4. Das Verbot des Mose war umso mehr gerechtfertigt, als man die Toten nicht aus Achtung und Zuneigung für sie oder einem Gefühl von Frömmigkeit anrief. Es war ein Mittel für Weissagungen, wie so manche Deutungen von Omen, ausgebeutet von betrügerischer Scharlatanerie und vom Aberglauben. Obwohl er es hätte tun können, so gelang es ihm nicht, diese nun geschäftlich genutzte Gewohnheit zu entwurzeln, wie das die folgenden Stellen des gleichen Propheten bezeugen:
"Wenn sie aber zu euch sagen: Ihr müsst die Totengeister und Beschwörer befragen, die da flüstern und murmeln, so sprecht: Soll nicht ein Volk seinen Gott befragen? Oder soll man für Lebendige die Toten befragen?” (Jesaja, Kap. 8, Vers 19).
"Ich bin es, der die Zeichen der Wahrsager zunichtemacht und die Weissager zu Narren; der die Weisen zurücktreibt und ihre Kunst zur Torheit macht.” (Jesaja, Kap. 44, Vers 25).
"Du hast dich müde gemacht mit der Menge deiner Pläne. Es sollen hertreten und dir helfen die Meister des Himmelslaufs und die Sterngucker, die an jedem Neumond kundtun, was über dich kommen werde! Siehe, sie sind wie Stoppeln, die das Feuer verbrennt, sie können ihr Leben nicht erretten vor der Flamme Gewalt. Denn es wird nicht eine Glut sein, an der man sich wärmen, oder ein Feuer, um das man sitzen könnte. So sind alle, um die du dich bemüht hast, die mit dir Handel trieben von deiner Jugend auf: Ein jeder wird hierhin und dorthin wanken, und du hast keinen Retter!" (Jesaja, Kap. 47, Vers In diesem Kapitel wendet sich Jesaja in Vers 1 an die BabyIonier, unter der sinnbildlichen Gestalt der "jungfräulichen Tochter Babylon, der Tochter der Chaldäer." Er sagt, dass die Zauberer den Untergang ihrer Alleinherrschaft nicht aufhalten werden. Im folgenden Kapitel wendet er sich unmittelbar an die Israeliten.
"Ihr aber, tretet herzu, ihr Söhne der Zauberin, ihr Kinder des Ehebrechers und der Hure! Mit wem wollt ihr euren Spott treiben? Über wen wollt ihr das Maul aufsperren und die Zunge herausstrecken? Seid ihr nicht abtrünnige Kinder, ein verkehrtes Geschlecht, die ihr bei den Götzeneichen in Brunst geratet, unter allen grünen Bäumen, und die Kinder schlachtet in den Tälern unter den Felsklippen? Bei den glatten Steinen im Tal ist dein Teil, sie sind dein Los. Ihnen hast du dein Trankopfer ausgeschüttet, hast du Speisopfer geopfert. Sollte ich mich darüber nicht empören?” (Jesaja, Kap. 57, Vers 3 - 6).
Diese Worte sind eindeutig. Sie beweisen klar, dass Anrufungen zu jener Zeit der Wahrsagerei dienten und man aus ihnen ein Gewerbe machte. Sie waren mit der Ausübung geheimer Kunst und des Zauberbannes verbunden und sogar von Menschenopfern begleitet. Mose hatte also Recht, diese Dinge zu verbieten und zu sagen, Gott würde sie verabscheuen. Diese abergläubischen Praktiken haben sich bis ins Mittelalter hinein erhalten. Heutzutage aber hat sie die Vernunft widerlegt, und die Spiritistische Lehre ist gekommen, die ausschließlich moralische, tröstliche und Gott ehrende Absicht der Berichte aus dem Jenseits aufzuzeigen. Da die Spiritisten ja "keine kleinen Kinder opfern und keine Trankopfer bringen, um die Götter zu ehren", da sie weder die Sterne noch die Toten oder die Zeichendeuter befragen, um die Zukunft zu erfahren, die Gott den Menschen wohlweislich verborgen hat, da sie sämtlichen Gewinn zurückweisen aus der Fähigkeit, die einige empfangen haben, sich mit den Geistern einzulassen, da sie weder von Neugierde noch von Gier getrieben werden, sondern von einem frommen Gefühl und dem alleinigen Wunsch zu lernen, sich zu verbessern und leidende Seelen zu trösten, so betrifft sie das Verbot des Moses in keinster Weise. Diejenigen, die es gegen die Spiritisten anführen, hätten es verstanden, wenn sie den Sinn der biblischen Worte tiefer erfasst hätten. Sie hätten erkannt, dass es keine Übereinstimmung zwischen dem, was sich bei den Hebräern zutrug, und den Grundsätzen des Spiritismus gibt. Weit mehr noch: Dass der Spiritismus genau das verurteilt, was das Verbot des Moses begründete. Aber geblendet von dem Wunsch, einen Beweis gegen die neue Denkweise zu finden, haben sie nicht bemerkt, dass diese Argumentation zu vollständig falschen Schlüssen führt.
Das bürgerliche Gesetz unserer Tage bestraft alle Missbräuche, die Mose beenden wollte. Wenn Mose das Höchstmaß an Strafe gegen die Übeltäter verkündet hat, dann bedurfte es eben strenger Maßnahmen, um dieses an Disziplin noch nicht gewöhnte Volk zu lenken. Auch wird die Todesstrafe in seiner Gesetzgebung ausgiebig angewandt. Er hatte übrigens keine große Wahl in seinen Maßnahmen der Bestrafung; er hatte weder Gefängnisse noch Zuchthäuser in der Wüste, und sein Volk zeigte keine Angst vor reinen Gefängnisstrafen. Er konnte seine Strafmaßnahmen nicht abstufen, wie man es heutzutage tut. Zu Unrecht stützt man sich also auf die Härte der Bestrafung, um das Ausmaß der Schuld für die Anrufungen der Toten zu begründen. Sollte es aus Achtung für das Gesetz von Mose erforderlich sein, die Todesstrafe in allen Fällen aufrechtzuerhalten, wo er sie anwendete? Aus welchem anderen Grund lässt man diese Bestimmung mit so viel Beharrlichkeit wiederaufleben, während man doch stillschweigend über den Anfang des Kapitels hinwegsieht, das den Priestern verbietet, irdische Güter zu besitzen und an irgendeiner Erbschaft teilzuhaben, weil der Herr selbst ihr Erbe sei? (5. Buch Mose, Kap. 18, Vers 1 - 2).
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