Himmel und Hölle oder Die göttliche Gerechtigkeit

Allan Kardec

Sie sind in: Himmel und Hölle oder Die göttliche Gerechtigkeit > Erster Teil - Die Lehre > Kapitel IX - Die Teufel

Kapitel IX - Die Teufel

Der Ursprung des Glaubens an die Existenz von Teufeln

1. Teufel und Dämonen haben zu allen Zeiten in den verschiedenen Lehren von der Entstehung der Götter eine große Rolle gespielt. Obwohl sie in der öffentlichen Wahrnehmung erheblich an Bedeutung verloren haben, gibt doch die Wichtigkeit dieser Frage, die man ihr noch heute zuschreibt, eine gewisse Tragweite, denn sie berührt die Grundlagen der religiösen Glaubensvorstellungen. Darum ist es angebracht, diese Frage und die ihr zuteil gewordenen Entwicklungen zu prüfen.

Der Glaube an eine höhere Macht ist den Menschen angeboren. Man findet ihn in den verschiedensten Formen und in allen Zeitaltern der Welt. Wenn die Menschen jedoch auf der Stufe des geistigen Fortschritts, auf der sie heute angelangt sind, noch immer über das Wesen und die Eigenschaften dieser Macht streiten, wie viel unvollkommener mussten ihre Vorstellungen darüber in der Kindheitsphase der Menschheit gewesen sein.


2. Das Bild, das uns von der Unschuld der Naturvölker bei der Betrachtung der Schönheiten der Natur vermittelt wird, in der sie die Güte des Schöpfers bewundern, ist zweifellos sehr poetisch. Es entspricht jedoch nicht der Wahrheit.

Je mehr sich der Mensch dem Naturzustand nähert, umso mehr herrschen instinktive Triebe in ihm, so wie man es noch bei den ursprünglichen Naturvölkern unserer Tage sehen kann. Was ihn am meisten in Anspruch nimmt, oder vielmehr, was ihn ausschließlich beschäftigt, ist die Befriedigung seiner materiellen Bedürfnisse, weil er keine anderen hat. Der einzige Sinn, der ihn den rein moralischen Aspekten zugänglich machen kann, entwickelt sich erst im Laufe der Zeit und allmählich. Die Seele hat ihre Kindheit, ihre Jugend und das Erwachsenenalter, so wie der menschliche Körper. Aber um das Erwachsenenalter zu erreichen, das sie befähigt, die abstrakten Dinge zu begreifen, wie viele Entwicklungen muss sie dabei in der Menschheit durchmachen! Wie viele Inkarnationen muss sie dabei vollenden!

Ohne in die frühesten Zeiten zurückzugehen, schauen wir uns die Menschen auf dem Land an und fragen uns, welche Gefühle des Staunens durch die Strahlen der aufgehenden Sonne, den sternenübersäten Himmel, das Zwitschern der Vögel, das Murmeln der klaren Wellen, die Blumenpracht auf den Wiesen in ihnen erweckt werden! Für sie geht die Sonne auf, weil sie es immer tut und alles, was sie wollen, ist, dass die Sonne genug Wärme zum Reifen der Ernte gibt, aber nicht zu viel, sodass sie nicht verbrannt wird. Wenn sie den Himmel betrachten, so geschieht dies, weil sie wissen wollen, ob es den nächsten Tag gutes oder schlechtes Wetter geben wird. Ob die Vögel singen oder nicht, ist ihnen gleichgültig, solange sie das Korn nicht fressen. Sie ziehen das Gegackere der Henne und das Grunzen des Schweines dem Gesang der Nachtigall vor. Sie erwarten von den klaren oder schlammigen Bächen, dass sie nicht versiegen und sie nicht überschwemmen; von den Wiesen, dass sie gutes Gras geben, mit oder ohne Blumen; das ist alles, was sie begehren bzw. alles, was sie von der Natur begreifen, und doch haben sie sich schon weit von den Urmenschen entfernt!


3. Wenn wir uns auf diese Urmenschen beziehen, so sehen wir sie noch ausschließlich mit der Befriedigung körperlicher Bedürfnisse beschäftigt. Was dazu dient, für diese zu sorgen und was ihnen schaden kann, macht für sie das Gute und das Böse in dieser Welt aus. Sie glauben an eine höhere Macht. Aber da sie am meisten berührt, was ihnen einen materiellen Nachteil bringt, führen sie es auf diese Macht zurück, von der sie sich übrigens nur eine sehr vage Vorstellung machen. Da sie außerhalb der sicht- und tastbaren Welt noch nichts begreifen können, stellen sie sich diese Macht als in den Wesen und Dingen innewohnend vor, die ihnen schaden. Die bösartigen Tiere sind für sie die natürlichen und direkten Vertreter dieser Macht. Aus demselben Grund sahen sie die Versinnbildlichung des Guten in den nützlichen Dingen, die ihnen Vorteile verschafften oder hilfreich waren, daher die erwiesene Verehrung für bestimmte Tiere oder Pflanzen und selbst unbelebte Gegenstände. Aber der Mensch ist im Allgemeinen empfänglicher für das Böse als für das Gute. Das Gute scheint ihm selbstverständlich, während das Böse mehr Eindruck auf ihn macht. In allen anfänglichen Kulten sind darum die Gebräuche zu Ehren böser Mächte die zahlreichsten: Die Furcht gewinnt die Oberhand über die Dankbarkeit.

Lange Zeit hindurch begriff der Mensch nur das physische Gute und Böse. Das Gefühl für das moralische Gute und Böse verwies auf einen Fortschritt in der menschlichen Einsicht. Erst dann gewann der Mensch Einblick in die Spiritualität und verstand, dass die höhere Macht außerhalb der sichtbaren Welt liegt und nicht in den materiellen, vergänglichen Dingen. Das war das Werk einiger auserwählter Geister, die jedoch gewisse Grenzen nicht überschreiten konnten.


4. Da man einen unaufhörlichen Kampf zwischen dem Guten und dem Bösen sah, bei dem das Böse oft siegte, und weil man auf der anderen Seite vernünftigerweise nicht zugeben konnte, dass das Böse das Werk einer gutartigen Macht sei, schloss man daraus, dass es zwei rivalisierende Mächte gibt, die diese Welt lenken. Von da entstand die Lehre der zwei Prinzipien, dem des Guten und dem des Bösen, eine für jene Zeit logische Schlussfolgerung, denn der Mensch war noch unfähig, eine andere zu begreifen und die Essenz des höchsten Wesens zu ergründen. Wie hätte er verstehen können, dass das Böse nur ein vorübergehender Zustand ist, aus dem das Gute hervorgehen kann, und dass die Leiden, die ihn heimsuchen, ihn zum Glück führen sollen, indem sie zu seinem Fortschritt beitragen? Die Grenzen seines geistigen Horizontes erlaubten ihm nicht, außerhalb des gegenwärtigen Lebens und darüber hinaus etwas zu sehen, weder davor noch danach. Er konnte weder begreifen, dass er fortgeschritten ist, noch individuell weiter fortschreiten wird und noch weniger, dass die Wechselfälle des Lebens das Ergebnis der Unvollkommenheit des geistigen Wesens sind, das in ihm wohnt; das bereits vor seinem Körper existiert hat, ihn überleben wird und sich in einer Folge von Existenzen läutert, bis es seine Vollendung erreicht hat! Um das Gute, das aus dem Bösen hervorgehen kann, zu begreifen, darf man nicht nur eine einzige Existenz betrachten. Man muss das Ganze erfassen: Nur dann erscheinen die wahrhaftigen Ursachen und ihre ganzen Auswirkungen.


5. Das duale Prinzip vom Guten und Bösen war viele Jahrhunderte hindurch und unter verschiedenen Namen die Grundlage aller religiösen Überzeugungen. Es wurde personifiziert unter den Namen “Ormuz” und “Ariman” bei den Persern, “Jehova”, “Jaweh” oder “Ihoh” und “Satan” bei den Hebräern. Aber so wie jeder Herrscher hohe Diener haben muss, bewundern alle Religionen zweitrangige Mächte, seien es gute oder böse Geister. Die Heiden verkörperten sie in einer Menge unzähliger Einzelwesen, von denen jedes seine besondere Zuteilung für das Gute und das Böse, für die Laster und Tugenden hat, und denen sie den allgemeinen Namen "Götter" gaben. Christen und Moslems erhielten von den Hebräern die Engel und die Teufel.


6. Die Lehre von den Teufeln hat also ihren Ursprung im alten Glauben an die zwei Prinzipien des Guten und Bösen. Wir prüfen dies hier nur vom christlichen Standpunkt aus und untersuchen, ob sie mit den genaueren Erkenntnissen vereinbar ist, die wir heute von den Eigenschaften der Gottheit haben.

Diese Eigenschaften sind der Ausgangspunkt, die Grundlage aller Religionen. Glaubenssätze, Kulte, Bräuche, Zeremonien und Moralvorstellungen: Alles steht in Beziehung mit den mehr oder weniger richtigen und erhabenen Begriffen, die man sich von Gott macht, von der Götzenanbetung bis hin zum Christentum. Auch wenn das innerste Wesen Gottes immer noch ein Geheimnis für unseren Verstand ist, verstehen wir es dank der Lehren Christi besser denn je. Das Christentum, in Übereinstimmung mit der Vernunft, lehrt uns, dass “Gott einzig ist, ewig, unwandelbar, immateriell, allmächtig, im höchsten Maße gerecht und gut und unendlich in all seinen Vollkommenheiten.”

Es ist so wie an anderer Stelle (Kap. 6, "Endlose Strafen") gesagt wurde: "Wenn man das kleinste Teilchen einer einzigen von den Eigenschaften Gottes wegnähme, dann hätte man keinen Gott mehr, weil ein vollkommeneres Wesen vorhanden sein könnte." Diese Eigenschaften sind in ihrer unumschränkten Fülle also das Erkennungszeichen aller Religionen, der Maßstab der Wahrheit einer jeden der Prinzipien, die sie lehren. Insofern eine dieser Prinzipien wahr ist, darf sie keine der Vollkommenheiten Gottes beeinträchtigen. Sehen wir, ob es sich mit der gewöhnlichen Lehre von den Teufeln so verhält.



Die Teufel aus kirchlicher Sicht

7. Nach der Kirchenlehre ist "Satan" als das Haupt oder der König der Teufel durchaus keine sinnbildliche Personifizierung des Bösen, sondern ein wirkliches Wesen, das ausschließlich das Böse tut, während Gott ausschließlich das Gute tut. Nehmen wir ihn also als solchen, wie man ihn uns beschreibt.

Gibt es Satan seit aller Ewigkeit, so wie Gott, oder ist er nach Gott gekommen? Wenn es ihn seit aller Ewigkeit gibt, so ist er ungeschaffen und folglich Gott gleich. Gott ist dann nicht mehr einzig. Es gibt da einen Gott des Guten und einen Gott des Bösen.

Ist er aber erst später gekommen, dann ist er ein Geschöpf Gottes. Weil er eben nur das Böse tut und unfähig ist, Gutes zu tun und zu bereuen, hat Gott ein auf immer dem Bösen ergebenes Wesen erschaffen. Wenn das Böse nicht das Werk Gottes ist, sondern das Werk eines seiner Geschöpfe, das zu solchem Tun vorausbestimmt ist, so ist Gott immer dessen erster Urheber und dann ist er nicht unendlich gut. Dasselbe gilt für alle bösen Wesen, die “Teufel" genannt werden.


8. Über lange Zeit ist der Glaube über diesen Punkt folgender gewesen: (Die hier folgenden Zitate sind dem Hirtenbrief des Monsignore Kardinal Gousset, Kardinal-Erzbischof von Reims, zur Fastenzeit von 1865 entnommen. Mit Rücksicht auf das persönliche Verdienst und die Stellung des Autors kann man sie als den letzten Ausdruck der Kirche über die Lehre von den Teufeln deuten).

"Gott, der seiner Natur nach die Güte und Heiligkeit ist, hatte sie durchaus nicht böse und übeltuend geschaffen. Seine väterliche Hand, die sich darin gefällt, über all ihre Werke einen Widerschein seiner unendlichen Vollkommenheit zu verbreiten, hatte sie mit ihren herrlichsten Gaben überhäuft. Den überragenden Eigenschaften ihres Wesens hatte sie die reichen Schenkungen seiner Gnade zugefügt. Sie hatte sie in Allem den erhabenen Geistern gleich gemacht, die in der Herrlichkeit und der Glückseligkeit sind. Verteilt in all ihren Ordnungen und unter alle Ränge gemischt, hatten sie dasselbe Ziel und dieselben Schicksale. Ihr Anführer ist der schönste der Erzengel gewesen. Auch sie hätten es sich verdienen können, bestärkt zu werden, immer in der Gerechtigkeit zu verweilen und zu einem ewigen Genuss des Glückes der Himmel zugelassen zu sein. Diese letzterwähnte Gunst würde von allen anderen Gunsten, denen sie teilhaftig wurden, übertroffen werden; sie sollte der Lohn ihrer Folgsamkeit sein, aber sie haben sich derselben unwert gemacht. Sie haben dieselbe verloren, infolge einer gewagten und unsinnigen Rebellion.

Welches ist das Hindernis ihrer Beharrlichkeit gewesen? Welche Wahrheit haben sie verleugnet? Welche Handlung der Treue und der Anbetung haben sie Gott verweigert? Die Kirche und die Chroniken der heiligen Geschichte beschreiben es auf keine eindeutige Weise. Aber es scheint sicher, dass sie sich weder der Vermittlung des Sohnes Gottes noch der Erhöhung der menschlichen Natur in Jesus Christus unterworfen haben.

Das göttliche Wort, durch das alle Dinge gemacht sind, ist auch der einzige Mittler und Retter im Himmel und auf Erden. Ihr so hohes Ziel ist den Engeln und den Menschen nur in Voraussicht ihrer Inkarnation und ihrer Verdienste gegeben worden. Denn die Werke der höchsten Geister und diese Belohnung, die nichts anderes als Gott selbst ist, stehen in keinem Verhältnis zueinander. Kein Geschöpf hätte zu ihr gelangen können, ohne diese wunderbare und erhabene Intervention barmherziger Liebe. Um nun den unendlichen Abstand auszufüllen, der das göttliche Wesen von den Werken Seiner Hände trennt, musste es mit seiner Person selbst die beiden Extreme vereinen und seiner Göttlichkeit das Wesen und die Art des Engels oder des Menschen verbinden, und es wählte die menschliche Natur.

Dieses Vorhaben, von aller Ewigkeit her angelegt, wurde den Engeln lange vor seiner Ausführung offenbart. Der Menschengott wurde ihnen in der Zukunft als der gezeigt, der sie in Gnade segnen und sie einführen sollte in die Herrlichkeit, unter der Bedingung, dass sie ihn auf der Erde während seiner Sendung und im Himmel in den Jahrtausenden der Jahrtausende anbeten würden. Eine unverhoffte Enthüllung, eine hinreißende Vision für die edelmütigen und dankbaren Herzen, aber ein tiefes Geheimnis, erdrückend für hochmütige Geister. Dieses erhabene Ziel, dieses unermessliche Maß an Herrlichkeit, welches ihnen unterbreitet war, sollte also nicht einzig die Belohnung ihrer eigenen Verdienste sein! Nie sollten sie sich selbst den Rechtsanspruch und den Besitz zuschreiben können. Ein Mittler zwischen ihnen und Gott, welche ihrer Würde zugefügte Beleidigung! Eine der menschlichen Art bewilligte freie Bevorzugung, welche Ungerechtigkeit! Welche Antastung ihrer Rechte! Diese Menschheit, die so viel niedriger stand als sie, sollen sie sie eines Tages vergöttert sehen, durch ihre Vereinigung mit dem "Wort" und sitzend zur Rechten Gottes, auf einem strahlenden Herrschersitz? Sollen sie dazu einwilligen, ihm ewiglich ihre Huldigungen und Anbetungen darzubringen?

"Luzifer” (der Lichtbringer) und der dritte Teil der Engel erlagen jenen Gedanken des Hochmuts und der Eifersucht. Der Erzengel Michael und mit ihm der größte Teil riefen aus: "Wer ist Gott gleich? Er ist der Herr aller Gaben und der unumschränkte Herrscher aller Dinge. Ehre sei Gott und dem Lamm, das für das Heil der Welt geopfert werden wird!" Aber der Anführer der Rebellen, vergessend, dass er seinem Schöpfer verantwortlich sei für seine Stellung und seine Vorrechte, hörte nur auf seine Vermessenheit und sagte: "Ich selbst werde zum Himmel aufsteigen; ich werde meinen Wohnsitz über den Sternen errichten; ich werde mich auf den Berg des Bundes setzen, zu den Seiten des Nordwinds; ich werde die höchsten Wolken beherrschen und dem Höchsten gleich sein." Jene, die seine Ansichten teilten, nahmen seine Worte mit einem Murmeln des Beifalls auf und es gab sie auf allen Rängen der göttlichen Ordnung; aber ihre Menge schützte sie nicht vor der Strafe.”


9. Diese Lehre ruft mehrere Einwände hervor.

Erstens: Wenn Satan und die Teufel Engel waren, so bedeutet das, dass sie vollkommen waren. Wenn sie vollkommen waren, wie konnten sie dann Fehler begehen und in diesem Punkt die Autorität Gottes verkennen, in dessen Gegenwart sie sich befanden? Man würde es noch verstehen, dass, wenn sie nur schrittweise und nach dem Durchlaufen des Geburtsweges der Unvollkommenheit auf dieser verdienstvollen Stufe angelangt waren, sie einen verdrießlichen Rückfall gehabt hätten. Was aber die Sache noch unbegreiflicher macht, ist, dass man sie uns darstellt, als wären sie vollkommen erschaffen worden.

Eine Folgerung aus dieser Lehre ist diese: Gott hatte in ihnen vollkommene Wesen erschaffen wollen, da Er sie ja mit allen Gaben überhäuft hatte, und Er hat sich geirrt; also ist Gott nach Maßgabe der Kirchenlehre nicht unfehlbar.

Diese ungeheuerliche Folgerung wird durch Moses bekräftigt, wenn er sagt (1. Mose, Kap. 6, Vers 6 - 7): "Es reute Ihn, die Menschen auf Erden gemacht zu haben und, berührt vom Schmerz bis auf den Grund des Herzens, sprach Er: „Ich werde den Menschen, den ich geschaffen habe, vom Boden der Erde vertilgen. Ich werde alles vertilgen, vom Menschen bis zu den Tieren, von Allem, das auf Erden kriecht, bis zu den Vögeln des Himmels. Denn es reut mich, dass ich sie gemacht habe.“

Ein Gott, der Reue empfindet, über das, was Er getan hat, ist weder vollkommen noch unfehlbar: mithin ist Er kein Gott. Dennoch sind das Worte, welche die Kirche als heilige Wahrheiten verkündet. Man versteht ebenso wenig, was die Tiere mit der Verderbtheit der Menschen gemeinsam haben sollen, um ihre Vernichtung als verdient zu begründen.

Zweitens: Weil weder die Kirche noch die Chroniken der heiligen Geschichte die Ursache der Empörung der Engel gegen Gott aufklären und da es bloß gewiss “scheint”, dass es an ihrer Weigerung lag, die künftige Mission Christi anzuerkennen, welchen Wert kann da die so präzise und detailliert beschriebene Schilderung der Szene haben, die bei dieser Gelegenheit stattfand? Aus welcher Quelle hat man die Worte geschöpft, die so klar beschrieben sind, als ob sie dabei tatsächlich ausgesprochen worden wären - bis hin zu dem einfältigen Murmeln? Es kann nur eines zutreffen: entweder die Szene ist wahr oder sie ist es nicht. Wenn sie wahr ist, gibt es keinerlei Ungewissheit, und warum entscheidet die Kirche dann die Frage nicht? Wenn die Kirche und die Geschichte schweigen, wenn die Sache nur sicher scheint, so ist das nur eine Vermutung und die Beschreibung der Szene ist ein Werk der Fantasie.

Man liest bei Jesaja, Kap. 14, Vers 11 ff: “Dein Hochmut ist in die Unterwelt gestürzt worden; dein toter Leib ist zur Erde gefallen; dein Lager wird Moder sein und deine Kleider werden Würmer sein. – Wie bist du vom Himmel gefallen, Luzifer, du, der so strahlend beim Anbruch des Tages erschien? Wie bist du auf die Erde gestoßen worden, du, der den Völkern Wunden schlug. Du, der in deinem Herzen sprach: ich werde zum Himmel steigen, ich werde meinen Thron über die Sterne Gottes stellen, ich werde mich auf den Berg des Bundes setzen, zu den Seiten des Nordwinds; ich werde mich über den höchsten Wolken niederlassen und in Allem dem Höchsten gleich sein? - Und dennoch bist du von dieser Herrlichkeit in die Unterwelt bis zu den Tiefen des Abgrunds gestürzt worden. Die, welche dich sehen werden, werden nahe zu dir treten und, nachdem sie dir ins Gesicht geblickt haben, zu dir sprechen: ist das jener Mensch, der die Erde in Furcht versetzt, der den Schrecken in die Königreiche geworfen, der aus der Welt eine Wüste gemacht hat, der ihre Städte zerstört und jene in Ketten gelegt hat, die er zu seinen Gefangenen gemacht hatte?”

Diese Worte des Propheten beziehen sich keineswegs auf den Aufstand der Engel, sondern sind eine Anspielung auf den Hochmut und den Fall des Königs von Babylon, der die Juden gefangen hielt, wie es ja die letzten Verse beschreiben. Der König von Babylon ist sinnbildlich mit dem Namen Luzifer bezeichnet; aber die oben beschriebene Szene wird dort nicht erwähnt. Besagte Worte sind die des Königs, der in seinem Herzen sprach und sich in seinem Stolz über Gott setzte, dessen Volk er gefangen hielt. Die Vorhersage von der Befreiung der Juden, vom Untergang Babylons und von der Niederlage der Assyrer ist übrigens das ausschließliche Thema dieses Kapitels.

Drittens: Die Luzifer zugeschriebenen Worte verraten eine Unwissenheit, die man nur mit Verwunderung bei einem Erzengel vernimmt, der aufgrund seiner eigenen Wesensart und auf der Stufe, auf der er steht, nicht die Irrtümer und Vorurteile bezüglich der Einrichtung des Universums teilen darf, zu denen sich die Menschen bekannt haben, bis die Wissenschaft kam und sie aufklärte. Wie kann er sagen: "Ich werde meine Wohnung über die Gestirne setzen; ich werde die höchsten Wolken beherrschen?" Das ist immer der alte Glaube an die Erde als Mittelpunkt des Weltalls, an den Wolkenhimmel, der sich bis zu den Sternen ausdehnt, an das begrenzte Gebiet der Sterne, die ein Gewölbe bilden und die, wie uns mittlerweile die Astronomie lehrt, in den unendlichen Raum verstreut sind! Man weiß heutzutage, dass sich die Wolken von der Oberfläche der Erde aus nicht mehr als zwei Wegstunden (= ca. 9 km) in das All erstrecken. Um zu sagen, dass er die höchsten Wolken beherrschen werde und um von den Bergen zu sprechen, musste sich die Szene auf der Erdoberfläche abspielen und dort auch der Aufenthaltsort der Engel sein. Wenn dieser Aufenthaltsort in höheren Sphären liegt, war es unnütz zu sagen, dass er sich über die Wolken erheben werde. Engel eine von Unwissenheit geprägte Sprache sprechen zu lassen, heißt einzugestehen, dass die Menschen heutzutage davon mehr wissen als die Engel. Die Kirche hat stets den Fehler gemacht, die Fortschritte der Wissenschaft nicht zu beachten.


10. Die Antwort auf den ersten Einwand findet sich an der folgenden Stelle:

“Die heilige Schrift und die Überlieferung geben den Namen “Himmel" dem Ort, wo die Engel zur Zeit ihrer Erschaffung untergebracht waren. Aber das war nicht der Himmel, der Himmel der seligen Anschauung, wo Gott sich von Angesicht zu Angesicht seinen Auserwählten zeigt, und wo seine Auserwählten ihn ohne Mühen und deutlich anschauen, denn dort gibt es keine Gefahr oder die Möglichkeit mehr zu sündigen. Versuchung und Schwäche sind hier unbekannt. Gerechtigkeit, Freude und Friede herrschen hier in unveränderlicher Sicherheit, unvergänglich in Heiligkeit und Herrlichkeit. Es war demnach eine andere himmlische Region, eine strahlende und beglückte Sphäre, wo diese edlen Geschöpfe, die reichlich mit göttlichen Botschaften begünstigt worden sind, diese empfangen und sich mit Glaubensdemut an sie halten sollten, bevor ihnen gewährt wurde, deren Wahrheit im Wesen Gottes selbst zu sehen.”

Aus den vorherigen Erläuterungen folgt, dass die Engel, die sich schuldig gemacht haben, einer minder erhabenen, minder vollkommenen Kategorie angehörten, und dass sie noch nicht an den höchsten Ort gelangt waren, wo Verfehlungen unmöglich sind. Es mag sein, aber dann findet sich hier ein offenbarer Widerspruch, denn weiter oben wurde gesagt, dass "Gott sie in allem den erhabenen Geistern gleich gemacht hatte; dass sie, verteilt in all deren Ordnungen und vermischt in all deren Reihen, dasselbe Ziel und Schicksal hatten; dass ihr Anführer der schönste der Erzengel war." Wenn sie in allem den anderen gleich geschaffen worden sind, so waren sie nicht von niedrigem Wesen. Wenn sie in all ihren Reihen vermischt waren, so waren sie nicht an einem bestimmten Ort. Der Einwand bleibt also voll bestehen.


11. Es gibt einen anderen Einwand, der unbestritten der schwerwiegendste und ernsteste ist.

Es wird gesagt: "Dieses Vorhaben (die Vermittlung Christi), seit aller Ewigkeit geplant, wurde den Engeln lange Zeit vor dessen Ausführung offenbart.” Gott wusste also seit aller Ewigkeit, dass die Engel, ebenso wie die Menschen, diese Vermittlung brauchen würden. Er wusste oder wusste eben nicht, dass gewisse Engel fallen würden; dass dieser Fall für sie die ewige Verdammnis ohne Hoffnung auf Rückkehr nach sich ziehen würde; dass sie dazu bestimmt sein würden, die Menschen zu verführen; dass jene letzteren, die sich verführen lassen, dasselbe Schicksal erleiden würden. Wusste Er es, so schuf Er diese Engel zu ihrem unwiderruflichen Verderben, wie auch den größten Teil des Menschengeschlechts. Was man auch einwenden möge, es ist bei solcher Voraussicht unmöglich, ihre Erschaffung mit der herrlichen Güte Gottes in Einklang zu bringen. Wusste Gott es nicht, so war Er nicht allmächtig. In beiden Fällen ist es die Verneinung zweier Eigenschaften, ohne deren Fülle Gott nicht Gott wäre.



13. Sehen wir jetzt, welches ihr Schicksal ist und was sie tun. Kaum war ihr Aufstand in der Sprache der Geister, also in ihren Gedankengängen, bekannt geworden, wurden sie unwiderruflich aus ihrer himmlischen Stadt verbannt und in den Abgrund gestürzt.

“Unter diesen Worten verstehen wir, dass sie an einen Ort der Strafen verwiesen wurden, wo sie die Qual des Feuers erleiden, entsprechend dem Wortlaut des Evangeliums, der aus dem Munde des Erlösers selbst gekommen ist: “Gehet hin, ihr Verfluchten, in das ewige Feuer, welches bereitet ist für den Teufel und seine Engel!" Der heilige Petrus sagt ausdrücklich, dass “Gott sie den Ketten und Qualen der Hölle überliefert hat", aber nicht alle bleiben ewig dort. Erst am Ende der Welt werden sie dort gemeinsam mit den Verdammten für immer eingeschlossen werden. Gegenwärtig erlaubt Gott, dass sie in dieser Schöpfung, zu der sie gehören, noch einen Platz einnehmen; in der Ordnung der Dinge, zu der ihre Existenz gehört, letztlich in den Beziehungen, die sie mit den Menschen haben sollten, und mit denen sie den verderblichsten Missbrauch treiben. Während die einen an ihrem finsteren Wohnsitz verweilen und dort der göttlichen Gerechtigkeit als Werkzeug gegen die unglücklichen Seelen dienen, die von ihnen verführt worden sind, wohnt eine endlose Zahl anderer, die unter der Leitung ihrer Anführer unsichtbare Legionen bilden, in den unteren Schichten unserer Atmosphäre und durchstreifen alle Teile der Erde. Sie sind mit allem, was hier unten vorgeht, verbunden und nehmen meistens einen sehr aktiven Anteil daran.”

Was die Worte Christi über die Strafe des ewigen Feuers betrifft, so wird diese Frage im 4. Kapitel "Die Hölle" behandelt.


14. Nach dieser Lehre ist nur ein Teil der Teufel in der Hölle. Der andere irrt in Freiheit umher, mischt sich in alles, was hier unten vor sich geht, macht sich das Vergnügen, Böses zu tun und das bis ans Ende der WeIt, dessen unbestimmter Zeitpunkt wohl nicht so bald eintreten wird. Warum also dieser Unterschied? Sind sie weniger schuldig? Sicher nicht. Es sei denn, es gelänge ihnen, einer nach dem anderen hinauszugelangen, was aus folgendem Satz hervorzugehen scheint: "Während die einen in ihrer finsteren Behausung bleiben und darin der göttlichen Gerechtigkeit als Werkzeug gegen die unglücklichen Seelen dienen, die von ihnen verführt worden sind."

Ihre Aufgaben bestehen also darin, die von ihnen verführten Seelen zu quälen. So sind sie nicht mit der Aufgabe belastet, jene zu strafen, die aus freien Stücken und willentlich begangener Vergehen schuldig sind, sondern die, deren Vergehen sie selbst bewirkt haben. Sie sind gleichzeitig die Ursache der Schuld und das Werkzeug der Bestrafung. Das ist etwas, was von der menschlichen Gerechtigkeit, so unvollkommen sie auch sein mag, nicht zugelassen werden würde. Das Opfer, das aus Schwäche dem Anlass erliegt, den man verursacht, um es in Versuchung zu führen, wird ebenso streng bestraft wie der Anstifter der Tat selbst, der List und Schlauheit anwendet; sogar noch schlimmer, weil es beim Verlassen der Erde direkt in die Hölle geht, aus der es nie wieder herauskommt und dort bis in alle Ewigkeit ohne Ruhe und Erbarmen leidet, während derjenige, der die erste Ursache seines Vergehens ist, bis ans Ende der Welt in Ruhe und Freiheit lebt! Ist die Gerechtigkeit Gottes denn nicht vollkommener als die der Menschen?


15. Das ist noch nicht alles. “Gott erlaubt, dass sie in dieser Schöpfung noch einen Platz einnehmen, in den Beziehungen, die sie gegenüber den Menschen haben sollten und mit denen sie den verderblichsten Missbrauch treiben." Konnte Gott der Missbrauch unbekannt bleiben, den sie mit der Freiheit treiben würden, die Er ihnen gab? Warum bewilligt Er sie ihnen dann? Es geschieht also in Kenntnis der Sachlage, dass Er seine Geschöpfe an ihre Willkür ausliefert, wohlwissend, kraft Seiner Allwissenheit, dass sie unterliegen und das Schicksal der Teufel haben werden. Hatten sie nicht schon genug an ihrer eigenen Schwachheit, um nicht auch noch von einem Feind zum Bösen verführt zu werden, der umso gefährlicher ist, als er unsichtbar ist? Weiterhin, wenn die Strafe nur vorübergehend wäre und der Schuldige sich durch Wiedergutmachung befreien könnte! Aber nein: er ist auf Ewigkeit verdammt. Seine Reue, seine Rückkehr zum Guten und seine Klagen sind überflüssig.

Die Teufel sind auf diese Weise die Lockmittel, vorausbestimmt zum Anwerben von Seelen für die Hölle, und das mit der Erlaubnis Gottes, der bei der Erschaffung dieser Seelen ihr Schicksal kannte, das ihnen bestimmt war. Was würde man auf der Erde von einem Richter sagen, der diese Erlaubnis nutzen würde, um die Gefängnisse zu füllen? Eine seltsame Vorstellung, die man uns von der Gottheit gibt, von einem Gott, dessen wesentliche Eigenschaften unumschränkte Gerechtigkeit und uneingeschränkte Güte sind! Und es geschieht im Namen Jesu Christi, der nur Liebe, Barmherzigkeit und Vergebung gepredigt hat, dass solche Lehren verbreitet werden! Es gab eine Zeit, in der solche Regelwidrigkeiten unbemerkt blieben; man begriff sie nicht, man fühlte sie nicht; der Mensch, gebeugt unter dem Joch der Gewaltherrschaft, unterwarf seine Vernunft blind oder gab sie oft freiwillig selbst auf. Aber heutzutage hat die Stunde der Befreiung geschlagen. Er begreift die Gerechtigkeit, er will sie während seines Lebens und nach seinem Tode geltend wissen; darum spricht er: "Das gibt es nicht, das kann nicht sein, oder Gott ist nicht Gott."


16. Die Strafe folgt diesen gefallenen und verfluchten Wesen überall hin und sie tragen ihre Hölle stets bei sich. Sie haben keine Ruhe und keinen Frieden mehr. Selbst die Süße der Hoffnung hat sich für sie in Bitterkeit verwandelt; Hoffnung ist ihnen verhasst. Die Hand Gottes hat sie inmitten ihrer sündigen Tat getroffen und ihr Wille hat sich im Bösen verhärtet. Nachdem sie böse geworden sind, wollen sie nicht mehr aufhören, es zu sein und sind es für immer.

Sie sind nach der Sünde, was der Mensch nach dem Tod ist. Die Wiedereingliederung für die Gefallenen ist daher unmöglich. Ihr Verlust ist nunmehr ohne Wiederkehr und sie beharren in ihrem Hochmut gegenüber Gott, in ihrem Hass gegen Christus und in ihrer Eifersucht auf die Menschheit.

Da sie die Herrlichkeit des Himmels nicht erlangen konnten, weil sie in ihrem Ehrgeiz so hochgeflogen sind, trachten sie danach, ihr Reich auf Erden zu errichten und die Herrschaft Gottes von dort zu verbannen. Das zu Fleisch gewordene Wort hat gegen ihren Willen sein Vorhaben für die Rettung und die Würde der Menschheit ausgeführt. Alle ihre Mittel zum Handeln sind auf das Ziel gerichtet, Ihm die Seelen zu entreißen, die er erlöst hat. List, Zudringlichkeit, Lüge und Verführung, alles setzen sie daran, um sie ins Böse zu treiben und ihren Untergang zu vollenden.

Bei solchen Feinden kann das Leben des Menschen von seiner Wiege bis zum Grab doch nur ein beständiger Kampf sein, denn sie sind mächtig und unermüdlich.

ln der Tat sind diese Feinde dieselben, die, nachdem sie das Böse in die Welt gebracht haben, es geschafft haben, die Erde mit der dichten Finsternis des Irrtums und des Lasters zu bedecken; dieselben, die sich viele Jahrhunderte hindurch als Götter anbeten ließen und als Herrscher über die Völker des Altertums geherrscht haben; dieselben, die noch heute ihre tyrannische Herrschaft über die Götzen anbetenden Regionen ausüben und die Unordnung und Skandale bis mitten in den Schoß der christlichen Gemeinschaften stiften.

Um zu begreifen, was ihnen alles an Hilfsmitteln zum Dienst für ihre Bosheit zur Verfügung steht, genügt die Feststellung, dass sie von den erstaunlichen Fähigkeiten, die eine Eigenschaft ihrer engelhaften Natur sind, nichts verloren haben. Ohne Zweifel haben die Zukunft und vor allem die übersinnliche Ordnung Geheimnisse, die sich Gott vorbehalten hat und die sie nicht aufdecken können. Aber ihre Intelligenz ist der unseren weit überlegen, weil sie mit einem Blick die Wirkungen in ihren Ursachen und die Ursachen in ihren Wirkungen erkennen. Dieser Scharfblick erlaubt ihnen, im Voraus Ereignisse anzukündigen, die unseren Vermutungen entgehen. Die Entfernung und Verschiedenheit der Orte verschwinden vor ihrer Beweglichkeit. Schneller als der Blitz und rascher als der Gedanke sind sie fast gleichzeitig an verschiedenen Punkten der Erde und können in der Ferne die Dinge beschreiben, von denen sie Zeuge sind, im gleichen Augenblick, in dem sich diese ereignen.

Die allgemeinen Gesetze, durch die Gott dieses Universum regiert und leitet, gehören nicht zu ihrem Wirkungsbereich. Davon können sie nicht abweichen, folglich auch nicht wahrhaftige Wunder vorhersagen oder bewirken. Aber sie besitzen innerhalb gewisser Grenzen die Kunst der Nachahmung und Fälschung der göttlichen Werke. Sie wissen, welche Phänomene aus der Verbindung der Elemente hervorgehen und sagen mit Bestimmtheit diejenigen voraus, die natürlich eintreten werden, so wie jene, die sie aus eigener Macht hervorbringen können. Daher gibt es jene zahlreichen Vorhersagen, jene außergewöhnlichen Erscheinungen, von denen uns die heiligen und weltlichen Bücher berichten und die als Nährboden für alle Formen des Aberglaubens dienten.

Ihr einfaches und immaterielles Wesen entzieht sie unseren Blicken. Sie sind an unserer Seite, ohne wahrgenommen zu werden. Sie beeindrucken unsere Seele, ohne an unser Ohr zu dringen. Wir glauben, unseren eigenen Gedanken zu folgen, während wir ihren Versuchungen und ihrem verderblichen Einfluss erliegen. Unsere Anlagen und Zustände dagegen sind ihnen durch die Eindrücke, die wir von ihnen haben, bekannt und sie greifen uns gewöhnlich an unserer Schwachstelle an. Um uns sicherer zu verführen, haben sie die Gewohnheit, uns Verlockungen und Einflüsterungen anzubieten, die unseren Neigungen entsprechen. Sie verändern ihre Wirkungsweise je nach den Umständen und den charakteristischen Zügen jeder Stimmungslage. Ihre bevorzugten Waffen sind jedoch Lüge und Heuchelei.


17. Die Strafe, sagt man, folgt ihnen überall hin, sie haben keinen Frieden und keine Ruhe mehr. Das entwertet keineswegs die über die Gnadenfrist gemachte Bemerkung, von der die, die nicht in der Hölle sind, eine umso weniger gerechtfertigte Frist genießen, da sie mehr Böses tun, wenn sie draußen sind. Ohne Zweifel sind sie nicht glücklich, so wie die guten Engel, aber zählt die Freiheit, die sie genießen, nichts? Wenn sie das geistige Glück, das die Tugend bietet, nicht besitzen, so sind sie unbestreitbar weniger unglücklich als ihre Mittäter, die in den Flammen sind. Und für den Bösen ist es dann eine Art Vergnügen, in aller Freiheit Böses zu tun. Fragt einen Verbrecher, ob es ihm gleichgültig ist, im Gefängnis zu sitzen oder durch die Felder zu laufen und ganz nach Belieben seine Missetaten zu verüben.

Die Situation ist genau dieselbe. Die Gewissensbisse, sagt man, verfolgen sie ohne Rast und Erbarmen. Aber man vergisst, dass Gewissensbisse die unmittelbaren Vorläufer der Reue sind, falls sie nicht bereits die Reue selbst sind. Man sagt: “Nachdem sie böse geworden sind, wollen sie durchaus nicht aufhören, es zu sein und bleiben es für immer.” Dass sie nicht aufhören wollen, lasterhaft zu sein, rührt nur daher, dass sie keine Gewissensbisse haben. Fühlten sie das geringste Bedauern, so würden sie aufhören Böses zu tun und um Verzeihung bitten. Also sind die Gewissensbisse für sie keine Strafe.


18. “Sie sind nach der Sünde, was der Mensch nach dem Tod ist. Die Rehabilitierung für die, die gefallen sind, ist daher unmöglich." Woher kommt diese Unmöglichkeit? Man begreift nicht, dass sie die Folge ihrer Ähnlichkeit mit dem Menschen nach dem Tod ist, eine Behauptung, die übrigens nicht sehr klar ist. Kommt diese Unmöglichkeit von ihrem eigenen oder vom Willen Gottes? Wenn sie die Folge ihres Willens ist, bedeutet dies eine äußerste Entartung, eine erbarmungslose Verhärtung im Bösen. Daher begreift man nicht, dass so von Grund auf schlechte Wesen jemals tugendhafte Engel gewesen sein konnten und dass sie während der endlosen Zeit, die sie unter den Guten verbracht haben, in der Lage waren, keine Spur ihres bösen Wesens durchscheinen zu lassen. Wenn man den Willen Gottes betrachtet, versteht man noch weniger, dass Gott als Strafe für einen ersten Fehltritt die Unmöglichkeit der Rückkehr zum Guten auferlegt. Das Evangelium sagt nichts dergleichen.


19. “Ihr Verlust", so fügt man hinzu, “ist nunmehr ohne Wiederkehr und sie verharren in ihrem Hochmut gegenüber Gott”. Wozu sollte es ihnen dienen, nicht darin zu beharren, da ja alle Reue umsonst ist? Wenn sie Hoffnung auf Wiedergutmachung hätten, um welchen Preis es auch immer sei, so würde das Gute einen Zweck für sie haben, während es so keinen gibt. Wenn sie auf dem Bösen beharren, so geschieht es also, weil ihnen die Tür der Hoffnung verschlossen bleibt. Aber warum verschließt Gott sie ihnen? Um sich für die Beleidigungen zu rächen, die er durch ihr Verweigern der Unterwerfung empfangen hat. Um also seinen Groll gegen einige Schuldige zu besänftigen, zieht er es vor, sie nicht nur leiden zu sehen, sondern lieber das Böse als das Gute tun; alle seine Geschöpfe des Menschengeschlechts zum Bösen zu verleiten und in das ewige Verderben zu stoßen, obwohl eine einfache Tat des Erbarmens genügt hätte, um ein so großes Unglück zu verhindern, ein Unglück das von aller Ewigkeit her vorgesehen war.

Hätte es sich bei dem Akt der Barmherzigkeit noch um eine reine und einfache Gnade gehandelt, die vielleicht eine Ermutigung zum Bösen gewesen wäre? Nein, sondern eine Verzeihung mit Bedingung, abhängig von einer aufrichtigen Rückkehr zum Guten. Anstatt eines Wortes der Hoffnung und der Barmherzigkeit lässt man Gott sagen: „Lieber soll das ganze Menschengeschlecht zugrunde gehen als meine Rache!“ Und man wundert sich, dass es bei einer solchen Lehre Ungläubige und Gottesleugner gibt! Stellt Jesus uns so seinen himmlischen Vater dar? Er, der uns das Vergessen und Vergeben der Beleidigungen ausdrücklich zum Gesetz macht und uns sagt, dass wir Böses mit Gutem vergelten sollen? Er, der die Liebe zu seinen Feinden in die erste Reihe der Tugenden stellt, die uns den Himmel verdienen sollen, würde Er verlangen, dass die Menschen besser, gerechter, mitfühlender wären als Gott selbst?



Die Teufel im Lichte des Spiritismus

20. Nach der Spiritistischen Lehre sind weder Engel noch Teufel besondere Wesen. Die Schöpfung der intelligenten Wesen ist eine Einheit. Vereinigt mit materiellen Körpern machen sie die Menschheit aus, die die Erde und die anderen bewohnten Welten bevölkern. Befreit von diesem Körper, bilden sie die geistige Welt oder die Welt der Geister, die den Raum bevölkern. Gott hat sie vervollkommnungsfähig erschaffen. Er hat ihnen als Ziel die Vollkommenheit auferlegt und das Glück, das daraus folgt; aber er hat ihnen nicht die Vollkommenheit gegeben. Er wollte, dass sie diese ihrer eigenen Arbeit verdanken, damit sie das Verdienst davon haben. Vom Augenblick ihrer Entstehung an, schreiten sie voran, sei es im Zustand der Inkarnation oder im geistigen Zustand. Sind sie auf dem Höhepunkt ihrer Entwicklung angekommen, sind sie reine Geistwesen oder Engel nach der üblichen Bezeichnung, so dass es von der Keimzelle des intelligenten Wesens bis hin zum Engel eine ununterbrochene Kette gibt, in der jedes Glied eine Stufe auf dem Weg des Fortschritts kennzeichnet.

Daraus ergibt sich, dass es Geistwesen auf allen Stufen des moralischen und intellektuellen Aufstiegs gibt, je nachdem ob sie oben, unten oder auf der Mitte der Entwicklungsleiter stehen. Folglich gibt es sie auf allen Stufen des Wissens und der Ignoranz, der Güte und der Bosheit. In den niederen Reihen gibt es welche, die noch zutiefst dem Bösen verfallen sind und sich darin gefallen. Man kann sie Dämonen nennen, wenn man will, denn sie sind zu allen ihnen zugeschriebenen Missetaten fähig. Wenn die Spiritistische Lehre ihnen nicht diesen Namen gibt, so geschieht das, weil sich damit die Vorstellung von Wesen verbindet, die sich von der Menschheit unterscheiden, von grundsätzlich boshafter Natur, auf ewig dem Bösen geweiht und unfähig sind, im Guten fortzuschreiten.


21. Nach der Lehre der Kirche sind die Dämonen als gut erschaffen worden und durch ihren Ungehorsam böse geworden: das sind die gefallenen Engel. Sie wurden von Gott auf die Höhe der Leiter gestellt und sind herabgefallen. Nach der Spiritistischen Lehre sind es unvollkommene Geister, die sich aber bessern werden; sie stehen noch unten auf der Leiter und werden aufsteigen.

Diejenigen, die durch ihre Sorglosigkeit, ihre Nachlässigkeit, ihre Verstocktheit und ihren schlechten Willen länger in den niederen Reihen verbleiben, tragen die Strafe davon, und die Gewohnheit des Bösen macht es ihnen schwerer, aus diesen herauszukommen. Aber es kommt eine Zeit, wo sie dieser mühevollen Existenz und der Leiden müde werden, die die Folge davon sind. Dann vergleichen sie ihre Lage mit der der guten Geister, begreifen, dass ihr Vorteil im Guten liegt und streben danach, sich zu bessern. Aber sie tun es aus eigenem Willen und ohne dazu gezwungen zu werden. Sie sind wegen ihrer Fähigkeit fortzuschreiten dem Gesetz des Fortschritts unterworfen, aber sie schreiten durchaus nicht gegen ihren Willen fort. Gott bietet ihnen unaufhörlich die Mittel dazu; aber es steht ihnen frei, sie zu nutzen oder nicht. Wenn der Fortschritt unumgänglich wäre, so hätten sie kein Verdienst und Gott will, dass sie das ihrer Werke haben. Er stellt niemanden aufgrund von Privilegien in die erste Reihe, sondern die erste Reihe steht allen offen, und sie gelangen nur durch ihre Anstrengungen dahin. Die erhabensten Engel haben ihre Stufe wie alle anderen erobert, indem sie die gemeinsame Laufbahn durchschritten haben.


22. Sobald die Geister auf einer gewissen Stufe der Läuterung angelangt sind, erhalten sie Aufgaben, die ihrem Fortschritt entsprechen. Sie erfüllen all jene, die den Engeln der verschiedenen Ordnungen zugewiesen sind. Da Gott von aller Ewigkeit her geschaffen hat, haben sich von aller Ewigkeit solche gefunden, um alle Bedürfnisse der Leitung des Weltalls zu befriedigen. Eine einzige Gattung intelligenter Wesen, dem Gesetz des Fortschritts unterworfen, genügt also für alles. Diese Einheit in der Schöpfung, zusammen mit dem Gedanken, dass alle einen gleichen Ausgangspunkt und dieselben Wege zu durchlaufen haben, und dass sie durch ihr eigenes Verdienst aufsteigen, entspricht weit mehr der Gerechtigkeit Gottes, als die Erschaffung verschiedener mehr oder weniger begünstigter Arten, die mit natürlichen Gaben ausgestattet wären, die ebenso viele Privilegien sein würden.


23. Die gewöhnliche Lehre über das Wesen der Engel, der Dämonen und der menschlichen Seelen, die das Gesetz des Fortschritts nicht anerkennt und dennoch Wesen auf verschiedenen Stufen sieht, hat daraus geschlossen, sie seien die Hervorbringung von ebenso vielen besonderen Schöpfungen. Sie schafft es auf diesem Wege, aus Gott einen parteiischen Vater zu machen, der einigen seiner Kinder alles schenkt, während er den anderen die härteste Arbeit auferlegt. Es ist nicht verwunderlich, dass die Menschen lange Zeit hindurch nichts Anstößiges in diesen Bevorzugungen gefunden haben, zu einer Zeit, in der sie es durch das Erstgeburtsrecht und der Privilegien der Geburt ebenso bezüglich ihrer eigenen Kinder hielten, konnten sie glauben, schlechter als Gott zu handeln? Aber heute hat sich der Horizont der Vorstellungen erweitert. Sie sehen klarer. Sie haben klarere Vorstellungen von Gerechtigkeit. Sie beanspruchen sie für sich, und wenn sie diese nicht immer auf der Erde finden, so hoffen sie wenigstens, sie im Himmel vollkommener zu finden. Darum widerstrebt jede Lehre ihrer Vernunft, in der die göttliche Gerechtigkeit ihnen nicht in ihrer größten Reinheit erscheint.