die wirkliche Überlegenheit ist alles.“


278. Vermischen sich die verschiedenen Rangstufen der Geister?
„Ja und nein, d.h. sie sehen einander, aber sie unterscheiden sich voneinander. Sie fliehen oder nähern sich einander, je nach der Ähnlichkeit oder Antipathie ihrer Gefühle, sowie es bei euch auch ist. Es ist eine ganze Welt, von der die eurige ein vages Abbild ist. Die zum selben Rang gehörigen vereinigen sich durch eine Art von Verwandtschaft und bilden Geistergruppen oder – familien, welche die Sympathie und ein gemeinsamer Zweck vereinigt. Bei den Guten ist es der Wunsch Gutes zu wirken, bei den Bösen der Wunsch Übles zu tun, die Schande ihrer Fehler und das Bedürfnis sich unter ihresgleichen zu befinden.“


Die Gesellschaften bilden sich nach der Ähnlichkeit der Neigun – gen. Laster und Tugend drängen sich aneinander vorbei, ohne sich etwas zu sagen.


279. Haben Geister überall freien Zugang?
„Die Guten gehen überall hin und es muss dies so sein, damit sie auf die Bösen ihren Einfluss ausüben können. Aber die von den guten bewohnten Gebiete sind den unvollkommenen Geistern untersagt, auf dass diese nicht den Tumult der schlechten Leidenschaften dahinbringen können.“


280. Welcher Art sind die Beziehungen zwischen den guten und den bösen Geistern?
„Die Guten suchen die schlimmen Neigungen der anderen zu bekämpfen, um ihnen bei ihrem Aufsteigen zu helfen: es ist eine Mission.“


281. Warum gefallen sich die niedrigeren Geister darin, uns zum Bösen zu verleiten?
„Aus Eifersucht es selbst nicht verdient zu haben unter den Guten zu sein. Ihr Streben geht dahin, die noch unerfahrenen Geister zu hindern zum höchsten Gut zu gelangen: Sie möchten die anderen dasselbe erdulden lassen, was sie selbst erdulden. Seht ihr nicht auch unter euch das Gleiche?“


282. Wie teilen sich die Geister einander mit?
„Sie sehen sich und verstehen sich. Das Wort ist stofflich, es ist nur der Widerschein des Geistes. Das universelle Fluidum stellt zwischen ihnen eine fortwährende Mitteilung her, es ist das Beförderungsmittel des Gedankenaustausches, sowie für euch die Luft das Beförderungsmittel des Tones ist: eine Art Universal – Telegraf, der alle Welten verbindet und den Geistern gestattet von einer Welt nach der anderen zu korrespondieren.“


283. Können sich die Geister gegenseitig ihre Gedanken verhehlen, kann sich einer vor dem anderen verbergen?
„Nein, für sie liegt alles offen da, besonders wenn sie vollkommen sind. Sie können sich entfernen, aber sie sehen sich immer. Dies ist jedoch keine durchgängige Regel, denn gewisse Geister können sich sehr wohl anderen unsichtbar machen, wenn sie es für zweckmäßig halten.“


284. Wie können die Geister, die keinen Leib mehr haben, ihre Individualität erhärten und sich selbst von anderen sie umgebenden geistigen Wesen unterscheiden?
„Sie beweisen ihre Individualität durch den Perispirit, der sie füreinander zu verschiedenen Wesen macht, wie der Leib die Menschen.“


285. Erkennen sich die Geister einander wieder als einstige Erdenbewohner? Erkennt der Sohn seinen Vater, der Freund seinen Freund wieder?
„Ja, und so von Generation zu Generation.“


285a. Wie erkennen sich die Menschen die sich auf Erden kannten, in der Geisterwelt wieder?
„Wir sehen unser vergangenes Leben und lesen darin wie in einem Buch. Indem wir die Vergangenheit unserer Freunde und Feinde erkennen, sehen wir ihr Hinübergehen vom Leben zum Tod.“


286. Sieht die Seele, wenn sie ihre sterbliche Hülle verlässt, sofort ihre Eltern und Freunde, die ihr in die Geisterwelt vorangingen?
„Sofort“ ist nicht immer der passende Ausdruck; denn sie braucht, wie gesagt, einige Zeit, um sich wiederzuerkennen und den stofflichen Schleier zu lüften.“


287. Wie wird die Seele bei ihrer Rückkehr in die Geisterwelt auf – genommen?
„Die Seele des Gerechten, wie ein längst erwarteter geliebter Bruder, die des Ungerechten, wie ein Wesen, das man verachtet.“


288. Was für ein Gefühl empfinden die unreinen Geister beim Anblick eines anderen bösen Geistes, der zu ihnen kommt?
„Die Bösen fühlen sich befriedigt, Wesen nach ihrem Bild zu sehen, die wie sie selbst der unendlichen Glückseligkeit beraubt sind, sowie auf Erden ein Schurke sich unter seinesgleichen befriedigt fühlt.“


289. Kommen unsere Eltern und Freunde uns zuweilen entgegen, wenn wir die Erde verlassen?
„Ja, sie kommen der geliebten Seele entgegen, sie beglückwünschen sie wie zur Rückkehr von einer Reise, wenn sie deren Gefahren entging und helfen ihr sich von den leiblichen Banden zu befreien. Es ist dies eine Gunst für die guten Geister, wenn die, welche sie einst liebten, ihnen entgegenkommen, während der Befleckte vereinsamt dasteht oder sich nur von Geistern seinesgleihen umgeben sieht: das ist eine Strafe.“


290. Bleiben Verwandte und Freunde nach dem Tod stets vereinigt?
„Das hängt von ihrer Erhöhung und dem Weg ab, den sie zu ihrem Fortschritt einschlagen. Ist der eine weiter fortgeschritten oder schreitet er schneller fort, als der andere, so werden sie nicht zusammenbleiben können. Sie werden sich zuweilen sehen können, aber zusammen werden sie erst dann bleiben, wenn sie neben und nicht hintereinander schreiten, oder wenn sie ihre Gleichheit in der Vollendung werden erreicht haben. Sodann dient die Entbehrung des Anblicks von Verwandten und Freunden zuweilen als Strafe.“




Sympathische und antipathische Beziehungen der Geister. Ewige Hälften

291. Haben die Geister außer der allgemeinen, gegenseitigen, auf Ähnlichkeit beruhenden Sympathie auch noch besondere Zuneigungen und Abneigungen gegen einander?
„Ja, wie die Menschen auch. Aber das Band zwischen den Geistern ist stärker, wenn der Leib nicht mehr da ist, weil es dann nicht mehr den Wechselfällen der Leidenschaften ausgesetzt ist.“


292. Besteht zwischen den Geistern auch Hass?
„Nur zwischen den unreinen Geistern gibt es Hass und sie sind es, die unter euch Feindschaft und Uneinigkeit säen.“



293. Werden zwei Wesen, die auf Erden Feinde waren, ihren Hass in der Welt der Geister fortsetzen?
„Nein, sie werden erkennen, dass der Hass dumm und sein Grund ein kindischer gewesen ist. Nur die unvollkommenen Geister behalten eine Art Erbitterung bis zu ihrer Reinigung. War es nur ein materielles Interesse, das sie trennte, so werden sie, kaum vom Stoff befreit, schon nicht mehr daran denken. Findet keine Antipathie zwischen ihnen statt, so können sie sich, da der Gegenstand des Streites nicht mehr vorhanden ist, mit Vergnügen wiedersehen.“


So sehen zwei Schüler, nachdem sie ins reifere Alter getreten sind, das Kindische ihrer Streitigkeiten des Jugendalters ein und sind sich nicht mehr böse.



294. Ist die Erinnerung an schlechte Handlungen, die zwei Menschen gegeneinander verübt haben mochten, ein Hindernis ihrer Sympathie?
„Ja, es entfernt sie voneinander.“




295. Was fühlen nach ihrem Tod diejenigen, welchen wir hier auf Erden Böses erwiesen haben?
„Sind sie gut, so verzeihen sie je nach euerer Reue. Sind sie böse, so können sie es euch nachtragen, ja auch zuweilen bis in eine andere Daseinsform verfolgen. Gott kann dies als Züchtigung zulassen.“



296. Sind die individuellen Zuneigungen der Geister der Veränderung fähig?
„Nein, denn sie können sich nicht täuschen: sie tragen nicht mehr die Maske, hinter der die Heuchler sich verstecken. Darum sind ihre Zuneigungen, wenn rein, unveränderlich. Die sie einigende Liebe ist für sie eine Quelle des höchsten Glückes.“



297. Dauert die Liebe, welche zwei Wesen auf Erden zu einander hatten auch in der Welt der Geister stets fort?
„Ja, gewiss, wenn sie auf eine echte Sympathie gegründet war. War sie aber mehr von körperlichen Ursachen als von der Sympathie bedingt, so verschwindet sie zugleich mit ihrer Ursache. Zuneigungen sind bei den Geistern fester und dauerhafter als auf Erden, weil sie nicht der Laune der materiellen Interessen und der Eigenliebe unterworfen sind.“



298. Sind die Seelen, die sich vereinigen sollen, zu dieser Vereinigung schon von ihrem Ursprung an vorher bestimmt? Hat jeder von uns schon irgendwo im Universum seine „zweite Hälfte“, mit der uns das Schicksal eines Tages vereinigt?

„Nein, es gibt keine besondere zum Voraus bestimmte Einigung zweier Seelen. Letztere findet zwischen allen Geistern statt, jedoch in verschiedenem Grad, je nach ihrer Stufe, d.h. ihrer Vollendung. Je vollendeter sie sind, desto geeinigter sind sie auch. Aus der Zwietracht entspringen alle Übel der Sterblichen, aus der Eintracht entsteht das vollkommene Glück.“



299. Wie muss man das Wort „Hälfte“ verstehen, dessen sich gewisse Geister bedienen, um sympathische Geister zu bezeichnen?

„Der Ausdruck ist ungenau. Wäre ein Geist die eine Hälfte eines anderen, so wäre er, wenn von diesem getrennt, kein vollständiger Geist mehr.“


300. Bleiben zwei ganz sympathische Geister, wenn sie einmal vereinigt sind, dies für alle Ewigkeit oder können sie sich auch trennen und mit anderen Geistern vereinigen?

„Alle Geister sind unter sich vereinigt, d.h. diejenigen, die die Vollendung erreicht haben. In den niedrigeren Sphären aber behält ein Geist, wenn er höher steigt, nicht mehr die frühere Sympathie für die, welche er verlassen hat.“



301. Ergänzen sich zwei sympathische Geister gegenseitig oder ist diese Sympathie das Resultat einer vollkommenen Wesenseinheit?

„Die Sympathie, die einen Geist zum anderen hinzieht, ist die Folge der völligen Übereinstimmung ihrer Neigungen und Instinkten; müsste einer den anderen ergänzen, so verlöre er seine Individualität.“


302. Besteht die notwendige Wesenseinheit nur in der Ähnlichkeit der Gedanken und Gefühle oder außer dem auch noch in der Gleichmäßigkeit der erworbenen Kenntnisse?

„In der Gleichheit des Erhöhungsgrades.“

303. Können Geister, die jetzt einander nicht sympathisch sind, es später werden?

„Ja, alle werden es sein. So wird ein Geist, der jetzt noch auf irgendeiner tieferen Stufe steht, in die Sphäre eines anderen gelangen, wenn er sich vervollkommnet. Sie werden sich um so eher begegnen, wenn der höhere Geist, weil er seine Prüfung nicht gut bestanden hat, im gleichen Zustand verharrte.“



303a. Können zwei sympathische Geister aufhören sich sympathisch zu sein?

„Gewiss, wenn der eine träge ist.“

Die Theorie von den sogenannten „ewigen Hälften“ ist ein Bild von der Vereinigung zweier sympathischer Geister, ein selbst in der Volkssprache gebrauchter Ausdruck, den man nicht buchstäblich nehmen darf. Die Geister, die sich derselben bedienten, gehören gewiss nicht zu der höchsten Ordnung. Der Kreis ihrer Ideen war ein beschränkter und sie gaben ihre Gedanken durch Ausdrücke ihres früheren leiblichen Lebens wieder. Die Vorstellung, dass zwei füreinander geschaffene Geister vom Schicksal bestimmt seien, sich einst in der Ewigkeit zu finden und zu vereinigen, nachdem sie während kürzerer oder längerer Zeit voneinander getrennt waren, ist somit zu verwerfen.




Erinnerung an die leibliche Existenz

304. Erinnert sich der Geist seines leiblichen Daseins?
„Ja, d.h. nachdem er mehrere Male als Mensch gelebt hat, erinnert er sich dessen, was er gewesen ist und ich versichere dir, dass er zuweilen aus lauter Mitleid mit sich selber lachen muss.“

So wie der ins vernünftige Alter getretene Mensch über die Tor – heiten seiner Jugend und die Anschläge seiner Kindheit lacht.


305. Stellt sich die Erinnerung an das leibliche Dasein dem Geist nach dem Tod in vollständiger und ungeahnter Weise dar?

„Nein, sie kommt ihm nach und nach wie Etwas, das aus einem Nebel hervortritt und auch dies nur in dem Maß als er seine Aufmerksamkeit darauf richtet.“

306. Erinnert sich der Geist im Einzelnen an alle seine Erlebnisse? Überschaut er dieselben als ein Ganzes?

„Er erinnert sich der Dinge nach Maßgabe der Folgen, die sie nun für seinen Zustand als Geist haben; aber du begreifst, dass es Lebensumstände gab, denen er keine Wichtigkeit beilegt und an die er sich nicht einmal zu erinnern sucht.“



306a. Könnte er sich aber derselben erinnern, wenn er wollte?

„Er kann sich auch der geringfügigsten Einzelheiten, nicht nur der Ereignisse, sondern selbst seiner Gedanken erinnern; ist ihm dies aber von keinem Nutzen, so tut er es nicht.“



306b. Ahnt er den Zweck des irdischen Lebens in Bezug auf sein zukünftiges Leben?

„Gewiss schaut und erkennt er es besser als dereinst, er erkennt das Bedürfnis seiner Reinigung, um zum Unendlichen zu gelangen und er weiß, dass er in jeder Daseinsform einige Unreinheiten zurücklässt.“


307. Wie stellt sich sein vergangenes Leben in der Erinnerung des Geistes dar? Geschieht dies durch die Bemühung seiner Einbildungskraft oder erscheint es ihm ungesucht gleich einem Gemälde vor seinen Augen?

,,Das Eine wie das Andere: alle Geschehnisse, für die er sich interessiert, sind ihm wie etwas Gegenwärtiges, die anderen verschwimmen mehr oder weniger in vagen Ge danken oder bleiben ganz vergessen. Je mehr er entstofflicht ist, desto weniger Wichtigkeit legt er den stofflichen Dingen bei. Du rufst oft einen wandernden Geist an, der soeben erst die Erde verlassen hat und der sich nicht mehr der Namen einst geliebter Personen, noch der Einzelheiten, die dir von Belang scheinen, erinnert; er kümmert sich eben wenig darum und vergisst es. Woran er sich sehr gut erinnert, das sind die hauptsächlichsten Tatsachen, die ihm helfen sich zu bessern.“


308. Erinnert sich der Geist an alle Daseinsformen, die der letzten vorangegangen sind?

„Seine ganze Vergangenheit entrollt sich vor ihm, wie vor dem Wanderer die durchlaufenen Stationen; aber wie gesagt, er erinnert sich nicht vollständig aller Geschehnisse, sondern nur so weit solche Einfluss auf seinen gegenwärtigen Zustand haben. Seine frühesten Existenzen, die gleichsam als die Kindheit des Geistes angesehen werden können, verschwimmen und verlieren sich in der Nacht der Vergessenheit.“

309. Wie betrachtet der Geist seinen soeben verlassenen Körper?

„Wie ein schlechtgemachtes Kleid, das ihn genierte und dessen entledigt zu sein er sich glücklich schätzt.“



309a. Was für ein Gefühl erweckt in ihm der Anblick seines verwesenden Körpers?

„Fast immer das der Gleichgültigkeit, wie gegenüber einem Ding, an dem ihm nichts mehr liegt.“

310. Erkennt der Geist nach einer gewissen Zeit Gebeine oder andere Dinge als solche wieder, die ihm einst angehörten?

„Zuweilen. Das hängt von dem mehr oder weniger erhabenen Gesichtspunkt ab, von dem er die irdischen Dinge betrachtet.“

311. Zieht unsere Achtung vor den materiellen Hinterlassenschaften des Geistes seine Aufmerksamkeit auf dieselben Dinge nach sich? Freut er sich über jene Achtung?

„Der Geist freut sich stets unseres Andenkens an ihn. Die Dinge, die man von ihm aufbewahrt, erwecken seine Erinnerung. Nicht aber diese Dinge selbst, sondern der Gedanke ist es, der ihn zu euch hinzieht.“

312. Bewahren die Geister die Erinnerung an die, während ihrer letzten Existenz erlittenen Leiden?

„Oft bewahren sie dieselben und sie ist es dann, welche sie den Wert der Glückseligkeit ermessen lassen, die sie nun als Geister genießen.“

313. Vermisst der Mensch, der hier auf Erden glücklich gewesen ist, seine einstiges Glück, wenn er die Erde verlassen hat?

„Nur niedrigere Geister können Freuden vermissen, die zur Unreinheit ihres Wesens passen und die sie mit ihren Leiden sühnen müssen. Für hohe Geister ist die ewige Seligkeit tausendmal den flüchtigen Freuden der Erde vorzuziehen.“ So verachtet der Erwachsene das, was einst die Vergnügungen seiner Kindheit ausmachte.


314. Bedauert es der, welcher zu einem nützlichen Zweck große Arbeiten unternommen hatte und in denselben sich durch seinen Tod unterbrochen sieht, in der anderen Welt, sie unvollendet gelassen zu haben?

„Nein, denn er sieht, dass andere berufen sind, sie zu vollenden. Im Gegenteil, er versucht andere menschliche Geister zu beeinflussen, sie fortzusetzen. Sein Zweck auf der Erde war das Wohl der Menschheit und dieser Zweck bleibt derselbe auch in der Welt der Geister.“

315. Bewahrt derjenige, der künstlerische oder literarische Werke hinterließ, seine Liebe zu denselben auch nach seinem Tod?

„Je nach seiner Erhöhung beurteilt er sie von einem anderen Standpunkt und oft tadelt er das, was er einst am meisten bewunderte.“

316. Interessiert sich der Geist noch für die Arbeiten, die auf Erden für den Fortschritt der Künste und Wissenschaften unternommen werden?

„Das hängt von seiner Erhöhung ab oder von der Mission, die er möglicherweise zu erfüllen hat. Was euch herrlich erscheint, hat für gewisse Geister oft sehr wenig zu bedeuten. Sie bewundern es, wie der Gelehrte die Arbeit eines Schülers bewundert. Er forscht vielmehr nach dem, was die Erhöhung der inkarnierten Geister und ihren Fortschritt bezeugt.“

317. Bewahren die Geister nach dem Tod ihre Vaterlandsliebe?

„Hier gilt überall dasselbe Prinzip. Für die hohen Geister ist das Universum ihr Vaterland; auf Erden ist es für sie da, wo sie sich am zahlreichsten sympathisch zusammenfinden.“



Die Lage und die Anschauungsweise der Geister sind unendlich verschieden, je nach der Stufe ihrer intellektuellen und moralischen Entwicklung. Geister hohen Ranges halten sich auf Erden gewöhnlich nur kurze Zeit auf. Alles, was hier vorgeht, ist in Vergleich mit den hohen Dingen der Unendlichkeit so kleinlich, die für die Menschen wichtigsten Angelegenheiten sind in ihren Augen so kindisch, dass sie wenig Reiz an ihnen finden, es sei denn, dass sie zur Teilnahme an ihnen berufen werden, um am Fortschritt der Menschheit mitzuarbeiten. Die Geister einer mittleren Rangstufe halten sich öfter hier auf, obgleich sie die Dinge von einem höheren Gesichtspunkt aus betrachten, als zu ihren Lebzeiten. Die gemeinen Geister sind hier gewissermaßen sesshaft und bilden die Masse der uns umgebenden Bevölkerung der unsichtbaren Welt. Sie haben nahezu die gleichen Ideen und Neigungen bewahrt, die sie unter ihrer leiblichen Hülle besaßen. Sie mischen sich ein in unsere Versammlungen, in unsere Angelegenheiten, und Vergnügungen, und nehmen, je nach ihrem Charakter, daran einen mehr oder minder tätigen Anteil. Da sie ihre eigenen Leidenschaften nicht befriedigen können, so freuen sie sich über die, welche sich denselben hingeben und reizen sie dazu an. Unter denselben gibt es aber auch ernstere, welche zuschauen und beobachten, um sich zu vervollkommnen.


318. Verändern sich die Ideen der Geister in ihrem wandelnden Zustand?

„Gar sehr. Sie erleiden große Veränderungen, in dem Maß, als der Geist sich entstofflicht. Zuweilen kann er lange die gleichen Vorstellungen bewahren, aber nach und nach vermindert sich der Einfluss des Stoffes und der Geist sieht die Dinge klarer. Dann sucht er die Mittel, sich zu bessern.“

319. Woher kommt dem Geist seine Verwunderung, wenn er in die Geister – welt zurückkehrt, da er ja dort schon vor seiner Inkarnation gelebt hatte?

„Das ist nur die Wirkung des ersten Augenblicks und der Verwirrung, die seinem Erwachen folgt. Später erkennt er sich vollkommen, je mehr die Erinnerung an das Vergangene in ihm wiederkehrt und der Eindruck des irdischen Lebens sich verwischt.“ (163 f.)




Andenken an die Verstorbenen. Das Begräbnis

320. Sind die Geister dafür empfänglich, dass die, die sie auf Erden einst liebten, nun ihrer gedenken?

„Mehr als ihr es glauben mögt. Dieses Gedenken vermehrt ihr Glück, wenn sie glücklich, und mildert ihr Leid, wenn sie unglücklich sind.“


321. Hat der Tag der Gedächtnisfeier der Verstorbenen für die Geister etwas Feierlicheres? Bereiten sie sich dazu vor, diejenigen zu besuchen, die an ihren Grab ihre Gebete zu verrichten?

„Auf den Ruf des Gedankens kommen die Geister an diesem Tag wie an den anderen.“



321a. Ist dieser Tag für sie ein Stelldichein an ihren Gräbern?

„Sie finden sich da zahlreicher ein, weil sie von mehr Personen gerufen werden, aber jeder kommt nur für seine Freunde, und nicht für die Menge der Gleichgültigen.“



321b. In welcher Gestalt kommen sie und wie würde man sie sehen, wenn sie sich sichtbar machen könnten?

„Unter der, in welcher man sie bei ihren Lebzeiten gekannt hat.“

322. Kommen die vergessenen Geister, deren Gräber niemand besucht, dennoch und empfinden Schmerz darüber, dass sie niemanden sehen, der sich an sie erinnert?

„Was liegt ihnen an der Erde? Sie hängen an ihr nur mit dem Herzen. Ist dort keine Liebe, so fesselt den Geist nichts mehr an sie: das ganze Universum gehört ihm.“

323. Gibt der Besuch des Grabes dem Geist mehr Befriedigung, als ein Gebet für ihn zu Hause?

„Das Gebet am Grab ist eine Art auszudrücken, dass man an den abwesenden Geist denkt: Es ist ein Bild. Ich sagte euch schon, das Gebet ist es, das den Akt der Erinnerung heiligt. Es kommt wenig auf den Ort an, wenn dasselbe von Herzen kommt.“

324. Wohnen die Geister derjenigen, denen man Standbilder oder Denkmäler errichtet, dieser Art von Einweihungen bei und freuen sie sich darüber?

„Viele kommen her, wenn sie können, aber sie sind weniger empfänglich für die Ehre, die man ihnen erweist, als für das Andenken der Menschen.“


325. Woher mag wohl gewissen Leuten der Wunsch kommen, an einem Ort lieber als an einem anderen begraben zu werden? Kommen sie nach ihrem Tod lieber dahin zurück und ist dieses auf etwas Stoffliches gelegte Gewicht nicht ein Zeichen eines tiefer stehenden Geistes?

„Die Vorliebe des Geistes für gewisse Ort bedeutet moralische Unterlegenheit. Was tut einem erhabenen Geist ein Plätzchen Erde vor dem Anderen? Weiß er nicht, dass seine Seele mit seinen Lieben vereint werden wird, selbst wenn Ihre Gebeine getrennt sind?“



325a. Muss die Vereinigung der sterblichen Überreste aller Glieder einer Familie als etwas Nichtiges betrachtet werden?

„Nein, sie ist ein frommer Brauch und ein Beweis von Sympathie für die, welche man liebte. Mag sie auch den Geistern gleichgültig sein, so ist sie doch von Nutzen für die Menschen. Ihre Erinnerungen bekommen mehr Stärke.“

326. Ist die in das Geisterleben zurückkehrende Seele für die ihren sterblichen Überresten erwiesene Ehre empfänglich?

„Wenn der Geist schon einen gewissen Grad von Vollendung erreichte, so hat er keine irdische Eitelkeit mehr und erkennt die Nichtigkeit aller dieser Dinge. Jedoch wisse, dass es Geister gibt, welche im ersten Augenblick ihres Todes ein großes Vergnügen an den ihnen erwiesenen Ehren, sowie auch Kummer über die Vernachlässigung ihrer Hülle empfinden; denn sie behalten noch einige Vorurteile aus îhrem Leben auf Erden.“

327. Wohnt der Geist seinem Begräbgnis bei?

„Sehr oft wohnt er ihm bei, aber wenn er sich noch in der Verwirrung befindet, erfasst er nicht was vor sich geht.“



327a. Fühlt er sich von dem Zuströmen der Teilnehmenden geschmeichelt?

„Mehr oder weniger, je nach den Gefühlen, die sie herführen.“


328. Wohnt der Geist des Verstorbenen den Versammlugen seiner Erben bei?

„Fast immer. Gott will es so zu seiner Belehrung und zur Züchtigung der Schuldigen. Hier sieht er nun, was ihm Beteuerungen Wert waren; jetzt liegt jede Gesinnung offen vor ihm. Die Täuschung, die er beim Anblick der Habgier derer empfindet, die seine Hinterlassenschaft unter sich teilen, klärt ihn über ihre Gesinnungen auf. Die Reihe wird aber auch an sie kommen.“

329. Ist unwillkürliche Achtung, die der Mensch zu Zeiten und bei allen Völkern den Toten erweist, eine Wirkung seines vagen Gefühls von einem künftigen Leben?

„Sie ist die natürliche Folge desselben; sonst wäre jene Achtung gegenstandslos.“





KAPITEL VII – Rückkehr ins leibliche Leben



Vorstufe zur Rückkehr

330. Kennen die Geister die Zeit, in der sie reinkarniert werden sollen?
“Sie ahnen sie, wie der Blinde das Feuer, dem er sich nähert. Sie wissen, dass sie wieder in einen Leib eingehen müssen, so wie ihr wisst, dass ihr einmal sterben müsst, ohne jedoch den Tag zu kennen.“ (166.)


330a. Die Reinkarnation ist also eine Notwendigkeit für das geistige Leben, wie der Tod für das leibliche?
„Gewiss, so ist es.“


331. Beschäftigen sich alle Geister mit ihrer Reinkarnation?
„Es gibt deren, die gar nicht an dieselbe denken, ja die sie gar nicht begreifen; das hängt von ihrem mehr oder weniger fort geschrittenen Wesen ab. Einigen dient ihre Ungewissheit über ihre Zukunft zur Strafe.“


332. Kann der Geist die Zeit seiner Reinkarnation beschleunigen oder verzögern?
„Er kann sie beschleunigen, indem er sie herbeiwünscht; er kann sie auch hinausschieben, wenn er vor der Prüfung zurückschreckt; denn auch unter den Geistern gibt es Feiglinge und Gleichgültige. Aber er tut dies nicht ungestraft: er leidet darunter, wie einer, der vor einer wirksamen Arznei zurückschreckt, die ihn heilen könnte.“


333. Wenn ein Geist sich unter den Wandergeistern in einem mittelmässig zufriedenen Zustand befände und nicht den Wunsch hätte, sich zu vervollkommnen, könnte er diesen Zustand ins Unendliche verlängern?
„Nein, nicht ins Unendliche. Der Fortschritt ist für den Geist ein Bedürfnis, das er stets früher oder später fühlt; alle sollen sich vervollkommnen, das ist ihre Bestimmung.“



334. Ist die Vereinigung der Seele mit einem bestimmten Leib vorherbestimmt, oder geschieht die Wahl erst im letzten Augenblick?
„Der Geist ist stets vorausbestimmt. Indem er sich eine bestimmte Prüfung wählt, verlangt er sich zu inkarnieren. Nun aber wusste und sah Gott, der alles weiß und sieht, zum Voraus, dass diese Seele sich mit diesem Leib verbinden wird.“


335. Kann sich der Geist einen bestimmten Leib wählen, oder nur die Lebensumstände, die ihm zur Prüfung dienen sollen?

„Er kann sich auch seinen Leib wählen, denn die Unvollkommen – heiten des letzteren dienen ihm als seinen Fortschritt fördernde Prüfungen, wenn er die ihm entgegenstehenden Hindernisse überwindet. Die Wahl hängt aber nicht immer von ihm ab: er kann nur bitten.“


335a. Könnte der Geist im letzten Augenblick sich weigern in den von ihm gewählten Leib einzugehen? „Würde er sich weigern, so hätte er dadurch vielmehr zu leiden, als derjenige, der keine Prüfung versucht hätte.“


336. Könnte es geschehen, dass ein Kind, das eben geboren werden soll, keinen Geist fände, der sich in es inkarnieren wollte?
„Gott würde hier vorsorgen. Das lebensfähige Kind ist stets dazu vorherbestimmt, eine Seele zu haben: nichts war ohne Absicht und Plan geschaffen.“



337. Kann die Vereinigung eines Geistes mit einem bestimmten Leib von Gott auferlegt werden?
„Sie kann es so gut wie die verschiedenen Prüfungen, besonders wenn der Geist noch nicht fähig ist, seine Wahl mit Sachkenntnis zu treffen. Zur Sühne kann der Geist genötigt werden, sich mit dem Leib eines Kindes zu vereinigen, das durch Geburt und Lebensstellung für ihn einst eine Züchtigung werden wird.“


338. Wenn es vorkäme, dass mehrere Geister sich für denselben Leib melden würden, wer würde dann zwischen ihnen entscheiden?
„Mehrere können es verlangen. Gott bestimmt dann denjenigen, der am besten sich eignet, die Mission des Kindes zu erfüllen; aber, wie gesagt, der Geist wird vor dem Augenblick, in welchem er sich mit dem Leib verbinden soll, bestimmt.“



339. Wird der Moment der Inkarnation von einer ähnlichen Verwirrung begleitet, wie die, welche beim Verlassen des Leibes stattfindet?
„Eine viel größere und namentlich viel längere. Beim Tod tritt der Geist aus der Knechtschaft aus, bei der Geburt tritt er wieder in sie ein.“


340. Ist für einen Geist der Augenblick, wo er sich inkarnieren soll, ein feierlicher? Vollzieht er diesen Akt als einen bedeutenden und wichtigen für ihn?
„Er ist gleich einem Reisenden, der sich zu einer gefährlichen Überfahrt einschifft und der nicht weiß, ob er nicht den Tod finden soll in den Wellen, denen er trotzt.“

Der sich einschiffende Reisende kennt die Gefahren, denen er sich aussetzt, aber er weiß nicht, ob er nicht Schiffbruch erleiden wird. So ist es auch mit dem Geist: Er kennt die Art der Prüfungen, denen er sich aussetzt, aber er weiß nicht, ob er unterliegen wird. So wie der Tod des Leibes eine Art von Wiedergeburt für den Geist ist, so ist ihm die Reinkarnation eine Art von Tod oder vielmehr von Exil und Gefangenschaft. Er geht aus dem Leben der Geister in das der Leiber, wie der Mensch aus dem der Leiber in das der Geister geht. Der Geist weiß, dass er sich reinkarnieren wird, wie der Mensch, dass er sterben wird. Aber wie dieser, so hat auch jener erst im letzten Augenblick ein Bewusstsein, wann die bestimmte Zeit gekommen ist. Dann in diesem letzten Augenblick bemächtigt sich seiner die Verwirrung wie beim Menschen im Todeskampf, und diese Verwirrung dauert so lange, bis die neue Daseinsform deutlich herausgebildet ist. Das Herannahen der Reinkarnation ist eine Art von Todeskampf des Geistes.


341. Ist für den Geist seine Ungewissheit über den Ausgang seiner Prüfungen im Leben ein Grund der Angst, bevor er sich inkarniert?
„Eine sehr große Angst, weil die ihm bevorstehenden Prüfungen seine Entwicklung verzögern oder vorantreiben, je nachdem ob er sie gut oder schlecht bestanden haben wird.“




342. Wird der Geist im Moment seiner Reinkarnation von anderen ihm befreundeten Geistern begleitet, die seinem Auszug aus der Geisterwelt beiwohnen können, so wie sie zu seinem Empfang sich einfinden, wenn er in dieselbe zurückkehrt?
„Das hängt von der Sphäre ab, die der Geist bewohnt. Ist er in den Sphären, wo die Liebe herrscht, so begleiten ihn die ihm zugetanen Geister bis zum letzten Augenblick, sprechen ihm Mut zu, stehen ihm oft in seinem Leben bei.“



343. Sind die Geisterfreunde, die uns im Leben begleiten, zuweilen etwa diejenigen, die wir im Traum sehen, die uns ihre Liebe bezeugen und sich uns unter unbekannten Zügen darstellen?
„Sehr oft sind es diese. Sie besuchen euch, wie ihr einen Gefangenen hinter Schloss und Riegel besucht.“




Vereinigung der Seele und des Leibes Abtreibung. Fehlgeburt

344. In welchem Zeitpunkt vereinigt sich die Seele mit dem Leib?
„Die Vereinigung beginnt mit der Empfängnis, vollständig wird sie aber erst durch die Geburt. Vom Augenblick der Empfängnis an ist der zum Wohnen in dem betreffenden Leib bestimmte Geist mit demselben durch ein fluidisches Band verbunden, welches sich immer fester zusammenzieht bis zum Augenblick, wo das Kind das Licht der Welt erblickt. Das Schreien des Kindes verkündigt dann, dass es zur Zahl der Lebendigen und der Diener Gottes gehört.“



345. Bleibt die Einigung zwischen Leib und Geist endgültig vom Zeitpunkt der Empfängnis an? Könnte nicht der Geist in dieser ersten Periode darauf verzichten, den ihm angewiesenen Leib zu bewohnen?
„Die Vereinigung ist eine endgültige in dem Sinn, dass kein anderer Geist den für diesen Leib bestimmten ersetzen könnte; da aber die ihn haltenden Bande sehr schwach sind, so reissen sie leicht und sie können so vom Geist, der vor der gewählten Prüfung zurückschreckt, gesprengt werden. Dann lebt aber das Kind nicht.“



346. Was wird aus dem Geist, wenn der von ihm gewählte Leib stirbt, bevor er geboren wird?
„Er wählt einen andern.“


346a. Was mag der Nutzen solch eines vorzeitigen Todes sein?
„Die Unvollkommenheiten des Stoffes sind es, die am häufigsten die Ursache eines solchen Todes sind.“


347. Von was für einem Nutzen kann dem Geist seine Inkarnation in einen Leib sein, der wenige Tage nach seiner Geburt stirbt ?
„Das Wesen besitzt kein entwickeltes Bewusstsein seines Daseins, der Tod hat für dasselbe sozusagen gar keine Bedeutung; letzterer ist, wie gesagt, oft eine Prüfung für die Eltern.“



348. Weiß der Geist im Voraus, dass der Leib, den er wählt, keine Aussicht hat zu leben ?
„Zuweilen weiß er es; wählt er denselben aber aus diesem Grund, so weicht er eben vor der Prüfung zurück.“



349. Wenn aus irgendeinem Grund die Inkarnation eines Geistes nicht gelingt, wird dann jene sofort durch eine andere ersetzt?
„Nicht immer sofort. Der Geist muss Zeit haben von Neuem zu wählen, wenn nicht etwa die sofortige Reinkarnation von einem früheren Entschluss herkommt.“


350. Bereut der Geist, nachdem er einmal untrennbar mit dem Leib des Kindes vereinigt ist, zuweilen seine Wahl?
„Willst du damit sagen, ob er sich als Mensch über sein Leben beklagt und ob er dasselbe anders wünschte? Ja! Oder ob er die getroffene Wahl bereut? Dann nein! Denn er weiß nicht, dass er die Wahl getroffen hat. Der einmal inkarnierte Geist kann eine Wahl, von der er kein Bewusstsein hat, nicht bereuen. Hingegen kann er seine Bürde zu schwer finden und wenn er meint, dass sie wirklich über seine Kräfte gehe, dann schreitet er zum Selbstmord.“



351. Kann der Geist aller seiner Fähigkeiten in der Zwischenzeit zwischen der Empfängnis und der Geburt nutzen?
„Mehr oder weniger, je nach dem fortschreitenden Stadium der Schwangerschaft; denn er ist noch nicht inkarniert, sondern nur an seinen werdenden Leib gebunden. Vom Augenblick der Empfängnis an beginnt beim Geist die Verwirrung, in dem ihm dadurch angezeigt wird, dass der Zeitpunkt gekommen ist, wo er eine neue Existenz annehmen muss. Diese Verwirrung steigert sich fortwährend bis zur Geburt. In diesem Zeitraum ist sein Zustand etwa derjenige eines inkarnierten Geistes während des leiblichen Schlafes. Je näher der Zeitpunkt der Geburt kommt, desto mehr verschwinden ihm seine Vorstellungen und das Gedächtnis der Vergangenheit, von der er als Mensch, einmal ins Leben eingetreten, gar kein Bewusstsein mehr hat. Jene Erinnerung kehrt ihm aber (später) in seinem Zustand als Geist allmählich wieder.“


352. Erlangt der Geist im Moment der Geburt unmittelbar die Gesamtheit seiner Fähigkeiten zurück?
„Nein, dieselben entwickeln sich Schritt für Schritt mit den Organen. Er ist jetzt in einer neuen Daseinsform: er muss sich erst seiner Werkzeuge bedienen lernen. Die Ideen kehren ihm nur allmählich wieder, wie bei einem Menschen, der aus dem Schlaf erwacht und der sich in einer Lage befindet, die von der des vorhergehenden Tages abweicht.“



353. Kann man annehmen, da die Vereinigung des Geistes und des Leibes erst nach der Geburt eine vollständige und endgültige ist, das der Fötus bereits eine Seele besitzt?
„Der Geist, der ihn beseelen soll, existiert gewissermaßen noch außerhalb von ihm; Der Fötus hat also eigentlich noch nicht eine Seele, da die Inkarnation sich erst vorbereitet. Immerhin aber ist der Geist an die Inkarnation gebunden, die er bestehen soll.“



354. Wie soll man sich das Leben im Mutterschoß erklären?
„Es ist das der vegetierenden Pflanze. Das Kind lebt schon ein animalisches Leben. Der Mensch besitzt ein animalisches und ein vegetatives Leben, das er bei der Geburt mit dem geistigen ergänzt.“



355. Gibt es, wie die Wissenschaft behauptet, Kinder, die schon im Mutterleib nicht lebensfähig sind, und zu welchem Zweck geschieht dies?
„Das kommt häufig vor: Gott lässt es zu als Prüfung, für die Eltern, oder für den Geist, der hier inkarnieren sollte.“



356. Gibt es totgeborene Kinder, die nie zur Inkarnation eines Geistes bestimmt waren?

„Ja, es gibt solche, für deren Leib nie ein Geist bestimmt war: nichts sollte für sie zu Stande kommen. Dann kam dieses Kind nur für die Eltern zur Welt.“


356a. Kann ein so geartetes Wesen rechtzeitig auf die Welt kommen?
„Ja, zuweilen; aber dann lebt es nicht.“


356b. Also hat jedes Kind, das seine Geburt überlebt, einen in dasselbe inkarnierten Geist?
„Was wäre es sonst? Es wäre kein menschliches Wesen.“



357. Was für Folgen hat für den Geist eine Fehlgeburt?
„Es ist ein nichtiges Dasein; das wieder neu begonnen werden muss.“


358. Ist die willentliche Abtreibung ein Verbrechen, wann auch die Empfängnis stattgefunden haben mag?
„Überall liegt ein Verbrechen vor, sobald ihr Gottes Gesetze überschreitet. Die Mutter oder jeder andere begeht stets ein Verbrechen, wenn sie einem Kind vor seiner Geburt das Leben nimmt, denn das heißt die Seele hindern, die Prüfungen, deren Werkzeug der Leib werden sollte, zu ertragen.“



359. Wenn aber das Leben der Mutter in Gefahr käme durch die Geburt des Kindes, ist es dann ein Verbrechen das Kind zu opfern, zur Rettung der Mutter?
„Besser ist es, das noch nicht existierende Wesen dem existierenden zu opfern.“




360. Entspricht es der Vernunft, für den Fötus dieselben Rücksichten wie für den Leib eines Kindes zu nehmen?
„Erblickt in allen diesen Dingen Gottes Willen und Werk. Behandelt nicht leichtsinnig Dinge, die ihr achten sollt. Warum den Werken der Schöpfung, die zuweilen nach dem Willen des Schöpfers unvollendet bleiben, nicht Achtung angedeihen lassen? Das gehört zu seinen Plänen, die niemand zu beurteilen berufen ist.“




Moralische und intellektuelle Fähigkeiten

361. Woher kommen dem Menschen seine guten und schlechten moralischen Eigenschaften?
„Es sind die des in ihn inkarnierten Geistes. Je reiner dieser Geist ist, desto mehr fühlt sich der Mensch zum Guten angetrieben.“


361a. Daraus scheint hervorzugehen, dass der gute Mensch die Inkarnation eines guten Geistes und der lasterhafte die eines bösen Geistes ist?
„Ja; aber sage lieber, es sei ein unvollkommener Geist, sonst könnte man an stets böse bleibende Geister, an sogenannte Dämonen glauben.“

362. Welches ist der Charakter der Individuen, in die sich die leichtfertigen und Irrgeister inkarnieren?
„Flatterhafte, schelmische und zuweilen bösartige Wesen.“


363. Besitzen die Geister Leidenschaften, die nicht der menschlichen Natur angehören?
„Nein, denn dann hätten sie sie euch auch mitgeteilt.“


364. Ist es der gleiche Geist, der dem Menschen seine moralischen und intellektuellen Eigenschaften gibt?
„Gewiss der gleiche und zwar nach Maßgabe der Stufe, die er schon erreicht hat. Der Mensch birgt nicht zwei Geister in sich.“



365. Warum sind sehr intelligente Menschen – was einen höheren Geist in ihnen verrät – zuweilen gleichzeitig tief lasterhaft?

„Weil der inkarnierte Geist nicht rein genug ist und der Mensch dem Einfluss anderer schlechterer Geister sich hingibt. Der Geist schreitet in aufsteigender Linie unmerklich stets vorwärts, der Fortschritt vollzieht sich aber nicht gleichzeitig nach allen Richtungen. In einem Zeitraum kann er im Wissen, in einem andern in der moralischen Entwicklung fortschreiten.“



366. Was ist von der Ansicht zu halten, wonach die verschiedenen moralischen und intellektuellen Fähigkeiten des Menschen vonebenso vielen verschiedenen in ihn inkarnierten Geistern herrührten, so dass jeder eine besondere Befähigung hätte?
„Bei einigem Nachdenken sieht man ein, dass sie einfältig ist. Der Geist als solcher muss zu allem befähigt sein. Um fortschreiten zu können, muss er einen einheitlichen Willen besitzen. Wäre der Mensch eine Mischung von Geistern, so bestände jener Wille nicht und es gäbe für ihn nicht einmal eine Individualität, da bei seinem Tod alle jene Geister einem Flug aus dem Käfig entfliehender Vögel glichen. Der Mensch klagt so oft, gewisse Dinge nicht zu begreifen, ja er sucht noch die Schwierigkeiten zu häufen, während er eine einfache und natürliche Erklärung zur Hand hat. Auch hier nimmt er die Wirkung für die Ursache: Er macht aus dem Menschen, was die Heiden aus Gott machten. Diese glaubten an so viele Götter, als es Erscheinungen in der Natur gibt, vernünftige Leute aber unter ihnen erblickten in jenen Erscheinungen nur Wirkungen, die einen einzigen Gott zur Ursache haben.“


Die physische wie die moralische Welt bieten uns hier zahlreiche Vergleiche. Man glaubte an eine mehrfache Existenz des Stoffes, so lange man beim Äußern der Erscheinungen stehen blieb. Heutzutage begreift man, dass diese so verschiedenen Erscheinungen sehr wohl nur die Veränderungen eines und desselben Urstoffes sein können. Die verschiedenen Fähigkeiten sind die Äußerung einer und derselben Ursache, der Seele oder des inkarnierten Geistes und nicht mehrerer Seelen, gerade so, wie die verschiedenen Töne der Orgel das Erzeugnis derselben Luftart sind und nicht von ebenso vielen Luftarten, als es Töne gibt. Es würde daraus folgen, dass, wenn ein Mensch gewisse Fähigkeiten oder Neigungen verliert oder erwirbt, dies die Folge von ebenso vielen Geistern wäre, die ihn verlassen oder besuchen, was aus ihm ein zusammengesetztes Wesen ohne Individualität und somit ohne Verantwortlichkeit machte. Außerdem wird dieser Ansicht von den so zahlreichen Manifestationen widersprochen, welche durch die Geister ihre Persönlichkeit und Identität beweisen.




Einfluss des Organismus

367. Identifiziert sich der Geist mit dem Stoff, wenn er sich mit dem Leib verbindet?
„Der Stoff ist nur die Hülle des Geistes, wie das Kleid die des Leibes. Wenn der Geist sich mit dem Leib verbindet, so behält er alle Eigenschaften der geistigen Natur.“



368. Können die Fähigkeiten des Geistes, nachdem er sich mit dem Leib verbunden hat, vollumfänglich ausgeübt werden?
„Die Ausübung der Fähigkeiten hängt von den Organen, die ihm als Werkzeuge dienen, ab. Sie wird aber geschwächt durch die Plumpheit des Stoffes.“


368a. Folglich wäre die stoffliche Hülle ein Hindernis für die freie Ausübung der Fähigkeiten des Geistes, sowie sich ein undurchsichtiges Glas dem freien Ausstrahlen des Lichtes widersetzt?
„Ja, und zwar sehr undurchsichtig.“


Man kann die Wirkung des plumpen Stoffes des Leibes auch mit derjenigen eines schlammigen Wassers vergleichen, das dem darin schwimmenden Körper seine freie Bewegung raubt.



369. Ist die freie Ausübung der Seelenkräfte der Entwicklung der Organe untergeordnet?
„Die Organe sind Werkzeuge der Betätigung der Seelenkräfte. Diese Betätigung ist der Entwicklung und dem Grad der Vollkommenheit jener Organe untergeordnet, so wie die Güte einer Arbeit von der des Werkzeugs abhängt.“


370. Kann man aus dem Einfluss der Organe eine Beziehung zwischen der Entwicklung der Gehirnorgane und derjenigen der moralischen und intellektuellen Fähigkeiten herleiten?
„Verwechselt nicht die Wirkung mit der Ursache. Der Geist besitzt stets die ihm eigen gehörenden Fähigkeiten. So sind es denn nicht die Organe, welche die Fähigkeiten verleihen, sondern die Fähigkeiten, die zur Entwicklung der Organe treiben.“


370a. Folglich hinge die Verschiedenartigkeit der Fähigkeiten bei dem Menschen einzig und allein an seinem Zustand als Geist?
„Einzig und allein ist nicht ganz genau. Die Eigenschaften des Geistes, der mehr oder weniger fortgeschritten sein kann, sind das Prinzip; man muss dabei jedoch dem Einfluss des Stoffes Rechnung tragen, der mehr oder weniger die Ausübung der Fähigkeiten beeinträchtigt.“


Wenn der Geist sich inkarniert, bringt er gewisse Veranlagungen mit und wenn man für jede derselben ein entsprechendes Organ im Gehirn annimmt, so wäre die Entwicklung dieser Organe nicht eine Ursache, sondern eine Wirkung jener. Hätten die Fähigkeiten ihr Prinzip in den Organen, so wäre der Mensch eine Maschine ohne freien Willen und ohne Verantwortlichkeit. Man müsste annehmen, dass die größten Genies, Gelehrte, Dichter, Künstler nur deshalb Genies sind, weil der Zufall ihnen besondere Organe gab, woraus dann folgen würde, dass sie ohne diese letztere keine Genies geworden wären und dass der letzte Dummkopf ein Newton, Virgil oder Raphael hätte werden können, wenn er mit gewissen Organen versehen worden wäre, – eine Annahme, die noch viel einfältiger erscheint, wenn man sie auf die moralischen Eigenschaften anwendet. Nach diesem System hätte also der heilige Vinzenz von Paula, wenn er von der Natur mit dem und dem Organ ausgerüstet worden wäre, ein Verbrecher sein können und dem größten Verbrecher würde es nur an einem Organ fehlen, um ein hl. Vinzenz von Paula zu werden. Nehmt nun umgekehrt an, dass die besonderen Organe, wenn sie überhaupt existieren, allmählich entstehen und sich durch die Übung der betreffenden Fähigkeit entwickeln, wie die Muskeln durch die Bewegung, und ihr werdet nichts Vernunftwidriges haben. Machen wir einen um ihrer Wahrheit Willen trivialen Vergleich: An gewissen physiognomischen Kennzeichen erkennt ihr den Trunkenbold. Machen ihn nun diese Kennzeichen zum Trunkenbold oder lässt seine Trunksucht diese Kennzeichen entstehen? Man kann sagen, dass die Organe die Eindrücke der Fähigkeiten aufnehmen.




Geistige Behinderung. Wahnsinn.

371. Ist die Ansicht, dass die Kretinen und Geisteskranken eine Seele von einer niedrigeren Natur haben, begründet?
„Nein, sie besitzen eine menschliche Seele, die oft intelligenter ist, als ihr glaubt und die an der Unzulänglichkeit der Mittel sich mitzuteilen leidet, wie der Stumme daran, dass er nicht sprechen kann.“


372. Was ist der Zweck der Vorsehung, wenn sie solche beeinträchtigte Wesen schafft, wie die Kretinen und Geisteskranken?
„Büßende Geister sind es, die den Leib der geistig Behinderten bewohnen. Diese Geister leiden unter dem Zwang und unter der Unmöglichkeit, sich durch unentwickelte oder zerrüttete Organe nach außen geltend zu machen.“


372a. Es ist also nicht genau, wenn man sagt, dass die Organe ohne Einfluss auf die Fähigkeiten seien?
„Wir sagten niemals, die Organe seien ohne Einfluss. Sie haben einen sehr großen auf die Äußerungen der Fähigkeiten, aber sie verleihen die letzteren nicht, das ist der Unterschied. Ein guter Musiker mit einem schlechten Instrument wird keine gute Musik machen, das wird ihn aber nicht hindern, ein guter Musiker zu sein.“


Man muss den normalen vom pathologischen Zustand unterscheiden. In ersterem überwindet das Moralische das ihm vom Stoff entgegengesetzte Hindernis. Es gibt aber Fälle, wo der Stoff einen solchen Widerstand leistet, dass die Äußerungen behindert oder entstellt werden, wie bei geistiger Behinderung und Wahnsinn. Das sind pathologische Fälle und da die Seele in diesem Zustand nicht ihre völlige Freiheit genießt, so spricht sie hier das menschliche Gesetz selbst von der Verantwortlichkeit für ihre Handlungen los.



373. Worin kann das Verdienst des Daseins für Wesen liegen, die, wie die Geisteskranken und die Kretinen, da sie weder Gutes noch Böses tun können, auch nicht fortzuschreiten vermögen?
„Es ist eine Sühne für den Missbrauch, den man mit gewissen Fähigkeiten getrieben hat. Es ist eine Zeit der Haft.“


373a. Der Leib eines Geisteskranken kann also einen Geist beherbergen, der in einer früheren Existenz einen Mann von Genie beseelt hätte?
„Ja, das Genie wird zuweilen zu einer Pest, wenn es missbraucht wird.“


Die moralische Überlegenheit steht nicht immer im Verhältnis zur intellektuellen und die größten Genies können viel zu sühnen haben. Daher wird ihnen oft eine niedrigere Daseinsform als ihre frühere auferlegt, was die Ursache von Leiden ist. Die Hindernisse, die der Geist bei seinen Äußerungen erleidet, sind für ihn gleich Ketten, welche die Bewegungen eines starken Mannes behindern. Man kann sagen, der Schwachkopf und der geistig Behinderte seien am Gehirn verkrüppelt, wie der Hinkende es an den Füßen, der Blinde an den Augen ist.



374. Ist der geistig Behinderte im Zustand des Geistes seiner mentalen Einschränkungen bewusst?
„Ja, sehr häufig: Er erkennt, dass die Ketten, die seinen Aufschwung niederdrücken, eine Prüfung und Sühne sind.“



375. Welches ist die Lage des Geistes beim Wahnsinn?
„Der Geist im Zustand der Freiheit empfängt die Eindrücke und äußert seine Einwirkung auf den Stoff in unmittelbarer Weise; in inkarniertem Zustand steht er unter ganz verschiedenen Bedingungen und ist genötigt, nur mit Beihilfe besonderer Organe sich nach außen zu betätigen. Sowie ein Teil oder die Gesamtheit dieser Organe gestört ist, sind sein Tun oder seine Eindrücke, soweit sie diese Organe betreffen, unterbrochen. Verliert er die Augen, so erblindet er; verliert er das Gehör, so wird er taub usw. Denke dir nun, das Organ, das den Äußerungen der Intelligenz und des Willens vorsteht, sei ganz oder teilweise angegriffen oder verändert, so siehst du leicht ein, dass, wenn der Geist nur noch unvollständige oder beschädigte Organe besitzt, eine Verwirrung daraus entstehen muss, deren der Geist durch sich selbst und in seinem Zustand vollkommen bewusst ist, über deren Fortgang er eben nicht mehr Herr zu werden vermag.“


375a. Dann wäre stets der Leib und nicht der Geist desorganisiert?
„Ja; man darf aber dabei nicht aus dem Auge verlieren, dass, sowie der Geist auf den Stoff wirkt, dieser wiederum auch auf jenen in einem gewissen Masse seine Rückwirkung ausübt und dass sich der Geist für den Augenblick durch die Veränderung der Organe beeinflusst fühlen kann, mit denen er sich äußert und seine Eindrücke empfängt. Es kann geschehen, dass auf die Dauer, wenn der Wahnsinn lange währt, die Wiederholung derselben Tätigkeiten schließlich auf den Geist einen solchen Einfluss übt, dass er vom Wahnsinn erst nach seiner völligen Trennung von jedem stofflichen Eindruck sich befreien kann.“


376. Woher kommt es, dass der Wahnsinn zuweilen zum Selbstmord führt?
„Der Geist leidet unter seiner Ohnmacht und der Unmöglichkeit, sich frei äußern zu können; darum sucht er im Tod ein Mittel seine Bande zu sprengen.“



377. Wird sich der Geist des geistig Kranken nach dem Tod der Störung seiner Fähigkeiten bewusst?
„Er kann sich derselben einige Zeit nach dem Tod bewusst sein, bis er ganz von dem Stoff befreit ist, so wie der Mensch beim Erwachen sich nach einiger Zeit der Verwirrung, in die der Schlaf ihn versetzt, bewusst bleibt.



378. Wie kann die krankhafte Veränderung des Gehirns auf den Geist nach dem Tod zurückwirken?
„Es ist eine Erinnerung; eine Last drückt auf den Geist, und da er nicht von allem, was während seines Wahnsinns vorgegangen war, ein Verständnis hatte, braucht er immer einige Zeit, um wieder auf dem Laufenden zu sein. Je länger der Wahnsinn während des Lebens gewesen ist, umso länger dauert auch die Befangenheit und der Druck nach dem Tod. Der vom Leib gelöste Geist bleibt sich noch einige Zeit des Eindrucks seiner Bande bewusst.“




Von der Kindheit

379. Ist der Geist, der den Leib eines Kindes beseelt, so hoch entwickelt, wie der eines Erwachsenen?

„Er kann es selbst noch mehr sein, wenn er weiter fortgeschritten ist. Nur die unvollkommenen Organe hindern ihn, sich zu äußern. Er betätigt sich nach Maßgabe des Instrumentes, mit dessen Hilfe er sich äussern kann.“



380. Denkt der Geist in einem noch ganz kleinen Kind – abgesehen von der Hinderung seiner noch unvollkommenen Organe – wie ein Kind, oder wie ein Erwachsener?
„Wenn er noch Kind ist, so ist es natürlich, dass die Organe der Intelligenz, da sie noch nicht entwickelt sind, ihm nicht die volle Anschauung eines Erwachsenen gewähren können: Seine Intelligenz bleibt in der Tat sehr beschränkt, bis das Alter seine Vernunft gereift hat. Die Inkarnation begleitende Verwirrung, hört nicht plötzlich mit der Geburt auf; sondern verschwindet erst allmählich mit der Entwicklung der Organe.“


Eine Beobachtung unterstützt diese Antwort: die Träume eines Kindes haben nicht den Charakter der eines Erwachsenen, ihr Gegenstand ist fast immer kindlich, was das Wesen dessen anzeigt, womit der Geist beschäftigt ist.



381. Erlangt der Geist beim Tod des Kindes seine frühere Kraft sofort wieder?
„Er soll es, da er ja von seiner fleischlichen Hülle befreit ist. Jedoch erlangt er seine ursprüngliche Klarheit erst, wenn die Trennung eine vollendete geworden ist, d.h. wenn keinerlei Band mehr zwischen Geist und Leib existiert.“



382. Leidet der inkarnierte Geist während der Kindheit unter dem Druck der Unvollkommenheit seiner Organe?
„Nein, und dieser Zustand ist eine Notwendigkeit. Er liegt in der Natur und in dem Plan der Vorsehung: Es ist eine Zeit der Ruhe für den Geist.“




383. Was für einen Nutzen hat es für den Geist, den Zustand der Kindheit durchzumachen?
„Der zu seiner Vervollkommnung sich inkarnierende Geist ist während jener Zeit den empfangenen Eindrücken, die ihm zu seinem Fortschreiten förderlich sind, zugänglicher und zu Letzterem sollen auch seine Erzieher beitragen.“



384. Warum weint ein Kind als erste Lebensäusserung?
„Um das Interesse der Mutter und deren Fürsorge herbeizuführen. Siehst du nicht ein, dass, wenn es nur Freudengeschrei ausstieße, zu einer Zeit, wo es noch nicht sprechen kann, man sich wenig um seine Bedürfnisse kümmern würde? Bewundere darum in allem die Weisheit der Vorsehung.“



385. Woher kommt die Veränderung, die im Charakter in einem gewissen Alter und besonders beim Ausgang der Jugend vor sich geht? Ist es hier der Geist, der sich ändert?
„Der Geist ist es, der wieder seine Natur annimmt und sich als das zeigt, was er einst gewesen ist. Ihr kennt das Geheimnis nicht, das die Kinder in ihrer Unschuld verbergen. Ihr wisst weder, was sie sind, noch was sie waren, noch was sie sein werden. Und trotzdem liebt ihr sie, ihr herzt sie, als wären sie ein Teil eures Selbst, so sehr, dass die Mutterliebe für die höchste Liebe überhaupt gilt. Woher dieser süße Drang, dieses zärtliche Wohlwollen, das selbst Fremde für ein Kind empfinden? Wisst ihr das? Nein. Ich will es euch erklären.


Die Kinder sind die Wesen, welche Gott in ein neues Dasein sendet, und damit sie Ihm nicht eine allzu große Strenge vorwerfen können, schenkt er ihnen allen Schein der Unschuld. Selbst bei einem Kind von bösem Naturell bedeckt man seine Übeltaten mit der Unbewusstheit der letzteren. Diese Unschuld ist aber kein wirklicher Vorzug gegenüber dem, was sie früher waren; nein, sie ist das Bild dessen, was sie sein sollten, und wenn sie es nicht sind, so fällt die Strafe auf sie allein zurück.


Aber Gott hat nicht nur ihnen zu Liebe ihnen diesen Schein verliehen, sondern auch und hauptsächlich wegen der Eltern, deren Liebe ihre Schwachheit bedarf und diese Liebe würde bedeutend geschwächt durch den Anblick eines unfreundlichen und mürrischen Charakters, während sie in dem Glauben, dass ihre Kinder gut und sanft seien, ihnen ihre ganze Liebe zuwenden und sie mit der zartesten Fürsorge pflegen. Sobald aber die Kinder dieses Schutzes und jener Hilfe, die ihnen 15 – 20 Jahre lang zuteil geworden sind, nicht mehr bedürfen, dann kommt ihr wirklicher und persönlicher Charakter in seiner ganzen Nacktheit wieder zum Vorschein: Er bleibt gut, wenn er ursprünglich gut gewesen ist, es schimmern aber doch Schattierungen durch, die in der ersten Kindheit verdeckt waren. Ihr seht, dass Gottes Wege immer die besten sind und dass es einem reinen Herzen leicht ist sie zu begreifen.

Und in der Tat, bedenkt nur, dass der Geist der Kinder, die bei euch geboren werden, vielleicht aus einer Welt kommt, wo er ganz andere Gewohnheiten hatte, wie wolltet ihr, dass mitten unter euch dies neue Wesen mit ganz andern, ja entgegengesetzten Neigungen und Leidenschaften als die eurigen sind, sich in eure Reihen anders einreihe, als so wie Gott es eingerichtet hat, nämlich durch den Leib der Kindheit? Hier strömen alle Gedanken, Charaktere, die verschiedenartigsten Wesen zusammen, die in jener Menge von Welten erzeugt wurden, in denen die Geschöpfe groß werden. Und ihr selbst, wenn ihr sterbt, befindet euch in einer Art von Kindheit, mitten unter neuen Brüdern, und in eurem neuen, nicht irdischen Dasein kennt ihr weder die Gewohnheiten, noch die Sitten und die Verhältnisse jener für euch neuen Welt. Mit Mühe nur werdet ihr eine Sprache handhaben, die ihr zu reden nicht gewöhnt seid und die lebendiger ist, als heute noch euer Denken. (319.)


Die Kindheit hat noch einen anderen Nutzen: Die Geister treten nur zu ihrer Vervollkommnung und Besserung in das leibliche Leben ein, die Schwachheit des Jugendalters macht sie biegsam und dem Rat der Erfahrung und der Erzieher zugänglich. Da kann man dann ihren Charakter verbessern, ihre bösen Neigungen zurückdrängen. Das ist die Pflicht, die Gott den Eltern auferlegte, eine heilige Berufung, über den sie sich zu verantworten haben werden.


So ist die Kindheit nicht nur nützlich, notwendig, unvermeidlich, sondern sie ist auch die natürliche Folge der von Gott gegebenen Gesetze des Universums.“




Irdische Zuneigungen und Abneigungen

386. Können zwei Wesen, die sich kannten und liebten, sich in einem anderen leiblichen Dasein wiederfinden und wieder erkennen?
„Sich wiedererkennen, nein; aber eines vom anderen sich angezogen fühlen, ja, und oft haben innige Verbindungen, gegründet auf aufrichtige Zuneigung keine andere Ursache. Zwei Wesen nähern sich einander durch scheinbar zufällige Umstände, die aber in Wahrheit die Folge einer Anziehung der beiden Geister sind, die einander mitten durch die Menge hindurch suchen.“



386a. Wäre es nicht angenehmer für sie, wenn sie sich wiedererkannten?
„Nicht immer. Die Erinnerung an vergangene Existenzen hätte größere Unzulänglichkeiten als ihr glaubt. Nach dem Tod werden sie sich wiedererkennen, sie werden die Zeit kennen, die sie zusammengelebt hatten.“ (392.)


387. Hat die Sympathie stets ein früheres Bekanntsein miteinander zum Prinzip?
„ Nein, zwei Geister, die sich zusagen, suchen sich natürlich auf, ohne dass sie sich als Menschen gekannt hätten.“



388. Sollten die Begegnungen mit gewissen Personen, die man dem Zufall zuschreibt, nicht die Wirkung einer Art von sympathischen Beziehungen sein?
„Es gibt zwischen den denkenden Wesen Bande, die euch noch unbekannt sind. Der Magnetismus ist der Führer durch diese Wissenschaft, die ihr später besser verstehen werdet.“


389. Woher stammt diese instinktmäßige Abneigung, die man zuweilen beim ersten Anblick einer Person empfindet?
„Antipathische Geister, die sich erkennen und wiedererkennen, ohne miteinander zu sprechen.“



390. Ist die instinktmäßige Antipathie stets ein Zeichen einer bösen Natur?
„Zwei Geister sind nicht notwendig böse, weil sie nicht sympathisch sind. Die Antipathie kann aus einem Mangel an Verwandtschaft des Denkens entstehen. Je mehr sie sich aber erheben, desto mehr verwischen sich die Verschiedenheiten und die Antipathie verschwindet.“



391. Entsteht die Antipathie zwischen zwei Personen zuerst bei der, deren Geist der schlechtere oder der bessere ist?

„Bei beiden zugleich. Aber die Ursache und die Wirkungen sind verschieden. Ein böser Geist hat Antipathie gegen jeden, der ihn beurteilen und entlarven kann. Wenn er eine Person zum ersten Mal sieht, so weiß er schon, dass er missbilligt werden wird, seine Entfremdung verwandelt sich in Hass und in Neid und erweckt in ihm das Verlangen, jenem Böses zu zufügen. Der gute Geist fühlt sich zurückgestoßen vom Bösen, da er weiß, dass er von ihm nicht verstanden werden wird und dass er seine Gefühle nicht teilt. Aber stark in seiner Überlegenheit fühlt er weder Hass, noch Neid gegen ihn: er begnügt sich ihn zu meiden und zu bedauern.“




Vergessen der Vergangenheit

392. Warum verliert der inkarnierte Geist die Erinnerung an seine Vergangenheit?
„Der Mensch kann und soll nicht alles wissen, so will es Gott in seiner Weisheit. Ohne den Schleier, der ihm gewisse Dinge verbirgt, würde der Mensch geblendet wie der, welcher ohne Übergang vom Dunkel ins Licht tritt. Durch das Vergessen der Vergangenheit ist er mehr sich selbst.“



393. Wie kann der Mensch für Handlungen verantwortlich sein und für Fehler büßen, an die er sich nicht erinnert? Wie kann er aus Erfahrungen Nutzen ziehen, die er in Daseinsformen gemacht hat, welche ihm in Vergessenheit versunken sind? Man würde es verstehen, dass die Trübsale des Lebens für ihn eine Lehre wären, wenn er noch wüsste, wodurch er sich dieselben verdient und zugezogen hat. Aber sobald er keine Erinnerung mehr hat, ist ihm jedes neue Dasein, wie wenn es sein erstes wäre und so wird immer von neuem angefangen. Wie reimt sich dies mit der Gerechtigkeit Gottes?

„Bei jedem neuen Dasein hat der Mensch mehr Intelligenz und kann das Gute vom Bösen besser unterscheiden. Wo bliebe das Verdienst, wenn er sich der ganzen Vergangenheit erinnerte? Kehrt der Geist in sein ursprüngliches geistiges Leben zurück, dann entrollt sich vor ihm sein ganzes vergangenes Leben: Er sieht die Fehler, die er begangen hat, die die Ursachen seines Leidens sind, sowie das, was ihn vor denselben hätte bewahren können. Er erkennt, dass die Lage, in der er ist, gerecht ist und sucht nun ein Dasein, welches das Vergangene wieder gutmachen könnte. Er sucht ähnliche Prüfungen wie die, welche er durchgemacht hat, oder Kämpfe, die er zu seiner Förderung geeignet hält. Er bittet höhere Geister, ihm beizustehen in der neuen Aufgabe, die er sich stellt; denn er weiß, dass der Geist, der ihm zum Führer in seinem neuen Dasein beigegeben wird, ihm seine Fehler gut machen helfen wird, indem er ihm eine Art von vagem Gefühl von den begangenen Fehlern verleihen wird. Dieses selbe Gefühl ist der zuweilen in euch auftauchende, strafbare Wunsch, dem ihr instinktmäßig widersteht, indem ihr euren Widerstand meistens den von den Eltern empfangenen Grundsätzen zuschreibt, während es in Wahrheit die Stimme des Gewissens ist, die zu euch redet. Diese Stimme ist die Erinnerung an das Vergangene. Sie warnt euch, von neuem in die schon begangenen Fehler zu verfallen. Wenn nun der, in dieses neue Dasein eingegangene Geist sich jenen Prüfungen mutig unterzieht und sie überwindet, so erhebt er sich und steigt höher in der Rangordnung der Geister, wenn er einst zu ihnen zurückkehrt.“


Haben wir auch während des leiblichen Lebens keine bestimmte Erinnerung an das, was wir gewesen sind und was wir in früheren Existenzen Böses oder Gutes getan haben, so haben wir doch davon das vage Gefühl und unsere instinktartigen Neigungen sind eine Erinnerung an unsere Vergangenheit, das Gewissen, welches die Sehnsucht ist, nicht mehr die gleichen Fehler zu begehen, ruft uns zum Widerstand auf.




394. Erkennen die Menschen auf den vorgeschritteneren Welten als die unsrige ist und wo man nicht all unseren leiblichen Bedürfnissen und Krankheiten unterworfen ist, dass sie glücklicher sind, als wir? Das Glück im Allgemeinen ist etwas Relatives: man empfindet es durch den Vergleich mit einem weniger glücklichen Zustand. Da endlich einige jener Welten, wenn auch besser als die unsrige, doch nicht in einem vollkommenen Zustand sind, so müssen die Menschen, die sie bewohnen, in ihrer Art dort Grund zum Verdruss finden. Bei uns hat der Reiche, weil er nicht die beängstigenden materiellen Sorgen hat wie der Arme, deswegen doch Trübsale zu bestehen, die sein Leben verbittern. Nun frage ich, ob die Bewohner jener Welten sich in ihrer Lage nicht für ebenso unglücklich halten, wie wir und sich über ihr Schicksal beklagen, da sie keine Erinnerung an ein niedrigeres Dasein zum Vergleich haben?


„Dazu gibt es zwei unterschiedliche Antworten: Unter den Welten, von denen du sprichst, gibt es solche, deren Bewohner eine sehr klare und deutliche Erinnerung an ihre früheren Existenzen haben. Diese vermögen natürlich das Glück, das ihnen Gott spendet, sehr wohl zu schätzen. Es gibt aber auch andere Welten, wo die Bewohner, wie du fragst, in besseren Verhältnissen leben als ihr und dennoch viel Verdruss, ja Trübsale haben. Diese wissen ihr Glück nicht zu schätzen, eben deswegen, weil sie keine Erinnerung an einen noch schlimmeren Zustand haben. Wissen sie ihn aber nicht als Menschen zu schätzen, so tun sie es als Geister.“


Liegt nicht in dem Vergessen jener früheren Existenzen, besonders wenn sie mühselige gewesen sind, etwas Fürsorgliches, worin sich die göttliche Weisheit offenbart? Erst auf den höheren Welten, wenn einmal die Erinnerung an unglückliche Daseinsformen nur noch ein böser Traum ist, treten sie in dem Gedächtnis auf. Und würden nicht auf den niedrigeren Welten die gegenwärtigen Übel durch die Erinnerung an alle die früher erlittenen noch erhöht? Schließen wir somit hieraus, dass alles, was Gott getan hat, wohlgetan ist und dass es uns nicht ansteht, seine Werke zu kritisieren und zu sagen, wie er das Universum hätte einrichten sollen.


Die Erinnerung an unsere früheren Individualitäten hätte schwer – wiegende Unzulänglichkeiten. In gewissen Fällen könnte sie uns seltsam demütigen, in anderen unseren Stolz entflammen und gerade dadurch unseren freien Willen beeinträchtigen. Gott gab uns zu unserer Besserung gerade, was wir bedürfen und was uns genügen kann: die Stimme des Gewissens und unsere instinktartigen Neigungen. Was uns schaden könnte hat er uns genommen. Fügen wir dem noch bei, dass, wenn wir eine Erinnerung an unsere früheren persönlichen Handlungen hätten, wir auch die an die Handlungen anderer hätten und dass diese Kenntnis die unangenehmsten Wirkungen auf die gesellschaftlichen Beziehungen ausüben könnte. Da wir nicht immer Grund haben, uns unserer Vergangenheit zu rühmen, so ist es oft besser, wenn ein Schleier darüber geworfen wird. Das stimmt vollkommen mit der Lehre der Geister von den höheren Welten überein. Dort wo nur das Gute herrscht, hat die Erinnerung an das Vergangene nichts Unangenehmes. Darum erinnert man sich dort an sein früheres Dasein, wie wir uns an das, was wir am Tag zuvor getan haben. Die Zeit, die man auf niedrigeren Welten zugebracht hat, erscheint als böser Traum.



395. Können uns über unsere früheren Existenzen einige Enthüllungen zuteil werden?
„Nicht immer. Einige wissen indessen doch, was sie waren und was sie getan haben. Wäre es ihnen gestattet, es offen zu sagen, sie würden sonderbare Enthüllungen über die Vergangenheit zu machen haben.“



396. Gewisse Personen glauben eine unbestimmte Erinnerung an eine unbekannte Vergangenheit zu haben, die sich ihnen wie das flüchtige Bild eines Traumes darstellt, das sie vergeblich festzuhalten suchen. Ist dies nur eine Illusion, eine Täuschung?
„Zuweilen ist es Wirklichkeit, oft aber auch nur eine Selbst – täuschung, vor der man sich zu hüten hat, denn es kann die Wirkung einer überreizten Einbildungskraft sein.“




397. Ist bei den leiblichen Existenzen höheren Art die Erinnerung ans frühere Dasein eine genauere?
„Ja, in dem Maß, als der Leib weniger stofflich ist, erinnert man sich auch besser. Die Erinnerung an das Vergangene ist eine klarere für die Bewohner einer höheren Welt.“



398. Folgt daraus, dass die instinktartigen Triebe des Menschen eine Erinnerung an seine Vergangenheit sind, dass er durch das Studium jener Triebe die Fehler kennenlernen könnte, die er einst begangen hat?
„Gewiss, wenigstens bis zu einem gewissen Punkt. Man muss dabei aber auch der Besserung Rechnung tragen, die sich im Geist vollziehen konnte, sowie den Vorsätzen, die er im Wanderzustand gefasst haben mag. Er kann in seiner jetzigen Existenz möglicher – weise viel besser sein, als in seiner vorhergehenden.“


398a. Kann er auch schlechter sein, d. h. kann der Mensch in einer Existenz Fehler begehen, die er in der früheren nicht begangen hatte?
„Das hängt von seinem Fortschritt ab. Wenn er den Prüfungen nicht zu widerstehen weiß, so kann er zu neuen Fehlern hin – gerissen werden, welche die Folgen seiner neu gewählten Lage sind. Im Allgemeinen weisen solche Fehler eher auf einen Stillstand, als auf einen Rückschritt hin; denn der Geist kann voranschreiten oder stillstehen, nicht aber rückwärts gehen.“



399. Da die Widrigkeiten des leiblichen Lebens ebenso sehr eine Sühne für die vergangenen Fehler, als Prüfungen für die Zukunft sind, folgt hieraus, dass man aus der Natur jener Wechselfälle auf die Art und Weise seiner früheren Existenz schließen kann?
„Sehr oft, da jeder durch das, worin er gesündigt hat, gestraft wird. Jedoch dürfte man hieraus keine unbedingte Regel machen. Die instinktartigen Neigungen sind ein sichereres Zeichen; denn die Prüfungen beziehen sich ebenso sehr auf die Zukunft, als auf die Vergangenheit.“


Ist der Geist an dem ihm von der Vorsehung gesetzten Ziel seines Wanderlebens angelangt, so wählt er selbst die Prüfungen, denen er sich, um sein Fortschreiten zu beschleunigen, unterziehen will, d. h. er wählt diejenige Daseinsform, die er für die geeignetste hält, ihm dazu die Mittel zu reichen und diese Prüfungen stehen dann stets in Beziehung zu den zu sühnenden Fehlern. Siegt er über sie, so erhöht er sich selbst; unterliegt er, so muss er von vorn anfangen. Der Geist erfreut sich stets des freien Willens. Kraft dieser Freiheit wählt er im desinkarnierten Zustand die Prüfungen des leiblichen Lebens und erwägt im inkarnierten Zustand, ob er etwas tun oder lassen will, und wählt zwischen Gut und Böse. Dem Menschen den freien Willen absprechen, hieße, ihn zur Maschine erniedrigen.


Nach seiner Rückkehr ins leibliche Leben verliert der Geist für eine gewisse Zeit die Erinnerung an seine früheren Existenzen, als ob ein Schleier sie ihm verhüllte. Dennoch erwacht in ihm zuweilen ein unbestimmtes Bewusstsein von denselben, ja sie können ihm unter gewissen Umständen enthüllt werden; das geschieht dann aber nach dem Willen höherer Geister und aus deren freiem Antrieb zu nützlichem Zweck, nie aber zur Befriedigung einer eitlen Neugier.


Künftige Daseinsformen können in keinem Fall enthüllt werden aus dem einfachen Grund, weil dieselben von der Art und Weise bedingt sind, wie man die Gegenwart erfüllt, sowie auch von der späteren Wahl des Geistes.


Das Vergessen der begangenen Fehler ist kein Hindernis für die Besserung des Geistes; denn wenn er auch keine bestimmte Erinnerung an dieselben hat, so leiten ihn doch die Kenntnis, die er in seinem Wanderzustand davon hatte, und der Wunsch, sie gutzumachen, vermittelst eines vagen Gefühls und reizen ihn zum Widerstand gegen das Böse. Dies ist die Stimme des Gewissens, die bestärkt wird durch die ihm beistehenden Geister, wenn er auf die guten Eingebungen achtet, die sie ihm eingeben.

Kennt der Mensch auch nicht die Handlungen selbst, die er in seinen früheren Existenzen begangen hat, so vermag er doch stets zu erkennen, welcher Art von Fehlern er sich schuldig gemacht und welches sein vorherrschender Charakter gewesen ist. Er braucht nur sich selbst zu beobachten und er kann über das, was er gewesen ist, nicht nach dem, was er ist, jedoch nach seinen Neigungen sich ein Urteil bilden.


Die Widrigkeiten des leiblichen Lebens sind gleichzeitig eine Sühne für die vergangenen Fehler und eine Prüfung für die Zukunft. Sie reinigen und erheben uns, je nachdem wir sie mit Ergebung und ohne Murren durchmachen.


Die Art der Wechselfälle und Prüfungen kann uns auch über das aufklären, was wir waren und was wir taten, so wie wir hier die Handlungen eines Schuldigen nach der Strafe, die ihm das Gesetz auferlegt, beurteilen. So wird der für seinen Hochmut durch die Schmach einer untergeordneten Existenz, – der gegen andere geizig und hartherzig gewesen ist, durch von ihm nun zu erduldende Hartherzigkeiten und Elend, – der Tyrann durch seine eigene Versklavung, – das undankbare Kind durch den Undank seiner eigenen Kinder, – der Faule durch aufgezwungene Arbeit gezüchtigt werden u.s.w.





KAPITEL VIII – Befreiung der Seel



Schlaf und Träume

400. Bleibt der inkarnierte Geist gern in seiner leiblichen Hülle?
„Das ist, wie wenn du fragtest, ob der Gefangene sich hinter Schloß und Riegel gefalle? Der inkarnierte Geist trachtet stets nach Befreiung und je gröber die Hülle ist, desto sehnlicher wünscht er ihrer entledigt zu werden.“



401. Ruht sich die Seele während des Schlafes aus, wie der Leib?
„Nein, der Geist ist nie untätig. Während des Schlafes werden die Bande, die ihn an den Leib fesseln, lockerer und da der Leib seiner jetzt nicht bedarf, so durchzieht er den Weltraum und tritt in unmittelbarere Beziehung zu den anderen Geistern.“



402. Wie können wir uns über die Freiheit des Geistes während des Schlafes ein Urteil bilden?
,,Durch die Träume. Sei gewiss, dass der Geist, wenn der Leib ruht, mehr Fähigkeiten besitzt, als während des Wachens. Er besitzt die Erinnerung an das Vergangene und zuweilen auch den Blick in die Zukunft. Ein größeres Können wird ihm zuteil und er vermag mit anderen Geistern, sei es auf dieser, sei es auf einer anderen Welt, in Verbindung zu treten. Oft sagst du: ich hatte einen wunderlichen Traum, einen schrecklichen Traum, der aber keinerlei Wahrscheinlichkeit hat. Du irrst dich: das ist oft eine Erinnerung an Orte und Dinge, die du gesehen hast oder sehen wirst in einer anderen Existenz oder zu einer andern Zeit. Da der Leib schlaff da liegt, so sucht der Geist seine Kette zu brechen, um in der Vergangenheit oder der Zukunft zu forschen.


Arme Menschen, wie wenig kennt ihr die gewöhnlichsten Erscheinungen des Lebens. Ihr glaubt, sehr gelehrt zu sein und die gemeinsten Dinge setzen euch in Verlegenheit. Auf jene Frage aller Kinder, was tun wir, wenn wir schlafen, was sind eigentlich die Träume? Da steht ihr verblüfft da.


Der Schlaf befreit die Seele teilweise vom Leib. Wenn man schläft so ist man vorübergehend in dem Zustand, in welchem man sich bleibend nach dem Tod befindet. Die Geister, die bei ihrem Tod bald vom Stoff befreit sind, haben (bei Lebzeiten) intelligente Träume gehabt; wenn sie schlafen, so suchen sie die Gesellschaft der anderen höheren Wesen wieder auf: sie reisen, unterhalten und lernen mit ihnen; ja sie arbeiten an Werken, die sie bei ihrem Tod fertig vorfinden. Dies soll euch noch einmal zeigen, dass ihr den Tod nicht zu fürchten habt, da ihr ja, nach den Worten eines Heiligen, jeden Tag sterbt.


So viel von den höheren Geistern. Was aber die große Menge der Menschen betrifft, die beim Tod lange Stunden in jener Verwirrung bleiben müssen, in jener Ungewissheit, von der sie euch sprechen, so gehen dieselben teils auf niedrigere Welten als die unsrige, wohin alte Neigungen sie rufen, teils suchen sie noch niedrigere Vergnügungen auf, als ihre hiesigen waren. Sie gehen noch niedrigere, unedlere, schädlichere Lehrmeinungen zu erfinden, als die, welche sie mitten unter euch bekennen. Und was auf Erden die Sympathie erzeugt, ist nichts anderes als die Tatsache, dass man sich beim Erwachen innerlich zu denen hingezogen fühlt, mit denen man 8 oder 9 Stunden des Glücks oder der Freude zugebracht hat. Was zugleich unüberwindliche Antipathien erklärt, ist, dass man im Grunde seines Herzens weiß, dass jene Menschen ein anderes moralisches Bewusstsein haben, als wir, indem man sie erkennt, ohne sie je mit Augen gesehen zu haben. Ebenso erklärt sich die Gleichgültigkeit daraus, dass einem nichts daran liegt, neue Freunde zu erwerben, wenn man weiß, dass man andere besitzt, denen wir lieb und teuer sind. Mit einem Wort, der Schlaf hat größeren Einfluss auf euer Leben als ihr es glaubt.


Durch die Wirkung des Schlafes stehen die inkarnierten Geister fortwährend in Beziehung zu der Welt der Geister und eben darum willigen die höheren Geister ohne zu großes Widerstreben ein, sich unter euch zu inkarnieren. Gott hat es gewollt, dass sie während ihrer Berührung mit dem Laster sich wieder in den Urquell des Guten eintauchen können, um nicht selbst sich zu verfehlen, – sie, welche kommen, um die anderen zu belehren. Der Schlaf ist die Türe, die Gott ihnen auftut zu ihren Freunden im Himmel. Er ist ihre Erholung von der Arbeit in Erwartung der großen Befreiung, jener endgültigen, die sie ihrer wahren Bestimmung wiedergeben soll.

Der Traum ist die Erinnerung an das, was euer Geist im Schlaf gesehen hat; aber bedenkt, dass ihr immer träumt, auch wenn ihr euch nicht immer dessen erinnert, was ihr gesehen, oder wenigstens nicht an alles, was ihr gesehen habt. Nicht eure Seele ist es in ihrer ganzen Entfaltung: Oft ist es nur die Erinnerung an die Verwirrung, welche euer Wegzug oder eure Wiederkehr begleitet, woran sich die Erinnerung an das, was ihr getan oder was euch im wahren Zustand beschäftigt, anreiht. Wie wolltet ihr auch sonst jene ungereimten Träume erklären, welche die gelehrtesten wie die einfachsten Menschen haben? Auch die bösen Geister bedienen sich der Träume, um schwache und kleinmütige Seelen zu quälen.


Übrigens werdet ihr bald eine andere Gattung von Träumen sich entwickeln sehen. Die ist so alt wie die, welche ihr schon kennt; aber euch ist sie unbekannt. Der Traum Johannes, der Traum Jakobs, der Traum der jüdischen Propheten und einiger indischer Wahrsager und Weisen. Dieser Traum ist die Erinnerung der ganz vom Leib gelösten Seele, die Erinnerung an jenes zweite Leben, von dem ich euch eben erst erzählt habe. Bestrebt euch zwischen diesen beiden Arten von Träumen wohl zu unterscheiden bei denjenigen, deren ihr euch noch erinnern werdet, sonst würdet ihr in Widersprüche und Irrtümer verfallen, die eurem Glauben verderblich wären.“


Die Träume sind das Erzeugnis der Befreiung der Seele, die durch Aufhebung des tätigen zusammenhängenden Lebens unabhängiger geworden ist. Daher stammt eine Art von unbestimmtem Hellsehen, die sich auf die entferntesten Orte oder auf solche ausdehnt, die man noch nie gesehen hat; ja zuweilen bis auf andere Welten. Daher auch die Erinnerung an Ereignisse, der jetzigen oder früheren Existenzen. Die Seltsamkeit der Bilder aus einer unbekannten Welt, die sich mit Dingen dieser wirklichen Welt vermengen, erzeugt jene sonderbaren und konfusen Verkettungen, welche weder Sinn noch Zusammenhang zu haben scheinen. Dies Unzusammenhängende der Träume erklärt sich ferner durch die Lücken, welche durch die unvollständige Erinnerung an die Erscheinungen in den Träumen hervorgebracht werden. Man denke an eine Erzählung, aus der man zufällig einzelne Sätze oder Teile von Sätzen herausgerissen hätte: Die hiernach aneinandergereihten Bruchstücke würden jedes vernünftigen Sinnes entbehren.



403. Warum erinnert man sich nicht immer an die Träume?
Was du den Schlaf nennst, ist nur die Ruhe des Leibes, denn der Geist ist ständig in Bewegung. Jetzt erlangt er etwas von seiner Freiheit wieder und verkehrt mit seinen Lieben in dieser oder in der anderen Welt. Da der Leib aber ein schwerer und grober Stoff ist, so behält er nur mit Mühe die Eindrücke, die der Geist empfangen hat, weil sie diesem nicht durch die Organe des Leibes vermittelt wurden.“



404. Was ist von der, den Träumen beigelegten Bedeutung zu halten?
„Die Träume sind keineswegs in dem Sinne der Wahrsager und Traumdeuter als wahr anzunehmen, denn es ist einfältig zu meinen, dass etwas Bestimmtes zu träumen auch etwas Bestimmtes ankündige. Wahr sind die Träume nur in dem Sinne, dass sie dem Geist wirkliche Bilder darbieten, die aber oft keine Beziehung zu den Begebnissen des leiblichen Lebens haben. Oft sind sie auch, wie gesagt, eine Erinnerung und endlich können sie zuweilen auch Ahnungen des Künftigen sein, wenn Gott es gestattet, oder auch das Gesicht von dem, was in diesem Augenblick an einem anderen Ort, wohin sich die Seele versetzt, sich ereignet. Gibt es nicht zahlreiche Beispiele, wo Personen ihren Verwandten oder Freunden im Traum erscheinen und sie von dem, was ihnen zustößt, unterrichten? Was sind diese Erscheinungen anderes, als die Seele oder der Geist jener Personen, die mit dem eurigen in Verkehr treten? Wenn ihr die Gewissheit erlangt, dass das, was ihr gesehen habt, wirklich stattgefunden hat, ist dies dann nicht ein Beweis, dass die Einbildung damit nichts zu tun hatte, besonders wenn euch die Sache in keiner Weise während des Wachzustandes beschäftigte?“



405. Oft sieht man im Traum Dinge, die Vorahnungen zu sein scheinen, die sich dann aber doch nicht erfüllen; woher das?
„Für den Geist können sie sich erfüllen, wenn auch nicht für den Leib, d. h. der Geist sieht das, was er wünscht, weil er es finden wird. Man darf nicht vergessen, dass die Seele während des Schlafes stets mehr oder weniger unter dem Einfluss des Stoffes steht und dass sie sich also nie gänzlich von den irdischen Vorstellungen befreit. Daraus folgt, dass das, womit man sich am Tag vorher besonders beschäftigte, dem was man schaut, den Schein dessen verleihen kann, was man herbeiwünscht oder auch was man fürchtet. Das ist dann in Wahrheit eine Wirkung der Einbildungskraft. Ist man einmal gelegentlich mit etwas beschäftigt, so verknüpft man damit alles, was man sieht.“



406. Wenn wir im Traum lebende Personen, die wir genau kennen, Dinge tun sehen, an die sie in keiner Weise denken, ist dies nicht die reine Wirkung der Einbildungskraft?
„An die sie in keiner Weise denken“, woher weißt du das? Ihr Geist kann zum deinigen auf Besuch kommen, wie der deinige zum ihrigen und du weißt nicht immer, woran er denkt. Ferner übertragt ihr auch oft das, was in anderen Existenzen geschehen ist oder geschieht, je nach euren Wünschen auf Personen, die ihr kennt.“



407. Ist der vollständige Schlaf zur Befreiung des Geistes notwendig?

„Nein, der Geist empfängt seine Freiheit wieder, sobald die Sinne ermatten. Um sich frei zu machen, benutzt er jeden Augenblick, den ihm der Leib übrig lässt. Sowie die Lebenskräfte sinken, macht sich der Geist los und je schwächer der Leib ist, desto stärker erhebt sich der Geist.“ So bietet der Halbschlaf oder eine einfache Erschlaffung des Sinnenlebens oft die gleichen Bilder dar, wie der Traum.



408. Zuweilen glauben wir in uns selbst deutlich gesprochene Worte zu hören, die keine Beziehung zu dem haben, was uns gerade beschäftigt: Woher kommt das? „Ja, und selbst ganze Sätze, besonders wenn die Sinne anfangen zu erschlaffen. Zuweilen ist das der schwache Widerhall eines Geistes, der mit dir verkehren will.“



409. Oft sehen wir in einem Zustand, der noch kein Halbschlaf ist, mit geschlossenen Augen deutliche Bilder und Figuren, deren kleinste Einzelheiten uns nicht entgehen: Ist dies die Wirkung einer Vision oder der Einbildungskraft?
„Wenn der Leib erschlafft ist, so sucht der Geist seine Ketten zu brechen: Er zieht aus und schaut. Wäre der Schlaf vollständig, so wäre dies ein Traum.“



410. Man hat zuweilen im Schlaf oder Halbschlaf Gedanken, die sehr gut scheinen, die aber trotz aller Mühe, die man sich gibt, sie zurückzurufen, uns aus der Erinnerung verschwinden: Woher kommen jene Gedanken?
„Sie sind das Ergebnis der Freiheit des Geistes, der sich entfesselt und während dieser Augenblicke über größere Kräfte verfügt. Oft auch sind es Ratschläge, welche andere Geister uns geben.“


410a. Wozu nützen diese Gedanken und diese Ratschläge, da man sich doch ihrer nicht erinnert und sie nicht befolgen kann?

,,Diese Gedanken gehören zuweilen mehr der Geisterwelt als der eurigen an; meistenteils aber erinnert sich der Geist, wenn der Leib vergisst und der Gedanke kehrt dann im rechten Augenblick wie eine Eingebung wieder.“


411. Kennt der inkarnierte Geist in den Momenten, wo er vom Stoff frei ist und als Geist sich fühlt, den Zeitpunkt seines Todes?
„Oft ahnt er ihn, zuweilen ist er sich desselben ganz deutlich bewusst und dies gibt ihm dann im wachen Zustand ein vages Gefühl davon. Daher kommt es, dass gewisse Personen ihren Tod zuweilen mit großer Genauigkeit voraus wissen.“



412. Kann die Tätigkeit des Geistes während der Ruhe oder des Schlafes des Leibes für diesen letzteren Ermüdung herbeiführen?
„Ja, denn der Geist ist gewissermaßen am Leib befestigt, wie der angebundene Luftballon an seinem Pfahl, und so wie die Bewegungen des Luftballons den Pfahl erschüttern können, so wirkt der Geist auf den Leib zurück und kann ihn schließlich ermüden.“




Geistige Besuche zwischen lebenden Personen

413. Aus dem Grundsatz, dass die Seele während des Schlafes frei wird, scheint zu folgen, dass wir ein gleichzeitiges doppeltes Dasein führen: das leibliche, das uns das Leben der äußeren Erfahrungen und das seelische, das uns dasjenige der inneren Erfahrungen darbietet. Ist das richtig?“
„Im Zustand der Befreiung weicht das Leben des Leibes dem der Seele; genau genommen sind es aber nicht zwei Existenzen, sondern vielmehr zwei Seiten oder Wandlungen derselben Existenz, desselben Daseins. Denn der Mensch führt kein doppeltes Leben.“



414. Können sich zwei bekannte Personen während des Schlafes besuchen?
„Ja und auch viele andere, die sich nicht zu kennen glauben, kommen zusammen und sprechen miteinander. Du kannst ohne einen Gedanken davon zu haben, Freunde in einem anderen Land besitzen. Die Tatsache, dass man während des Schlafes Freunde, Verwandte Bekannte, Leute, die euch nützlich sein können, besucht, kommt so häufig vor, dass ihr es fast jede Nacht selbst tut.“



415. Was kann der Nutzen dieser nächtlichen Besuche sein, da man sich ja doch nicht daran erinnert?
„Es bleibt davon gewöhnlich eine vage Ahnung beim Erwachen und oft sind sie die Quelle gewisser Gedanken, die einem auf unerklärliche Weise wie vom Himmel gefallen kommen und die nichts anderes sind als eben die, welche man in jenen Unterhaltungen geschöpft hat.“



416. Kann der Mensch solche geistige Besuche durch seine Willenskraft zustande bringen? Kann er z.B. beim Einschlafen sagen: Diese Nacht will ich als Geist der und der Person begegnen, mit ihr sprechen und ihr das und das sagen?
„Was hier vorgeht, ist folgendes: Der Mensch schläft ein, sein Geist wacht auf, und dieser ist oft sehr weit davon entfernt, was der Mensch beschlossen hat, auszuführen; denn des Menschen Leben interessiert den Geist wenig, wenn er vom Stoff los ist. Das gilt von schon ziemlich hohen Geistern, die anderen aber bringen ihre Geistesexistenz auf ganz andere Weise zu: Sie geben sich ihren Leidenschaften hin oder bleiben in Untätigkeit. Es ist also möglich, dass der Geist, je nach dem Zweck, den man sich vornahm, die begehrten Personen besucht; dass er aber im wachen Zustand den Willen dazu hat, ist kein Grund, dass er es auch tut.“



417. Kann eine gewisse Zahl inkarnierter Geister auf diese Weise sich vereinigen und Versammlungen bilden?
„Ohne allen Zweifel, Bande der Freundschaft, alte oder neue, vereinigen so häufig verschiedene Geister, die sich glücklich fühlen, sich zusammen zu finden.“ Unter dem Wort „alt“ sind die in früheren Existenzen geschlossenen Freundschaftsbande zu verstehen. Es bleibt uns beim Aufwachen eine vage Ahnung der in geheimnisvollen Unterhaltungen geschöpften Gedanken, deren Quelle uns aber unbekannt bleibt.


418. Könnte eine Person mit einem ihrer Freunde, die sie für tot hielte, während er es in Wirklichkeit nicht ist, im Geist zusammentreffen und so erkennen, dass er noch lebt? Könnte sie in diesem Fall beim Erwachen eine vage Ahnung davon haben?
„Als Geist kann sie ihn sicherlich sehen und sein Schicksal erkennen. Wenn es ihr nicht als Prüfung auferlegt ist, an den Tod ihres Freundes zu glauben, so wird sie eine Ahnung seines Daseins haben, so wie sie auch eine von seinem Tod haben könnte.“




Verborgene Übertragung des Gedankens

419. Woher kommt es, dass der gleiche Gedanken, z. B. der einer Entdeckung, auf mehreren Punkten gleichzeitig auftritt?
„Wir haben bereits gesagt, dass die Geister sich untereinander mitteilen während des Schlafes. Wohlan, wenn der Leib erwacht, so erinnert sich der Geist dessen, was er vernommen und der Mensch meint, es selbst gefunden zu haben. So können viele die gleiche Sache gleichzeitig finden. Wenn ihr sagt, ein Gedanke liege in der Luft, so ist das ein treffenderes Bild als ihr selbst glaubt: Jeder trägt zu seiner Verbreitung bei, ohne es zu wissen.“ So enthüllt unser Geist oft selbst und ohne unser Wissen anderen Geistern das, was während unseres Wachens der Gegenstand unserer eifrigsten Beschäftigungen gewesen ist.


420. Können sich die Geister einander mitteilen, wenn der Leib völlig wach ist?
„Der Geist ist in den Leib nicht wie in eine Schachtel einge – schlossen: Er strahlt sich nach allen Richtungen aus. Deshalb kann er sich selbst im wachen Zustand, wenn auch mit mehr Schwierigkeit, anderen Geistern mitteilen.“


421. Woher kommt es, dass zwei vollkommen wache Personen oft plötzlich denselben Gedanken haben?
„Das sind dann zwei gleichgestimmte Geister, die sich einander mitteilen und gegenseitig ihre Gedanken erkennen, selbst wenn der Leib nicht schläft.“ Zwischen gleichgestimmten Geistern gibt es einen Gedanken – austausch, durch dessen zwei Personen sich sehen und verstehen können, ohne der äußeren Zeichen der Sprache zu bedürfen. Man könnte sagen, sie redeten miteinander die Sprache der Geister.




Lethargie, Katalepsie, Scheintod.

422. Die Lethargiker und die Kataleptiker sehen und hören gewöhnlich, was um sie vorgeht, können es aber nicht äußern: Geschieht jenes durch die leiblichen Augen und Ohren?
„Nein, durch den Geist: der Geist kennt sich aus, aber er kann sich nicht mitteilen.


422a. Warum kann er sich nicht mitteilen?
„Der Zustand des Leibes verbietet es ihm. Dieser eigentümliche Zustand der Organe liefert auch den Beweis, dass es im Menschen noch etwas anderes gibt, als den Leib, da ja hier der Körper nicht mehr tätig ist, wohl aber der Geist.“


423. Kann sich der Geist in der Lethargie ganz vom Leib trennen, so dass er diesem allen Anschein des Todes gibt, und dann wieder in denselben zurückkehrt?
„In der Lethargie ist der Leib nicht tot, da noch gewisse Tätigkeiten stattfinden. Die Lebenskraft ist dann latent, wie bei der Puppe, aber nicht vernichtet. Ferner bleibt der Geist mit dem Leib vereinigt, so lange dieser lebt. Sind aber einmal die Bande durch den wirklichen Tod zerrissen, so ist die Zersetzung der Organe, die Trennung vollständig und der Geist kehrt nicht mehr zurück. Kehrt ein Mensch, der den Anschein des Todes hatte, zum Leben zurück, so war der Tod eben kein vollständiger.“



424. Kann man durch rechtzeitig angewandte Bemühungen die Bande, welche zu zerreißen im Begriff war, wieder knüpfen und dem Leben ein Wesen zurückgeben, das sonst am Mangel an Hilfe schließlich gestorben wäre?
„Gewiss, und ihr seht täglich Beweise davon. Der Magnetismus ist in diesem Fall ein mächtiges Mittel, weil er dem Leib das ihm mangelnde Lebensfluidum zurückgibt, das zum Spiel der Organe nicht mehr ausreichte.“


Die Lethargie und die Katalepsie beruhen beide auf demselben Prinzip, nämlich auf dem zeitweiligen Verlust der Sensibilität und der Bewegung, infolge einer bisher noch unerklärten physio – logischen Ursache. Sie unterscheiden sich dadurch, dass bei der Lethargie die Aufhebung der Lebenskräfte eine umfassende ist und dem Leib allen Anschein des Todes gibt, während sie bei der Katalepsie lokalisiert istund einen kleineren oder größeren Teil des Leibes treffen kann, ohne die Intelligenz zu hemmen, was dann ihre Verwechslung mit dem Tod nicht zulässt. Die Lethargie ist stets natürlich, die Katalepsie zuweilen spontan, kann aber durch magnetische Behandlung künstlich hervorgebracht und wieder aufgehoben werden.





Somnambulismus

425. Hat der natürliche Somnambulismus eine Beziehung zu den Träumen? Wie kann man sich ihn erklären?
„Er besteht in einer vollständigeren Unabhängigkeit der Seele, als beim Traum, und dann sind deren Fähigkeiten höher entwickelt: Sie hat Wahrnehmungen, deren sie im Traum entbehrt, der nur ein Zustand von unvollkommenem Somnambulismus ist.


Im Somnambulismus gehört der Geist ganz sich selbst an. Die stofflichen Organe empfangen keine äußeren Eindrücke mehr, da sie gewissermaßen sich in kataleptischen Zustand befinden. Dieser Zustand zeigt sich besonders im Schlaf: Es ist der Augenblick, wo der Geist vorläufig den Leib verlassen kann, da dieser sich der ihm unentbehrlichen Ruhe hingeben muss. Wenn sich die Tatsachen des Somnambulismus zeigen, so kommt dies daher, dass der Geist, mit irgendetwas lebhaft sich beschäftigend, sich irgendeiner Handlung hingibt, welche notwendig den Gebrauch seines Leibes erfordert, dessen er sich dann in ähnlicher Weise bedient, wie wenn er von einem Tisch oder sonst welchem stofflichen Gegenstand, bei physischen Äußerungen oder selbst von eurer Hand bei schriftlichen Mitteilungen, Gebrauch macht. Bei den bewussten Träumen beginnen die Organe, auch die des Gedächtnisses, zu erwachen. Diese empfangen in unvollkommener Weise die von den äußeren Gegenständen oder Ursachen hervorgebrachten Eindrücke und teilen sie dem Geist mit, der, jetzt selbstruhend, davon nur wirre und zusammenhangslose Wahrnehmungen, die oft gar keinen auch nur scheinbaren Grund haben, aufnimmt – ein Gemisch unbestimmter Erinnerungen, sei es an dieses, sei es an ein früheres Dasein. Da ist es dann leicht zu erkennen, warum die Somnambulen gar keine Erinnerung, und die Träume, an die man sie noch erinnert, meistens gar keinen Sinn haben. Ich sage „meistens“, denn es kommt vor, dass sie die Folge einer ganz bestimmten Erinnerung an Ereignisse eines früheren Lebens und zuweilen sogar eine Art von vager Ahnung der Zukunft sind.“



426. Hat der sogenannte magnetische Somnambulismus Beziehungen zum natürlichen Somnambulismus?
„Er ist dasselbe, nur dass er künstlich hervorgebracht wird.“


427. Welches ist die Natur der Kraft, die man magnetisches Fluidum nennt?
„Lebensfluidum, animalisierte Elektrizität, beides Modifikationen oder Wandlungen des Universalfluidums.“



428. Was ist die Ursache des somnambulen Hellsehens?
„Wir haben es gesagt: Die Seele ist es, welche sieht.“


429. Wie kann der Hellsehende undurchsichtige Gegenstände durchschauen?
„Nur für eure groben Organe gibt es undurchsichtige Körper: für den Geist ist der Stoff kein Hindernis, da er ihn frei durchdringt. Oft sagt er euch, er sehe durch seine Stirn, sein Knie u.s.w., weil ihr, ganz in den Stoff versenkt, es nicht begreift, dass er ohne Hilfe von Organen sehen kann. Er selbst meint, weil ihr es so haben wollt, dieser Organe zu bedürfen: würdet ihr ihn aber gewähren lassen, so würde er erkennen, dass er durch alle Teile seines Leibes sieht, oder besser, dass er außerhalb seines Leibes sieht.“



430. Da das Hellsehen des Somnambulen das seiner Seele oder seines Geistes ist, warum sieht er dann nicht alles und warum irrt er sich zuweilen?
„Zunächst ist es den unvollkommenen Geistern nicht gegeben, alles zu sehen und zu kennen. Du weißt, dass sie noch an euren Irrtümern und Vorurteilen teilhaben; sodann erfreuen sie sich, solange sie an den Stoff gebunden sind, nicht aller ihrer Fähigkeiten als Geister. Gott gab dem Menschen diese Fähigkeit zu einem nützlichen und ernsten Zweck und nicht um ihn das zu lehren, was er nicht wissen soll. Deswegen können die Somnambulen nicht alles sagen.“



431. Was ist die Quelle der dem Somnambulen angeborenen Ideen und wie kommt es, dass er mit Genauigkeit über Dinge sprechen kann, die er im wachen Zustand nicht kennt, ja welche über seine intellektuellen Fähigkeiten hinausliegen?
„Es kommt vor, dass der Somnambule mehr Kenntnisse besitzt, als du weißt; nur schlummern dieselben, weil seine Hülle zu unvollkommen ist, um sich daran erinnern zu können. Aber schließlich, was ist er denn? Er ist, wie wir, ein in den Stoff inkarnierter Geist, der seine Aufgabe zu erfüllen hat, und der Zustand, in den er eintritt, erweckt ihn aus seiner Lethargie. Wir haben dir sehr oft gesagt, dass wir mehrere Male neu zu leben anfangen: Diese Veränderung ist es, welche ihn physisch das vergessen lässt, was er in einem früheren Dasein sich hatte aneignen können. Tritt er nun in die sogenannte Krise ein, so kehrt die Erinnerung wieder, nicht immer aber vollständig. Er weiß, aber er kann nicht sagen, woher er weiß, noch wie er sich dieses Wissen aneignete. Ist die Krise vorüber, so hört jede Erinnerung auf und er verliert jedes Wissen darüber.


Die Erfahrung lehrt, dass die Somnambulen auch von anderen Geistern Mitteilungen empfangen, die ihnen das, was sie sagen sollen, vermitteln und ihrer Unzulänglichkeit aushelfen. Das zeigt sich besonders bei den ärztlichen Vorschriften: der Geist des Somnambulen erkennt die Krankheit, ein anderer gibt ihm das Heilmittel an. Diese doppelte Tätigkeit tritt zuweilen ganz offen zu Tage und kündigt sich außerdem durch jene ziemlich häufigen Ausdrücke an, wie: „Man sagt mir“ oder „man verbietet mir, das und das zu sagen. In letzterem Fall ist es immer gefährlich, auf den Empfang einer verweigerten Enthüllung zu bestehen, weil man leicht zum Spielball der leichtfertigen Geister wird, die, ohne sich um die Wahrheit zu kümmern, ohne Skrupel von allem sprechen.



432. Wie erklärt sich in die Ferne sehen können bei gewissen Somnam – bulen?
„Kann sich die Seele während des Schlafes nicht überallhin versetzen? Eben dies geschieht auch im Somnambulismus.“



433. Hängt die mehr oder minder hohe Entwicklung des somnambulen Hellsehens von der physischen Veranlagung oder von der Natur des inkarnierten Geistes ab?
„Von beiden: Es gibt physische Zustände, die dem Geist gestatten, sich mehr oder weniger leicht vom Stoff zu lösen.“



434. Sind die Fähigkeiten des Somnambulen dieselben, wie die des Geistes nach dem Tod?
„Bis zu einem gewissen Grad, denn man muss den Einfluss des Stoffes dabei berücksichtigen, an den er noch gebunden ist.“



435. Kann der Somnambule die anderen Geister sehen?

„Die Mehrzahl sieht sie sehr wohl. Das hängt vom Grad und der Art ihres Hellsehens ab. Zuweilen aber geben sie sich darüber nicht sofort Rechenschaft und nehmen sie für leibliche Wesen. Es geschieht dies besonders denen, die keine Kenntnis vom Spiritismus haben, sie begreifen noch nicht das Wesen der Geister: Dieses verwundert sie und darum glauben sie Lebendige zu sehen.“ Die gleiche Wirkung zeigt sich im Augenblick des Todes bei denen, die sich für noch lebend halten. Nichts um sie herum scheint ihnen anders geworden zu sein, die Geister scheinen ihnen den unsrigen ähnliche Leiber zu haben und den Schein ihres eigenen Leibes halten sie für einen wirklichen Leib.



436. Sieht der mit Fernsicht begabte Somnambule von dem Punkt aus, wo sein Leib ist oder von dem, wo seine Seele ist?
„Wozu diese Frage, da es ja die Seele ist, welche sieht, und nicht der Leib.“



437. Da die Seele sich überallhin versetzen kann, wie kann denn der Somnambule in seinem Leib warme oder kalte Empfindungen von den Orten haben, wo seine Seele sich befindet und der oft sehr weit von seinem Leib entfernt ist?
„Die Seele hat den Leib nicht gänzlich verlassen, sie hängt mit ihm immer durch das die beiden einigende Band zusammen: dieses Band ist der Leiter der Empfindungen. Wenn zwei Menschen durch die Elektrizität von einer Stadt in die andere korrespondieren, so ist die Elektrizität das Band zwischen ihren Gedanken; darum teilen sie sich gegenseitig mit, als wenn sie sich nebeneinander befänden.“



438. Hat der Gebrauch, den der Somnambule von seiner Begabung macht, Einfluss auf den Zustand seines Geistes nach dem Tod?
„Einen großen, wie der gute oder schlechte Gebrauch aller Gaben, die Gott dem Menschen schenkte.“



Ekstase oder Verzückung

439. Was ist der Unterschied zwischen der Ekstase und dem Somnam – bulismus?
„Sie ist eine reinere Form des Somnambulismus: Die Seele des Ekstatischen ist noch unabhängiger.“


440. Dringt der Geist des Ekstatischen wirklich in die höheren Welten?
„Ja, er schaut sie und erkennt die Glückseligkeit derer, die dort sind. Darum möchte er selbst dort bleiben. Es gibt aber Welten, die den Geistern, die nicht rein genug sind, unzugänglich bleiben.“



441. Wenn der Ekstatische den Wunsch ausspricht, die Erde zu verlassen, spricht er dann aufrichtig und wird er nicht von seinem Erhaltungstrieb zurückgehalten?
„Das hängt von dem Reinheitsgrad des Geistes ab. Sieht er seine künftige Lage als besser an, als sein gegenwärtiges Leben, so versucht er seine irdischen Bande zu sprengen.“



442. Könnte seine Seele, wenn man ihn ganz sich selbst überließe, den Leib endgültig verlassen?
„Ja, er kann sterben. Deswegen muss man ihn durch alles, was ihn hier auf Erden fesseln kann, zurückzuhalten versuchen, besonders, indem man ihm klar macht, dass, wenn er seine Kette sprengte, gerade dies das Mittel wäre, dass er nicht da bleiben könnte, wo er sieht, dass er glücklich wäre.“



443. Der Ekstatische behauptet Dinge zu schauen, die offenbar nur das Produkt einer von religiösem Glauben und irdischen Vorurteilen geblendeten Einbildungskraft sind. Es ist also nicht alles wirklich, was er sieht?

„Was er sieht, ist für ihn wirklich. Da aber sein Geist von irdischen Vorstellungen beeinflusst ist, so kann er es nach seiner Weise sehen oder vielmehr es in einer Sprache ausdrücken, die sich seinen oder euren angenommenen Vorurteilen und Vorstellungen anpasst, um sich besser verständlich zu machen. Besonders in dieser Richtung kann er sich irren.“



444. Welches Maß von Vertrauen darf man den Enthüllungen der Ekstatischen schenken?
„Der Ekstatische kann sich sehr oft täuschen, besondes wenn er in das eindringen will, was für den Menschen ein Geheimnis bleiben soll; denn dann überlässt er sich seinen eigenen Vorstellungen oder vielmehr er wird das Spielzeug trügerischer Geister, die seine Begeisterung benutzen, um ihn zu verblenden.“



445. Was für Schlüsse kann man aus den Erscheinungen des Somnambulismus und der Ekstase ziehen? Sollten sie nicht eine Art von Einweihung in das künftige Leben sein?
„Oder vielmehr: es ist das vergangene und das künftige Leben, das der Mensch hier vage schaut. Er mag diese Erscheinungen studieren und er wird in denselben die Lösung von mehr als einem Rätsel finden, was seine Vernunft vergeblich zu lösen versucht.“



446. Könnten die Erscheinungen des Somnambulismus und der Ekstase mit dem Materialismus in Einklang gebracht werden?
„Wer sie aufrichtig und ohne Voreingenommenheit studiert, kann weder ein Materialist noch ein Atheist sein.“



Zweites Gesicht

447. Hat die mit dem Namen „zweites Gesicht“ bezeichnete Erscheinung Beziehungen zum Traum und zum Somnambulismus?

„Das alles ist dasselbe: Was du „zweites Gesicht“ nennst, ist wieder der Geist, der freier ist, obschon der Leib nicht schläft. Das zweite Gesicht ist das Gesicht der Seele.“


448. Ist das zweite Gesicht eine bleibende Gabe?
„Ja, die Fähigkeit, aber nicht der Gebrauch desselben. In den weniger materiellen Welten als die eurige, befreien sich die Geister leichter und treten allein durch den Gedanken miteinander in Verbindung, ohne dass jedoch die artikulierte Sprache dabei ausgeschlossen wäre. Auch ist dort für die Mehrzahl das doppelte Gesicht eine andauernde Fähigkeit. Ihr normaler Zustand kann mit dem eurer Hellseherinnen höheren Grades verglichen werden und dies ist auch der Grund, warum sie sich euch leichter mitteilen, als die in gröberen Leibern Inkarnierten.“



449. Entwickelt sich das zweite Gesicht von selbst oder nach dem Willen des damit Begabten?
„Am häufigsten entwickelt es sich von selbst, oft spielt aber auch der Wille eine große Rolle dabei. Denke dir z. B. die sogenannten Wahrsager, von denen einige diese Befähigung besitzen, und du wirst feststellen, dass es ihr Wille ist, der ihnen zu diesem zweiten Gesicht und zu dem, was du Vision nennst, verhilft.“


450. Kann das zweite Gesicht sich durch Übung weiter entwickeln?
„Ja, die Arbeit fördert stets den Fortschritt und der die Dinge verhüllende Schleier wird durchsichtiger.“



450a. Hängt diese Fähigkeit von der physischen Veranlagung ab?
„Gewiss, letztere spielt dabei eine Rolle. Es gibt Veranlagungen, die sich dagegen sträuben.“



451. Woher kommt es, dass das zweite Gesicht in gewissen Familien erblich zu sein scheint?
„Ähnlichkeit der Veranlagung, die sich wie andere physische Eigenschaften vererbt; sowie die Entwicklung der Fähigkeit durch eine Art von Erziehung, die ebenfalls von einem zum anderen weitergegeben wird.“



452. Ist es wahr, dass gewisse Umstände das zweite Gesicht entwickeln?
„Krankheit, Annäherung einer Gefahr, starke Gemütsbewegung, können es entwickeln. Der Leib ist zuweilen in einem eigen – tümlichen Zustand, der dem Geist das zu schauen gestattet, was ihr mit den leiblichen Augen nicht zu sehen vermögt.“ Zeiten großer Krisen und Unglücksfälle, starke Gemütsbewegungen, eigentlich alles, was den moralischen Sinn besonders erregt, bringen zuweilen die Entwicklung des zweiten Gesichts hervor. Es ist dann, als ob die Vorsehung uns gegenüber der Gefahr die Mittel reichen wollte, sie abzuwehren.


453. Sind sich die, mit dem zweiten Gesicht begabten Personen desselben immer bewusst?
,,Nicht immer. Für sie ist es eine, ganz sich von selbst verstehende Sache und viele meinen, wenn einer sich selbst beobachtete, würde er es ebenfalls haben.“



454. Könnte man einer Art von zweitem Gesicht den Scharfsinn gewisser Personen beimessen, die ohne etwas ausserordentliches an sich zu haben, die Dinge mit größerer Schär fe als andere Leute beurteilen?
,,Es ist stets die Seele, die sich freier aus – und einstrahlt und besser urteilt, als unter dem Schleier des Stoffes.“


454a. Kann diese Befähigung in gewissen Fällen eine Voraussicht der Dinge verleihen?

Ja; sie gibt auch Vorahnungen. Denn es gibt verschiedene Grade dieser Befähigung und dieselbe Person kann alle Grade oder auch nur einige davon besitzen.“






Theoretische Übersicht über Somnambulimus, Ekstase und Zweites Gesicht.

455. Die Phänomene des natürlichen Somnambulismus ent – stehen von selbst und sind unabhängig von jeder bekannten äußeren Ursache. Bei einigen mit einer besonderen Veranlagung begabten Personen jedoch können dieselben künstlich durch magnetische Behandlung hervorgerufen werden.


Der mit dem Namen ,,magnetischer Somnambulismus“ bezeichnete Zustand unterscheidet sich vom natürlichen Somnambulismus nur dadurch, dass der eine von selbst entsteht, der andere hervorgebracht werden muss.


Der natürliche Somnambulismus ist eine notorische Tatsache, die niemand zu bezweifeln wagt, trotz des Wunderbaren seiner Erscheinungen. Was hat also, weil er, wie so vieles andere künstlich hervorgebracht wird, der magnetischne Hypnose außerordentlicheres und weniger vernunftgemäßes an sich? Quacksalber, sagt man, haben ihn ausgebeutet. Also Grund genug, ihn nicht in ihren Händen zu belassen. Wenn die Wissenschaft sich ihn einmal angeeignet haben wird, so wird der Scharlatanismus bei der großen Menge viel weniger Glauben finden; einstweilen aber, da der natürliche und der künstliche Somnambulismus eine Tatsache sind und gegen Tatsachen kein Vernünfteln aufkommt, beglaubigt er sich trotz dem üblen Willen einiger, und zwar in der Wissenschaft selbst, wo er, statt durch den Haupteingang, durch eine Menge von kleinen Pforten eindringt. Ist er einmal ganz drinnen, so wird man ihm wohl das Bürgerrecht zugestehen müssen.


Für den Spiritismus ist der Somnambulismus mehr als nur eine physiologische Tatsache: er ist ein, die Psychologie erhellendes Licht. Hier lässt sich die Seele studieren, denn hier zeigt sie sich nackt und bloß. Nun ist aber eine der sie charakterisierenden Erscheinungen, ihr von der physischen Seekraft unabhängiges Hellsehen. Wer diese Tatsache bestreitet, stützt sich darauf, dass der Somnambule nicht immer, wie mit den Augen und so wie es der Experimentierende wünscht, sieht.


Darf man sich wundern, dass, wenn die Mittel verschieden sind, auch die Wirkungen nicht mehr die gleichen sind? Ist es vernunftgemäß, dieselben Wirkungen zu verlangen, wenn das Werkzeug nicht mehr vorhanden ist? Die Seele hat ihre Eigenschaften so gut wie das Auge, man muss also jedes von beiden nach seinem eigenen Maßstab messen und nicht Vergleiche anstellen und Analogien suchen. Die Ursache des Hellsehens des magnetischen und des natürlichen Somnambulen ist ein und dieselbe: Sie ist eine Eigenschaft der Seele, eine, allen Teilen des in uns wohnenden unkörperlichen Wesens einwohnende Fähigkeit, welche keine anderen Grenzen hat, als die der Seele selbst gesetzten. Der Somnambule sieht überallhin, wohin seine Seele sich versetzen kann, wie groß auch die Entfernung sein mag.


Beim geistigen Weitsehen schaut der Somnambule die Dinge nicht von dem Punkt aus, wo sein Leib ist, und gleichsam durch ein Fernrohr. Er sieht sie gegenwärtig, wie wenn er sich selbst an Ort und Stelle befände, weil seine Seele wirklich dort ist; darum ist sein Leib wie vernichtet und scheinbar ohne Empfindung bis zu dem Zeitpunkt, wo die Seele wieder von ihm Besitz nimmt. Die teilweise Trennung von Seele und Leib ist ein ausnahmsweiser anormaler Zustand, der kürzere oder längere Zeit, aber nicht ewig dauern kann, sie ist die Ursache der vom Leib nach einer gewissen Zeit empfundenen Ermüdung, besonders wenn die Seele sich einer angestrengten Arbeit hingibt.


Dass das Schauen der Seele oder des Geistes nicht umschrieben ist und keinen bestimmten Sitz hat, erklärt es, dass die Somnambulen ihm auch kein bestimmtes Organ zu zuweisen vermögen: sie schauen, weil sie schauen, ohne zu wissen, warum oder wie, da das Schauen für sie an keinen bestimmten Brennpunkt gebunden ist, so wenig wie der Geist. Wenn sie sich in ihren Leib zurückversetzen, so scheint ihnen dieser Brennpunkt in dem Zentrum zu liegen, wo die Lebenstätigkeit gerade am stärksten entwickelt ist, besonders im Gehirn, in der Gegend der Herzgrube, oder in dem Organ, welches für sie der zäheste Verbindungspunkt zwischen Geist und Leib ist.


Die Kraft des Hellsehens ist nicht unbegrenzt. Selbst der ganz befreite Geist ist in seinen Fähigkeiten und Kenntnissen je nach dem Grad seiner Vervollkommnung begrenzt; noch mehr ist er es, wenn er an den ihn beeinflussenden Stoff gebunden ist. Eben deshalb ist das Hellsehen weder allgemein verbreitet noch unfehlbar. Auf letztere Eigenschaft kann man um so weniger zählen, wenn sie zu anderen Zwecken als den, von der Natur gesetzten, missbraucht werden sollen und man sie zur Befriedigung der Neugier und zu Experimenten verwendet. Im Zustand des Freiseins, in dem sich der Geist des Somnambulen befindet, tritt jener in leichteren Verkehr mit den anderen inkarnierten und nicht inkarnierten Geistern. Dieser Verkehr gründet sich auf die Berührung der Fluide, die die Perispirits bilden, und welche, gleich dem elektrischen Draht, zur Übertragung des Gedankens dienen. Der Somnambule bedarf es somit nicht, dass der Gedanke durch das Wort gegliedert wird; er fühlt und ahnt denselben. Das macht ihn in hervorragender Weise für die Einflüsse der moralischen Atmosphäre eindrucksfähig und zugänglich, in welche er sich versetzt sieht. Darum ist auch ein gewisser Zusammenfluss von Zuschauern, besonders von neugierigen und mehr oder weniger übelwollenden, der Entwicklung seiner Fähigkeiten wesentlich hinderlich, welche sich dann auf sich selbst zurückziehen und sich in voller Freiheit nur in vertraulicher und sympathischer Umgebung entfalten. Die Anwesenheit übelwollender oder antipathischer Personen wirkt auf ihn wie die Berührung mit der Hand auf die Mimosa (Sinnpflanze).


Der Hellsehende schaut gleichzeitig seinen eigenen Geist und seinen Leib: Beide sind ihm sozusagen zwei Wesen, die ihm das doppelte, geistige und leibliche, Dasein darstellen und doch wieder durch die einigenden Bande ineinander fliessen. Der Hellsehende gibt sich nicht immer Rechenschaft über diese Lage der Dinge und wegen dieser Dualität spricht er oft von sich selbst wie von einem anderen: Bald ist es nämlich das leibliche Wesen, das zum geistigen, bald das geistige, das zum leiblichen spricht.


Der Geist erwirbt sich in jeder seiner leiblichen Existenzen einen Zuwachs an Kenntnissen und Erfahrungen. Während seiner Einverleibung in einen zu groben Stoff vergisst er dieselben zum Teil, aber er erinnert sich derselben als Geist. Daher kommt es, dass gewisse Somnambulen Kenntnisse verraten, die über ihre Bildungsstufe und selbst über ihre augenscheinlichen intellektuellen Fähigkeiten hinausreichen. Die niedere intellektuelle Wissensstufe der Somnambule im wachen Zustand gestattet also keine Schlüsse auf die Kenntnisse, die er im klarsichtigen Zustand enthüllt. Je nach den Umständen und dem vorgesetzten Zweck kann er sie teils aus seiner eigenen Erfahrung, teils aus dem Durchschauen gegenwärtiger Gegenstände, teils aus den Ratschlägen anderer Geister schöpfen. Da aber sein eigener Geist mehr oder weniger fortgeschritten sein kann, kann er auch mehr oder weniger richtige Gedanken aussprechen.


Durch die Erscheinungen des Somnambulismus, des natür – lichen wie des magnetischen, gibt uns die Vorsehung den unwi – derlegbaren Beweis von dem Dasein und der Unabhängigkeit der Seele und lässt uns dem erhebenden Schauspiel ihrer Befreiung beiwohnen. Damit öffnet sie uns das Buch unserer Bestimmung. Wenn der Hellsehende das sich in der Ferne Ereignende beschreibt, so muss er es doch wohl sehen, und zwar nicht mit seinen leiblichen Augen: Er erblickt sich selbst dort und fühlt sich dorthin versetzt. Etwas von ihm befindet sich also dort und dieses etwas, da es sein Leib nicht ist, kann somit nur seine Seele oder sein Geist sein. Während der Mensch sich in die Spitzfindigkeiten einer abstrakten und unverständlichen Metaphysik verirrt, um hier die Ursachen unseres moralischen Daseins zu entdecken, legt Gott ihm täglich die einfachsten und augenfälligsten Mittel zum Studium der experimentellen Psychologie (Erfahrungsseelenlehre) vor die Augen und unter die Hand.
Die Ekstase ist derjenige Zustand, in welchem die Unab – hängigkeit der Seele und des Leibes sich in deutlichster und sozusagen in handgreiflichster Weise äußert. Im Traum und im Somnambulismus wandert die Seele in den irdischen Regionen herum, in der Ekstase dringt sie in eine unbekannte Welt ein, in die Welt der ätherischen Geister, mit denen sie in Verkehr tritt, ohne jedoch gewisse Grenzen zu überschreiten, über die sie nur um den Preis ihrer bleibenden Trennung vom Leib hinauskönnte. Ein ganz neuer strahlender Glanz umflutet sie, auf Erden ungehörte Harmonien entzücken sie, ein unbeschreibliches Wohlbehagen durchdringt sie: Sie genießt zum Voraus die himmlische Glückseligkeit und man darf sagen, sie setze einen Fuß auf die Schwelle der Ewigkeit.


Im ekstatischen Zustand ist die Vernichtung des Leibes eine fast vollständige, er besitzt sozusagen nur noch das organische Leben und man fühlt, dass die Seele an diesem nur noch mit einem Faden hängt, den der nächste Ruck für immer zerreißen würde. In diesem Zustand verschwinden alle irdischen Gedanken, um dem reinen Gefühl, dem innersten Wesen unseres nichtstofflichen Daseins, Raum zu geben. Ganz dieser hohen Betrachtung hingegeben, erblickt der Ekstatische im Leben nur eine augenblickliche Rast und das irdische Glück, das Übel, die groben Freuden und Leiden hier auf Erden sind ihm nur geringfügige Zwischenfälle einer Reise, deren Ziel er freudig voraussieht.


Mit den Ekstatischen verhält es sich, wie mit den Somnambulen: Ihr Hellsehen kann mehr oder weniger vollkommen sein und ihr eigener Geist, je nachdem wie weit er fortgeschritten ist, ist ebenfalls mehr oder weniger geeignet, die Dinge zu kennen und zu begreifen. Zuweilen findet sich bei ihnen mehr Aufregung oder Überspannung, als eigentliches Hellsehen oder richtiger: Ihre Aufregung schadet ihrem Hellsehen. Darum sind ihre Enthüllungen oft ein Gemisch von Wahrheit und Irrtum, erhabenen und ungereimten, ja lächerlichen Dingen. Niedrige Geister benutzen oft diese Aufregung, welche stets zur Schwäche führt, wenn man sie nicht zu meistern weiß, – um den Ekstatischen in ihre Gewalt zu bekommen, und zu diesem Ende gaukeln sie ihm Trugbilder vor, die ihn in den Vorstellungen oder Vorurteilen des wachen Zustandes unterhalten. Das ist eine Klippe; aber nicht alle sind so. An uns ist es, kühl zu urteilen und ihre Enthüllungen mit der Waage der Vernunft zu wägen.


Die Befreiung der Seele zeigt sich zuweilen auch im wachen Zustand und bringt die mit dem Namen ,,zweites Gesicht“ bezeichnete Erscheinung hervor, welche den damit Begabten die Befähigung verleiht, über die Grenzen unserer Sinne hinaus zu sehen, zu hören und zu fühlen. Sie nehmen abwesende Dinge überall da wahr, wohin ihre Seele ihre Tätigkeit erstreckt. Sie erblicken dieselben gewissermaßen durch das gewöhnliche Gesicht hindurch wie durch eine Art von Spiegelung.


Zur Zeit, wo das zweite Gesicht eintritt, ist der physische Zustand merklich verändert: Das Auge hat etwas Unbestimmtes, es blickt ohne zu sehen und die ganze Physiognomie spiegelt eine Art von Aufregung ab. Es konstatiert, dass die Gesichtsorgane bei der Sache außer Spiel sind, da die Vision trotz der Schließung der Augen fortdauert.


Diese Fähigkeit erscheint denen, die sie besitzen, so natürlich wie das gewöhnliche Sehen: Sie ist ihnen eine Eigenschaft ihres Wesens und keine Ausnahme von der Regel. Das Vergessen folgt meistenteils auf dieses vorübergehende Hellsehen, dessen Erinnerung immer unbestimmter wird und schließlich wie die an einen Traum verlöscht.


Die Kraft des zweiten Gesichts wechselt von der wirren Empfindung bis zur klaren und deutlichen Wahrnehmung gegenwärtiger oder abwesender Dinge. In ihren ersten Ansätzen verleiht sie gewissen Leuten Takt, Scharfblick, eine Art von Sicherheit des Auftretens, was man etwa einen richtigen moralischen Blick nennen könnte. Weiterentwickelt, verleiht sie Vorahnungen, noch weiter entwickelt zeigt sie vollendete Ereignisse oder solche, die sich eben vollziehen wollen.


Natürlicher und künstlicher Somnambulismus, Ekstase und zweites Gesicht sind nur verschiedenartige Äußerungen einer und derselben Ursache. Diese Erscheinungen liegen, wie die Träume, in unserer Natur. Darum haben sie zu allen Zeiten statt gefunden. Die Geschichte lehrt, dass sie schon im höchsten Altertume bekannt waren und selbst benutzt wurden, und man findet in ihnen die Erklärung einer Menge von Tatsachen, welche das Vorurteil für übernatürliche hielt.





KAPITEL IX – Einwirkungen der Geister auf die leibliche Welt



Durchdringung unseres Denkens durch die Geister

456. Sehen die Geister alles, was wir tun?
„Sie können es sehen, da ihr stets von ihnen umgeben seid. Jeder sieht aber nur das, worauf er seine Aufmerksamkeit richtet; denn mit Gleichgültigem beschäftigen sie sich nicht.“

457. Können die Geister unseren allergeheimsten Gedanken wissen?
„Oft wissen sie das, was ihr vor euch selbst verbergen möchtet. Weder Handlungen noch Gedanken können ihnen verhehlt werden.“


457a. Demnach schient es leichter, einer lebenden Person etwas zu verheimlichen, als derselben Person, wenn sie gestorben wäre?
„Gewiss, und wenn ihr euch recht wohl verborgen glaubt, habt ihr zuweilen eine Menge von Geistern an eurer Seite, die euch sehen.“


458. Was denken die uns umgebenden und beobachtenden Geister von uns?
„Es kommt darauf an. Die Irrgeister lachen über die kleinen Quälereien die sie euch bereiten und spotten über eure Ungeduld. Die ernsthaften Geister beklagen euch wegen eurer Fehler und suchen euch zu helfen.“




Geheimer Einfluss der Geister auf unsere Gedanken und Handlungen

459. Üben die Geister einen Einfluss aus auf unser Tun und Denken?
„In dieser Beziehung ist ihr Einfluss größer als ihr denkt, denn sehr oft sind sie es, die euch leiten.“


460. Haben wir Gedanken die uns selbst angehören und solche die uns eingegeben werden?
„Eure Seele ist ein denkender Geist. Es ist euch nicht unbekannt, dass bezüglich eines und desselben Gegenstandes gleichzeitig mehrere und zuweilen einander sehr entgegengesetzte Gedanken in euch auftauchen. Nun denn, darunter sind stets welche von euch und von uns. Das bring euch nur in Ungewissheit, weil ihr zwei Gedanken habt, die sich gegenseitig bekämpfen.“



461. Wie kann man die uns selbst eigenen Gedanken von den uns eingegebenen unterscheiden?
„Wenn ein Gedanke eingegeben ist, so ist es wie eine Stimme, die zu euch redet. Die eigenen Gedanken sind im Allgemeinen diejenigen der ersten Regung. Übrigens liegt kein großes Interesse für euch in dieser Unterscheidung und es ist zuweilen gut, es nicht zu wissen: der Mensch handelt dann freier. Entscheidet er sich für das Gute, so tut er es mit freierem Willen; schlägt er den bösen Weg ein, so ist er dafür nur umso mehr verantwortlich.“



462. Schöpfen die Menschen von Geist und Genie ihre Ideen immer aus ihrem eigenen?
„Zuweilen stammen ihre Ideen aus ihrem eigenen Geist, oft aber werden sie ihnen von anderen Geistern eingegeben, welche sie für fähig und würdig halten sie zu verstehen und zu überliefern. Finden sie sie dagegen nicht in sich selbst, so rufen sie die Inspiration an, – eine unbewusste Geisterbeschwörung!“


Hätte es zu unserem Nutzen gedient, dass wir unsere eigenen Gedanken deutlich von den eingegebenen unterscheiden könnten, so hätte Gott es uns so verliehen, so gut als er uns gestattet, Tag und Nacht zu unterscheiden. Bleibt eine Sache unentschieden, so soll dies eben zu unserem Heil dienen.



463. Man hört zuweilen sagen, dass der erste Antrieb stets gut sei. Ist das richtig?
„Er kann gut oder auch böse sein, je nach der Natur des inkarnierten Geistes. Gut ist er stets bei dem, der auf die guten Eingebungen hört.“




464. Wie kann man unterscheiden, ob ein eingegebener Gedanke von einem guten oder einem bösen Geist stammt?
„Untersucht die Sache: Die guten Geister raten nur Gutes; an euch ist es zu unterscheiden.“



465. Zu welchem Zweck treiben uns die unvollkommenen Geister zum Bösen an?
„Um euch leiden zu machen, wie sie selbst leiden.“


465a. Lindert das ihre Leiden?
„Nein, aber sie tun es aus Neid, glücklichere Wesen sehen zu müssen.“


465b. Was für eine Art von Leiden möchten sie uns bereiten?
„Diejenigen Leiden, welche daraus entstehen, dass man auf einer tieferen und von Gott entfernteren Stufe steht.“


466. Warum lässt es Gott zu, dass Geister uns zum Bösen reizen?
„Die unvollkommenen Geister sind Werkzeuge zur Erprobung des Glaubens und der Beharrlichkeit der Menschen im Guten. Da du ein Geist bist, so sollst du in der Erkenntnis des Unendlichen fortschreiten. Durch die Prüfungen des Bösen gehst du, um zum Guten zu gelangen. Unsere Sendung ist es, dich auf rechten Weg zu stellen. Wenn böse Einflüsse auf dich wirken, so kommt dies daher, dass du sie durch deine Neigung zum Bösen herbeirufst, denn die niederen Geister eilen dir zu Hilfe, wenn du den Willen hast es zu begehen. Zum Bösen können sie dir nur helfen, wenn du das Böse willst. Hast du eine Neigung zum Morden, wohlan eine ganze Schar von Geistern werden dann diesen Gedanken in dir unterhalten. Du wirst aber auch andere Geister um dich haben, die dich fürs Gute zu beeinflussen suchen, so dass das Gleichgewicht wieder hergestellt wird und du frei entscheiden kannst.“

So lässt Gott unserem Gewissen die Wahl des von uns einzu – schlagenden Weges und die Freiheit, dem einen oder dem anderen jener entgegengesetzten Einflüsse zu folgen.



467. Kann man sich von dem Einfluss der Geister, die zum Bösen antreiben, befreien?
„Ja, denn sie machen sich nur an die, die sie durch ihre Wünsche oder Gedanken anziehen.“



468. Verzichten die Geister, deren Einfluss durch unseren Willen zurückgewiesen wurde, auf weitere Versuche ?
„Was sollen sie tun? Wenn es nichts mehr zu tun gibt, so geben sie es auf. Jedoch passen sie auf einen günstigen Zeitpunkt, wie die Katze auf die Maus.“



469. Durch was für ein Mittel kann man den Einfluss der bösen Geister aufheben?
„Indem ihr das Gute tut und euer ganzes Vertrauen in Gott setzt, weist ihr denn Einfluss der niederen Geister zurück und ihr zerstört die Herrschaft, die sie sich über euch anmaßen wollten. Hütet euch vor den Einflüsterungen der Geister, die in euch böse Gedanken erregen, die Zwietracht unter euch stiften und alle bösen Leidenschaften in euch anregen. Misstraut namentlich denen, die euren Hochmut aufblasen, denn die sind es, die euch an eurer schwachen Seite fassen. Darum lässt euch Jesus im Gebet des Herrn bitten: „Und führe uns nicht in Versuchung, sondern erlöse uns vom Übel!“



470. Haben die Geister, die uns zum Bösen zu verleiten suchen und die so unsere Befestigung im Guten auf die Probe stellen, Auftrag dazu erhalten und wenn ja, sind sie dann dafür verantwortlich?
„Kein Geist empfängt einen Auftrag Böses zu tun. Tut er es, so ist es sein eigener Wille, also hat er auch die Folgen zu tragen. Gott kann es zulassen, um euch zu prüfen, aber er befiehlt es nicht und an euch ist es, jenen zurückzuweisen.“



471. Wenn wir das Gefühl eines unerklärlichen Unbehagens empfinden, oder auch das einer inneren Befriedigung, ohne dass uns eine Ursache bekannt wäre, kommt dies einzig und allein von einer physischen Ursache her?
„Fast immer ist dies die Wirkung von Verkehr, die ihr ohne es zu wissen mit den Geistern führt oder mit ihnen im Schlaf geführt habt.“



472. Benutzen die Geister, die uns zum Bösen verleiten wollen, nur unsere Umstände oder können sie auch Umstände schaffen?
„Sie benutzen die Umstände, aber oft führen sie sie auch herbei, indem sie euch, ohne dass ihr es merkt, dem Gegenstand eurer Gelüste näher bringen. So findet z. B. ein Mensch auf seinem Wege eine Summe Geld: Glaube nun nicht, dass die Geister dasselbe hierher gebracht haben; aber sie können dem Menschen den Gedanken eingeben, sich in dieser Richtung zu bewegen und dann wird ihm von ihnen der Gedanke eingeflüstert, sich des Geldes zu bemächtigen, während andere ihm zuflüstern es seinem Eigentümer zurückzugeben. So verhält es sich mit allen anderen Versuchungen.“




Von den Besessenen

473. Kann sich ein Geist eine zeitlang mit der Hülle einer lebendigen Person bekleiden, d.h. in einen beseelten Leib einziehen und an der Stelle desjenigen, der darin inkarniert ist, handeln?
„Der Geist begibt sich nicht in einen Leib, so wie du dich in ein Haus begibst. Er verbindet sich mit dem inkarnierten Geist, der dieselben Fehler und Eigenschaften hat, um gemeinschaftlich mit ihm zu handeln. Immer ist es aber der inkarnierte Geist, der so wie er will, auf den ihn umkleidenden Stoff einwirkt. Ein Geist kann sich nicht an die Stelle des inkarnierten setzen, weil Geist und Leib verbunden sind und bleiben bis zu der Zeit, die jenem als Ziel seiner stofflichen Existenz gesetzt ist.“



474. Wenn es keine Besitznahme im eigentlichen Wortsinn gibt, d. h. kein Zusammenwohnen der beiden Geister im selben Leib, kann sich dann die Seele in einer solchen Abhängigkeit von einem anderen Geist befinden, dass sie von demselben unterjocht und besessen ist, so dass ihr eigener Wille gewissermaßen aufgehoben ist?
„Ja, und das sind die wahren Besessenen. Wisse aber, dass diese Herrschaft nie ohne die Teilnahme des Beherrschten selbst zustande kommt, sei es nun durch seine Schwachheit oder auf seinen Wunsch. Oft hat man Epileptiker und Wahnsinnige für Besessene gehalten, während sie doch eher des Arztes, als des Beschwörers bedurft hätten.“


Das Wort Besessener setzt seinem landläufigen Sinn nach das Dasein von Dämonen, d. h. einer Gattung von bösartigen Wesen und das Zusammenwohnen eines solchen Wesens mit der Seele im Leib eines Individuums voraus. Da es nun aber keine Dämonen in diesem Sinne gibt und nicht zwei Geister zugleich in demselben Leib wohnen können, so gibt es auch keine Besessenen in dem diesem Wort beigelegten Sinn. Das Wort „Besessener“, kann nur die unbedingte Abhängigkeit der Seele von sie unterjochenden, unvollkommenen Geistern bedeuten.



475. Kann man die bösen Geister selbst entfernen und sich von ihrer Herrschaft befreien?
„Man kann immer ein Joch abwerfen, wenn man den festen Willen dazu hat.“




476. Kann es nicht geschehen, dass der Einfluss, den der böse Geist ausübt, der Art ist, dass der Unterjochte sie nicht merkt? Könnte dann ein Dritter die Unterjochung beenden und was für eine Bedingung hätte er in diesem Fall zu erfüllen?
„Wenn es ein guter Mensch ist, so kann sein Wille da helfen, indem er den Beistand guter Geister anruft; denn je besser ein Mensch ist, desto mehr Gewalt hat er über die unvollkommenen Geister sie zu entfernen, und über die guten sie herbeizuziehen. Jedoch bliebe er ohnmächtig, wenn der Unterjochte nicht mithilft. Es gibt Leute, welche sich in einer Abhängigkeit gefallen, die nach ihrem Wunsch und Geschmack ist. Jedenfalls kann, wer nicht reinen Herzens ist, keinerlei Einfluss ausüben; die guten Geister meiden ihn und die bösen fürchten ihn nicht.“



477. Besitzen die Beschwörungsformeln irgendwelche Wirksamkeit gegenüber den bösen Geistern?
„Nein; wenn diese Geister jemanden die Sache ernsthaft nehmen sehen, so lachen sie noch hartnäckiger.“



478. Es gibt Personen von guten Vorsätzen, die nichtsdestoweniger besessen sind: Welches ist das beste Mittel, sich von den Plagegeistern zu befreien?
„Ihre Geduld zu ermüden, in keiner Weise ihren Einflüsterungen Gehör zu geben, ihnen zu zeigen, dass sie nur ihre Zeit verlieren. Wenn sie dann sehen, dass sie nichts zu tun bekommen, so entfernen sie sich.“



479. Ist das Gebet ein wirksames Mittel, um die Besessenheit zu heilen?
„Das Gebet ist in allem von mächtiger Hilfe; glaubt aber nicht dass es genügt, einige Worte zu murmeln, um zu erlangen, was man wünscht. Gott hilft denen, die da handeln und nicht denen, die sich mit dem Bitten begnügen. Der Besessene muss somit seinerseits das Nötige tun, um in sich selbst die Ursache zu zerstören, welche die bösen Geister herbeilockt.“



480. Was soll man von der Austreibung der Dämonen denken, von der im Evangelium die Rede ist?
„Das hängt von der Auslegung ab. Wenn ihr den „Teufel“ einen bösen Geist nennt, der einen Menschen unterjocht, so wird er, wenn sein Einfluss zerstört ist, in Wahrheit ausgetrieben sein. Schreibt ihr eine Krankheit einem Teufel zu, so könnt ihr, wenn ihr die Krankheit geheilt habt, ebenfalls sagen, ihr habt den Teufel ausgetrieben. Es kann etwas wahr oder falsch sein, je nach dem Sinn, den man den Worten beilegt. Die größten Wahrheiten können ungereimt erscheinen, wenn man nur auf die Form sieht und das Bild für Wirklichkeit nimmt. Erkennt das wohl und behaltet es: Es findet allgemein Anwendung.“




Konvulsionäre

481. Spielen die Geister eine Rolle bei den Erscheinungen, die sich an Individuen zeigen, die man mit dem Namen Konvulsionäre bezeichnet?
„Ja, eine sehr große, so wie auch der Magnetismus, der hier die nächste Quelle ist. Diese Wirkungen wurden jedoch von Marktschreiern ausgebeutet und übertrieben, so dass sie ins Lächerliche gezogen wurden.“


481a. Welcher Art sind allgemein die Geister, die bei dieser Art von Erscheinungen mitwirken?
„Nicht sehr hoher Art. Glaubt ihr denn, dass höhere Geister sich mit solchen Dingen abgeben?“


482. Wie kann der außerordentliche Zustand der Konvulsionäre und Krisiaken sich plötzlich in einer ganzen Bevölkerung entwickeln?
„Wirkungen der Sympathie: Die moralischen Stimmungen teilen sich in gewissen Fällen sehr leicht mit. Ihr steht den magnetischen Wirkungen nicht fern genug, um dies nicht einzusehen und den Anteil zu begreifen, den gewisse Geister aus Sympathie an denjenigen nehmen, welche sie anrufen.“


Unter den seltsamen Eigentümlichkeiten, die man bei dem Konvulsionär beobachtet, erkennt man ohne Mühe solche, wie sie der Somnambulismus und Magnetismus in zahlreichen Beispielen darbieten; so die körperliche Unempfindlichkeit, das Erkennen der Gedanken, die sympathische Übertragung der Schmerzen u. s. w. Ohne Zweifel befinden sich also diese Leute in einer Art von wachem Somnambulismus, der durch den Einfluss zustande kommt, den sie gegenseitig aufeinander ausüben. Ohne es zu wissen, sind sie Magnetisierende und Magnetisierte zugleich.


483. Was ist die Ursache der körperlichen Empfindungslosigkeit, die man teils an gewissen Konvulsionären, teils an anderen Individuen beobachtet, wenn sie den ärgsten Qualen ausgesetzt werden? „Bei einigen ist es eine ausschließlich magnetische Wirkung, die geradeso wie gewisse Substanzen auf das Nervensystem wirkt. Bei anderen stumpft ein überreiztes Denken die Empfindlichkeit ab, indem sich das Leben ganz vom Leib zurückzuziehen scheint, um im Geist aufzugehen. Wisst ihr nicht, dass, wenn der Geist stark mit etwas beschäftigt ist, der Leib nichts fühlt, sieht und hört?“


Die fanatische Überspannung und die Begeisterung bieten oft bei Hinrichtungen Beispiele von Ruhe und Kaltblütigkeit dar, welche über einen heftigen Schmerz die Oberhand nicht gewinnen könnten, wenn man nicht annehmen wollte, dass das Empfindungsvermögen durch eine Art von schmerztilgender Ursache aufgehoben wird. Man weiß, dass in der Hitze des Kampfes oft eine schwere Verwundung nicht bemerkt wird, während unter gewöhnlichen Umständen eine einfache Ritzung Zucken erregt.
Da nun diese Erscheinungen von einer physischen Ursache und von der Tätigkeit gewisser Geister abhängen, so kann man die Frage aufwerfen, wie es von amtlicher Seite abhängen konnte, sie in gewissen Fällen zu beenden? Der Grund ist einfach folgender. Die Wirkung der Geister steht hier nur in zweiter Linie: sie benutzen nur eine natürliche Veranlagung. Die Obrigkeit hat letztere nicht unterdrückt, wohl aber die Ursache, von welcher dieselbe unterhalten und verstärkt wurde. Was früher äußerlich hervortrat, wurde nach innen getrieben und blieb im Verborgenen, und sie hatte Recht so zu handeln, weil Missbrauch und Ärgernis eingetreten war. Übrigens ist eine solche Intervention bekanntlich wirkungslos, wenn die Einwirkung der Geister eine unmittelbare und selbständige ist.





Zuneigung der Geister zu gewissen Personen

484. Haben die Geister eine besondere Vorliebe für gewisse Personen?
„Die guten Geister sympathisieren mit den guten oder wenigstens besserungsfähigen Menschen, die niederen Geister mit den lasterhaften Menschen oder solchen, die es werden können. Daher ihre Zuneigung, die Folge der Verwandtschaft der Empfindungen.“


485. Ist die Zuneigung der Geister zu gewissen Personen eine ausschließlich moralische?
„Die wahre Zuneigung hat nichts Fleischliches. Wenn aber ein Geist sich an eine Person anschließt, so geschieht dies nicht immer aus Zuneigung, es kann sich vielmehr auch die Erinnerung an menschliche Leidenschaften hineinmischen.“




486. Interessieren sich die Geister für unser Glück und Unglück? Betrüben sich die, welche uns wohlwollen, über die Übel die wir im Leben erleiden?
„Die guten Geister tun so viel Gutes wie möglich und freuen sich über alle eure Freuden. Sie betrüben sich über euer Unglück, wenn ihr es nicht mit Ergebung tragt, weil es für euch ohne Folge bleibt; denn dann gleicht ihr dem Kranken, der die bittere Arznei zurückweist, die ihn heilen sollte.“



487. Über welche Art von Übel betrüben sich die Geister am meisten für uns, ist es das körperliche oder moralische Übel?
„Euer Egoismus und eure Hartherzigkeit: von da kommt alles. Sie lachen über alle jene eingebildeten Übel, welche aus dem Hochmut und dem Ehrgeiz stammen; sie freuen sich über die, welche die Wirkung haben, eure Prüfungszeit abzukürzen.“


Die Geister wissen, dass das leibliche Leben vorübergeht und dass dessen Trübsale nur Mittel sind zu einem besseren Zustand zu gelangen, sie betrüben sich daher für uns mehr über die moralischen Ursachen, welche uns von letzterem entfernen, als über die körperlichen, welche nur vorübergehend sind.


Die Geister kümmern sich wenig um die Übel, die nur unseren weltlichen Sinn betreffen, wie wir es mit den kindischen Kümmernissen unserer Jugend tun. Der Geist, der in den Trübsalen des Lebens ein Mittel zum Fortschreiten für uns erblickt, betrachtet sie als eine augenblickliche Krise, welche den Kranken retten soll. Er nimmt an unseren Schmerzen teil, wie wir an denen eines Freundes. Da er aber die Dinge von einem richtigeren Standpunkt ansieht, so beurteilt er sie auch anders als wir und während die guten unseren Mut im Interesse unserer Zukunft erhöhen, reizen uns die anderen zur Verzweiflung in der Hoffnung, ihn bloßzustellen.



488. Haben die uns im Tod vorangegangenen Verwandten und Freunde für uns eine größere Sympathie, als die uns fremden Geister?

„Gewiss, und oft beschützen sie euch als Geister, soweit ihr Können reicht.“


488a. Freuen sie sich über die Liebe, die wir ihnen bewahren?
„Gar sehr: aber sie vergessen die, von welchen sie selbst vergessen werden.“




Schutzengel; Schutzgeister, Sympathische oder familiäre Geister

489. Gibt es Geister, die einem Individuum besonders anhängen, um es zu beschützen?
„Ja, der `geistige Bruder´. Ihr nennt ihn den `guten Geist´.



490. Was ist unter einem Schutzengel zu verstehen?
„Der Schutzgeist aus einer höheren Rangstufe.“



491. Worin besteht die Mission des Schutzgeistes?
„Sie ist die eines Vaters für seine Kinder: Seinen Schützling auf den guten Weg zu führen, ihn mit seinem Rat zu unterstützen, in Trübsalen zu trösten, seinen Mut in den Prüfungen des Lebens zu heben.“



492. Ist der Schutzgeist an den Menschen von Geburt gebunden?
„Von der Geburt bis zum Tod und oft folgt er ihm nach letzterem in das geistige Leben, selbst in mehrere leibliche Daseinsformen, denn diese erscheinen nur als sehr kurze Existenzen im Vergleich mit dem Leben des Geistes.“



493. Ist die Mission des Schutzgeistes eine freiwillig übernommene oder übertragene?
„Der Geist hat die Pflicht, über euch zu wachen, weil er diese Aufgabe übernommen hat; er hat aber die Wahl zwischen den Wesen die ihm sympathisch sind. Für die einen ist es eine Freude, für andere eine Sendung oder eine Pflicht.“


493a. Verzichtet der Geist, wenn er sich mit einer Person verbindet, auf die Beschützung anderer Individuen?
„Nein, aber er übt sie nun weniger ausschließlich aus.“



494. Ist der Schutzgeist immer an das seinem Schutz anvertraute Wesen gebunden?
„Es geschieht zuweilen, dass gewisse Geister ihre Stellung verlassen, um verschiedene Missionen zu erfüllen, dann werden sie aber durch einen anderen ersetzt.“


495. Verlässt der Schutzgeist zuweilen seinen Schützling, wenn dieser seinen Ratschlägen widerstrebt?
„Er entfernt sich, wenn er seinen Rat als vergeblich betrachten muss und wenn der Wille, sich dem Einfluss der niederen Geister hinzugeben, die Oberhand gewinnt. Ganz verlässt er ihn aber nie, sondern macht sich stets hörbar. Dann ist es der Mensch der seine Ohren verschließt. Der Schutzgeist kehrt zurück, sobald man ihn ruft.


Es gibt eine Lehre, welche durch ihren Reiz und ihre Lieblichkeit auch die Ungläubigsten bekehren sollte: Die Lehre von den Schutzengeln. Sich denken, dass man stets höhere Wesen um sich hat, welche da sind, um euch zu beraten, zu stärken, um euch die raue Höhe des Guten erklimmen zu helfen, welche höhere und ergebenere Freunde sind, als die innigste Verbindung, die man auf dieser Erde knüpfen könnte, ist das nicht ein hochtröstlicher Gedanke? Diese Wesen sind da auf Gottes Befehl: Er hat sie euch zugesellt, durch Gottes Willen sind sie da und vollführen bei euch eine schöne, aber mühsame Sendung. Ja, wo ihr auch sein mögt, der Freund wird mit euch sein: die Gefängnisse, die Spitäler, die Orte der Lust und der Laster, die Einsamkeit, nichts trennt euch von ihm, den ihr nicht sehen könnt, von dem aber eure Seele die sanftesten Antriebe verspürt und seine weisen Ratschläge hört?


Dass ihr diese Wahrheit nicht besser kennt! Wie oft würde sie euch helfen in Zeiten der Not, wie oft euch vor den bösen Geistern retten! Am besagten Tag aber wird jener Engel euch oft zu sagen haben: „Sagte ich es dir nicht? Aber du tatest es nicht! Zeigte ich dir nicht den Abgrund? Aber du stürztest dich doch hinein! Ließ ich nicht in deinem Gewissen die Stimme der Wahrheit vernehmen und du folgtest dem Rat der Lüge? Oh, befragt eure Schutzengel, befestigt zwischen ihnen und euch jenen zarten, innigen Verkehr, der zwischen den besten Freunden stattfindet. Glaubt nicht ihnen etwas zu verbergen, denn sie sind das Auge Gottes und ihr könnt sie nicht betrügen. Bedenkt die Zukunft, trachtet fortzuschreiten in diesem Leben, eure Prüfungen werden umso kürzer, euer Dasein umso glücklicher sein. Wohlan, Menschen, fasst Mut, werft weit von euch weg, ein für alle Mal, Vorurteile und Hintergedanken. Tretet ein in die neue Laufbahn die sich vor euch auftut: Schreitet voran, ihr habt Führer, folgt ihnen. Das Ziel könnt ihr nicht verfehlen, euer Ziel ist Gott selbst.


Denen, welche etwa denken, es sei für wahrhaft hohe Geister unmöglich, sich an eine so mühsame und jeden Augenblick beanspruchende Aufgabe zu machen, sagen wir, dass wir auf eure Seelen wirken, wenn wir auch Millionen von Meilen von euch weg sind. Für uns gibt es keinen Raum und, leben wir auch in einer anderen Welt, so behalten doch unsere Geister ihre Verbindung mit der eurigen. Wir besitzen Eigenschaften, die ihr nicht verstehen könnt; aber dessen seid gewiss, Gott hat uns keine Aufgabe gestellt, die über unsere Kräfte geht und euch hat er nicht einsam auf Erden zurückgelassen ohne Freunde und ohne Stützen. Jeder Schutzengel hat seinen Schützling, über den er wacht, wie der Vater über sein Kind. Er ist glücklich, wenn er ihn auf dem guten Weg erblickt; er seufzt, wenn sein Rat verkannt wird. Fürchtet nicht, uns mit euren Fragen zu ermüden, bleibt vielmehr stets in Berührung mit uns; ihr werdet stärker und glücklicher sein. Dieser Verkehr jedes Menschen mit seinem Schutzgeist ist es, der alle Menschen zu Mittlern macht, zu Mittlern, welche, heute noch unbekannt, einst sich zu erkennen geben und welche sich gleich einem uferlosen Weltmeer verbreiten werden, den Unglauben und die Unwissenheit zu verdrängen. Unterrichtete Menschen, begabte Menschen, erzieht eure Brüder. Ihr wisst nicht, was für ein schönes Werk ihr also erfüllt. Es ist das Werk Christi, das Gott euch auferlegt. Wozu hat euch Gott Intelligenz und Wissenschaft gegeben? Es sei denn, dass ihr davon euren Brüdern berichtet, um sie auf dem Weg des Glücks und der ewigen Seligkeit zu fördern?“
hl. Augustinus, hl. Ludwig


Die Lehre von den Schutzengeln, die trotz der Entfernung der Welten über ihre Schützlinge wachen, hat nichts Überraschendes, sie ist im Gegenteil groß und erhaben. Sehen wir nicht auch auf Erden den Vater über sein Kind wachen, wenn er auch von ihm entfernt ist, sehen wir ihn nicht in die Ferne ihm Ratschläge erteilen? Was läge also Verwunderliches darin, dass die Geister ihre Schützlinge von einer Welt aus in einer anderen leiten könnten, da ja die Entfernung, welche die Welten trennt, für sie geringer ist, als die zwischen den Erdteilen? Haben sie nicht außerdem noch das allgemeine Fluidum, welches alle Welten untereinander verbindet, jenes großartige Beförderungsmittel der Gedanken, wie für uns die Luft dasjenige des Schalls ist?




496. Kann der Geist wenn er seinen Schützling verlässt, wenn er ihm kein Gutes mehr erweist, ihm Böses erweisen?
„Die guten Geister erweisen nie Böses, sie überlassen dies denen, die an ihre Stelle treten. Dann klagt ihr über das Unglück, das euch trifft, während es doch euer eigenes Werk ist.“



497. Kann der Schutzgeist seinen Schützling der Gnade und Ungnade eines Geistes überlassen, der ihm übel wollen könnte?
„Es besteht eine Vereinigung der bösen Geister, um die Wirksamkeit der Guten aufzuheben; wenn es aber der Schützling will, so kann er seinem guten Geist die ganze Kraft zurückgeben. Der Schutzgeist findet vielleicht den guten Willen zu helfen bei einem anderen Menschen und diesen benutzt er bis zu seiner Rückkehr zu seinem Schützling.“



498. Wenn der Schutzgeist seinen Schützling im Leben auf Abwege geraten lässt, ist dies dann seine eigene Ohnmacht gegen andere, böse Geister den Kampf zu bestehen?
„Das geschieht nicht, weil er nicht kann, sondern weil er nicht will; sein Schützling geht aus den Prüfungen vollkommener und erfahrener hervor. Er steht ihm mit seinem Rat bei, durch die guten Gedanken, die er ihm eingibt, auf die aber unglücklicherweise nicht immer geachtet wird. Nur die Schwachheit, Gleichgültigkeit oder der Hochmut des Menschen geben den bösen Geistern Macht, und ihre Gewalt über euch kommt nur daher, dass ihr ihnen keinen Widerstand entgegensetzt.“



499. Ist der Schutzgeist beständig um seinen Schützling? Gibt es keine Umstände, wo er ihn, ohne ihn gerade zu verlassen, doch aus den Augen verliert?
„Es gibt Umstände, unter denen der Schutzgeist nicht von Nöten ist bei seinem Schützling.“




500. Gibt es eine Zeit, wo der Geist keines Schutzengels mehr bedarf?
„Ja, wenn er dazu gelangt ist, sich selbst leiten zu können, sowie es ja auch eine Zeit gibt, wo der Schüler des Lehrers nicht mehr bedarf. Das geschieht aber nicht auf eurer Erde.“



501. Warum bleibt die Wirkung der Geister auf unser Dasein verborgen und warum tun sie es nicht in offenkundiger Weise, wenn sie uns beschützen?
„Würdet ihr mit deren Unterstützung rechnen, so würdet ihr nicht aus euch selbst handeln und euer Geist schritte nicht fort. Hierzu bedarf er der Erfahrung und oft ist es notwendig, dass er sie auf seine eigenen Kosten macht. Er muss seine Kräfte üben, sonst wäre er gleich einem Kind, das man nicht gehen lehrt. Die Wirksamkeit der Geister, die euch wohlwollen, ist immer so eingerichtet, dass euch euer freier Wille bleibt. Sonst hättet ihr keine Verantwortlichkeit, ihr würdet nicht auf dem Weg der euch zu Gott führen soll fortschreiten. Der Mensch, der seinen Rückhalt nicht sehen kann, stützt sich auf die eigene Kraft, dennoch wacht sein Schutzgeist über ihm und ruft ihm von Zeit zu Zeit zu, sich vor Gefahren zu hüten.“



502. Gewinnt der Schutzgeist, dem es gelingt seinen Schützling auf dem guten Weg weiterzuführen, dadurch irgendetwas für sich selbst?
„Es ist dies ein Verdienst, dem Rechnung getragen wird, sei es für seinen eigenen Fortschritt, sei es für sein Glück. Er ist glücklich, wenn er seine Bemühungen mit Erfolg gekrönt sieht, er freut sich darüber, wie der Lehrer über die Erfolge seines Schülers.“


502a. Ist er dafür verantwortlich, wenn er keinen Erfolg hat?
„Nein, er tat ja, was er konnte.“



503. Empfindet der Schutzgeist, der seinen Schützling trotz seiner Ratschläge einen üblen Weg einschlagen sieht, Schmerz darüber und wird das für ihn nicht zur Ursache einer Trübung seiner Seligkeit?
„Er seufzt über dessen Irrtümer, er beklagt ihn. Diese Empfindung ist aber nicht gleich der Angst des irdischen Vaters, weil er weiß, dass das Übel wieder gut gemacht werden kann und das, was heute nicht geschieht, morgen geschehen kann.“


504. Können wir immer den Namen unseres Schutzgeistes oder Schutzengels wissen?
„Wie wollt ihr Namen wissen, die nicht für euch existieren? Meint ihr denn, es gäbe unter den Geistern nur die, welche ihr kennt?“


504a. Wie soll man ihn denn anrufen, wenn man ihn nicht kennt?
„Gebt ihm welchen Namen ihr wollt, denjenigen eines höheren Geistes, für den ihr Sympathie oder Verehrung habt, euer Schutzgeist wird auf diesen Ruf sich nahen, denn alle guten Geister sind Brüder und helfen sich untereinander.“


505. Sind die Schutzgeister, die bekannte Namen annehmen, immer wirklich diejenigen Personen, die einst diese Namen trugen?
„Nein, aber Geister, die ihnen sympathisch sind und die oft auf ihren Befehl kommen. Ihr bedürft der Namen: da nehmen sie denn einen an, der euch Vertrauen einflößt. Wenn ihr selbst nicht in Person eine Aufgabe übernehmen könnt, so schickt ihr ja auch eine Vertretung, die in eurem Namen handelt.“


506. Werden wir einst im geistigen Leben unseren Schutzgeist wieder – erkennen?

„Ja, denn oft kennt ihr ihn schon vor eurer Inkarnation.“



507. Gehören die Schutzgeister alle zur Klasse der höheren Geister? Können sich auch mittlere darunter befinden? Kann z. B. ein Vater der Schutzgeist des Kindes werden?
„Er kann es, aber Schutz setzt einen gewissen Grad von Erhöhung und eine von Gott gewährte größere Tugend oder Macht voraus. Der väterliche Schutzgeist des Kindes kann selbst von einem, über ihm stehenden Geist unterstützt werden.“



508. Können die Geister, die unter guten Umständen die Erde verließen, stets diejenigen beschützen, welche sie lieben und überleben?
„Ihre Macht ist mehr oder weniger eingeschränkt Ihre Stellung lässt ihnen nicht immer die volle Freiheit des Handelns.“



509. Haben die Menschen im Zustand der Wildheit oder der niedrigen Moral ebenfalls ihre Schutzgeister und gehören dieselben in diesem Fall einem ebenso hohen Rang an, wie die der weit fortgeschritteneren Menschen?
„Jeder Mensch hat einen Geist, der über ihm wacht, aber die Missionen richten sich nach ihrem Gegenstand. Einem Kind, das Lesen lernen soll, gebt ihr nicht einem Professor der Philosophie. Die Vorgeschrittenheit des familiären Geistes richtet sich nach der seines Schützlings. Während ihr selbst einen höheren Geist habt der über euch wacht, könnt ihr dennoch wieder der Beschützer eines niedrigeren Geistes werden, als ihr seid und die Fortschritte, die ihr ihn lehrt, werden zu eurem eigenen Gedeihen beitragen. Gott verlangt von keinem Geist mehr, als sich mit seiner Natur und der Stufe, die er erreicht hat, verträgt.“




510. Wacht der Vater auch dann noch über sein Kind, wenn er sich wieder reinkarniert hat ?
„Das ist schwieriger; aber er bittet dann in einem Augenblick der Befreiung einen sympathischen Geist, ihn in dieser Mission zu unterstützen. Übrigens übernehmen die Geister nur solche Sendungen, die sie auch zu Ende führen können. Der inkarnierte Geist ist, besonders auf den Welten, wo das Dasein ein stoffliches ist, zu sehr von seinem Leib abhängig, um sich der Aufgabe ganz und in eigener Person hingeben zu können. Darum werden die, welche selbst noch nicht hoch genug stehen, von höher stehenden Geistern unterstützt, so dass, wenn der eine aus irgendwelchem Grund nicht zur rechten Zeit bei der Hand ist, ein anderer ihn ersetzt.“



511. Ist außer dem Schutzgeist auch ein böser Geist an jedes Individuum gebunden, um es zum Bösen zu treiben und ihm so eine Gelegenheit zum Kampf zwischen Bösem und Gutem zu bieten?
„An ihn gebunden wäre nicht das rechte Wort. Die bösen Geister suchen allerdings die Menschen vom guten Weg abzubringen, wenn die Gelegenheit sich findet, wenn sich aber einer von ihnen zu einem gesellt, so tut er es von sich aus, weil er gehört zu werden hofft. Dann gibt es einen Kampf zwischen dem Bösen und dem Guten und welchem der Mensch die Herrschaft über sich lässt, dem fällt sie auch zu.“



512. Können wir mehrere Schutzgeister haben?
„Jeder Mensch hat stets mehr oder weniger hohe sympathische Geister, die ihn lieben und sich für ihn interessieren, so wie ihn wieder andere im Bösen unterstützen.“




513. Wirken die sympathischen Geister kraft einer ihnen übertragenen Mission?
„Zuweilen können sie eine zeitliche Mission haben, meistens aber werden sie nur von der Ähnlichkeit der Gedanken und Gefühle im Guten wie im Bösen angetrieben.“


513a. Daraus scheint zu folgen, dass die sympathischen Geister sowohl gut als böse sein können?
„Ja, der Mensch findet stets Geister, die mit ihm sympathisieren, welches auch sein Charakter sein mag.“


514. Sind die sogenannten familiären Geister einer Person dieselben, wie die sympatischen oder Schutzgeister?
Es gibt viele Abstufungen des gewährten Schutzes und der Sympathie, nennt sie, wie ihr wollt. Der sogenannte vertraute Geist ist vielmehr der Freund des Hauses.“


Aus den obigen Erklärungen und den Beobachtungen über die Natur der Geister, die sich dem Menschen anschließen, kann folgendes geschlossen werden: Der Schutzgeist, Schutzengel oder gute Genius ist derjenige, welcher die Mission hat, dem Menschen im Leben zu folgen und ihn in seinem Fortschreiten zu fördern. Er ist stets höherer Natur als der Schützling.


Die vertrauten Geister schließen sich gewissen Personen durch mehr oder weniger dauerhafte Bande an, in der Absicht, ihnen innerhalb der Grenzen ihrer, oft ziemlich beschränkten Macht nützlich zu sein. Sie sind gut, aber zuweilen nicht sehr fortge – schritten, und selbst etwas leichtsinnig. Sie beschäftigen sich gern mit den Einzelheiten des vertrauteren Lebens und handeln nur auf Befehl oder mit der Erlaubnis der Schutzgeister.


Die sympathischen Geister sind die, welche durch unsere besonderen Zuneigungen oder eine gewisse Ähnlichkeit des Geschmacks und des Gefühls sowohl im Guten wie im Schlimmen sich zu uns hingezogen fühlen. Die Dauer ihrer Beziehungen zu uns ist fast immer von den Umständen abhängig.

Der böse Geist ist ein unvollkommener oder vom Weg abge – kommener Geist, der sich dem Menschen in der Absicht anschließt, ihn vom Guten abzubringen. Allein er handelt auf eigenen Antrieb und nicht Kraft einer Mission. Seine Ausdauer steht im Verhältnis zur Aufnahme, die er findet. Der Mensch ist stets frei, auf seine Stimme zu hören oder ihn zurückzuweisen.




515. Was soll man von jenen Menschen denken, die sich an gewisse Individuen anzuschließen scheinen, um sie in verhängnisvoller Weise ins Verderben zu stürzen oder um sie auf den guten Weg zu führen?

„Gewisse Personen üben in der Tat auf andere eine Art von unwiderstehlichem Zauber aus. Geschieht dies in schlimmem Sinn, so sind es böse Geister, deren sich andere böse Geister bedienen, um euch leichter zu unterjochen. Gott kann dies zulassen, um euch zu prüfen.“


516. Könnte sich unser guter und unser böser Geist inkarnieren, um uns im Leben auf eine unmittelbarere Weise zu begleiten?

„Das kommt zuweilen vor; oft aber beauftragen sie damit auch andere inkarnierte Geister, welche ihnen sympathisch sind.“


517. Gibt es Geister, die sich einer ganzen Familie anschließen, um sie zu beschützen?

„Gewisse Geister schließen sich den Gliedern einer und derselben Familie an, welche durch Liebe geeint ist, glaubt jedoch nicht an Schutzgeister des Ahnenstolzes.“



518. Wenn die Geister durch ihre Sympathien zu den Individuen hingezogen werden, werden sie dies ebenso auch aus besonderen Gründen zu ganzen Vereinigungen von Individuen sein?

„Die Geister gehen vorzugsweise dahin, wo sie ihresgleichen finden, hier befinden sie sich besser und sind sicherer, gehört zu werden. Der Mensch zieht die Geister je nach seinem Treiben an, ob er nun allein sei oder eine Gesamtheit bildet, wie eine Gesellschaft, eine Stadt oder ein Volk. Es gibt also Gesellschaften, Städte, Völker, welche von Geistern unterstützt werden, die je nach den dort herrschenden Charakteren oder Leidenschaften mehr oder weniger erhaben sind. Die unvollkommenen Geister entfernen sich von denen, die sie zurückweisen; hieraus folgt, dass die moralische Vervollkommnung der Gesamtheiten oder Kollektiv – Individuen, wie die der Einzelindividuen darauf gerichtet ist, die bösen Geister zu entfernen und die guten anzuziehen, welche den Sinn für das Gute in der Menge erregen und unterhalten, sowie andere hier die üblen Leidenschaften entflammen können.“


519. Haben die Ansammlungen von Individuen, wie Gesellschaften, Städte, Nationen ihre besonderen Schutzgeister?“

„Ja, denn diese Vereinigungen sind Kollektiv – Individualitäten, welche nach einem gemeinschaftlichen Ziel sich bewegen und einer höheren Leitung bedürfen.“


520. Sind die Schutzgeister der Massen höherer Natur als die, welche sich den Einzelnen anschließen?

„Alles steht im Verhältnis zum Fortschritt der Massen wie der Einzelnen.“


521. Können gewisse Geister den Fortschritt der Künste dadurch fördern, dass sie deren Vertreter beschützen?

„Es gibt besondere Schutzgeister, welche die sie Anrufenden, wenn sie würdig sind, unterstützen. Was sollen sie aber mit denen tun, welche etwas zu sein meinen, das sie nicht sind? Die Blinden können sie nicht sehend, noch die Tauben hörend machen.“



Die Alten hatten aus ihnen besondere Gottheiten gemacht. Die Musen waren nur eine allegorische Personifikation der Schutzgeister der Wissenschaften und Künste, sowie sie mit dem Namen Laren und Penaten die Schutzgeister der Familie bezeichneten. Auch bei den Neueren haben die Künste, die verschiedenen Industrien, die Städte, Gegenden ihre Schutzpatrone, die nichts anderes sind, als höhere Geister, nur unter anderen Namen. Da jeder Mensch seine sympatischen Geister hat, so folgt daraus, dass bei den Kollektivindividuen die Gesamtheit der sympathischen Geister mit derjenigen der Individuen in Beziehung steht, dass die fremden Geister durch Gleichheit der Neigungen und Gefühle dahin gezogen werden, kurz, dass diese Vereinigungen so gut wie die Einzelmenschen mehr oder weniger umgeben, unterstützt, beeinflusst sind je nach der Denkweise der Menge.



Bei den Völkern sind es die Sitten, Gewohnheiten, der herrschende Charakter, besonders die Gesetze in denen sich der National – charakter abspiegelt, welche den Grund der Anziehung für die Geister bilden. Die Menschen, welche die Gerechtigkeit unter sich zur Herrschaft bringen, bekämpfen den Einfluss der bösen Geister. Überall wo die Gesetze ungerechte, der Menschlichkeit widersprechende Dinge heiligen, sind die guten Geister in der Minderheit und die Menge der herbeiströmenden Bösen unterhält die Nation in ihren Ideen und entkräftet die einzelnen guten Einflüsse, die sich in der Menge verlieren wie ein vereinzeltes Korn inmitten des Unkrauts. Beim Studium der Sitten eines Volkes oder überhaupt jeder Vereinigung von Menschen ist es daher leicht, sich eine Vorstellung der verborgenen Bevölkerung zu machen, die sich in ihre Handlungen und Gedanken mischt.




Vorahnungen

522. Ist die Vorahnung immer eine Benachrichtigung von Seiten des Schutzgeistes?

„Die Vorahnung ist stets der vertraute und geheime Rat eines euch wohlwollenden Geistes. Sie liegt auch in der Intuition einer getroffenen Wahl; sie ist die Stimme des Instinkts. Der Geist hat vor seiner Inkarnation Kenntnis von den hauptsächlichsten Wandlungen seiner Existenz, d.h. der Art von Prüfungen, die er übernimmt. Sind sie von einem hervortretenden Charakter, so bewahrt er davon eine Art von Eindruck in seinem Inneren und dieser, der die Stimme des Instinkts ist, die sich beim Herannahen des Zeitpunkts regt, wird zur Vorahnung.“


523. Vorahnungen und Stimme des Instinkts haben stets etwas Unbestimmtes. Was sollen wir in der Ungewissheit dann tun?

„Bist du in Ungewissheit, so rufe deinen guten Geist an oder bitte unserer aller Herr, Gott, dass er dir einen seiner Boten, einen der Unsrigen sende.“


524. Haben die Mahnungen unserer Schutzgeister nur das moralische Verhalten, oder auch unser Benehmen in weltlichen Dingen des Privatlebens zum Gegenstand?

„Alles: sie suchen euch so gut als möglich leben zu machen; aber oft verschließt ihr dem guten Rat die Ohren und werdet unglücklich durch eure eigenen Fehler.“



Die Schutzgeister helfen uns mit ihren Ratschlägen durch die Stimme des Gewissens, die sie in uns ertönen lassen. Da wir derselben oft nicht das nötige Gewicht beilegen, geben sie uns deren noch unmittelbarere, indem sie sich der Personen unserer Umgebung bedienen. Es prüfe jeder die verschiedenen glücklichen und unglücklichen Umstände seines Lebens und er wird entdecken, dass er bei gar vielen Gelegenheiten Ratschläge empfing, die er nicht immer benutzte und die ihm sehr viele Unannehmlichkeiten erspart hätten, wenn er auf sie gehört hätte.




Einfluss der Geister auf Lebensereignisse

525. Üben die Geister einen Einfluss auf die Ereignisse unse res Lebens aus?

„Gewiss, da sie dir ja Rat erteilen.“



525a. Üben sie diesen Einfluss auch anders als durch Gedanken aus, die sie uns eingeben, d.h. haben sie eine unmittelbare Wirksamkeit bei der Ausführung der Dinge?

„Ja, aber sie handeln nie außerhalb der Grenzen der Naturgesetze.“



Wir bilden uns fälschlich ein, die Wirksamkeit der Geister könne sich nur durch außergewöhnliche Manifestationen äußern; wir möchten sie gerne mit Wundern uns zu Hilfe kommen sehen und stellen sie uns stets als mit einem Zauberstab bewaffnet vor. So ist es aber nicht und darum scheint uns ihr Wirken verborgen und was durch ihre Mitwirkung geschieht, ganz natürlich. So können sie z. B. das Zusammentreffen zweier Personen veranlassen, die nun meinen, sich zufällig zu begegnen; sie geben einem den Gedanken ein, bei dem und dem Ort vorbeizugehen, sie lenken seine Aufmerksamkeit auf den und den Punkt, wenn es den von ihnen gewünschten Erfolg herbeiführen soll, so dass der Mensch, indem er seinem eigenen Antrieb zu folgen meint, stets seinen freien Willen behält.


526. Da die Geister eine Wirksamkeit auf die Materie besitzen, können sie dann gewisse Wirkungen herbeiführen, in der Absicht, sich ein Ereignis erfüllen zu lassen? Es soll z. B. ein Mensch umkommen, er steigt auf eine Leiter, die Leiter bricht und der Mensch stirbt: Sind es hier nun die Geister, welche die Leiter brechen lassen, um das Schicksal des Menschen zu erfüllen?

„Es ist ganz richtig, dass die Geister eine Wirksamkeit über den Stoff ausüben, jedoch nur zur Ausführung der Naturgesetze und nicht um sie zu durchbrechen, in dem sie an einem bestimmten Punkt ein unerwartetes Ereignis herbeiführen, das jenen Gesetzen widerspricht. In dem von dir angeführten Beispiel brach die Leiter, weil sie wurmstichig oder nicht stark genug war, die Last des Mannes zu tragen. Lag es in der Bestimmung dieses Menschen, auf diese Weise umzukommen, so geben sie ihm den Gedanken ein, diese Leiter zu besteigen, die unter seiner Last brechen musste und sein Tod findet durch eine natürliche Wirkung, ohne dass ein Wunder dazu nötig ist.“



527. Nehmen wir ein anderes Beispiel, wo der natürliche Zustand des Stoffes nicht in Betracht kommt. Ein Mensch soll durch den Blitz umkommen: Er flüchtet unter einen Baum, der Blitz schlägt da rein und er wird getötet. Könnten nun hier die Geister den Blitz veranlassen und ihn auf jenen richten?

„Das ist wieder dasselbe. Der Blitz schlug in diesen Baum ein und in diesem bestimmten Augenblick, weil es so in den Naturgesetzen lag. Er wurde nicht gegen diesen Baum gerichtet, weil der Mensch darunter war, aber dem Menschen war der Gedanke eingegeben, sich unter einen Baum zu flüchten, in den der Blitz einschlagen sollte, denn der Baum wäre nicht minder getroffen worden, ob der Mensch darunter war oder nicht.“



528. Ein übelwollender Mensch wirft einen Gegenstand gegen jemanden, er streift ihn, aber trifft ihn nicht. Kann da ein wohlwollender Geist ihn abgelenkt haben?

„Wenn die Person nicht getroffen werden soll, so wird der wohlwollende Geist ihr den Gedanken eingeben sich abzuwenden oder er kann auch ihren Feind so blenden, dass er schlecht zielt, denn ist einmal das Geschoß geschleudert, so folgt es der Bahn, die es durchlaufen muss.“


529. Was ist von den Zauberkugeln zu halten, von denen die Legenden zu erzählen wissen und die stets ihr Ziel treffen?

„Reine Einbildungen. Der Mensch liebt das Wunderbare und begnügt sich nicht mit den Wundern der Natur.“



529a. Können die Geister, welche die Ereignisse des Lebens lenken, von Geistern, die das Gegenteil wollen gehindert werden?

„Was Gott will, muss geschehen. Tritt eine Verzögerung oder ein Hindernis ein, so geschieht auch dies mit seinem Willen.“

530. Können nicht die Leichtfertigen und Spottgeister jene kleinen Verlegenheiten bereiten, die unsere Pläne kreuzen und unsere Vorsichtsmaßregeln zunichte machen, kurz, sind sie die Urheber dessen, was man gemeinhin die kleinen Leiden des menschlichen Lebens nennt?

„Sie gefallen sich in diesen Plackereien, die für euch Prüfungen abgeben, um euch in der Geduld zu üben. Aber sie werden müde, wenn sie sehen, dass sie nicht zum Ziel kommen. Indessen wäre es weder gerecht noch richtig, jedes Mal, wenn ihr euch verrechnet habt, es ihnen aufzubürden, während vielleicht ihr selbst es durch eure Unüberlegtheiten verschuldet; denn glaube mir nur, wenn dir Schüssel oder Teller zerbricht, so kommt das viel wahrscheinlicher von deiner Ungeschicklichkeit, als von den Geistern.“



530a. Handeln die Geister, die dergleichen Plackereien anstellen, aus persönlicher Gereiztheit, oder werfen sie sich auf den ersten Besten ohne bestimmten Grund, einzig und allein aus Bosheit?

„Das eine und das andere. Zuweilen sind es Feinde, die man sich in diesem oder in einem anderen Leben gemacht hat und die einen nun verfolgen, ein anderes Mal liegen gar keine Gründe vor.“

531. Erlöscht das Übelwollen der Wesen, die uns auf Erden Böses getan haben, mit ihrem leiblichen Leben?

„Oft sehen sie ihr Unrecht ein und erkennen das Böse, das sie getan haben; oft aber auch verfolgen sie euch noch ferner, wenn Gott es zulässt, um eure Prüfungen fortzusetzen.“



531a. Kann man hier ein Ende machen und durch was für Mittel?

„Ja, man kann für sie beten und wenn man ihnen Böses mit Gutem vergilt, erkennen sie endlich ihr Unrecht. Übrigens, wenn man sich über ihre Ränke erhaben zeigt, so hören sie endlich damit auf, weil sie sehen, dass sie nichts ausrichten.“



Die Erfahrung lehrt, dass gewisse Geister ihre Rache von einer Existenz auf die andere übertragen und dass man so früher oder später das Unrecht, das man gegen jemanden ausübte, büßen muss.


532. Haben die Geister die Macht, von gewissen Personen Übel abzuwenden und ihnen Glück zu bringen?

„Nicht ganz, denn es gibt Übel, die in den Beschlüssen der Vorsehung liegen: hingegen können sie eure Schmerzen lindern, indem sie euch Geduld und Ergebenheit eingeben.



Wisset auch, dass es oft von euch selbst abhängt, solche Übel abzuwenden, oder wenigstens abzuschwächen. Gott hat euch den Verstand gegeben, um denselben zu gebrauchen und gerade hierin kommen euch die Geister zu Hilfe, indem sie euch gute Gedanken eingeben. Aber sie helfen nur denen, die sich selbst zu helfen wissen. Das ist der Sinn jener Worte: „Sucht, so werdet ihr finden, klopft an, so wird euch aufgetan.



Wisset auch das noch, dass, was euch ein Übel scheint, oft keines ist. Oft soll daraus etwas Gutes hergehen, das größer ist als das Übel und das begreift ihr dann nicht, weil ihr nur an den Augenblick denkt oder an euer liebes Ich.“


533. Können uns die Geister Glücksgüter verschaffen, wenn man sie zu diesem inständig bittet?

„Zuweilen als Prüfung: oft aber weigern sie sich, wie man einem Kind eine unbedachte Bitte abschlägt.“



533a. Sind es die guten oder die bösen Geister, die diese Vergünstigungen erteilen?

„Die einen wie die anderen, das hängt von der Absicht ab; meistens aber sind es die Geister, die euch zum Bösen verleiten möchten und die in den Genüssen, die das Glück bietet, dazu ein leichtes Mittel finden.“



534. Wenn Hindernisse in verhängnisvoller Weise unsere Pläne zu durch – kreuzen scheinen, geschähe dies durch den Einfluss eines Geistes?

„Zuweilen sind es die Geister, andere Male und gewöhnlich benehmt nur ihr selbst euch dabei nicht, wie ihr solltet. Stellung und Charakter haben hier großen Einfluss. Wenn ihr hartnäckig auf einem Weg besteht, der nicht euer Weg ist, so haben die Geister damit nichts zu schaffen. Ihr selbst seid nur euer eigener böser Geist.“



535. Wenn uns ein besonderes Glück widerfährt, haben wir dies dann unserem Schutzgeist zu verdanken?

„Dankt zunächst Gott, ohne dessen Zulassen nichts geschieht, sodann den guten Geistern, die seine Diener waren.“



535a. Was geschähe, wenn man den Dank vernachlässigte?

„Was den Undankbaren geschieht.“



535b. Doch gibt es Leute, die weder beten noch danken und denen doch alles gelingt?

„Ja, aber warte auf das Ende. Sie werden ihr vergängliches Glück teuer bezahlen; denn je mehr sie empfangen haben, desto mehr haben sie wieder zu erstatten.“




Einwirkung der Geister auf Naturerscheinungen

536. Entspringen die großen Naturerscheinungen, welche man als eine Umwälzung der Elemente betrachtet, aus zufälligen Ursachen, oder sind sie von der Vorsehung beabsichtigt?

„Alles hat seinen Grund und nichts geschieht ohne die Zulassung Gottes.“



536a. Haben diese Erscheinungen stets den Menschen zum Gegenstand?

„Zuweilen haben sie einen den Menschen unmittelbar betreffenden Grund, oft aber dienen sie nur zur Wiederherstellung des Gleichgewichts und der Harmonie der physischen Naturgewalten.“



536b. Wir erkennen gar wohl, dass Gottes Wille die erste Ursache von allem ist, da wir aber wissen, dass die Geister eine Wirkung auf den Stoff ausüben können und dass sie die Diener des Willens Gottes sind, so fragen wir: Ob einige von ihnen nicht einen Einfluss auf die Elemente ausüben dürften, um sie zu erregen, zu stillen und zu lenken?

„Das ist außer Zweifel und kann nicht anders sein: Gott übt keine unmittelbare Wirkung auf den Stoff aus, dazu hat er seine ergebenen Diener auf allen Stufen der Welten.“



537. Die Götterlehre der Alten ist ganz auf die spiritistischen Ideen gegründet, nur mit dem Unterschied, dass sie die Geister als Gottheiten betrachten. Ferner stellen sie diese Götter oder Geister mit besonderen Befugnissen dar: So standen die einen den Winden, andere dem Blitz, andere dem Pflanzenleben vor u.s.w. Entbehrt dieser Glaube jeden Grundes?

„So wenig entbehrt es des Grundes, dass er vielmehr noch tief unter der Wahrheit steht.“



537a. Aus demselben Grund könnte es also Geister geben, die das Innere der Erde bewohnen und den geologischen Erscheinungen vorstehen?

„Diese Geister bewohnen nicht gerade die Erde, aber sie regieren doch ihren Befugnissen entsprechend. Einst wird euch die Erklärung aller dieser Erscheinungen offenbar werden und ihr werdet sie besser verstehen.“



538. Bilden die den Naturerscheinungen vorstehenden Geister eine besondere Klasse in der geistigen Welt? Sind es besondere Wesen oder Geister, welche inkarniert waren, wie wir selbst es sind?

„Die es sein werden, oder die es gewesen sind.“



538a. Gehören diese Geister zu den höheren oder niedrigeren Klassen der geistigen Rangordnung?

„Je nachdem ob ihre Aufgabe mehr oder wenig stofflich oder geistig ist: die einen befehlen, die anderen führen aus; diejenigen, die stoffliche Dinge ausführen, sind stets niedrigeren Ranges, bei den Geistern ist es wie bei den Menschen.“


539. Wirkt bei dem Hervorbringen gewisser Erscheinungen, z.B. der Gewitter, ein einziger oder vereinigen sie sich dazu in Massen?

„In unzähligen Massen.“



540. Handeln die Geister, die eine Wirkung auf die Naturerscheinungen ausüben, mit Sachkenntnis und Kraft ihres freien Willens, oder auf instinktartigen und unüberlegten Antrieb?

„Die einen ja, die anderen nein. Machen wir ein Vergleich. Denke dir jene Myriaden von Tierchen, die Inseln und ganze Gruppen von Inseln aus dem Meer emporsteigen lassen. Glaubst du, dass hier kein Zweck der Vorsehung zu Grunde liege und dass diese Umgestaltung der Erdfläche nicht zur allgemeinen Harmonie notwendig sei? Und doch sind es nur Tiere der niedrigsten Stufe, welche diese Dinge vollbringen, indem sie zugleich ihre Bedürfnisse befriedigen, ohne eine Ahnung zu haben, dass sie Gottes Werkzeuge sind. Nun denn!; gerade so sind auch die am weitesten zurückgebliebenen Geister dem Ganzen von Nutzen; während sie sich erst am Leben versuchen und bevor sie noch das volle Bewusstsein ihrer Handlungen und einen freien Willen haben, wirken sie auf gewisse Erscheinungen, deren Diener oder Triebfedern sie sind, ohne es zu wissen.



Zunächst führen sie nur aus, später, wenn ihre Intelligenz weiter entwickelt ist, werden sie befehlen und die Dinge der stofflichen Welt leiten; noch später können sie auch die Dinge der moralischen Welt leiten. So dient alles und verbindet sich alles in der Natur vom ersten Atom bis zum Erzengel, der selbst mit dem Atom begonnen hat, eine wunderbare Harmonie, deren Ganzes euer beschränkter Geist noch nicht zu fassen vermag.“




Geister während der Kämpfe

541. Gibt es in einer Schlacht Geister, die je eine Partei unterstützen?
„Ja, und solche, die ihren Mut entflammen.“ So stellten uns einst die Antiken die Götter, als für das eine oder das andere Volk Partei nehmend dar. Diese Götter waren nichts anderes als versinnbildlichte Geister.


542. In einem Krieg ist die Gerechtigkeit stets nur auf einer Seite: Wie nehmen nun die Geister für diejenige Partei, welche im Unrecht ist?

„Ihr wisst ja, dass es Geister gibt, die nur Zwietracht und Zerstörung lieben: Für diese ist der Krieg einfach Krieg, die Gerechtigkeit der Sache berührt sie wenig.“



543. Können gewisse Geister den Feldherrn bei seinen Feldzugsplänen beeinflussen?

„Ohne allen Zweifel. Die Geister können hier wie bei jedem anderen Plan ihren Einfluss üben.“


544. Könnten böse Geister ihm falsche Berechnungen eingeben, um ihn zu verderben?

„Ja; aber hat er nicht seinen freien Willen? Wenn seine Urteilskraft es ihm nicht gestattet, einen richtigen Gedanken von einem falschen zu unterscheiden, so trägt er selbst die Folgen und dann täte er besser zu gehorchen als zu befehlen.“


545. Kann der Feldherr zuweilen durch eine Art zweites Gesicht geleitet werden, durch eine unwillkürliche Anschauung, die ihm das Ergebnis seiner Berechnungen vorauszeigt?

„Das kommt oft so vor bei einem Mann von Genie, er nennt dies dann Inspiration und dies macht, dass er mit einer Art von Gewissheit handelt. Diese Inspiration kommt von den ihn leitenden Geistern, die seine Fähigkeiten benutzen.“


546. Was wird im Gewühl des Kampfes aus den Geistern, die unterliegen? Nehmen sie nach dem Tod noch Anteil am Kampf?

„Einige tun es, andere entfernen sich.“



In den Schlachten geschieht, was bei allen Fällen gewaltsamen Todes vorkommt: Im ersten Augenblick ist der Geist überrascht und wie verstört und glaubt nicht tot zu sein; er meint noch an der Aktion teilzunehmen; erst allmählich wird ihm die Wirklichkeit klar.


547. Erkennen sich die Geister, die sich im Leben bekämpften, wenn sie tot sind, als Feinde wieder und sind sie noch immer in Wut gegeneinander?

„In diesen Augenblicken ist der Geist nie von kaltem Blut. Im ersten Augenblick kann er seinem Feind noch zürnen, ja ihn noch verfolgen. Kehrt ihm aber die Besonnenheit wieder, so sieht er, dass seine Gereiztheit keinen Gegenstand mehr hat, immerhin aber kann er, je nach seinem Charakter noch Spuren derselben zeigen.“



547a. Vernimmt er noch das Waffengetöse?

„Ja, vollkommen.“


548. Ist der Geist, der kaltblütig als Zuschauer einem Kampf beiwohnt, Zeuge der Trennung der Seele vom Leib und wie stellt sich ihm diese Erscheinung dar?

„Es gibt nur selten einen ganz augenblicklichen Tod. Meistens hat der Geist, dessen Leib soeben tödlich getroffen war, in dem Moment kein Bewusstsein davon. Wenn er sich wiederzuerkennen beginnt, dann lässt sich der Geist bemerken, wie er sich zur Seite des Leichnams bewegt. Dies erscheint so natürlich, dass der Anblick des toten Leibes keinerlei unangenehmen Eindruck macht. Da alles Leben sich im Geist zusammendrängt, so lenkt dieser allein die Aufmerksamkeit auf sich. Mit ihm unterhält man sich, ihm gibt man Befehle.“




Von den Geister – Pakten

549. Ist etwas Wahres an den Verträgen mit den bösen Geistern?

„Nein, es gibt keine Verträge, sondern nur schlechte Naturen, die mit bösen Geistern sympathisieren. Z.B. du möchtest deinen Nachbarn quälen und du weißt nicht, wie du es anstellen könntest. Dann rufst du niedrige Geister herbei, die, so wie du, nur das Böse wollen und welche, wenn sie dir helfen sollen, von dir verlangen, dass du sie in ihren, schlechten Plänen unterstützest. Daraus folgt aber nicht, dass dein Nachbar sich einst ihrer durch eine entgegengesetzte Beschwörung und durch seinen eigenen Willen entledigen könnte. Wer eine schlechte Handlung begehen will, ruft schon dadurch allein böse Geister zu Hilfe. Dann muss er ihnen dienen, sowie sie ihm; denn auch sie bedürfen seiner zum Bösen, das sie tun wollen. Einzig hierin besteht der Pakt.“



Die zeitweilige Abhängigkeit des Menschen von niedrigen Geistern kommt davon, dass er sich den schlechten von ihnen eingegebenen Gedanken überlässt und nicht von irgendwelchen Abmachungen zwischen ihnen und ihm. Der Pakt im landläufigen Sinne des Wortes ist ein bildlicher Ausdruck, der eine böse Natur, die mit bösen Geistern sympathisiert, bezeichnet.



550. Was ist der Sinn der fantastischen Legenden von Individuen, die ihre Seele dem Teufel verkauft hätten, um von ihm einigen Nutzen zu ziehen?

„Alle Fabeln schließen eine Lehre und einen moralischen Sinn in sich. Ihr tut nur Unrecht, sie wörtlich zu nehmen. Diese ist eine Allegorie, die man in folgender Weise auslegen kann: Wer die Geister zu Hilfe ruft, um von ihnen Glücksgüter oder was sonst für eine Gunst zu erlangen, der murrt gegen die Vorsehung, er verzichtet auf seine Sendung und auf die Prüfungen, die er hier auf Erden bestehen soll und davon wird er die Folgen im künftigen Leben zu tragen haben. Damit ist nicht gesagt, dass seine Seele für immer dem Unglück geweiht sei; aber da er, statt sich vom Stoff frei zu machen, sich immer mehr in denselben versenkt, so wird er, was er auf Erden an Freuden genossen hat, im Reich der Geister nicht mehr besitzen, bis er es durch neue, vielleicht größere und schwerere Prüfungen wieder gut gemacht hat. Durch seine Liebe zu materiellen Genüssen begibt er sich in die Abhängigkeit von den unreinen Geistern: Es ist ein, zwischen diesen und ihm geschlossener stillschweigender Vertrag, der ihn ins Verderben stürzt, den es ihm aber stets leicht ist zu zerreißen mit Hilfe der guten Geister, wenn er den festen Willen hat.“





Geheime Macht. Talismane. Hexerei

551. Kann ein schlechter Mensch mit Hilfe eines ihm ergebenen bösen Geistes seinem Nächsten Übles zufügen?

„Nein, Gott ließe es nicht zu.“



552. Was ist von dem Glauben zu halten, wonach gewisse Leute die Macht hätten, einen zu behexen?

„Gewisse Leute besitzen eine sehr große magnetische Kraft, von der sie, wenn ihr eigener Geist böse ist, einen schlechten Gebrauch machen können und in diesem Fall können sie von anderen bösen Geistern unterstützt werden. Glaubt aber nicht an eine solche angebliche magische Gewalt, die nur in der Einbildung abergläubischer Menschen lebt, welche die wahren Naturgesetze nicht kennen. Die Tatsachen, die man hier anführt, sind nichts als schlecht beobachtete und namentlich schlecht verstandene natürliche Tatsachen.“


553. Welches mag die Wirkung der Formeln und Kunstgriffe sein, mit deren Hilfe gewisse Leute über den Willen der Geister verfügen zu können behaupten?

„Die Wirkung ist, dass sie sich lächerlich machen, wenn sie selbst daran glauben. Im umgekehrten Fall sind sie Schurken, die Züchtigung verdienen. Alle Formeln sind Taschenspielerkünste: Es gibt kein sakramentales Wort, kabbalistisches Zeichen, keinen Talisman, der irgendeine Wirkung auf die Geister ausübte, denn diese werden durch den Gedanken und nicht durch materielle Dinge angezogen.“



553a. Haben nicht gewisse Geister zuweilen selbst kabbalistische Formeln diktiert?

„Ja, ihr habt Geister, die euch Zeichen, sonderliche Wörter angeben oder die euch gewisse Handlungen vorschreiben, mit deren Hilfe ihr sogenannte Beschwörungen vornehmt. Ihr könnt jedoch versichert sein, dass diese Geister nur eurer spotten und eure Leichtgläubigkeit ausbeuten.“


554. Kann der, welcher mit Recht oder Unrecht in die sogenannte Kraft seines Talismans Vertrauen setzt, einen Geist anziehen? Denn dann ist ja der Gedanke, welcher wirkt und der Talisman nur ein Zeichen, das dem Gedanken die Richtung gibt?

,,Das ist wahr. Aber die Natur des angezogenen Geistes hängt von der Absicht und der Höhe der Gefühle ab. Nun wird der, welcher einfältig genug ist, an die Kraft eines Talismans zu glauben, selten eher einen moralischen als vielmehr einen materiellen Zweck verfolgen. Jedenfalls deutet dies auf eine Kleinlichkeit und Schwäche des Denkens, welche den unvollkommenen und den Spottgeistern Anlass zur Einmischung gibt.“



555. Was für einen Sinn soll man mit der Eigenschaft der Hexerei verbinden?

„Was ihr Hexen nennt, sind Leute, die, wenn aufrichtig, mit gewissen Fähigkeiten wie Magnetismus und zweitem Gesicht begabt sind und die ihr dann, da sie euch unbegreifliche Dinge verrichten, für mit einer übernatürlichen Kraft begabt haltet. Haben nicht eure Gelehrten bei der unwissenden Menge oft genug für Hexen gegolten?“



Der Spiritismus und der Magnetismus geben uns den Schlüssel zu einer Menge von Erscheinungen, auf welche die Unwissenheit eine Unzahl von Fabeln gebaut hat, bei denen die Tatsachen durch die Einbildung übertrieben werden. Das vorurteilslose Verständnis dieser beiden Wissenschaften, die sozusagen nur eine bilden, ist, indem es die Wirklichkeit der Dinge und ihren wahren Zusammenhang zeigt, das beste Schutzmittel gegen abergläubische Vorstellungen, weil man so sieht, was möglich und was unmöglich ist, was in den Naturgesetzen liegt und was nur eine lächerliche Meinung ist.

556. Haben gewisse Leute wirklich die Gabe, durch einfache Berührung zu heilen?

„Die magnetische Kraft kann sich soweit erstrecken, wenn sie von Reinheit der Gesinnung und einem starken Verlangen, Gutes zu wirken, begleitet wird, denn dann kommen ihr die guten Geister zu Hilfe. Man muss aber der Art und Weise misstrauen, wie die Dinge von zu leichtgläubigen oder zu begeisterten Personen erzählt werden, die stets auch in den einfachsten und natürlichsten Dingen nur Wunder und Zeichen erblicken wollen. Ebenso ist den eigennützigen Erzählungen von Leuten zu misstrauen, welche die Leichtgläubigkeit zu ihrem Vorteil ausnutzen.“




Segen und Fluch

557. Können Segen und Fluch, Gutes oder Böses auf diejenigen herabziehen, welche deren Gegenstand sind?

„Gott hört auf keinen ungerechten Fluch und wer ihn aus – spricht, ist schuldig vor ihm. Da wir die beiden entgegengesetzten Geister, das Gute und Böse haben, so kann dabei ein momentaner Einfluss, selbst auf den Stoff, obwalten; dieser Einfluss findet aber nur nach Gottes Willen statt und als Zugabe der Prüfung für den davon Betroffenen. Übrigens verflucht man meistenteils die Bösen und segnet die Guten. Segen und Fluch können nie die Vorsehung vom Weg der Gerechtigkeit abbringen; sie trifft den Verfluchten nur, wenn er böse ist und ihren Schutz breitet sie nur über den, welcher ihn verdient.“





KAPITEL X – Beschäftigungen und Missionen der Geister

558. Haben die Geister etwas anderes zu tun, als sich persönlich zu vervollkommnen?
„Sie wirken zur Harmonie des Universums mit, indem sie den Willen Gottes ausführen, dessen Diener sie sind. Das geistige Leben ist eine fortwährende Beschäftigung, die aber nichts Mühsames hat, wie auf Erden, weil es weder leibliche Ermüdung noch eine Angst der Bedürfnisse gibt.“


559. Erfüllen auch die niederen und unvollkommenen Geister eine nützliche Aufgabe im Universum?
„Alle haben Pflichten zu erfüllen. Trägt nicht auch der letzte Maurer so gut zum Bau des Gebäudes bei, wie der Baumeister?“ (540.).


560. Haben die Geister ein jeder seine besonderen Eigenschaften?
”Wir müssen alle überall wohnen und uns die Kenntnis aller Dinge erwerben, indem wir der Reihe nach allen Teilen des Alls vorstehen. Aber, wie geschrieben steht im Prediger Salomonis: Alles hat seine Zeit. So erfüllt heute dieser seine Aufgabe in dieser Welt, ein anderer zu einer anderen Zeit, auf der Erde, im Wasser, in der Luft u.s.w.“


561. Sind die Verrichtungen der Geister in der Ordnung der Dinge für jeden stets dieselben und liegen sie in den Eigenschaften gewisser Klassen?
„Alle müssen die ganze Stufenleiter zu ihrer Vervollkommnung durchlaufen. Gott, der gerecht ist, konnte nicht den einen die Erkenntnis ohne Arbeit schenken wollen, während sie andere nur mittelst Mühe und Anstrengung erwerben.“ Ebenso gelangt auch bei den Menschen keiner in irgendeiner Kunst auf die höchste Stufe der Geschicklichkeit, ohne die nötigen Kenntnisse durch Dienst von unten auf in derselben sich erworben zu haben.



562. Befinden sich die Geister höchster Ordnung, da sie sich nichts mehr zu erwerben brauchen, in einer absoluten Ruhe oder haben sie auch Beschäftigungen?
,,Was sollten sie denn die Ewigkeit hindurch tun? Eine ewige Untätigkeit wäre eine ewige Strafe.“


562a. Was ist denn das Wesen ihrer Beschäftigungen?
„Gottes Befehle empfangen, sie im All auszuteilen und über deren Ausführung zu wachen.“



563. Werden die Beschäftigungen der Geister durch nichts unterbrochen ?
„Durch nichts, wenn man darunter versteht, dass ihr Denken ununterbrochen tätig ist, denn sie leben vom Gedanken. Man darf jedoch ihre Beschäftigungen nicht mit den materiellen der Menschen zusammenwerfen: die Tätigkeit an sich ist für sie ein Genuss vermöge des Bewusstseins Nutzen zu stiften.“


563a. Das ist begreiflich bei den guten Geistern, aber verhält es sich auch ebenso mit den niedrigen ?

„Die niederen Geister haben ihrer Natur angepasste Beschäf – tigungen. Vertraut ihr den Handlangern, dem Unwissenden die Arbeiten eines gebildeten Menschen an?“


564. Gibt es unter den Geistern solche, die müßig gehen oder sich mit nichts Nützlichem beschäftigen?
„Ja, aber dieser Zustand ist ein vorübergehender und der Entwicklung ihres Erkenntnisvermögens untergeordnet. Gewiss gibt es auch unter ihnen wie bei den Menschen solche, die nur sich selbst leben. Aber dieser Müßiggang lastet schwer auf ihnen und früher oder später erweckt die Sehnsucht nach Fortschritt in ihnen das Bedürfnis der Tätigkeit und dann sind sie glücklich, wenn sie sich nützlich machen können. Wir reden hier von den Geistern, welche zum Selbstbewusstsein und zur Willensfreiheit durchgedrungen sind; denn bei ihrem Ursprung gleichen sie den neugeborenen Kindern, welche mehr durch Instinkt als einen bestimmten Willen tätig sind.“


565. Prüfen die Geister die Leistungen unserer Kunst und interessieren sie sich dafür?
„Sie prüfen alles, was die Erhebung der Geister und ihren Fortschritt beweist.“


566. Interessiert sich ein Geist, der auf Erden eine Spezialität betrieben hat, z. B. ein Maler, ein Architekt, vornehmlich für solche Arbeiten, die einst der Gegenstand seiner Neigung gewesen war?
„Alles klingt in einem Gesamtzweck zusammen. Wenn er gut ist, so interessiert er sich dafür gerade so weit als dies ihm gestattet sich mit der Förderung der Seelen in ihrem Aufsteigen zu Gott zu beschäftigen. Ihr vergesst übrigens, dass ein Geist, der in seinem euch bekannten Dasein eine bestimmte Kunst betrieb, in einem anderen Dasein eine andere konnte betrieben haben; denn er muss alles wissen, um vollkommen zu sein. So kann es, je nach dem Grad seines Fortschrittes, auch gar keine Spezialität möglicherweise für ihn geben. Das meinte ich mit den Worten: Alles klingt in einem Gesamtzweck zusammen. Merkt euch auch das noch: Was bei euch auf eurer zurückgebliebenen Welt erhaben ist, ist auf fortgeschrittenen Welten nur Kinderei. Wie könnt ihr von Geistern, welche jene Welten bewohnen, wo es von euch ungeahnte Künste gibt, verlangen, dass sie das bewundern, was für sie nur eine Schülerarbeit ist? Ich habe es gesagt: Sie prüfen, was den Fortschritt nachzuweisen vermag.“


566a. Wir begreifen, dass es mit den sehr fortgeschrittenen Geistern sich so verhalten muss; aber wir reden von den gemeineren Geistern, die sich noch nicht über die irdischen Vorstellungen erhoben haben.
„Bei diesen ist es anders; ihr Gesichtspunkt ist viel beschränkter und sie mögen bewundern, was ihr selbst bewundert.“


567. Mischen sich die Geister zuweilen in unsere Beschäftigungen und Vergnügungen?
„Die gemeinen Geister ja, wie du es sagst. Diese sind ohne Unterlass um euch und nehmen oft sehr lebhaft an dem Teil was ihr treibt, je nach ihrer Natur und es ist auch wohl nötig, die Menschen auf ihren verschiedenen Lebenswegen anzutreiben oder ihre Leidenschaften zu mäßigen.“ Die Geister beschäftigen sich mit den Dingen dieser Welt je nach ihrer Erhabenheit oder Niedrigkeit. Die höheren besitzen ohne Zweifel die Fähigkeit, sie auch in den kleinsten Einzelheiten zu durchschauen, tun es aber nur soweit es zum Fortschritt dient; nur die niederen Geister legen denselben eine ihren noch fortlebenden Erinnerungen und ihren, noch nicht erloschenen sinnlichen Vorstellungen entsprechende Wichtigkeit bei.




568. Erfüllen die Geister, die eine Mission übernommen haben, diese im wandernden oder im Zustand der Inkarnation?
„In beiden Zuständen können sie Missionen haben. Für gewisse Wandergeister ist dies eine Hauptbeschäftigung.“


569. Worin bestehen die Missionen der Wandergeister?
„Sie sind so verschieden, dass es unmöglich wäre sie zu beschreiben; übrigens gibt es solche, die ihr nicht begreifen würdet.


Die Geister vollziehen den Willen Gottes und ihr könnt nicht in alle seine Pläne eindringen. “Die Misssionen der Geister haben stets das Gute zum Gegen – stand. Sei es als Geister oder als Menschen, stets sind sie berufen den Fortschritt der Menschheit, der Völker oder der Individuen in einem weiteren oder engeren, mehr oder weniger speziellen Kreis zu fördern, die Wege für gewisse Ereignisse zu ebnen, über die Ausführung gewisser Dinge zu wachen. Einige haben beschränktere und gewissermaßen persönliche oder ganz lokale Missionen, wie den Kranken, Sterbenden, Betrübten beizustehen, über diejenigen zu wachen, deren Führer und Beschützer sie werden, sie durch ihre Ratschläge oder die guten Gedanken, die sie ihnen eingeben, zu leiten. Man kann sagen, es gebe ebenso viele Arten von Missionen als es Arten von zu überwachenden Interessen gibt, sei es in der physischen, sei es in der moralischen Welt. Der Geist schreitet fort nach der Art, wie er seine Aufgabe erfüllt.



570. Durchschauen die Geister immer die Pläne, die sie auszuführen haben?
„Nein, es gibt solche, die nur blinde Werkzeuge sind, andere wiederum wissen sehr wohl, zu welchem Zweck sie handeln.“



571. Führen nur erhabene Geister Missionen aus?
„Die Wichtigkeit der Missionen steht im Verhältnis zu den Fähigkeiten und der Höhe des Geistes. Der Kurier, der eine Depesche überbringt, erfüllt auch eine Sendung, welche aber freilich nicht die des Feldherrn ist.“



572. Wird dem Geist seine Mission auferlegt oder hängt sie von seinem Willen ab?
„Er bittet um sie und ist glücklich, wenn er sie erhält.“


572a. Kann die gleiche Mission von mehreren Geistern verlangt werden?
„Ja, es gibt zuweilen mehrere Bewerber, aber nicht jeder wird angenommen.“


573. Worin besteht die Mission der inkarnierten Geister?
„Die Menschen zu bilden, ihren Fortschritt zu fördern, ihre Einrichtungen auf unmittelbare und tatsächliche Weise zu vervollkommnen. Die Missionen sind aber mehr oder weniger allgemein und wichtig: Wer den Boden bebaut, erfüllt eine Mission, so gut wie der, welcher regiert oder lehrt. In der Natur hängt alles aneinander. Während der Geist sich durch seine Inkarnation reinigt, trägt er zugleich unter dieser Form zur Ausführung der Pläne der Vorsehung bei. Jeder hat hier auf Erden seine Sendung, weil jeder etwas nützen kann.“


574. Was kann die Sendung der Leute sein, die auf Erden freiwillig nichts nützen wollen?
„Allerdings gibt es Leute, die nur sich selbst leben und sich für nichts nützlich zu machen wissen. Das sind arme Wesen, die man beklagen muss, denn sie werden schmerzlich ihre freiwillige Unnützheit büßen und ihre Züchtigung beginnt oft schon hier auf Erden mit der Langweile und dem Lebensüberdruss.“


574a. Da sie doch die Wahl hatten, warum zogen sie dann ein Leben vor, das sie in nichts fördern konnte?
„Unter den Geistern gibt es auch träge, die vor einem Leben voll Arbeit zurückschrecken. Gott lässt sie gewähren: später und auf eigene Kosten werden sie die Nachteile ihrer Unnützlichkeit einsehen und werden die Ersten sein, die Wiedereinbringung ihrer verlorenen Zeit zu begehren. Vielleicht auch hatten sie ein nützlicheres Leben gewählt, aber einmal an der Arbeit, schreckten sie davor zurück und ließen sich von den Einflüsterungen der Geister hinreißen, die sie zum Müßiggang ermutigten.“


575. Die gemeinen Beschäftigungen erscheinen uns eher als Pflichten, denn als eigentliche Missionen. Die Mission, nach der dem Wort beigelegten Bedeutung hat einen weniger ausschließlichen und namentlich weniger persönlichen Charakter. Wie kann man in dieser Beziehung erkennen, ob ein Mensch eine wirkliche Sendung auf der Erde hat?
„An den großen Dingen, die er vollführt, an den Fortschritten, die er Seinesgleichen machen lässt.“



576. Sind die Menschen, die eine wichtige Mission haben, schon vor ihrer Geburt dazu vorausbestimmt und haben sie Kenntnis davon?
„Zuweilen ja; gewöhnlich aber wissen sie es nicht. Nur einen unbestimmten Zweck haben sie, wenn sie auf die Erde kommen. Ihre Mission zeichnet sich erst nach ihrer Geburt und je nach den Umständen. Gott führt sie auf den Weg, wo sie seine Pläne ausführen sollen.“


577. Wenn ein Mensch etwas Nützliches tut, geschieht dies dann immer Kraft eines früheren und vorausbestimmten Auftrags, oder kann er einen nicht vorausgesehenen Auftrag empfangen?
„Nicht alles was ein Mensch tut, ist die Folge einer vorausbes – timmten Mission. Oft ist er nur das Werkzeug in der Hand eines Geistes, der etwas Nützliches ausführen will. Ein Geist hält z. B. dafür, es wäre gut, wenn ein Buch geschrieben würde, das er selbst verfassen würde, wenn er inkarniert wäre. Er sucht daher den Schriftsteller, der am geeignetsten ist seine Ideen zu begreifen und auszuführen, gibt ihm dieselben ein und leitet ihn bei der Ausführung. So ist dieser nicht mit der Mission auf die Erde gekommen dieses Werk auszuführen. Ebenso verhält es sich mit gewissen künstlerischen Arbeiten und mit gewissen Entdeckungen. Auch ist noch hinzuzufügen, dass der inkarnierte Geist während seines Leibes Schlaf mit dem Wandergeist unmittelbar verkehrt und sie sich über die Ausführung verständigen.“


578. Kann der Geist durch seinen eigenen Fehler seine Mission nicht erfüllen?
„Ja, wenn er kein höherer Geist ist.“


578a. Welches sind dann die Folgen für ihn?
„Er muss seine Aufgabe noch einmal vornehmen. Das ist seine Strafe, außerdem hat er noch die Folgen des Übels zu tragen, das er verursachte.“


579. Da der Geist seine Mission doch von Gott empfängt, wie kann dan Gott einem Geist, der dieselbe verfehlen kann, eine wichtige Mission von allgemeinem Interesse anvertrauen?
„Weiß Gott etwa nicht, ob sein Feldherr siegen oder unterliegen wird? Er weiß es, seid dessen versichert, und seine Pläne beruhen, weil sie richtig sind, nicht auf denen, die ihr Werk mitten in der Arbeit verlassen sollten. Für euch liegt die ganze Frage in Gottes Kenntnis der Zukunft, die euch jedoch nicht gegeben ist.“


580. Hat der Geist, der sich zur Erfüllung einer Mission inkarniert, denselben Begriff von der Sache, wie derjenige, welcher sie als Prüfung übernimmt?
„Nein, er hat Erfahrung.“



581. Die Menschen, welche ein Licht sind für das menschliche Geschlecht,die es durch ihr Genie aufklären, haben gewiss eine Mission; aber unter ihnen gibt es auch solche, die sich irren und die neben großen Wahrheiten auch große Irrtümer verbreiten. Wie muss man ihre Mission auffassen?
„Als durch sie selbst gefälscht. Sie sind der Aufgabe, die sie unternommen haben, nicht gewachsen. Jedoch muss man den Umständen Rechnung tragen. Die Männer von Genie mussten reden, wie es ihre Zeit mit sich brachte und eine Lehre, die einer fortgeschritteneren Zeit irrig oder kindisch erscheint, konnte für ihre Zeit genügend sein.“



582. Kann man die Vaterschaft als eine Mission betrachten?
,,Unstreitig ist sie eine Mission. Sie ist zugleich eine sehr hohe Pflicht, welche des Menschen Verantwortlichkeit für die Zukunft mehr als ihr es denkt, in Anspruch nimmt. Gott stellte das Kind unter die Vormundschaft der Eltern, auf dass diese es auf dem Weg des Guten leiten und er erleichterte ihre Aufgabe dadurch, dass er ihm eine gebrechliche und zarte Organisation schenkte, die es allen Eindrücken zugänglich macht. Es gibt aber solche, denen mehr daran gelegen ist, die Bäume ihres Gartens zu stutzen und sie viel gute Früchte tragen zu machen, als den Charakter ihres Kindes zu bilden. Unterliegt letzteres durch ihre Fehler, so werden sie die Strafe dafür leiden und die Leiden ihres Kindes im künftigen Leben fallen auf sie zurück, denn sie taten nicht, was von ihnen abhing, zu seinem Fortschreiten auf der Bahn des Guten.“



583. Wenn ein Kind, trotz der Bemühungen der Eltern, nicht gut ausfällt, sind dann diese auch verantwortlich?
„Nein, je schlimmer jedoch die Neigungen des Kindes sind, desto schwerer ist ihre Aufgabe und desto größer ihr Verdienst, wenn es ihnen gelingt, es von bösen Wegen abzulenken.“


583a. Wenn ein Kind, trotz der Vernachlässigung und dem schlechten Beispiel seiner Eltern, ein guter Mensch wird, ernten diese dann einige Früchte davon?
„Gott ist gerecht.“



584. Welches kann die Natur der Mission des Eroberers sein, der nur seinem Ehrgeiz frönt und der, um diesen Zweck zu erreichen, vor keinen Schrecknissen zurückscheut, die er herbeiführt?
„Meistens ist er nur das Werkzeug, dessen sich Gott zur Ausführung seiner Pläne bedient und jedes Unglück ist zuweilen ein Mittel, ein Volk schneller fortschreiten zu machen.“


584a. Das Werkzeug jener vorübergehenden Unglücksfälle ist also dem Guten, das daraus entspringen kann, fremd, da dieser Mensch nur seine persönlichen Zwecke vor Augen hatte. Wird er nun nichtsdestoweniger von jenem Guten Nutzen ziehen?
„Jeder wird nach seinen Werken gelohnt, nach dem Guten, das er hat tun wollen und nach der Redlichkeit seiner Absichten.“

Die inkarnierten Geister haben Beschäftigungen, die mit ihrer leiblichen Existenz aufs Innigste verflochten sind. Im Zustand des Wanderns oder der Entkörperung dagegen stehen diese Beschäftigungen im Verhältnis zum Grad ihres Fortschrittes. Die einen durchziehen die Welten, unterrichten sich und bereiten sich vor auf eine neue Inkarnation. Andere, Fortgeschrittenere, beschäftigen sich mit dem Fortschritt, indem sie die Ereignisse leiten und segenbringende Gedanken eingeben; sie unterstützen die Männer von Genie, die zum Fortschreiten der Menschheit beitragen. Andere inkarnieren sich zu einer fortschrittlichen Mission. Wieder andere nehmen Individuen, Familien, Vereinigungen, Städte und Völker unter ihren Schutz, deren Schutzengel, Schutzgeister und sympathische Geister sie sind.

Andere endlich stehen den Naturereignissen vor, deren unmittelbare Lenker sie sind.

Die gemeinen Geister mischen sich in unsere Beschäftigungen und Vergnügungen. Die unreinen und unvollkommenen Geister warten in ihren Leiden und Ängsten auf den Zeitpunkt, wo Gott ihnen die Mittel zum Fortschreiten darbietet. Tun sie Böses, so geschieht dies aus Ärger über das Gute, dessen sie noch nicht teilhaftig sind.




KAPITEL XI – Drei Reiche



Mineralien und Pflanzen

585. Was haltet ihr von der Einteilung der Natur in drei Reiche oder auch in zwei Klassen: Organische und anorganische Wesen. Einige bilden aus dem Menschengeschlecht eine vierte Klasse. Welche dieser Einteilungen ist vorzuziehen?
„Sie sind alle gut; es kommt auf den Gesichtspunkt an. In stofflicher Beziehung gibt es nur organische und anorganische Wesen. Unter dem moralischen Gesichtspunkt gibt es augen – scheinlich vier Stufen.“


Diese vier Stufen haben in der Tat entscheidende Merkmale, wenn auch ihre Grenzen ineinander zu fließen scheinen. Der träge Stoff, der das Mineralreich bildet, besitzt nur eine mechanische Kraft. Die Pflanzen, die aus trägem Stoff gebildet sind, sind mit Lebenskraft begabt. Die Tiere, aus trägem Stoff gebildet und mit Lebenskraft begabt, besitzen außerdem eine instinktartige, beschränkte Intelligenz, verbunden mit dem Bewusstsein ihres Daseins und ihrer Individualität. Der Mensch, welcher alles besitzt, was in den Pflanzen und Tieren liegt, beherrscht alle anderen Klassen durch seine besondere, unbeschränkte Intelligenz, die ihm das Bewusstsein von seiner Zukunft, die Erkenntnis außerstofflicher Dinge und Gottes gewährt.


586. Haben die Pflanzen ein Bewusstsein ihres Daseins ?
„Nein, sie denken nicht, sie besitzen nur ein organisches Leben.“ *


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* In der französischen 2. Auflage (1860) war zu lesen: „Nein, sie denken nicht. Sie besitzen nur ein organisches und intuitives Leben“. Später hat Allan Kardec den Begriff „intuitives“ aus Verständlichkeitsgründen herausgenommen. (Anmerkung der Übersetzer)

587. Haben die Pflanzen Empfindung? Leiden sie, wenn man sie ver – stümmelt?
„Die Pflanzen empfangen physische Eindrücke, die auf den Stoff wirken, aber sie haben keine Wahrnehmung, folglich haben sie keine Empfindung des Schmerzes.“

588. Ist die Kraft, welche die Pflanzen zueinander hinzieht, unabhängig von ihrem Willen?
„Ja, da sie ja nicht denken. Es ist eine mechanische Kraft des Stoffes, die auf den Stoff wirkt. Sie können derselben nicht widerstehen.


589. Gewisse Pflanzen, wie die Sinnpflanze und die Fliegenfalle z. B. haben Bewegungen, die eine große Empfindlichkeit verraten und in gewissen Fällen auch eine Art von Willen, wie die letztere, deren Lappen die Fliege ergreifen, die sich auf sie setzt, um ihren Saft zu saugen und der sie eine Falle zu stellen scheint, um sie zu töten. Sind diese Pflanzen mit der Fähigkeit des Denkens begabt? Haben sie einen Willen und bilden sie eine Zwischenklasse zwischen den Pflanzen und dem Tierreich? Sind sie ein Übergang von einem zum anderen?
„Alles in der Natur ist Übergang, schon dadurch, dass nichts sich gleicht und doch alles sich erhält. Die Pflanzen denken nicht und haben folglich keinen Willen. Die sich öffnende Auster und alle Tierpflanzen denken nicht. Es ist nur ein blinder und natürlicher Instinkt.“


Der menschliche Organismus liefert uns Beispiele ähnlicher Bewegungen ohne Beteiligung des Willens, wie bei den Verdauungsprozessen. Der untere Magenmund schließt sich bei Berührung gewisser Körper, um ihnen den Durchpass zu verweigern. Ebenso muss es sich mit der Sinnpflanze verhalten, bei der die Bewegungen keineswegs die Notwendigkeit einer Wahrnehmung und noch weniger eines Willens bedingen.


590. Liegt nicht in den Pflanzen wie in den Tieren ein Erhaltungsinstinkt, der sie antreibt, das ihnen Nützliche aufzusuchen und das Schädliche zu meiden?
„Es ist dies in der Tat, wenn man will, eine Art Instinkt. Je nach der Ausdehnung des Sinnes dieses Wortes; aber er ist rein mechanischer Natur. Wenn ihr in der Chemie zwei Körper sich verbinden seht, so geschieht dies, weil sie sich entsprechen, d. h. weil eine Verwandtschaft zwischen beiden vorhanden ist. Und doch nennt ihr das nicht Instinkt.“

591. Sind auf den höheren Welten die Pflanzen wie die anderen Wesen vollkommenerer Natur?
„Alles ist vollkommener; aber die Pflanzen sind stets Pflanzen, wie die Tiere stets Tiere und die Menschen Menschen bleiben.“




Tiere und der Mensch

592. Wenn wir Menschen und Tiere unter dem Gesichtspunkt der Intelligenz vergleichen, so scheint die Scheidelinie schwer zu ziehen, denn gewisse Tiere haben darin eine augenscheinliche Überlegenheit gegenüber gewissen Menschen. Kann nun diese Grenzlinie nicht ganz scharf gezogen werden?
„Hierüber sind eure Philosophen kaum einerlei Meinung: Nach dem einen soll der Mensch ein Tier, nach dem anderen das Tier ein Mensch sein. Beide Teile haben Unrecht. Der Mensch ist ein für sich bestehendes Wesen, das sich zuweilen sehr tief erniedrigt, das sich aber auch sehr hoch erheben kann. Leiblich genommen ist der Mensch wie die Tiere, ja noch weniger reich ausgestattet als manche unter ihnen. Die Natur gab ihnen alles, was der Mensch zur Befriedigung seiner Bedürfnisse und zu seiner Erhaltung erst mit seinem Verstand erfinden muss. Sein Leib vergeht zwar wie der der Tiere, aber sein Geist hat eine Bestimmung, die er allein begreifen kann, weil er allein ganz frei ist. Arme Menschen, die ihr euch unter das Tier erniedrigt! Vermögt ihr euch nicht von ihm zu unterscheiden? Erkennt den Menschen an dem Gedanken Gottes.“



593. Kann man sagen, dass die Tiere nur aus Instinkt handeln?
„Auch dies ist wieder nur System. Allerdings herrscht der Instinkt bei den meisten Tieren vor; siehst du aber nicht andere, die einen entschlossenen Willen zeigen? Das ist Intelligenz, aber sie ist beschränkt.“


Außer dem Instinkt könnte man gewissen Tieren kombiniertes Handeln nicht absprechen, das einen auf einen bestimmten Gegenstand und den Umständen entsprechenden Willen dartut. Sie besitzen also eine Art Intelligenz, deren Äußerung jedoch fast ausschließlich auf Befriedigung ihrer Bedürfnisse und auf Selbsterhaltung gerichtet ist. Bei ihnen gibt es keine schöpferische Kraft, keine Verbesserung. Wie groß auch die bewunderungswürdige Kunst ihrer Arbeiten sei, was sie einst taten, tun sie noch heute, weder besser noch schlechter und stets in denselben unveränderlichen Formen und Verhälnissen. Das Junge, das von Seinesgleichen getrennt ist, baut nichts desto weniger sein Nest nach dem alten Muster, ohne je Unterricht empfangen zu haben. Wenn einige einer gewissen Erziehung zugänglich sind, so verdanken sie doch ihre Verstandesentwickelung, die eingeschlossen bleibt, der Einwirkung des Menschen auf ihre biegsame Natur; denn es gibt hier keinen Fortschritt, der von ihnen selbst ausginge. Letzterer aber ist nur vorübergehend und rein individuell, denn das sich selbst überlassene Tier kehrt sofort wieder in die ihm von der Natur gezogenen Grenzen zurück.



594. Haben die Tiere eine Sprache?
”Wenn ihr eine aus Wörtern und Silben gebildete Sprache meint, nein; wenn aber ein Mittel sich untereinander mitzuteilen, ja. Sie sagen sich viel mehr Dinge, als ihr nur glaubt; aber ihre Sprache ist, wie ihre Vorstellungen, auf ihre Bedürfnisse beschränkt.“


594a. Es gibt Tiere ohne Stimme: diese scheinen keine Sprache zu besitzen?
„Sie verstehen sich durch andere Mittel. Habt ihr Menschen auch nur die Sprache, um euch mitzuteilen? Und die Stummen, was ist mit diesen? Die Tiere haben in ihrem Verkehr miteinander Mittel sich zu warnen und sich ihre Empfindungen auszudrücken. Glaubst du, die Fische verstehen sich nicht untereinander? Der Mensch besitzt somit nicht das ausschließliche Vorrecht der Sprache. Die Sprache der Tiere aber ist eine instinktmäßige und auf den Kreis ihrer Bedürfnisse und Vorstellungen beschränkt, während die des Menschen vervollkommnungsfähig ist und alle Errungenschaften seiner Intelligenz auszudrücken vermag.“


In der Tat müssen die in Massen wie die Schwalben auswan – dernden Fische, wenn sie einem Führer folgen, die Mittel haben, sich zu verständigen und zu warnen. Vielleicht geschieht dies durch ein schärferen Blick, der ihnen die Zeichen, die sie sich geben, zu sehen erlaubt; vielleicht auch vermittelt ihnen das Wasser gewisse Schwingungen. Jedenfalls haben sie ein Mittel, sich zu verständigen, wie alle Tiere, die der Stimme beraubt sind und doch ihre Arbeiten gemeinsam verrichten. Darf man sich da wundern, dass die Geister sich gegenseitig mitteilen können, ohne an das artikulierte Wort gebunden zu sein. (282.)




595. Besitzen die Tiere Wahlfreiheit in ihrem Tun?
„Sie sind keine bloßen Maschinen, wie ihr meint. Aber die Freiheit ihres Tuns ist auf ihre Bedürfnisse beschränkt und bietet keinen Vergleich mit der des Menschen. Da sie tief unter ihm stehen, haben sie nicht dieselben Pflichten. Ihre Freiheit beschränkt sich auf das Tun des materiellen Lebens.“



596. Woher kommt die Befähigung gewisser Tiere, die Sprache des Menschen nachzuahmen und warum kommt dieselbe eher bei den Vögeln z. B. als beim Affen vor, dessen Gestalt der des Menschen am ähnlichsten ist?
„Besondere Bildung der Sprachwerkzeuge, unterstützt vom Nachahmungstrieb. Der Affe ahmt die Bewegungen, gewisse Vögel ahmen die Stimme nach.“



597. Da die Tiere einen Verstand haben, der ihnen eine gewisse Freiheit des Tuns gewährt, gibt es da in ihnen wohl auch ein vom Stoff abhängiges Prinzip?
„Ja, und zwar eines, das den Leib überlebt.“


597a. Ist dieses Prinzip eine Seele, die der des Menschen ähnlich ist?
„Es ist auch eine Seele wenn ihr so wollt: das hängt vom Sinn ab, den man dem Wort beilegt; aber sie ist niedriger als die des Menschen.“



598. Bewahrt die Tierseele nach dem Tod ihre Individualität und ihr Bewusstsein?
„Die Individualität, ja, aber nicht das Bewusstsein ihres Ichs. Das Leben der Intelligenz bleibt latent.“



599. Hat die Tierseele die Wahl, sich in ein beliebiges Tier zu inkarnieren?
„Nein, sie hat keine Wahlfreiheit.“



600. Ist die den Leib überlebende Tierseele nach dem Tod in einem herumirrenden, wandernden Zustand, wie die des Menschen?
„Es ist eine Art von Herumirren, da sie nun an keinen Leib gebunden ist. Ein herumirrender Geist aber ist sie nicht. Der Wandergeist ist ein Wesen, das dank seines freien Willens denkt und handelt; die Tierseele hat diese Fähigkeit nicht. Das seiner selbst Bewusstsein ist die hauptsächlichste Eigenschaft des Geistes. Dem Geist des Tieres wird nach dem Tod von den Geistern, die dies angeht, seine Stelle angewiesen und er wird fast augenblicklich nutzbar gemacht: Er hat nicht Muse, sich mit anderen Geschöpfen in Beziehung zu setzen.“


601. Folgen die Tiere einem Gesetz des Fortschrittes wie die Menschen?
„Ja, und darum sind auf den höheren Welten, wo die Menschen weiter fortgeschritten sind, es auch die Tiere, indem sie entwickeltere Mitteilungsmittel besitzen. Aber sie sind stets dem Menschen untergeordnet und untertan; für ihn sind sie verständige Diener.“


Es liegt hierin nichts Außerordentliches. Denken wir uns unsere verständigsten Tiere, den Hund, den Elefanten, das Pferd mit einer zur Handarbeit geeigneten Gestalt, was könnten sie nicht alles unter der Leitung des Menschen leisten?


602. Schreiten die Tiere, sowie die Menschen, Kraft ihres Willens oder vermöge der Kraft der Sache fort?
„Kraft der Sache: Darum gibt es für sie keine Buße oder Sühne.“


603. Kennen auf den höheren Welten die Tiere Gott?
„Nein, der Mensch ist ihnen ein Gott, wie einst den Menschen die Geister Götter waren.“



604. Da die Tiere, selbst die vollkommnensten auf den höheren Welten, immer niedriger sind als der Mensch, so würde daraus folgen, dass Gott intelligente Wesen geschaffen hätte, die auf immer der Niedrigkeit verfallen wären, was mit der Einheit des Plans und des Fortschritts nicht übereinzustimmen scheint, die man in allen seinen Werken bemerkt?
„Alles ist in der Natur durch Bande verbunden, die ihr noch nicht fassen könnt und auch die scheinbar verschiedenartigsten Dinge haben Berührungspunkte, die der Mensch in seinem jetzigen Zustand nie begreifen wird. Er kann sie ahnen, Kraft seiner Vernunft, aber erst wenn diese ihre volle Entwicklung gewonnen hat und von den Vorurteilen des Hochmuts und der Unwissenheit befreit sein wird, wird sie einen klaren Blick in das Werk Gottes tun können. Bis dann wird sein beschränkter Geist ihn die Dinge in einem engen und kleinlichen Licht erscheinen lassen. Wisset wohl, dass Gott sich nicht widersprechen kann und dass alles in der Natur, kraft allgemeiner Gesetze, im Einklang steht, die sich nie von der erhabenen Weisheit des Schöpfers entfernen.“


604a. So wäre also die Intelligenz eine gemeinschaftliche Eigenschaft, ein Berührungspunkt zwischen der Tier – und der Menschen – Seele?
„Ja, aber die Tiere haben nur die Intelligenz des stofflichen Lebens; dem Menschen bringt die Intelligenz das moralische Leben.“



605. Wenn man alle Berührungspunkte zwischen dem Menschen und den Tieren in Betracht zieht, könnte man nicht meinen, der Mensch besitze zwei Seelen. Eine Tierseele und eine Geistseele und dass, wenn er die letztere nicht hätte, er wie ein Tier leben könnte? Mit anderen Worten, dass das Tier ein dem Menschen ähnliches Wesen sei, die Geistseele ausgenommen? Es würde daraus folgen, dass die guten und die bösen Instinkte die Wirkung des Vorherrschens der einen oder der anderen dieser beiden Seelen wäre.
„Nein, der Mensch hat nicht zwei Seelen; aber der Leib hat seine Instinkte, die die Folge der Empfindungen der Organe sind. Es gibt in ihm nur eine doppelte Natur: die Tierische und die Geistige. Durch seinen Leib nimmt er teil an der Natur der Tiere und ihren Instinkten, durch seine Seele an derjenigen der Geister.“


605a. So hat er, abgesehen von den eigenen Unvollkommenheiten, deren der Geist sich entledigen soll, auch noch gegen den Einfluss des Stoffes zu kämpfen?
„Ja, je niedriger er ist, desto enger sind die Bande zwischen Geist und Stoff geknüpft. Seht ihr es denn nicht? Der Mensch hat nicht zwei Seelen: Die Seele ist stets nur eine in einem Wesen. Tier – und Menschen – Seele unterscheiden sich so, dass die eine nicht einen für die andere geschaffenen Leib beseelen könnte. Hat aber der Mensch auch nicht eine Tierseele, die ihn durch ihre Leidenschaften den Tieren gleichstellt, so hat er doch seinen Leib, der ihn zuweilen bis auf ihre Stufe herabdrückt. Denn sein Leib ist ein mit Lebenskraft begabtes Wesen, welches Instinkte besitzt, die aber blind sind und sich auf seine Erhaltung beschränken.“


Indem sich der Geist in den Menschenleib inkarniert, teilt er ihm das Prinzip der Intelligenz und der Moral mit, das ihn über die Tiere erhebt. Diese beiden im Menschen liegenden Naturen geben seinen Leidenschaften zwei verschiedene Quellen: die einen stammen aus den Instinkten seiner tierischen Natur, die anderen aus der Unreinheit des Geistes, dessen Inkarnation er ist und der mehr oder weniger mit den grob tierischen Trieben sympathisiert. Indem sich der Geist reinigt, befreit er sich nach und nach vom Einfluss des Stoffes. Unter des Stoffes Einfluss nähert er sich dem Tier, befreit von diesem Einfluss erhebt er sich zu seiner wahren Bestimmung.




606. Wo schöpfen die Tiere das intelligente Prinzip, das die besondere Art von Seele bildet, mit der sie begabt sind?
„In dem universellen intelligenten Element.“


606a. Also entfließt der Menschen und der Tiere Intelligenz einem einzigen Prinzip?
„Ohne allen Zweifel, aber im Menschen hat es eine Ausbil – dung empfangen, die es über diejenige der Tiere erhebt.“



607. Es wurde gesagt, dass die Seele des Menschen bei ihrem Ursprung der Zustand der Kindheit im leiblichen Leben sei, dass seine Intelligenz kaum sich entfaltet und dass sie sich erst im Leben versucht. (190.) Wo erfüllt der Geist diese erste Phase?
„In einer Reihe von Existenzen, die der Periode, die ihr die Menschheit nennt, vorangehen.“


607a. So wäre also die Seele das intelligente Prinzip der niedrigeren Wesen der Schöpfung gewesen?
„Sagten wir nicht, dass alles in der Natur sich aneinander schließt und zur Einheit hinstrebt? In diesen Wesen, die ihr bei weitem nicht alle kennt, arbeitet sich das intelligente Prinzip heraus, individualisiert sich nach und nach und versucht sich, wie gesagt, zum Leben. Es ist gewissermaßen eine Vorarbeit zum Keimen, infolge deren das intelligente Prinzip eine Umwandlung erfährt und Geist wird. Dann beginnt für dasselbe die Periode der Menschheit und damit das Bewusstsein seiner Zukunft, die Unterscheidung zwischen gut und böse und die Verantwortlichkeit für sein Tun und Lassen, so wie auf die Periode der Kindheit die des Heranwachsens, dann die des Jünglingsalters und endlich die des reiferen Alters folgt. Es liegt übrigens in diesem Ursprung nichts, das den Menschen demütigen könnte. Werden die großen Genies dadurch gedemütigt, dass sie einst unförmige Föten im Mutterleib waren? Wenn etwas ihn demütigen sollte, so wäre es seine Niedrigkeit vor Gott und seine Ohnmacht, die Tiefe seiner Pläne und die Weisheit der Gesetze zu ergründen, welche die Harmonie des Universums regieren. Erkennt die Größe Gottes an dieser wunderbaren Harmonie, welche macht, dass alles in der Natur ineinandergreift. Glauben, dass Gott irgend etwas ohne Zweck hätte tun und intelligente Wesen ohne Zukunft hätte schaffen können, hieße seine Güte lästern, die sich über alle seine Geschöpfe erstreckt.“


607b. Beginnt jene Periode der Menschheit auf unserer Erde?
„Die Erde ist nicht der Ausgangspunkt der ersten mensch – lichen Inkarnation. Die Periode der Menschheit beginnt im allgemeinen auf noch niedrigeren Welten. Das ist jedoch keine unbedingte Regel und es könnte geschehen, dass ein Geist gleich bei seinem ersten menschlichen Auftreten geeignet wäre zum Leben auf Erden. Dieser Fall ist nicht häufig und wäre eher eine Ausnahme.“


608. Hat der Geist des Menschen nach dem Tod ein Bewusstsein von den Existenzen, die für ihn der Periode der Menschheit vorangingen?
„Nein, denn erst mit dieser Periode beginnt für ihn sein Leben als Geist und selbst seiner ersten Existenzen als Mensch erinnert er sich kaum, gerade so wie der Mensch sich nicht mehr seiner Kindheit und noch weniger seines Lebens im Mutterleib erinnert. Darum sagen auch die Geister, sie wissen nicht, wie sie angefangen hätten.“ (78.)


609. Wenn der Geist einmal in die Periode der Menschheit eingetreten ist, bewahrt er dann die Spuren dessen, was er früher gewesen ist, d.h. des Zustandes, in welchem er in der Zeit seiner Vormenschlichkeit, könnte man sagen, gewesen war?

„Das hängt von der Entfernung, welche die beiden Perioden trennt und von den gemachten Fortschritten ab. Während einiger Generationen kann ein mehr oder weniger deutlicher Widerschein des ursprünglichen Zutandes sich zeigen, denn nichts in der Natur macht sich mit plötzlichen Sprüngen. Es gibt stets Ringe, welche die Enden der Kette der Wesen und der Ereignisse verbinden; aber diese Spuren verwischen sich mit der Entwicklung des freien Willens. Die ersten Fortschritte sind langsam, da sie noch nicht vom Willen unterstützt werden, sie werden rascher in dem Maße als sich der Geist ein vollkommeneres Bewusstsein seiner selbst erwirbt.“



610. Also haben sich die Geister, welche sagten, dass der Mensch ein besonderes Wesen in der Ordnung der Schöpfung sei, geirrt?
„Nein, aber die Frage war damals noch nicht klar gestellt, es gibt übrigens Dinge, die erst zu ihrer Zeit kommen können. Der Mensch ist wirklich ein besonderes Wesen, denn er besitzt Fähigkeiten, die ihn von allen anderen unterscheiden und er hat auch eine andere Bestimmung. Das Geschlecht der Menschen ist dasjenige, welches Gott für die Inkarnation der Wesen, welche ihn erkennen können, auserwählte.“




Seelenwanderung

611. Ist der gemeinschaftliche Ursprung der lebenden Wesen im intelligenten Prinzip nicht eine Bestätigung der Lehre von der Seelenwanderung?
„Zwei Dinge können denselben Ursprung haben und doch sich später in keiner Weise gleichen. Wer würde den Baum, seine Blätter, Blüten und Früchte im unförmigen Keim des Kernes aus dem er geworden ist, wieder erkennen? Vom Augenblick an, wo das intelligente Prinzip die Stufe erreicht hat, wo es Geist werden und in die Periode der Menschheit eintreten kann, hat es keine Beziehungen mehr zu seinem Urzustand und ist ebensowenig die Seele der Tiere, als der Baum der Kern ist. Im Menschen ist nichts mehr vom Tier als sein Leib und die Leidenschaften, die aus dessen Einfluss und dem Erhaltungsinstinkt entstehen, der dem Stoff eigen ist. Man kann also nicht sagen, dass der und der Mensch die Inkarnation des Geistes von dem und dem Tier sei. Folglich ist die Lehre von der Seelenwanderung, wie man sie versteht, ungenau.“


612. Könnte sich der Geist, der den Leib eines Menschen beseelte, in ein Tier inkarnieren?
„Das hieße rückwärts schreiten, der Geist aber schreitet nie rückwärts. Der Fluss kehrt nicht zur Quelle zurück.“


613. So irrig auch der mit der Seelenwanderung verbundene Gedanke sein mag, sollte er nicht die Folge des intuitiven Gefühls der verschiedenen Existenzen des Menschen sein?
„Dieses Gefühl findet sich in diesem Glauben wie in so manchem anderen: der Mensch hat es aber, wie die meisten seiner ursprünglichen Anschauungen, entarten lassen.“


Der Gedanke der Seelenwanderung wäre wahr, wenn man darunter den Fortschritt der Seele von einem tieferen zu einem höheren Zustand verstände, wo sie Entwicklungen durchmachte, die ihre Natur umwandeln würden. Aber er ist falsch in dem Sinne einer direkten Wanderung des Tieres in den Menschen und umgekehrt, was den Gedanken eines Rückschreitens oder einer Verschmel – zung in sich schlösse. Da nun diese Verschmelzung nicht zwischen zwei leiblichen Wesen der beiden Gattungen stattfinden kann, so ist dies ein Beweis, das sie auf nicht assimilierbaren Stufen stehen und dass es sich mit den Geistern, welche jene Wesen beseelen, ebenso verhalten muss. Könnte der gleiche Geist sie abwechselnd beseelen, so folgte daraus eine Gleichheit der Natur, die sich durch die Möglichkeit stofflicher Wiedererzeugung verraten müsste. Die von den Geistern gelehrte Reinkarnation ist auf den aufsteigenden Gang der Natur und den Fortschritt des Menschen innerhalb seines Geschlechts gegründet, was ihm nichts von seiner Würde nimmt. Was ihn erniedrigt, ist der schlechte Gebrauch der ihm von Gott zu seinem Fortschreiten verliehenen Fähigkeiten. Wie dem auch sei, das Alter und die allgemeine Verbreitung der Lehre von der Seelenwanderung und die hervorragenden Menschen, die sie bekannten, beweisen, dass das Prinzip der Reinkarnation seine Wurzeln in der Natur selbst hat. Es sind also viel eher Gründe zu ihren Gunsten als zu ihren Ungunsten vorhanden.


Die Frage nach dem Ausgangspunkt des Geistes ist eine jener Fragen, die an den Ursprung der Dinge rühren und deren Geheimnis uns Gott vorenthält. Dem Menschen ist nicht verliehen, sie vollständig zu lösen, er kann hier nur Vermutungen anstellen und mehr oder weniger wahrscheinliche Systeme aufbauen. Die Geister selbst sind weit davon entfernt, alles zu wissen. Über das, was sie nicht kennen, können sie auch nur mehr oder weniger vernünftige persönliche Ansichten haben. *


So denken z.B. nicht alle gleich über die Beziehungen zwischen dem Menschen und den Tieren. Nach dem einen gelangt der Geist zu seiner menschlichen Periode erst, nachdem er sich auf den verschieden Stufen der niedrigeren Wesen der Schöpfung heraufgearbeitet und individualisiert hat. Nach anderen hätte der Geist der Menschen stets dem menschlichen Geschlecht angehört, ohne durch die Schule der Tierheit zu gehen. Das erste dieser Systeme hat den Vorzug, der Zukunft der Tiere einen Zweck vorzusetzen, so dass sie die ersten Ringe in der Kette der denkenden Wesen bilden würden. Das zweite entspricht mehr der Würde des Menschen und lässt sich in folgendem zusammenfassen.

Die verschiedenen Tiergattungen entstehen nicht in intellektueller Beziehung eine aus der anderen auf dem Weg des Fortschrittes. So wird der Geist der Auster nicht allmählich zu dem des Fisches, des Vogels, des Vierfüßlers und Vierhänders. Jede Gattung ist ein physisch und moralisch für sich bestehender Typus, von dem jedes Einzelwesen an der allgemeinen Quelle die Summe des intelligenten Prinzips schöpft, die ihm von Nöten ist, je nach der Vollkommenheit seiner Organe und dem Werk, das es in den Erscheinungen der Natur zu vollbringen hat und welche es beim Tod an die Masse zurückgibt. Die Tiere derjenigen Welten, die höher stehen als die unsrige (siehe 188.), bilden ebenfalls besondere Rassen, angepaßt den Bedürfnissen jener Welten und dem Grad des Fortschrittes der Menschen, deren Helfer sie sind, die aber keineswegs von denen der Erde abstammen – geistig gesprochen. Anders ist es mit dem Menschen. Vom physischen Gesichtspunkt aus, bildet er offenbar einen Ring in der Kette der lebendigen Wesen; aber vom moralischen Gesichtspunkt betrachtet, bricht der Zusammenhang zwischen Tier und Mensch ab. Der Mensch besitzt als sein Eigentum die Seele oder den Geist, den göttlichen Funken, der ihm den moralischen Sinn und eine Intelligenz gibt, die den Tieren fehlen. In ihm ist das Hauptsächlichste das Wesen, das vor dem Leib existiert und ihn überlebt: der Träger seiner Individualität. Was ist der Ursprung des Geistes? Wo ist sein Ausgangspunkt? Das ist ein Geheimnis, das vergeblich zu durchdringen versucht wurde und über das man, wie gesagt, nur Systeme machen kann. Was aber bleibt und was gleichzeitig aus der Vernunft und der Erfahrung hervorgeht, das ist das Fortleben des Geistes, die Bewahrung seiner Individualität nach dem Tod, seine Fähigkeit des Fortschreitens, sein glücklicher oder unglücklicher Zustand, je nach seinem Fortschritt auf dem Weg des Guten und aller moralischen Wahrheiten, die aus diesem Prinzip folgen. Was die geheimnisvollen Beziehungen zwischen dem Menschen und den Tieren betrifft, so sind sie, wir wiederholen es, das Geheimnis Gottes, wie manche andere Dinge, deren gegenwärtige Erkenntnis zu unserem Fortschreiten nichts beiträgt und in welche es unnütz wäre sich zu vertiefen.



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* Dieser und die drei folgenden Abschnitte waren in der 2. französischen Auflage (1860) nicht aufgeführt. Allan Kardec hat sie später hinzugefügt. Dies ist in der 4. Auflage des Buches der Geister (1861) und aus nachfolgenden Auflagen ersichtlich. (Anmerkung der Übersetzer)