Himmel und Hölle oder Die göttliche Gerechtigkeit

Allan Kardec

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Kapitel IV - Die Hölle

1. Zu allen Zeiten hat der Mensch intuitiv geglaubt, dass das zukünftige Leben glücklich oder unglücklich sein müsse, je nachdem, ob man auf Erden Gutes oder Böses tut. Nur steht die Vorstellung, die er sich davon macht, im Verhältnis zur Entwicklung seines moralischen Sinnes und den mehr oder weniger richtigen Vorstellungen, die er vom Guten und Bösen hat. Strafen und Belohnungen sind das Spiegelbild seiner vorherrschenden Neigungen. So setzen kriegerische Völker ihr höchstes Glück in die durch Tapferkeit erworbenen Ehren; die Jägervölker in den Überfluss von Wild und sinnliche Völker in das Vergnügen an Sinnesfreuden. Solange der Mensch von der Materie beherrscht wird, kann er die Spiritualität nur unvollkommen begreifen. Darum macht er sich von den zukünftigen Strafen und Freuden ein eher materielles als geistiges Bild. Er stellt sich vor, man müsse in der anderen Welt essen und trinken, jedoch besser als auf Erden und bessere Sachen. (Ein kleiner Junge aus Savoyen, dessen Pfarrer ein verführerisches Bild vom zukünftigen Leben entwarf, fragte ihn, ob dort jeder Weißbrot esse wie in Paris.) Später findet man in den die Zukunft betreffenden Glaubensansichten eine Mischung aus Spiritualität und Materialität. So stellt der Mensch neben die beschauliche Glückseligkeit eine Hölle mit körperlichen Qualen.


2. Da er nur das begreifen konnte, was er sah, hat sich der Urmensch seine Zukunft entsprechend der Gegenwart vorgestellt. Um andere Urbilder zu begreifen als diejenigen, die er vor Augen hatte, bedurfte er einer geistigen Entwicklung, die sich nur mit der Zeit entfalten sollte. Auch ist das Bild, das er sich von den Strafen des zukünftigen Lebens machte, nur das Spiegelbild der Leiden der Menschheit, jedoch in einem größeren Ausmaß. Er hat dort alle Leiden, Qualen und Kümmernisse vereint, denen er auf Erden begegnete. So geschah es, dass er sich in den heißen Landschaften eine Feuerhölle und in den nördlichen Gegenden eine Eishölle vorgestellt hat. Weil der Verstand, der ihn später die geistige Welt begreifen lassen sollte, noch nicht entwickelt war, konnte er nur körperliche Strafen begreifen. Daher gleichen sich auch, von einigen formalen Unterschieden abgesehen, die Vorstellungen über die Hölle in allen Religionen.



3. Die Hölle der Heiden, von den Dichtern dargestellt und dramatisiert, war das großartigste Beispiel dieser Art. Sie hat in der Hölle der Christen fortbestanden, die auch ihrerseits ihre dichterischen Sänger hatte. Wenn man beide vergleicht, so finden sich, bis auf die Namen und einige Abweichungen in den Einzelheiten, zahlreiche Parallelen. In beiden ist materielles Feuer die Grundlage der Qualen, weil es das Sinnbild der schwersten Leiden ist. Aber, wie sonderbar, die Christen haben in vielen Punkten die Hölle der Heiden überboten. Wenn diese letztgenannten in ihrer das Fass der Danaiden hatten, das Rad des Ixion, den Felsblock des Sisyphos, so waren das vereinzelte Strafen. Die christliche Hölle hat für alle Bestraften ihre siedenden Kessel, deren Deckel die Engel öffnen, um die Verrenkungen der Verdammten zu sehen (Predigt, gehalten in Montpellier, im Jahre 1860). Gott hört ihre Seufzer ohne Mitleid und in alle Ewigkeit. Niemals haben die Heiden die Bewohner der Elysischen Felder (Insel der Glückseligen), als sich an den Strafen des Tartarus (Ort der Verdammten) erfreuend beschrieben. („Die Seligen werden, ohne den Platz zu verlassen, den sie innehaben, dennoch in einer gewissen Weise hinausgehen, aufgrund der ihnen verliehenen Weisheit und Abgrenzung, um die Qualen der Verdammten zu betrachten. Und indem sie dies tun, werden sie nicht nur keinerlei Schmerz empfinden, sondern vielmehr von Freude überwältigt werden. Und sie werden Gott für ihr eigenes Glück danken, während sie die unsagbaren Klagen der Gottlosen miterleben.” Der heilige Thomas von Aquin.)


4. Wie die Heiden, so haben auch die Christen ihren König der Hölle, den sie Satan nennen. Der Unterschied ist, dass Pluto sich darauf beschränkte, das finstere Reich zu beherrschen, das ihm als Erbteil zugefallen war; aber er war nicht böse. Er behielt diejenigen bei sich, die Böses getan hatten, weil das seine Aufgabe war. Aber er versuchte keineswegs, die Menschen zum Bösen zu verführen, um sich das Vergnügen zu gönnen, sie leiden zu lassen. Dagegen bemüht sich Satan überall um Opfer, die er dann mit Wohlgefallen von seinen Scharen von Teufeln foltern lässt. Diese sind mit Heugabeln bewaffnet, um Erstere im Feuer hin und her zu werfen. Man hat sogar ernsthaft über die Art dieses Feuers verhandelt, welches die Verdammten ununterbrochen verbrennt, ohne sie jemals zu verzehren. Man hat sich gefragt, ob es ein Feuer aus Erdharz sei (Predigt, gehalten in Paris, im Jahre 1861). Die (sogenannte) christliche Hölle steht also in nichts hinter der heidnischen zurück.


5. Dieselben Erwägungen, die die Alten dazu befähigten, den Aufenthalt der Glückseligkeit zu lokalisieren, hatten auch dazu geführt, den Ort der Bestrafungen einzugrenzen. Die Menschen hatten den ersten in die höheren Regionen verlegt und so war es naheliegend, den anderen an die unteren Orte zu verlegen, d.h. in den Mittelpunkt der Erde; von diesem glaubte man, dass dort gewisse finstere Höhlen von schrecklichem Aussehen als Eingang dienten. Dorthin haben auch die Christen lange Zeit den Aufenthaltsort der Verdammten verlegt. Beachten wir diesbezüglich noch eine andere Ähnlichkeit!

Die Hölle der Heiden umfasste einerseits die Elysischen Felder und andererseits den Tartarus. Der Olymp, der Wohnsitz der Götter und der vergöttlichten Menschen lag in den höheren Regionen. Nach der Schrift des Evangeliums stieg Jesus in die Hölle hinab, d.h. in die unteren Orte, um daraus die Seelen der Gerechten hervorzuholen, die seine Ankunft erwarteten. Die Hölle war also nicht einzig und allein ein Ort der Strafe; wie auch bei den Heiden lag sie an den unteren Orten. Ebenso wie der Olymp lag die Wohnung der Engel und der Heiligen an erhabenen Orten. Man hatte ihn jenseits des Fixsternhimmels verlegt, den man für begrenzt hielt.



7. Durch die Lokalisierung des Himmels und der Hölle sind die christlichen Glaubensrichtungen dazu veranlasst worden, für die Seelen nur zwei extreme Situationen zuzulassen: das vollkommene Glück und das uneingeschränkte Leiden. Das Fegefeuer, der Reinigungsort, ist nur eine kurzzeitige Übergangssituation, bei deren Verlassen sie ohne Übergang in den Wohnsitz der Seligen eintreten. Gemäß dem Glauben an das endgültige Los der Seele nach dem Tod könnte es nicht anders sein. Wenn es nur zwei Aufenthaltsorte gibt, den der Erwählten und den der Verstoßenen, so kann man nicht in jedem mehrere Stufen zulassen, ohne die Möglichkeit ihrer Überschreitung und infolgedessen den Fortschritt zuzulassen. Wenn es nun aber Fortschritt gibt, so gibt es kein endgültiges Schicksal. Wenn es ein endgültiges Schicksal gibt, so gibt es keinen Fortschritt. Jesus löst die Frage, indem er sagt: “In meines Vaters Haus gibt es viele Wohnungen" (“Evangelium aus der Sicht des Spiritismus", Kap. 3).



8. Es ist wahr, dass die Kirche in bestimmten Fällen eine besondere Ansicht zulässt. Die in jungen Jahren verstorbenen Kinder können, da sie nichts Böses getan haben, nicht zum ewigen Feuer verdammt werden; weil sie aber auch nichts Gutes getan haben, haben sie kein Recht auf das höchste Glück. Sie sind dann, so sagt man, in der Vorhölle, in einer gemischten Situation, die niemals genau bestimmt oder bezeichnet worden ist, in der sie, obwohl sie nicht leiden, keineswegs ein vollkommenes Glück genießen. Da jedoch ihr Los unwiderruflich festgelegt ist, so sind sie dieses Glücks auf ewig beraubt. Auch wenn es nicht von ihnen abhing, dass es genauso ist, kommt dieser Entzug einer unverdienten, ewigen Strafe gleich. Ebenso verhält es sich mit den Urmenschen. Da sie die Gnade der Taufe und die Erleuchtung des Glaubens nicht empfangen haben, sündigten sie aus Unwissenheit. Und weil sie sich ihren natürlichen Trieben überließen, können sie weder die Schuld noch die Verdienste derer haben, die in Kenntnis der Sache handeln können. Die einfache Logik weist eine solche Lehre im Namen der Gerechtigkeit Gottes zurück. Die Gerechtigkeit Gottes zeigt sich in jener Aussage von Jesus: “Einem jeden nach seinen Werken.” Aber man muss diesen hinsichtlich der guten oder schlechten Werke verstehen, die man frei und willentlich vollbringt, den einzigen, deren Verantwortung man auf sich nimmt, was weder beim Kind der Fall ist noch beim Urmenschen oder bei dem, von dem es nicht abhing, erleuchtet zu werden.



9. Wir kennen die heidnische Hölle kaum anders als durch die Beschreibung der Dichter. Homer und Virgil haben davon die vollständigste Beschreibung gegeben. Aber man muss berücksichtigen, welchen Zwang die Dichtung der Form auferlegt. Diejenige von Fénelon hat in seinem “Telemach" die deutlichere Einfachheit der Prosa, obwohl sie in Bezug auf die grundlegenden Glaubensansichten aus derselben Quelle stammt. Indem er den traurigen Anblick der Orte beschreibt, bemüht er sich vor allem, jene Art von Leiden hervorzuheben, welche die Schuldigen ertragen. Und wenn er sich eingehend über das Los der schlechten Könige äußert, dann vor allem im Hinblick auf die Erziehung seines königlichen Schülers. Wie volkstümlich sein Werk auch sei, so haben viele Leute zweifellos diese Beschreibung gegenwärtig nicht genügend im Gedächtnis oder sie haben vielleicht nicht genug darüber nachgedacht, um einen Vergleich anzustellen. Darum halten wir es für nützlich, jene Teile davon darzustellen, die einen unmittelbaren Bezug zu dem Thema haben, das uns beschäftigt, nämlich diejenigen, die insbesondere die individuelle Strafe betreffen.


10. Beim Eintritt hört Telemach die Seufzer eines Schattens, der sich nicht trösten konnte. “Was ist denn euer Unglück?”, sprach er zu ihm. “Wer wart ihr auf der Erde?” “Ich war,” gab ihm dieser Schatten zur Antwort, “Nabopharzan, König des stolzen Babylons; alle Völker des Ostens zitterten beim bloßen Klang meines Namens. Ich ließ mich von den BabyIoniern in einem Marmortempel anbeten, wo ich in einer goldenen Statue dargestellt war, vor der man Tag und Nacht die kostbaren Räucherstoffe Äthiopiens verbrannte. Nie wagte mir jemand zu widersprechen, ohne dass er sogleich bestraft worden wäre. Man erfand jeden Tag neue Vergnügungen, um mir das Leben vergnüglicher zu machen. Ich war noch jung und stark. Oh, welche Annehmlichkeiten blieben mir nicht auf dem Throne noch zu kosten! Aber eine Frau, die ich liebte und die mich nicht liebte, hat mich allerdings fühlen lassen, dass ich nicht Gott sei. Sie hat mich vergiftet; ich bin nichts mehr. Man hat meine Asche gestern prachtvoll in eine goldene Urne gelegt, hat geweint und sich die Haare ausgerissen. Man hat getan, als wolle man sich in die Flammen des Scheiterhaufens stürzen, um mit mir zu sterben. Man wird noch seufzen am Fuße des stolzen Grabmals, in das man meine Asche gesetzt hat. Aber niemand betrauert mich; mein Andenken erregt sogar in meiner Familie Schrecken und hier erleide ich bereits eine entsetzliche Behandlung.”

Gerührt von diesem Schauspiel sprach Telemach zu ihm: “Wart ihr während eurer Herrschaft tatsächlich glücklich? Habt ihr jenen süßen Frieden gefühlt, ohne den das Herz inmitten des Vergnügens immer bedrückt und welk bleibt?” “Nein”, antwortete der Babylonier, “ich weiß nicht einmal, was ihr sagen wollt. Die Weisen rühmen diesen Frieden als das einzige Gut: was mich betrifft, habe ich ihn nie empfunden; mein Herz war unaufhörlich hin und her getrieben von neuen Wünschen, von Furcht und Hoffnung. Ich versuchte mich durch die Erschütterung, die von meinen Leidenschaften kam, selbst zu betäuben. Ich bemühte mich, diesen Zustand ständig aufrechtzuerhalten; die geringste Zeitspanne ruhiger Vernunft wäre mir zu bitter gewesen. Das ist der Frieden, den ich genossen habe. Jeder andere erscheint mir als Märchen, als Traum; das sind die Güter, deren Verlust ich beklage.”

Wie er so sprach, weinte der Babylonier wie ein Feigling, der durch die Annehmlichkeiten des Lebens verweichlicht worden ist und nicht daran gewöhnt ist, ein Unglück standhaft zu ertragen. Er hatte einige Sklaven bei sich, die man hatte sterben lassen, um seine Bestattung zu ehren. Merkur, der Götterbote, hatte sie mit ihrem König dem Charon, dem Fährmann der Unterwelt, überliefert und ihnen eine unumschränkte Macht über diesen König gegeben, dem sie auf Erden gedient hatten. Diese Schatten von Sklaven fürchteten den Schatten des Nabopharzan nicht mehr. Sie hielten ihn in Ketten und fügten ihm die grausamsten Qualen zu. Der eine sprach zu ihm: "Waren wir nicht genauso Menschen wie du? Wie konntest du so unsinnig sein, dich für einen Gott zu halten? Und musstest du dich nicht daran erinnern, dass du von der Art der übrigen Menschen warst?” Ein anderer sagte, um ihn zu verhöhnen: “Du hattest Recht damit, nicht zu wollen, dass man dich für einen Menschen halte, denn du warst ein Ungeheuer ohne Menschlichkeit.” Ein anderer sprach zu ihm: “Nun, wo sind jetzt deine Schmeichler? Du hast nichts mehr zu geben, du Unglücklicher! Du kannst nichts Böses mehr tun. Sieh, du bist selbst ein Sklave deiner Sklaven geworden. Die Götter sind langsam damit, Gerechtigkeit widerfahren zu lassen, aber schließlich tun sie es.”

Bei diesen harten Worten warf sich Nabopharzan mit dem Gesicht auf die Erde und riss sich an den Haaren, außer sich vor Wut und Verzweiflung. Aber Charon sprach zu den Sklaven: “Zerrt ihn an seiner Kette, richtet ihn trotz seines Widerstands wieder auf! Er wird nicht einmal den Trost haben, seine Schande zu verbergen; alle Schatten des Styx (Fluss der Unterwelt) müssen Zeugen derselben sein, um die Götter zu rechtfertigen, die so lange darunter gelitten haben, dass dieser Gottlose auf Erden herrschte.”

Er bemerkt bald den schwarzen Tartarus ziemlich nahe bei ihm. Aus diesem drang ein dicker, schwarzer Rauch hervor, dessen verpesteter Gestank den Tod verursachen würde, wenn er sich in den Stätten der Lebenden verbreiten würde. Dieser Rauch bedeckte einen Feuerstrom und viele Flammenwirbel, deren Getöse, reißenden Wasserläufen ähnlich, wenn sie sich von den höchsten Felsen in die Tiefe der Abgründe stürzen, bewirkte, dass man an diesen traurigen Orten nichts deutlich verstehen konnte.

Telemach, heimlich geliebt von Minerva, der Göttin der Klugheit, betrat furchtlos diesen Schlund. Zuerst bemerkte er eine große Zahl von Menschen, die in den niedrigsten Verhältnissen gelebt hatten und dafür bestraft wurden, dass sie Reichtum durch Betrug, Verrat und Grausamkeiten erstrebt hatten. Er nahm dort viele gottlose Heuchler wahr, die so getan hatten, als ob sie die Gottesverehrung liebten und sie als schönen Vorwand genutzt hatten, um ihren Ehrgeiz zu befriedigen und sich über die leichtgläubigen Menschen lustig zu machen. Diese Menschen, die selbst die Tugend missbraucht hatten, wurden als die lasterhaftesten aller Menschen bestraft. Die Kinder, die ihre Väter und Mütter erwürgten, die Gattinnen, die ihre Hände in das Blut ihrer Gatten tauchten und die Verräter, die, nachdem sie alle Schwüre gebrochen hatten, ihr Vaterland auslieferten, litten weniger entsetzliche Strafen als jene Heuchler. Die drei Richter der Hölle hatten es so gewollt und ihr Grund war der, dass sich diese Heuchler nicht damit begnügen, böse zu sein wie die übrigen Gottlosen; sie wollen auch noch für gut gehalten werden und bewirken durch ihre falsche Tugend, dass die Menschen es nicht mehr wagen, der wahren Tugend zu vertrauen. Die Götter, die sie verspottet und den Menschen gegenüber verächtlich gemacht haben, finden Vergnügen daran, all ihre Macht anzuwenden, um sich für ihre Beschimpfungen zu rächen.

Neben diesen erschienen andere Menschen, die das einfache Volk kaum für schuldig hält, und die die göttliche Rache auf unerbittliche Weise verfolgt. Das sind die Undankbaren, die Lügner, die Schmeichler, die das Laster gelobt haben, die boshaften Kritiker, die versucht haben, die reinste Tugend zu besudeln; schließlich noch diejenigen, die über Dinge bedenkenlos geurteilt haben, ohne sie gründlich zu kennen, und die dadurch den Ruf der Unschuldigen beschädigt haben.

Telemach, der die drei Richter da sitzen und einen Menschen verdammen sah, wagte es, sie zu fragen, welche Verbrechen er begangen hatte. Sogleich ergriff der Verdammte das Wort und rief: “Ich habe nie irgendetwas Böses getan; ich habe mein ganzes Vergnügen darauf gesetzt, Gutes zu tun. Ich bin großartig, freigebig, gerecht und mitfühlend gewesen. Was kann man mir also vorwerfen?” Da sprach Minos zu ihm: “Man wirft dir in Bezug auf die Menschen nichts vor. Aber warst du den Menschen nicht weniger schuldig als den Göttern? Welcher Gerechtigkeit rühmst du dich denn? Du hast keine Pflicht gegenüber den Menschen versäumt, die nichts sind; du bist tugendhaft gewesen, aber du hast die ganze Tugend auf dich selbst bezogen und nicht auf die Götter, die sie dir gegeben hatten. Denn du wolltest die Frucht deiner eigenen Tugend genießen und dich in dich selbst verschließen: du bist deine Gottheit gewesen. Aber die Götter, die alles gemacht haben und nichts für sich selbst, können nicht auf ihre Rechte verzichten; du hast sie vergessen, sie werden auch dich vergessen. Sie werden dich dir selbst überlassen, da du dir gehören wolltest und nicht ihnen. Wenn du kannst, suche jetzt also deinen Trost in deinem eigenen Herzen. Sieh, du bist für immer von den Menschen getrennt, denen du gefallen wolltest. Sieh, du bist allein mit dir selbst, der du dein Abgott warst! Begreife, dass es gar keine wahrhafte Tugend gibt ohne Ehrfurcht vor den Göttern und Liebe zu ihnen, denen man alles verdankt. Deine falsche Tugend, die lange die leicht zu täuschenden Menschen geblendet hat, wird nun zusammenschmelzen. Die Menschen, die Laster und Tugenden nur danach beurteilen, ob sie unanständig oder angenehm sind, sind für das Gute genauso blind wie für das Böse. Hier stößt ein göttliches Licht all ihre oberflächlichen Urteile um; es verurteilt oft, was sie bewundern und rechtfertigt, was sie verdammen.”

Bei diesen Worten erschrak der Philosoph, wie vom Blitz getroffen, vor sich selbst. Die Freude, mit der er früher seine Mäßigung, seinen Mut und seine großmütigen Neigungen betrachtete, verwandelte sich in Verzweiflung. Der Blick auf sein eigenes Herz, den Feind der Götter, wird seine Strafe; er sieht sich und kann nicht aufhören, sich zu sehen; er sieht die Eitelkeit der Urteile der Menschen, denen er mit all seinen Handlungen gefallen wollte. Es vollzieht sich eine durchgängige Umwälzung in allem, was in ihm ist, als ob man all seine Eingeweide umdrehen würde. Er empfindet sich nicht mehr als derselbe. Es fehlt ihm jeglicher Halt in seinem Herzen; sein Gewissen, dessen Beweis ihm so süß gewesen war, erhebt sich gegen ihn und wirft ihm mit Bitterkeit den Irrtum und die Täuschung all seiner Tugenden vor, die nicht die Verehrung der Gottheit als Ausgangspunkt und Ziel gehabt haben: er ist verwirrt, bestürzt, voller Scham, Selbstanklage und Verzweiflung. Die Furien (Rachegöttinnen) quälen ihn nicht, weil es ihnen genügt, ihn sich selbst überliefert zu haben und weil sein eigenes Herz die verachteten Götter hinreichend rächt. Er sucht die finstersten Orte auf, um sich vor den anderen Toten zu verbergen, da er sich nicht vor sich selbst verbergen kann. Er sucht die Finsternis und kann sie nicht finden; ein lästiges Licht folgt ihm überall hin. Die durchdringenden Strahlen rächen überall die Wahrheit, deren Befolgung er vernachlässigt hat. Alles, was er geliebt hat, wird ihm verhasst, da es die Quelle seiner Leiden ist, die niemals enden können. Er spricht zu sich selbst: “Oh, ich Unsinniger! Ich habe also weder die Götter noch die Menschen noch mich selbst gekannt! Nein, nichts habe ich gekannt, weil ich eben nie das einzige und wahre Gute geliebt habe. Alle meine Schritte sind Verirrungen gewesen. Meine Weisheit war nur Dummheit. Meine Tugend war nur ein gottloser und blinder Hochmut, ich war selbst mein Abgott.”

Endlich bemerkte Telemach die Könige, die verdammt waren, weil sie ihre Macht missbraucht hatten. Von einer Seite hielt ihnen eine rächende Furie einen Spiegel vor, der ihnen die ganze Hässlichkeit ihrer Laster zeigte. Da sahen sie und konnten nicht verhindern, all das zu sehen: Ihre grobe Eitelkeit, die auf das lächerlichste Lob versessen war, ihre Härte gegenüber den Menschen, deren Glück sie bewirken sollten; ihre mangelnde Aufgeschlossenheit für die Tugend, ihre Furcht vor der Stimme der Wahrheit, ihre Zuneigung zu den Feiglingen und Schmeichlern; ihren mangelnden Fleiß, ihre Weichlichkeit, ihre Gefühllosigkeit, ihr unangebrachtes Misstrauen, ihren Prunk und ihre auf den Untergang der Völker gegründete, übertriebene Großartigkeit; ihre Sucht, durch das Blut ihrer Mitbürger ein wenig bedeutungslosen Ruhm zu erkaufen; und schließlich ihre Grausamkeit, die jeden Tag unter den Tränen und der Verzweiflung so vieler Unglücklicher neuen Genuss sucht. Sie sahen sich andauernd in diesem Spiegel; sie fanden sich schrecklicher und ungeheuerlicher als die Chimäre, die von Bellerophon besiegt wurde, oder die Lernäische Hydra, die von Herkules niedergeschlagen wurde, oder Cerberus selbst, obwohl er aus seinen drei gähnenden Rachen ein schwarzes, giftiges Blut speit, das geeignet ist, die ganze Gattung der auf Erden lebenden Sterblichen zu verpesten.

Zur gleichen Zeit wiederholte eine andere Furie ihnen höhnisch von einer anderen Seite alle Lobpreisungen, die ihre Schmeichler ihnen ihr Leben lang erteilt hatten. Sie hielt ihnen einen anderen Spiegel vor, in dem sie sich so sahen, wie die Schmeichelei sie beschrieben hatte. Der Unterschied zwischen diesen beiden so gegensätzlichen Bildern war die Strafe ihrer Eitelkeit. Man bemerkte, dass die bösartigsten unter diesen Königen diejenigen waren, denen man ihr Leben lang die großartigsten Lobreden erteilt hatte, weil die Bösen gefürchteter sind als die Guten und weil sie ohne Scham die feigen Schmeicheleien der Dichter und Redner ihrer Zeit verlangen.

Man hört sie seufzen in dieser tiefen Finsternis, wo sie nur die Beschimpfungen und Verhöhnungen sehen können, die sie zu erdulden haben. Sie haben um sich herum nichts, was sie nicht abstößt, was ihnen nicht widerspricht oder sie verwirrt, während sie auf Erden mit dem Leben der Menschen spielten und behaupteten, dass alles dazu gemacht sei, ihnen zu dienen. Im Tartarus sind sie allen Launen gewisser Sklaven ausgeliefert, die sie ihrerseits eine unerträgliche Knechtschaft fühlen ließen. Sie dienen mit Schmerzen und es bleibt ihnen keine Hoffnung, jemals ihre Gefangenschaft mildern zu können. Sie sind den Schlägen dieser Sklaven ausgeliefert, die ihre unerbittlichen Unterdrücker geworden sind, wie ein Amboss unter den Hammerschlägen der Zyklopen, wenn Vulkan (Gott des Feuers) sie drängt, in den brennenden Schloten des Berges Ätna zu arbeiten.

Da erblickte Telemach bleiche, grauenhafte und bestürzte Gesichter. Es ist eine tiefe Traurigkeit, die an diesen Verbrechern nagt. Sie erschrecken sich vor sich selbst und können sich von diesem Schrecken ebenso wenig befreien wie von ihrem eigenen Wesen. Sie brauchen keine andere Bestrafung für ihre Sünden als ihre Sünden selbst. Sie sehen sie unaufhörlich in all ihrer Ungeheuerlichkeit. Sie zeigen sich ihnen wie schreckliche Gespenster und verfolgen sie. Um sich davor zu schützen, suchen sie einen Tod, der mächtiger ist als jener, der sie vom Körper getrennt hat. In ihrer Verzweiflung rufen sie einen Tod zu Hilfe, der jedes Gefühl und jedes Bewusstsein in ihnen auslöschen kann. Sie bitten den Abgrund, sie zu verschlingen, und möchten sich den rächenden Strahlen der sie verfolgenden Wahrheit entziehen. Aber sie bleiben der Rache erhalten, die Tropfen für Tropfen auf sie herabträufelt und niemals versiegen wird. Die Wahrheit, die sie zu sehen gefürchtet haben, macht ihre Strafe aus. Sie sehen sie und haben nur Augen dafür, zu sehen, wie sie sich gegen sie erhebt. Ihr Anblick durchdringt sie, zerfleischt sie und reißt sie aus ihnen selbst heraus. Sie ist wie der Blitz. Ohne im Äußeren etwas zu zerstören, dringt sie bis tief in die Eingeweide.

Unter jenen Dingen, die Telemach die Haare zu Berge stehen ließen, sah er mehrere der ehemaligen Könige von Lydien, die dafür bestraft wurden, dass sie die Freuden eines genüsslichen Lebens der Arbeit vorgezogen hatten, die ihre Völker entlasten und untrennbar vom Königtum sein sollte.

Diese Könige warfen einander ihre Blindheit vor. Der eine sagte zum anderen, der sein Sohn gewesen war: “Hatte ich euch nicht oft während meines Alters und vor meinem Tod empfohlen, die Übel wiedergutzumachen, die ich durch meine Nachlässigkeit hervorgerufen hatte?” “Oh, unglücklicher Vater!”, sagte der Sohn, “Ihr seid es, der mich verdorben hat. Euer Beispiel ist es, das in mir Prunk, Stolz, Leidenschaft und Härte gegen die Menschen hervorgerufen hat. Weil ich euch mit so viel Schwäche und umgeben von feigen Schmeichlern herrschen sah, habe ich mich daran gewöhnt, Schmeichelei und Vergnügungen zu lieben. Ich habe geglaubt, die übrigen Menschen wären im Hinblick auf die Könige, was die Pferde und die anderen Lasttiere im Hinblick auf die Menschen sind, das heißt Tiere, für die man nur so viel Aufwand macht, wie sie Dienste erweisen und Annehmlichkeiten bereiten. Ich habe es geglaubt; ihr seid es, der in mir diesen Glauben geweckt hat. Und jetzt erdulde ich so viele Leiden dafür, weil ich euch nachgeahmt habe.” Zu diesen Vorwürfen fügten sie die hässlichsten Beschimpfungen hinzu und schienen von Wut erfüllt zu sein und gewillt, einander zu zerfleischen.

Um diese Könige herum flatterten auch noch, wie Eulen in der Nacht, die grausamen Verdächtigungen, die selbstgefälligen Befürchtungen, das Misstrauen, die die Völker für die Härte ihrer Könige rächen. Der unersättliche Hunger nach Reichtümern, der immer unterdrückende, falsche Ruhm und die Halbherzigkeit, die alle erduldeten Leiden verdoppelt, ohne jemals dauerhafte Freuden geben zu können. Man sah mehrere dieser Könige schwer gestraft, nicht für das Böse, das sie getan hatten, sondern dafür, dass sie das Gute, das sie hätten tun sollen, versäumt hatten. All die Verbrechen der Völker, die aus der Nachlässigkeit entstehen, mit der man die Einhaltung der Gesetze beachtet, wurden den Königen unterstellt, die nur herrschen sollen, damit die Gesetze durch ihre Regierung herrschen.

Man beschuldigte sie auch aller Unordnungen, die von der Prunksucht, dem Luxus und allen anderen Exzessen stammen, die die Menschen in einen Zustand der Gewalttätigkeit treiben und in die Versuchung, Gesetze zu verletzen, um Wohlergehen zu erlangen. Insbesondere behandelte man die Könige sehr streng, die, anstatt gute und wachsame Hirten der Völker zu sein, nur danach gestrebt hatten, die Herde wie reißende Wölfe zu Grunde zu richten.

Was Telemach jedoch noch mehr bestürzte, war, in diesem Abgrund von Finsternis und Leiden eine große Anzahl von Königen zu sehen, die, nachdem sie auf Erden als ziemlich gute Könige gegolten hatten, zu den Strafen des Tartarus verurteilt worden waren, weil sie sich von bösen und hinterlistigen Menschen leiten ließen. Sie wurden mit den Übeln bestraft, die sie durch ihre Autorität anrichten ließen. Zudem war die Mehrheit dieser Könige weder gut noch böse gewesen; ihre Schwäche war jedoch groß. Sie hatten nie befürchtet, die Wahrheit nicht zu kennen. Sie hatten kein Interesse an der Tugend gehabt und es bereitete ihnen kein Vergnügen, Gutes zu tun.



11. Die Meinung der Theologen über die Hölle lässt sich in folgenden Zitaten kurz wiedergeben. (Diese Zitate sind dem Werk “Die Hölle” von August Callet entnommen.) Da diese Beschreibung aus den heiligen Schriftstellern und dem Leben der Heiligen entnommen ist, so kann sie diesbezüglich umso mehr als Ausdruck des orthodoxen Glaubens betrachtet werden, da sie, von einigen Abweichungen abgesehen, bei jedem Anlass in den (angeblich) evangelischen Kanzelreden und pastoralen Anweisungen wiedergegeben wird.


12. Die Teufel (Dämonen) sind nichts anderes als Geister, und die Verdammten, die sich gegenwärtig in der Hölle befinden, können ebenfalls als solche Geister betrachtet werden, da nur ihre Seele dorthin hinabgestiegen ist und ihre zu Staub gewordenen Gebeine sich unaufhörlich in Gräser, Pflanzen, Früchte, Steine jeder Art und Flüssigkeiten umwandeln, indem sie, ohne es zu wissen, die beständigen Umwandlungen der Materie erfahren. Aber sowohl die Verdammten als auch die Heiligen müssen am jüngsten Tage wieder auferstehen und einen fleischlichen Körper annehmen, ohne ihn wieder zu verlassen, denselben Körper, mit dem man sie unter den Lebenden kannte. Was sie voneinander unterscheiden wird, ist, dass die Erwählten in einem geläuterten und ganz strahlenden Körper auferstehen werden, die Verdammten aber in einem durch die Sünde beschmutzten und missgestalteten. Es wird also in der Hölle nicht mehr nur ausschließlich Geister geben; es werden dort Menschen sein, wie wir es sind. Die Hölle ist daher ein physischer, geographischer und materieller Ort, weil sie von irdischen Geschöpfen bevölkert sein wird, die Füße, Hände, einen Mund, eine Zunge, Zähne, Ohren und Augen haben, die den unseren ähnlich sind, und Blut in den Adern und schmerzempfindliche Nerven.

Wo liegt die Hölle? Einige Lehrer haben sie genau in das Innere unserer Erde verlegt, andere in irgendwelche Planeten. Aber die Frage ist durch keine Kirchenversammlung entschieden worden. Man ist diesbezüglich also auf Vermutungen angewiesen. Das einzige, dessen man sich gewiss sein kann, ist, dass die Hölle, an welchem Ort sie auch liegen mag, eine aus materiellen Bestandteilen zusammengesetzte Welt ist, aber eine Welt ohne Sonne, ohne Mond, ohne Sterne, trauriger, ungastlicher, jeglichen Keimes und jeglichem Anschein des Wohlergehens beraubt, als dies die unbewohnbarsten Teile dieser Welt sind, in der wir sündigen.

Die angesehenen Theologen wagen nicht, so wie die Ägypter, Hindus und Griechen, alle Schrecken dieses Aufenthaltsortes zu schildern. Sie beschränken sich darauf, uns das Wenige als Modell zu zeigen, was die Schrift davon enthüllt, den Feuer- und Schwefelteich der Offenbarung (Apokalypse) des Johannes und die Würmer des Jesaja, diese ewig kriechenden Würmer auf den Kadavern der Wüste Thophel und die Teufel, welche die von ihnen verdorbenen Menschen quälen, und die weinenden und mit den Zähnen knirschenden Menschen, wie die Evangelisten es ausgedrückt haben.

Sankt Augustin stimmt nicht zu, dass diese körperlichen Strafen einfache Bilder der moralischen Strafen seien. Er sieht in einem wirklichen Schwefelteich wirkliche Würmer und Schlangen, die sich auf alle Teile des Körpers der Verdammten stürzen und ihre Bisse den Wunden des Feuers hinzufügen. Einem Vers des heiligen Markus zufolge behauptet er, dass dieses seltsame Feuer, obwohl es stofflich ist wie das unsere und auf physische Körper einwirkt, sie bewahren wird, wie das Salz das Fleisch der Opfertiere konserviert. Aber die Verdammten, die immer dargebrachte und lebendige Opferwesen sind, werden den Schmerz dieses Feuers fühlen, das brennt, ohne zu zerstören. Es dringt unter ihre Haut. Sie werden davon durchtränkt und übersättigt in all ihren Gliedern, bis ins Mark ihrer Knochen, in die Pupillen ihrer Augen und in die verborgensten und empfindsamsten Fasern ihres Wesens. Wenn sie sich hineinstürzen könnten, wäre der Krater eines feuerspeienden Vulkans für sie ein Ort der Erfrischung und Ruhe.

So sprechen die schüchternsten, bescheidensten und zurückhaltendsten Theologen mit fester Überzeugung. Sie leugnen übrigens nicht, dass in der Hölle weitere körperliche Strafen anzutreffen sind. Sie sagen lediglich, dass sie keine ausreichende und zumindest so fundierte Kenntnis davon haben, um darüber reden zu können, jedenfalls wie jene, die ihnen von der schrecklichen Strafe des Feuers und der ekelhaften Würmer gegeben worden ist. Aber es gibt kühnere oder besser aufgeklärte Theologen, die die Hölle detaillierter, umfassender und vollständiger beschreiben können. Und obwohl man nicht weiß, an welchem Ort des Universums diese Hölle liegt, gibt es Heilige, die sie gesehen haben. Sie sind nicht hingegangen, mit der Leier in der Hand wie Orpheus, oder mit dem Degen in der Hand wie Odysseus, sie sind im Geist dorthin versetzt worden. Die heilige Theresa ist eine von ihnen.

Nach dem Bericht dieser Heiligen scheint es, als ob es in der Hölle Städte gibt. Zumindest sah sie dort so etwas wie eine lange und enge Gasse, von denen es so viele in den alten Städten gibt. Sie trat hinein und ging mit Schrecken auf einem schlammigen, stinkenden Boden entlang, auf dem es von ungeheuerlichen kriechenden Tieren wimmelte. Aber sie wurde bei ihrem Spaziergang durch eine Mauer zurückgehalten, die die Gasse versperrte. In diesem Gemäuer war eine Nische angebracht, in die sich Theresa kauerte, ohne recht zu wissen, wie. Es war, sagte sie, die Stelle, die ihr bestimmt war, wenn sie zu Lebzeiten die Gnaden missbrauchte, die Gott über ihre Zelle in Avila goss. Obwohl sie mit einer wunderbaren Leichtigkeit in diese Nische hineingelangt war, konnte sie sich dennoch weder darin setzen noch sich hinlegen oder aufrecht halten. Noch weniger konnte sie hinausgelangen. Diese schrecklichen Mauern, die sich auf sie herabgesenkt hatten, hüllten sie ein und beengten sie, als ob sie belebt worden wären. Es schien ihr, als ob man sie erstickte oder erdrosselte und sie gleichzeitig bei lebendigem Leib quälte und in Stücke riss; und sie fühlte sich brennen und empfand mit einem Mal alle möglichen Ängste. Es gab keine Hoffnung auf Hilfe! Alles um sie herum war nur Finsternis, und dennoch bemerkte sie durch diese Finsternis hindurch mit Staunen noch die schreckliche Gasse, in der sie wohnte, und ihre abscheuliche Nachbarschaft, ein für sie ebenso unerträgliches Schauspiel wie die Umarmungen ihres Gefängnisses. (Man erkennt in dieser Vorstellung alle Anzeichen des Alptraums. Es ist somit wahrscheinlich, dass es ein solches Ereignis war, das bei der heiligen Theresa auftrat.)

Das war zweifellos nur eine kleine Ecke der Hölle. Andere spirituelle Reisende sind mehr begünstigt worden. Sie haben in der Hölle große Städte gesehen, die in Flammen standen: Babylon und Ninive, selbst Rom, deren Paläste und Tempel brannten und alle Bewohner in Ketten waren; den Händler in seiner Schreibstube, Priester und Höflinge in Speisesälen vereint und heulend auf ihren Sitzen, von denen sie sich nicht mehr losreißen konnten, und um ihren Durst zu stillen, hielten sie Schalen an ihren Lippen, aus denen Flammen schlugen; Knechte, die in siedenden Kloaken knieten, die Arme ausgestreckt, und Fürsten, aus deren Hand geschmolzenes Gold auf sie rieselte, so wie alles verschlingende Lava. Andere haben in der Hölle grenzenlose Ebenen gesehen, auf denen ausgehungerte Bauern gegraben und gesät haben, und da aus diesen Ebenen, von ihrem Schweiß dampfend, und aus diesen unfruchtbaren Feldern nichts spross, fraßen sich diese Bauern gegenseitig auf. Danach zerstreuten sie sich scharenweise bis an den Horizont, genauso zahlreich, mager und ausgehungert wie zuvor und suchten vergeblich in der Ferne glücklichere Länder. Auf den Feldern, die sie hinter sich ließen, wurden sie sogleich durch andere umherirrende Siedlerscharen von Verdammten ersetzt. Es gibt Leute, die in der Hölle Gebirge voller Abgründe gesehen haben, ächzende Wälder, Brunnen ohne Wasser, durch Tränen gespeiste Springbrunnen, Flüsse aus Blut, Schneewirbel in eisigen Wüsten, Boote voller Verzweifelter, die auf uferlosen Meeren trieben. Kurzum, man hat dort alles wieder gesehen, was die Heiden da sahen: ein trauriges Spiegelbild der Erde, einen maßlos vergrößerten Schatten ihrer Beschwerden, ihrer mit dem Dasein verbundenen Leiden verewigt, bis hin zu Kerkern, Galgen und Folterwerkzeugen, die unsere eigenen Hände geschmiedet haben.

Es gibt dort unten tatsächlich Teufel, die Körper annehmen, um die Menschen in ihren Körpern besser quälen zu können. Die einen haben Flügel wie Fledermäuse, Hörner, Schuppenpanzer, Klauen und scharfe Zähne; man zeigt sie uns bewaffnet mit Schwertern, Heugabeln, Kneifzangen, glühend heißen Zangen, Sägen, Rosten, Blasebälgen, Keulen und wie sie durch die Ewigkeit mit menschlichem Fleisch den Dienst von Köchen und Fleischern verrichten. Die anderen sind in Löwen oder in ungeheure Schlangen verwandelt, die ihre Beute in einsame Höhlen hineinschleppen. Einige verwandeln sich in Raben, um manchen Schuldigen die Augen auszuhacken und andere in fliegende Drachen, um sie auf ihre Rücken zu laden und sie ganz entsetzt, blutend und laut schreiend durch die finsteren Räume hindurch fortzutragen und sie dann in den Schwefelteich fallen zu lassen. Da gibt es Wolken von Heuschrecken, riesige Skorpione, deren Anblick einen erschauern lässt, deren Geruch Erbrechen bewirkt, deren geringste Berührung Krämpfe hervorruft. Dort gibt es vielköpfige Ungeheuer, die auf allen Seiten gefräßige Mäuler öffnen, auf ihren missgestalteten Köpfen Mähnen von Nattern schütteln, die Verdammten zwischen ihren blutenden Kiefern zermalmen und sie wieder erbrechen, völlig zerhackt, aber lebend, weil sie unsterblich sind.

Diese Teufel von wahrnehmbarer Gestalt, die so offensichtlich an die Götter des Amenthi (ägyptisch: Ort der Seelen) und des Tartarus (Ort der Verdammten) erinnern, und an die Götzen, die von den Phöniziern, den Moabitern und den anderen an Judäa angrenzenden heidnischen Völkern angebetet wurden, diese Teufel handeln keineswegs willkürlich. Jeder hat seine Funktion und sein Werk. Das Böse, das sie in der Hölle tun, steht im Verhältnis zu dem Bösen, zu dem sie angestachelt und bewirkt haben, auf der Erde begangen zu werden. (Gewiss eine sonderbare Bestrafung, die darin bestehen würde, in einem größeren Maße das Böse fortsetzen zu können, das sie auf Erden im Kleinen getan hatten! Es wäre vernünftiger, dass sie selbst unter den Folgen dieses Bösen litten, anstatt sich das Vergnügen zu machen, so andere leiden zu lassen.)

Die Verdammten werden an all ihren Sinnen und Körperteilen bestraft, weil sie Gott mit all jenen beleidigt haben. Bestraft in einer Weise als Fresser durch die Teufel der Völlerei und in einer anderen Weise als Träge durch die Teufel der Trägheit. Und wieder in einer anderen Weise als Unzüchtige durch die Teufel der Unzucht und auf genauso viele verschiedene Arten, wie es verschiedene Arten der Sünde gibt. Ihnen wird kalt sein, obwohl sie brennen und heiß, obwohl sie frieren. Sie werden begierig nach Ruhe sein und begierig nach Bewegung; und immer hungrig und immer durstig und tausendmal müder als ein Sklave am Ende eines Tages, kränker als die Sterbenden, gebrochener, zerschlagener, mehr mit Wunden übersät als die Märtyrer, und das wird kein Ende nehmen.

Kein Teufel lässt sich und wird sich jemals von seiner grauenhaften Aufgabe abschrecken lassen. Sie alle sind in dieser Beziehung sehr diszipliniert und pflichtgetreu in der Ausführung der Rachebefehle, die sie empfangen haben. Was würde denn sonst aus der Hölle werden? Die Kranken würden zur Ruhe kommen, wenn die Henker anfingen, sich zu zanken oder müde zu werden. Aber keine Ruhe für die einen, keine Streitigkeiten unter den anderen! So böse und so unzählig sie auch sein mögen, die Teufel verstehen einander von einem Ende des Abgrunds bis zum anderen. Nie sah man auf Erden Völker, die ihren Fürsten gegenüber gelehriger, nie Heere, die ihren Anführern gehorsamer und nie klösterliche Gemeinschaften, die ihren Oberen demütiger unterworfen gewesen wären. (Dieselben Teufel, die um des Guten willen ungehorsam gegenüber Gott sind, zeigen eine beispielhafte Fügsamkeit, um das Böse zu tun. Keiner von ihnen schreckt zurück oder lässt über eine ewig lange Zeit nach. Welch seltsame Wandlung hat sich an ihnen vollzogen, die wie Engel rein und vollkommen geschaffen wurden! Ist es nicht recht sonderbar, dass sie sich als Beispiel vollkommener Einigkeit, Übereinstimmung und unveränderlicher Eintracht zeigen, während die Menschen unter sich nicht in Frieden zu leben verstehen und sich untereinander auf Erden zerfleischen? Wenn man den Aufwand der Bestrafungen ansieht, die den Verdammten vorbehalten sind, und ihre Lage mit der der Teufel vergleicht, fragt man sich, wer am meisten zu beklagen ist: Henker oder Opfer.)

Man kennt übrigens das Volk der Teufel, dieser niedrigen Geister, nicht so genau, aus denen sich die Scharen der Blutsauger, Fressmäuler, Kröten, Skorpione, Raben, Giftschlangen, Molche und andere namenlose Tiere bilden, die die Tierwelt der höllischen Gebiete ausmachen. Aber man kennt und benennt mehrere der Fürsten, die diese Scharen befehligen, unter anderem Belphegor, den Teufel der Schwelgerei; Abaddon oder Apollyon, den Teufel des Mordes; Beelzebub, den Teufel der unreinen Begierden oder den Herrn der Mücken, die Sittenlosigkeit erzeugen; und Mammon, den Gott der Habgier, Moloch, Belial, Baalgad, Astaroth und so viele andere. Und über ihnen ihr allgemeines Oberhaupt, den düsteren Erzengel, der im Himmel den Namen Luzifer (Lichtträger) trug und in der Hölle den Namen Satan führt.

Das ist kurzgefasst die Idee, die man uns von der Hölle vermittelt, betrachtet unter dem Blickwinkel ihrer physischen Beschaffenheit und den körperlichen Strafen, die man dort erleidet. Öffnet die Schriften der Kirchenväter und der alten ehemaligen Kirchenlehrer; befragt unsere frommen Sagen; betrachtet die Skulpturen und Gemälde unserer Kirchen, hört genau zu, was man auf unseren Kanzeln sagt, und ihr werdet viel mehr davon erfahren."


13. Der Verfasser lässt diesem Bild folgende Erwägungen folgen, deren Tragweite jeder verstehen wird: "Die Auferstehung der Körper ist ein Wunder. Aber Gott lässt ein zweites Wunder geschehen, um diesen sterblichen Körpern, die bereits einmal durch die vorübergehenden Prüfungen des Lebens abgenutzt, schon einmal vernichtet sind, die Kraft zu geben, in einem Ofen, in dem Metalle verdampfen würden, weiterzubestehen, ohne sich aufzulösen. Man mag sagen, die Seele sei ihr eigener Henker, Gott verfolge sie nicht, sondern überlasse sie sich selbst in dem unglücklichen Zustand, den sie gewählt hat. Das kann man im engeren Sinne begreifen, obwohl es mit der Güte Gottes kaum vereinbar erscheint, verirrte und leidende Wesen ewig im Stich zu lassen. Aber was man von der Seele und den geistigen Strafen sagt, das kann man keinesfalls von den Körpern und den körperlichen Strafen sagen. Um diese körperlichen Strafen beständig zu machen, genügt es nicht, dass Gott seine Hand zurückzieht. Im Gegenteil, er muss sie zeigen, muss sich einschalten und handeln; ohne das würde der Körper unterliegen.“

Die Theologen unterstellen, dass Gott nach der Auferstehung wirklich dieses zweite Wunder bewirkt, über das wir gesprochen haben. Er zieht zunächst unsere aus Lehm geformten Körper aus dem Grab heraus, das sie verschlungen hatte. Er zieht sie so heraus, wie sie hineingelangt sind, mit ihren ursprünglichen Leiden und den allmählich eingetretenen altersbedingten Verschlechterungen, Krankheiten und Lastern. Er gibt sie uns in diesem Zustand zurück: verbraucht, kalt, gichtkrank, mit vielen Bedürfnissen, empfindlich gegen einen Bienenstich, voller Makel, die das Leben und der Tod ihnen aufgedrückt haben, und das ist das erste Wunder. Dann weist er diesen elenden Körpern, die voll und ganz bereit sind, zu dem Staub zurückzukehren, aus dem sie hervorgegangen sind, eine Eigenschaft zu, die sie niemals besessen haben, und das ist das zweite Wunder. Er gibt ihnen Unsterblichkeit, genau dieses Geschenk, das er in seinem Zorn oder vielmehr in seiner Barmherzigkeit Adam bei dessen Vertreibung aus dem Garten Eden wieder entzogen hatte. Als Adam unsterblich war, war er unverwundbar und als er aufhörte, unverwundbar zu sein, wurde er sterblich. Der Tod folgte unverzüglich dem Schmerz.

Die Auferstehung versetzt uns also weder in den physischen Zustand des Unschuldigen noch in den des Schuldigen zurück. Es ist nur eine Auferstehung unseres Leidens, aber zusätzlich mit neuen Leiden, die unendlich schrecklicher sind. Es ist zum Teil eine wahre Schöpfung und die boshafteste, die die Fantasie zu erfassen gewagt hat. Gott besinnt sich auf etwas anderes und um den geistigen Qualen der Sünder körperliche hinzuzufügen, die stets weiterbestehen, verändert er aufgrund seiner Macht plötzlich die Gesetze und Eigenschaften, die er selbst von Beginn an den Verbindungen der Materie zugewiesen hatte. Er erweckt wieder krankes und verdorbenes Fleisch, fügt mithilfe eines unauflösbaren Knotens jene Bestandteile hinzu, die von sich selbst aus das Bestreben haben, sich zu trennen, erhält und verewigt diese lebendige Fäulnis entgegen der einfachen, guten Ordnung. Er wirft sie ins Feuer, nicht um sie zu reinigen, sondern um sie so zu erhalten, wie sie ist: empfindsam, leidend, brennend, grauenvoll, so wie er sie haben will, unsterblich.

Durch dieses Wunder macht man aus Gott einen der Henker der Hölle. Denn wenn die Verdammten ihre geistigen Leiden nur sich selbst zurechnen, so können sie die anderen, zu ihrer eigenen Befriedigung, nur ihm zuschreiben. Es war scheinbar zu wenig für Gott, sie nach ihrem Tod der Traurigkeit zu überlassen, der Reue und allen Ängsten einer Seele, die fühlt, dass sie das höchste Gut verloren hat. Den Theologen zufolge wird Gott sie aus dieser Dunkelheit und aus der Tiefe dieses Höllenschlunds wegholen. Er wird sie für einen Augenblick ans Tageslicht zurückrufen, nicht um sie zu trösten, sondern um sie mit einem abscheulichen, flammenden und unvergänglichen Körper zu versehen, der verunreinigter ist als das Kleid der Dejanira, und erst dann verlässt er sie für immer.

Er wird sie nicht einmal ihrem Schicksal überlassen, weil ja die Hölle, genauso wie die Erde und der Himmel, nur durch einen fortwährenden Entschluss seines immer bewussten Willens besteht und alles vergehen würde, wenn er aufgeben würde, alles zu erhalten. Er wird also unaufhörlich die Hand über sie halten, um zu verhindern, dass ihr Feuer erlischt und dass ihr Körper sich verzehrt, da er ja will, dass diese unsterblichen Unglücklichen durch die beständige Fortdauer ihrer Strafe zur Erbauung der Erwählten beitragen.


14. Wir haben aus gutem Grund gesagt, dass die Hölle der Christen die Hölle der Heiden übertroffen habe. Tatsächlich sieht man im Tartarus die Schuldigen angesichts ihrer Verbrechen und Opfer stets von Gewissensbissen gequält, niedergedrückt von denen, welche von ihnen zu Lebzeiten niedergedrückt wurden. Man sieht sie vor dem Licht fliehen, das sie durchdringt, und vergeblich versuchen sie, den sie verfolgenden Blicken zu entkommen. Da ist der Hochmut erniedrigt und gedemütigt. Alle tragen die Spuren ihrer Vergangenheit. Alle werden durch ihre eigenen Fehler bestraft bis zu dem Punkt, dass es für einige genügt, sie sich selbst zu überlassen, und dass man es für sinnlos hält, dem noch weitere Strafen hinzuzufügen. Aber das sind Schatten, das heißt Seelen mit ihren luftartigen (fluidischen) Körpern, ein Abbild ihres irdischen Daseins. Man sieht dort nicht die Menschen wieder ihren fleischlichen Körper annehmen, um physisch zu leiden, noch Feuer unter ihre Haut dringen und sie bis auf das Knochenmark sättigen, und auch nicht den Aufwand und die sorgfältig ausgedachten Strafen, die die Grundlage der christlichen Hölle bilden. Man findet dort unbeugsame, aber gerechte Richter, die jede Strafe entsprechend abwägen; doch im Reich Satans vermischen sich alle Seelen in denselben Qualen; dort beruht alles auf der Materie. Selbst die Gerechtigkeit ist daraus verbannt.

Zweifellos gibt es heutzutage selbst in der Kirche viele vernünftige Menschen, die diese Dinge nicht wörtlich nehmen und darin nur bildliche Redewendungen sehen, deren Sinn man erkennen muss. Aber ihre Ansicht ist nur eine individuelle und bildet nicht die Regel. Daher ist der Glaube an die materielle Hölle mit all ihren Konsequenzen immer noch Bestandteil der kirchlichen Lehre.


15. Man fragt sich: Wie haben die Menschen diese Dinge mit Begeisterung sehen können, wenn es diese gar nicht gibt? Hier ist nun nicht der Ort, um die Herkunft der phantastischen Bilder zu erörtern, die manchmal mit allem Anschein der Realität erzeugt werden. Wir wollen damit nur sagen, dass man darin einen Beweis jenes Satzes erkennen muss, dass die Verzückung die am wenigsten sichere aller Offenbarungen ist (siehe “Das Buch der Geister”, Fragen 443 und 444), weil dieser Zustand der Überreizung nicht immer die Tatsache einer so vollständigen Loslösung der Seele vom Körper darstellt, wie man es glauben könnte, und weil sich darin recht oft die Spiegelung der Beschäftigungen des vorangegangenen Tages findet. Die Vorstellungen, mit denen der Geist genährt wird und von denen das Gehirn bzw. die mit dem Gehirn in Wechselbeziehung stehende, den Geist umgebende Hülle den Abdruck bewahrt hat, bilden sich erweitert aufs Neue, wie in einer Luftspiegelung in dunstartigen Formen, die sich kreuzen, miteinander verbinden und sich zu unwirklichen Gesamtbildern zusammensetzen. Die Verzückten aller Weisen der Gottesverehrung haben immer Dinge entsprechend des Glaubens gesehen, von dem sie überzeugt waren. Es ist also nicht überraschend, dass diejenigen, die wie die heilige Theresa, von den Vorstellungen der Hölle angetan sind, wie sie durch die mündlichen oder schriftlichen Beschreibungen und durch die Gemälde dargestellt werden, Visionen davon haben, die, genau gesagt, nur deren Nachbildung sind und die Wirkung eines Alptraums hervorrufen. Ein gläubiger Heide hätte den Tartarus und die Furien (Rachegöttinnen) genauso gesehen, wie er Jupiter auf dem Olymp mit dem Donnerkeil in der Hand gesehen hätte.